Genderkonstruktionen im Superheldenkollektiv. Am Beispiel der "Avengers" in Marvel's Cinematic Universe


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

GLIEDERUNG

1. Die Spitze des Superheldenbooms in Marvel’s Cinematic Universe

2. Methode

3. Gender im Allgemeinen sowie im Kontext der medialen Darstellung

4. Rollenbilder im Superheldenkollektiv Avengers des Marvel Cinematic Universe
4.1 Die vorherrschenden männlichen Rollenbilder
4.1.1 Iron Man: egozentrischer Visionär in „angezogener Männlichkeit“
4.1.2 Captain America: dominanter Macher und Moralist
4.1.3 Konkurrierende hegemoniale Männlichkeiten
4.2 Die vorherrschenden weiblichen Rollenbilder
4.2.1 Black Widow: erotische Kämpferin mit Stärken und Schwächen
4.2.2 Scarlet Witch: emotionale Trickserin in männlicher Abhängigkeit
4.2.3 Das Problem mit der Frau im Team

5. Risiken und Potenziale der dargestellten Genderkonzepte des Avenger-Kollektivs

6. Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Die Spitze des Superheldenbooms in Marvel’s Cinematic Universe

Übermenschliche Stärke, außergewöhnliche Intelligenz, Schnelligkeit, tierähnliche Reflexe - die Liste der Superkräfte ist lang. Ebenso wie die Liste der Helden selbst. In Comics zu Hause waren sie jedoch lange nur für einen eingeschränkten Rezipientenkreis von Bedeutung. Als Superman und Batman die Kinosäle eroberten, wuchs auch das Publikum, das von den modernen Heroengeschichten fasziniert war. Eine Renaissance, die sich bis heute zu einem regelrechten Boom entwickelt hat, erlebte das Superhelden-Genre zu Beginn der 2000er. Die Welle an Superheldenfilmen führte zu einem deutlich erweiterten Anhängerkreis und einer damit ebenfalls wachsenden Anzahl an Heroen. Superman, Batman und Spiderman sind seither lange nicht mehr die einzigen Helden, die ihren Weg aus den Comics auf die Leinwand fanden. Durch die neue Popularität und die breite Rezeption öffnete Marvel 2008 mit dem Tochterunternehmen Marvel Studios die Tür zu einer Vielzahl weiterer Superhelden. Denn mit dem Film Iron Man fand das „Marvel Cinematic Universe“ seinen Anfang. Der Begriff beschreibt ein von den Marvel Studios geschaffenes filmisches Universium, das auf den Figuren der Marvel Comics basiert. Figurnamen, Charakterzüge und Biographien der Protagonisten werden aus den Comics entlehnt, aber für die Filme neu interpretiert. Außerdem bedient sich das filmische Erzähluniversium einem Stilmittel aus den Comicvorlagen: Schauplätze, Figuren und Handlungsstränge werden über mehrere Filme hinweg miteinander verbunden. Dadurch entsteht eine Intertextualität, die mittlerweile nicht nur Kinofilme, sondern auch Kurzfilme und Fernsehserien, zu einem großen transmedialen Universium verlinkt. Die medienübergreifende Serialisierung bringt die Faszination Superheldenfilme auf eine neue Stufe. Den anhaltenden Erfolg verdankt das Marvel Cinematic Universe, das von den Filmemachern schon bis 2020 vorgeplant wurde, der Evolution der Figuren und ihrer Beziehungen. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem die Figuren Tony Stark alias Iron Man und Steve Rogers als Captain America, die innerhalb des eingeführten Heldenkollektivs der Avengers sowie in Solofilmen immer wieder als Gegenpole von Leitidealen inszeniert werden. Zahlreiche Mitstreiter, die wie Thor, Ant-Man oder Spiderman teilweise als Hauptrollen in eigenen Filmauskopplungen im Cinematic Universe fungieren, ergänzen das Puzzle an verschiedenen Superheldentypen. Zudem erweiterten Filme über die Guardians of the Galaxy als weiteres, im Weltall angesiedeltes Heldenkollektiv und Doktor Strange das Universium in jüngster Zeit. Auffällig ist, dass die Marvel Studios deutlich mehr männliche als weibliche Superhelden für Frieden und Freiheit kämpfen lassen und ausschließlich Männer Hauptfiguren in den Franchisefilmen sind. Natasha Romanoff aka Black Widow, die ebenfalls eine immer wiederkehrende Protagonistin innerhalb von Marvel’s Filmuniversium ist, hat hingegen keinen eigenen Kinostreifen und war lange die einzige Frau im Superheldenreigen. Obwohl sie in insgesamt fünf Filmen repräsentiert ist,1 wird ihrer Charakterentwicklung jeweils nur in Form einer Nebenrolle, beziehungsweise als weiblicher Part innerhalb eines Teams, Platz eingeräumt. Nichtsdestotrotz verkörpert sie als Superheldin ein auf den ersten Blick starkes Frauenbild. Wanda Maximoff alias Scarlet Witch und Gamora aus Guardians of the Galaxy, die die Zahl der weiblichen Heroen im Marvel Universum jüngst verstärkten, weisen auf eine beginnende Trendwende hin - weg vom männlich dominierten Superheldenkino. Die Einführung neuer Heldinnen ins Kollektiv von Marvel bedingt allerdings nicht gleichzeitig auch die Inszenierung als ebenbürtig. Da das Filmuniversum sehr populär ist, sind die in den Blockbustern vermittelten Genderkonzepte zu Weiblich- und Männlichkeit gleichzeitig sehr reichenweitenstark und beeinflussen potenziell ein breites Publikum. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb die vorherrschenden Genderkonstruktionen in Heldenkollektiv der Avengers zu analysieren und einzuordnen.

2. Methode

Der in der Einleitung formulierte Forschungsgegenstand erfordert zunächst die Klärung der Begriffe Gender, Genderisierung sowie Sexismus und die Einbettung in den Kontext des Films. Anschließend werden einige exemplarisch aus dem Marvel Cinematic Universe ausgewählte Charaktere hinsichtlich ihrer Geschlechterrollen analysiert. Die männlichen Repräsentanten sind dabei Iron Man und Captain America, die weiblichen Black Widow und Scarlet Witch. Die Ergebnisse dieser Betrachtung münden in der Charakterisierung von Männlich- und Weiblichkeiten in den Superheldenfilmen über das Heldenkollektiv Avengers. Diese Charakterisierung macht eine Endbetrachtung mit der Einteilung in Risiken und Chancen der inszenierten Genderkonzepte möglich.

3. Gender im Allgemeinen sowie im Kontext der medialen Darstellung

Im Duden nachgeschlagen, steht zur Bedeutung des Begriffs Gender folgendes: „Geschlechtsidentität des Menschen als soziale Kategorie (z. B. im Hinblick auf seine Selbstwahrnehmung, sein Selbstwertgefühl oder sein Rollenverhalten)“2. Demnach ist Gender als soziales Geschlecht zu verstehen. Anders als das biologische Geschlecht und die damit verbundenen geschlechtsspezifischen Unterschiede von Mann und Frau, ist Gender keine natürliche Gegebenheit sondern erwächst aus dem sozialen Umfeld. Gitta Mühlen-Achs beschreibt Gender in ihrem Artikel Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts wie folgt:

Gender ist ein in den Sozialwissenschaften schon seit geraumer Zeit etablierter Begriff zur Bezeichnung jener nicht naturgegebenen Aspekte von Geschlechtlichkeit, die sich kulturspezifisch entwickeln, d. h. in zeitlicher und räumlicher Differenzierung und aus bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen heraus.3

Diese Definition zeigt, dass Gender von außen an den Menschen herangetragen wird. Durch die Sozialisation in einem bestimmten Kulturkreis, können die Ausprägungen dessen was das soziale Geschlecht ausmacht also abweichen. Durch Zuschreibungen von geschlechtsspezifisch als typisch angesehenen Fähigkeiten und Tätigkeiten bildet sich ein Bild davon wie Frau und Mann in der jeweiligen Gesellschaft zu sein haben. Dass bestimmtes Verhalten und Aussehen als „männlich“ oder „weiblich“ bewertet wird, liegt demnach an einem gesellschaftlichen und individuellen Prozess der Zuschreibung von Eigenschaften.

Dieser Prozess der Vermittlung von geschlechtlichen Aspekten wird auch Genderisierung genannt und ist anders ausgedrückt die „kulturelle[…] Konstruktion von Geschlecht“ (Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. Mühlen-Achs. S.20)., deren Produkt die soziale Geschlechtsidentität, also Gender, ist. Nachdem ein Mensch aufgrund seiner biologischen Merkmale einem Geschlecht zugeordnet wurde, erfolgt meist auch die Einordnung in die dementsprechende Genderkategorie. Das zeigt sich oft schon im Säuglingsalter, indem Mädchen rosa und Jungen blaue Kleidung angezogen wird. Die mit der Einteilung in Mädchen- beziehungsweise Jungenfarbe beginnende Kategorisierung geschlechterspezifischer Merkmale, setzt sich mit zunehmendem Alter fort. Gitta Mühlen- Achs beschreibt, dass die Eigenschaften dabei polar sind, also Gegensatzpaare wie aktiv und passiv, mutig und ängstlich oder stark und schwach bilden. (Vgl. Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. Mühlen-Achs. S.21) Beim Lesen dieser Gegensatzpaare setzen die ersten Assoziationen unwillkürlich das weibliche Geschlecht mit den vordergründig „schlechteren“ Eigenschaften in Verbindung. Eine Vielzahl der Menschen würde eher Frauen Attribute wie „passiv“, „schwach“ und „ängstlich“ zuordnen. Die jeweiligen Gegensatzbegriffe, die in ihrer Bedeutung miteinander korrelieren, bleiben den Männern vorbehalten. So zeigt sich schon hier in der Zuschreibung von Attributen eine „erfolgreiche Genderisierung“ (Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. Mühlen-Achs. S.21). Diese lässt Frauen vorwiegend „feminine“ und Männer dementsprechend „männliche“ Fertigkeiten und Merkmale ausprägen. Letztendlich seien die beiden Geschlechter am Ende zwei „vollkommen verschiedene Wesen […], unterschiedlich in ihrer Erscheinung, ihren Verhaltensweisen, Empfindungen, Gefühlen, Eigenschaften, Interessen, Fähigkeiten und Daseinszwecken.“ (Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. S. 21) Außer Acht gelassen wird in dieser Darstellung, dass die Genderisierung doch ein individueller Prozess bleibt und auch Gender und die damit einhergehenden

Geschlechterrollen dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen. Nichtsdestotrotz sind die Genderkategorien starke Einflussgrößen, da sie wie bereits beschrieben meist von Geburt an an die Menschen herangetragen werden und deshalb oft nicht als sozial gewachsen sondern als natürlich angesehen werden. Diesen tiefenpsychologischen Aspekt sieht auch Gitta Mühlen-Achs. Er erkläre „die erstaunliche Widerständigkeit gegenüber Veränderungsversuchen von außen“ (Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. S. 17). Der oben bereits dargestellte Polarisierungsprozess von Attributen, der mit der Genderisierung einhergeht und Frauen eher negative und passive Merkmale zuschreibt, begründet auch die Ungleichheit in der Gesellschaft. Eine Begleiterscheinung der Genderkonstruktion von Weiblich- und Männlichkeit ist Sexismus.

Unter Sexismus wird die Vorstellung verstanden, dass ein Geschlecht dem anderen unterlegen ist. Diese angenommene Unterlegenheit rechtfertigt in der Folge Unterdrückung und Benachteiligung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Laut Gitta Mühlen-Achs ist ein Frauenbild sexistisch, „wenn es Vorstellungen von der „Besonderheit“, der „Minderwertigkeit“ und der „Bedeutungslosigkeit“ von Frauen konstruiert, bestätigt und weitertransportiert.“ (Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. S. 17)

Gerade in den Medien wurden Frauen lange und werden auch heutzutage noch sehr oft als das „schwache“ oder auch das „schöne“ Geschlecht inszeniert. Gestützt auf die bereits angesprochene These, dass Gender durch einen gesellschaftlichen Prozess entsteht, der sich aus kulturellen und sozialen Werten zusammensetzt, ist auch die mediale Konstruktion von Weiblich- und Männlichkeit eine Einflussgröße auf die vorherrschenden Geschlechterbilder. Immerhin spiegeln sich in Literatur und Film oft die Wertvorstellungen ihrer Produktionsgesellschaft und -zeit, wobei ebendiese durch literarisch, filmische Mittel aufgebrochen und neu formuliert werden können. Gerade durch das semiotische Konzept des Kinos, das den Rezipienten in eine „andere“ Welt mitnimmt und durch fiktive Figuren mit Vorbildfunktion Identifikationsmaterial bietet, haben die Filmemacher Einfluss auf das was die Zuschauer bewegt. Sie können fortschrittliche Genderkonzepte darstellen, die vor allem auf sexistische Darstellung von Frauen verzichten, und so Debatten anstoßen. Andererseits ist es möglich, dass die Inszenierung von klischeehaften Geschlechterrollen althergebrachte Weiblich- und Männlichkeitskonzepte verfestigt. Der Beitrag der Populärkultur, wie beispielsweise des Superheldenkinos, zur Konstruktion von Gender ist demnach nicht zu unterschätzen. Der nächste Abschnitt dieser Arbeit charakterisiert deshalb typische Rollenbilder, wie sie im Superheldenkollektiv Avengers des Marvel Cinematic Universe gezeichnet werden.

4. Rollenbilder im Superheldenkollektiv Avengers des Marvel Cinematic Universe

Die Komplexität des Superheldenkollektivs The Avengers hat sich über mehrere Filme hinweg immer weiter gesteigert. Mit dem gleichnamigen Film wurde es von den Marvel Studios im Jahre 2012 in das Cinematic Universe eingeführt. Zuvor hatte es in der Schlussszene von Iron Man 2 schon Hinweise auf die Initiative zur Zusammenstellung eines Teams aus Superhelden gegeben und auch der Titel des ersten Captain-America-Films The First Avenger, bezieht sich auf seine spätere Zugehörigkeit zum Kollektiv. Neben Tony Stark als Iron Man und Steve Rogers als Captain America gehören im ersten Avengers-Film Bruce Banner als Hulk, der Halbgott Thor, der Bogenschütze Clint Barton alias Hawk Eye und Natasha Romanoff als Black Widow zum Team. In Avengers: Age of Ultron stoßen Wanda Maximoff als Scarlet Witch und der Androide Vision zu den Rächern. Sie werden in der Schlussszene gemeinsam mit Sam Wilson alias Falcon und James Rhodes als War Machine, die beide schon als Nebenrollen aus Vorgängerfilmen bekannt sind, trainiert um endgültig Teil des Superheldenkollektivs zu werden. Weitere Zugänge zum Team ergeben sich in The First Avenger: Civil War. Captain America rekrutiert Scott Lang, den Ant-Man und arbeitet außerdem mit dem Winter Soldier, seinem alten Freund „Bucky“ Barnes zusammen. Iron Man holt den jungen Peter Parker alias Spiderman ins Team und wird von T’Challa, der König von Wakanda und der Black Panther ist, unterstützt. Ob diese vier „Neuen“ allerdings tatsächlich beständige Teile des Teams waren beziehungsweise bleiben, ist fraglich, denn am Ende des Films sind die Avengers entzweit. Das Superheldenkollektiv ist nichtsdestotrotz im Laufe der Filme immer weiter angewachsen wodurch sich auch die Komplexität der dargestellten Genderstrukturen potenziert hat. Vor allem immer mehr unterschiedlich ausgeprägte Typen von Männlichkeit prallen aufeinander. Die Vielfalt der weiblichen Figuren wird lediglich durch zwei Heldinnen, Black Widow und Scarlet Witch, dargestellt. Diese beiden femininen Superheldentypen werden im Nachfolgenden hinsichtlich ihrer Weiblichkeitsinszenierung analysiert. Als ergänzende Untersuchungsgegenstände werden aus der Riege der männlichen Helden exemplarisch Iron Man und Captain America herausgegriffen. Sie eigenen sich für die Betrachtung, da sie im Marvel Cinematic Universe sehr dominant vertretenen sind und als Leiter des Kollektivs der Avengers dargestellt werden. Der Einfachheit halber werden nur die Filme The Avengers und Avengers: Age of Ultron zur Analyse herangezogen und die darin inszenierten Genderkonzepte analysiert.

4.1 Die vorherrschenden männlichen Rollenbilder

Der Superheld ist per se das überzeichnete Bild eines Mannes und dabei zugleich meist „ein Bild von einem Mann“. Er vereint alle männlichen Attribute, also Eigenschaften wie Stärke, Dominanz, Intelligenz und Entschlossenheit, aufs Idealste. Ein Superheld zu sein, kennzeichnet sich somit durch eine „Hypermaskulinität“4, die sich wie folgt definieren lässt:

Diese übersteigerte Männlichkeit äußert sich nicht nur in körperlichen Attributen und athletischen Anlagen, sondern insbesondere auch in ihrer Handlungsfähigkeit: Wo dem Gewöhnlichen die Hände gebunden sind, ist der Übergewöhnliche immer in der Lage, initiativ zu werden. (Spider-Mans Heldenmaske. Söll. S. 302)

Dennoch gibt es verschiedene Ausprägungen des männlichen Heldentums. Spiderman schützt mit seinen Kräften vornehmlich den kleinen Mann. Superman schwingt sich zum Retter der Menschheit und Erlöser auf. Batman ist der große Rächer und bekämpft das organisierte Verbrechen. Captain America steht für Rechtschaffenheit par excellence und kämpft für die amerikanischen Werte. Und Iron Man treibt die Wissenschaft voran um eine bessere, technisierte Welt zu erschaffen. Wie schon in der Einleitung angesprochen, sind es in Marvel’s Cinematic Universe vor allem die Männlichkeitsentwürfe von Iron Man und Captain America, die das Kollektiv der Avengers prägen und die Superhelden auch immer wieder in Konkurrenz zueinander treten lässt. Die folgende Analyse zeigt die zugrundeliegenden männlichen Rollenkonzepte auf.

4.1.1 Iron Man: egozentrischer Visionär in „angezogener“ Männlichkeit

„Es ist nicht nur eine Rüstung. Es ist ein schreckliches Privileg.“ (The Avengers. 0:59:57), so beschreibt Tony Stark seinen Iron-Man-Anzug. Das „schreckliche“ dabei ist, dass der Anzug mit dem Arc-Reaktor betrieben wird, einer unerschöpflichen Energiequelle, die in Tonys Brust steckt und verhindert, dass die durch einen Angriff dort gelandeten Granatsplitter in sein Herz eindringen. Als „Privileg“ wiederum ist die Tatsache, dass der hochtechnisierte, mit allerlei Waffen ausgestattete Anzug Tony in die Lage versetzt als Iron Man Dominanz gegenüber Gegnern und Feinden auszuüben. Zu Anfang von The Avengers wird dem Zuschauer ein weiteres Einsatzgebiet der Iron-Man-Rüstung gezeigt - Tony repariert damit Dinge und nutzt sie so gesehen als „Werkzeugkasten“ und wie er andeutet auch als Hilfe beim Tragen schwerer Gegenstände. Der Anzug unterstützt ihn demnach bei „männlichen Aufgaben“, die mit Stärke und Sachverstand zu tun haben. Außerdem potenziert die Rüstung seine Männlichkeit, mit ihr ist er schneller, kräftiger und kann im Kampf mehr einstecken und sogar fliegen. Wie effektiv Tonys Anzug in der Konfrontation ist, wird in The Avengers immer wieder vorgeführt. Als Loki, Thors Bruder, in Stuttgart Materialien für die Stabilisation eines Portals durch das eine Alien-Armee auf die Erde gelangen soll, stiehlt, versuchen die Avengers in Form von Hawk Eye, Black Widow und Captain America ihn gefangen zu nehmen. Loki bekämpft sie zunächst mit Erfolg, bis Iron Man zur Verstärkung naht. Er stellt Loki ohne Probleme. Später besteht der Anzug auch im Kampf gegen Thor, der Loki aus dem Flugzeug der Avengers befreit um ihn auf seinen Heimatplaneten Asgard zu bringen und dort zu bestrafen, sich aber dann den Avengers anschließt. Und als Lokis Verbündete das Luftschiff von S.H.I.E.L.D. angreifen um ihren Anführer zu befreien und die Allianz der Avengers zu zerschlagen, bewahrt Tony dank seines Anzugs das ganze Team vor dem Absturz. Zu guter Letzt ermöglicht es die Iron-Man-Rüstung, dass Tony eine von der Regierung zur Abwehr der Aliens losgelassene Atombombe in das sich schließende Portal umlenkt und sie so in den Weltraum schickt.

Tony Starks Potenz als Superheld wird deutlich durch seinen Anzug bestimmt. Er ist ein Mittel um seine körperliche Maskulinität ins Extreme zu übersteigern und seine Dominanz zu erweitern. Dennoch ist er gleichzeitig auch eine Verkleidung. Ohne ihn verkörpert Tony keine besonders maskulinen, körperlichen Merkmale. Tony ist normalgroß, nicht übermäßig durchtrainiert oder breitschultrig, was ihn als einen Durchschnittmann, den „Kerl von Nebenan“ erscheinen lässt. Mit dem Anziehen des Anzugs wird die Metamorphose zum Superhelden überdeutlich inszeniert: Steckt Tony Stark in seiner Rüstung, ist er Iron Man. Durch seine selbst gemachte „Verkleidung“ mit der er sich die körperliche Männlichkeit quasi überstreift, ermächtigt er sich gleichzeitig selbst zur dominanten Machtausübung. Das heißt sein Anzug, also seine Verkleidung, fungiert wie eine Art Uniform. Sie legitimiert ihn als Autorität und schafft ihm einen erweiterten Handlungsspielraum in dem auch Gewalt und Zerstörung annehmbare Mittel zur Ausübung seines Heldentums sind. (Vgl. Spider-Mans Heldenmaske. Söll. S. 308) Zudem wandelt sie durch die Rüstung sein eigentlich gewöhnlicher Körper in das Ideal eines starken Mannes. Dabei stellt sich die Frage, ob diese als patriarchalische Macht inszenierte Männlichkeit, die ihre bestimmende Position allein durch die äußeren Umstände eines hochtechnisierten Anzugs einnimmt, wirklich Bestand haben kann. Innerhalb der Diegese wird dieser Umstand ebenfalls verhandelt. Captain America spricht ihn an: „Jah, ein großer Mann in einer Rüstung. Lassen Sie sie weg, was sind Sie dann?“ (The Avengers. 1:10:10).

Tonys Antwort „Genie, Milliardär, Playboy, Philanthrop“ (The Avengers. 1:10:12) inszeniert klar dessen Selbstverständnis unabhängig vom Iron-Man-Anzug: Er ist ein visionärer Denker. Den Stark Tower, sein Gebäude in New York, das ebenfalls mithilfe der Energie eines Arc-Reaktors läuft, sieht er als „das Wahrzeichen für saubere, nachhaltige Energie.“ (The Avengers. 0:23:44). Im Film fallen auch die Worte „ein warmes Licht für die Menschheit“, was die Bedeutung von Starks Entwicklungsarbeit im Technik- und Energiesektor fast Erlösergleich setzt. Dank seiner Intelligenz kann Tony seine männliche Autorität auch außerhalb seines Iron-Man-Anzuges behaupten.

[...]


1 Black Widow war in Iron Man 2 (2010), Marvel’s The Avengers (2012), The Return of the First Avenger (2014), Avengers: Age of Ultron (2015) und The First Avenger: Civil War (2016) zu sehen.

2 Internetquelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gender

3 Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. Gitta Mühlen-Achs. 2003. S. 20

4 Spider-Mans Heldenmaske. Änne Söll. S. 302

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Genderkonstruktionen im Superheldenkollektiv. Am Beispiel der "Avengers" in Marvel's Cinematic Universe
Hochschule
Universität Passau
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
29
Katalognummer
V378375
ISBN (eBook)
9783668554399
ISBN (Buch)
9783668554405
Dateigröße
1082 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
superhelden, marvel, avengers, gender, feminismus
Arbeit zitieren
Anne Dippl (Autor:in), 2017, Genderkonstruktionen im Superheldenkollektiv. Am Beispiel der "Avengers" in Marvel's Cinematic Universe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378375

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