Die Tataren und das Tatarische. Sprachanalyse einer Turksprache


Hausarbeit, 2017

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Tataren

3. Tatarstan
3.1 Religionen
3.2 Bildung

4. Sprachanalyse
4.1 Geschichte
4.2 Das Alphabet
4.3 Die Vokalharmonie
4.4 Suffixe
4.5 Wortbildungen

5. Fazit

6. Anhang

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Jahre 2016 holte Jamala beim Eurovision Song Contest in Stockholm für die Ukraine den Sieg. Das Lied besteht zum Großteil aus englischen Versen, jedoch sang sie den Refrain auf Krimtatarisch. An dieser Stelle erlangte die Künstlerin meine Aufmerksamkeit. Eine genaue Übersetzung war zunächst nicht möglich, jedoch beim zweiten Hinhören erkannte man eine deutliche Ähnlichkeit zum Türkischen.[1] Durch den Austausch einiger Anfangsbuchstaben wurde aus einem tatarischen Wort direkt ein türkisches.

Dies war eine Überraschung, da ich als türkische Muttersprachlerin dies von einer ukrainischen Sängerin nicht erwartet habe. Tatarisch ist eine von vielen Turksprachen wie Aserbaidschanisch, Usbekisch, Kasachisch und Baschkirisch. Teilen sie nur eine gemeinsame Herkunft und entwickelten seither eine differenzierende Sprache und Kultur? Oder haben sie ihre Parallelen beibehalten, die eventuell nur auf den ersten Hinblick nicht direkt sichtbar zu sein scheinen.

Im Westen gilt der Spruch „Kratze an einem Russen und ein Tatar kommt zum Vorschein“. Man assoziiert die Tataren durchaus mit der russischen Kultur, denn die Turksprache Tatarisch erweckt durch seine Schrift eher Gemeinsamkeiten zur Russischen Sprache. Auch geographisch gesehen liegt Tatarstan auf dem europäischen Teil Russlands. Es erweckte meine Neugierde und mir stellte sich die Frage: Wie viel Türkisches ist im Tatarischen zu finden? Hört es sich nur ähnlich an oder gibt es grammatikalisch gesehen weitere Gemeinsamkeiten? Eine genaue Sprachanalyse soll diese Fragen untersuchen. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, sind Kenntnisse der türkischen Sprache und ihrer grammatikalischen Regeln erforderlich.

Zunächst soll jedoch nicht der Bezug zur Sprache gezogen, sondern das tatarische Volk, seine Geschichte und Kultur in Betracht genommen werden. Anschließend erfolgt die Sprachanalyse des Tatarischen im Vergleich zum Türkischen, durch welche ein abschließendes Fazit ermöglicht werden soll, ob und inwiefern türkische Elemente im Tatarischen zu finden sind.

2. Die Tataren

Die Tataren bilden das zweitgrößte Volk Russland und das siebtgrößte der ehemaligen UdSSR. Nach den Usbeken, Kasachen und Aseri nahmen sie unter den ehemals sowjetischen Turkvölkern den vierten Platz ein. Im europäischen Teil Russland gehören sie zu der wichtigsten muslimischen Bevölkerungsgruppe.

Wenn man nun die Herkunft dieses Volkes untersuchen möchte, stellt man leider fest, dass die Quellen viele Missverständnisse bezüglich der Tataren beinhalten. In europäischen Schriften leitete man die „Tataren“ aus „Tartaros“ (Hölle) ab. Somit hat das Wort Tatar stets einen negativen Unterton. In Wirklichkeit ist das Wort von „tatar“ oder „Ta-ta“ herzuleiten. Es war ein Volk aus dem Nordosten der heutigen Mongolei, welches erstmals seit dem 5. Jahrhundert in schriftlichen Überlieferungen auftaucht. Die Bevölkerung, welche sich in der Goldenen Horde herausbildete, wurde mit diesem Namen benannt. Im 15. Jahrhundert zerfiel die Goldene Horde, wodurch an der Wolga (Khanat von Kasan), auf der Krim (Krim-Khanat) und in Westsibirien tatarische Nachfolgestaaten sich entwickelten.

Der Kasaner Khanat war eine islamische Hochzivilisation in Europa, die sich von den restlichem Nachfolgestaaten dahingehen unterschied, dass ihre Bevölkerung sesshaft war. Es war kein Volk von umherwandernden Nomaden, sondern Händlern, Handwerkern und Ackerbauern. Das moderne tatarische Nationalbewusstsein bezieht sich genau auf diesen Staat des 15.-16. Jahrhunderts. 1552 wurde Kasan von den Russen erobert und die russische Oberherrschaft über die muslimischen Tataren begann. Die Eroberten konnten bis zum 18. Jahrhundert relativ friedlich an ihre Sprache, Kultur und Religion anknüpfen. Jedoch wurden hunderte Moscheen zwischen 1740 und 1743 in Kasan zerstört, da in einer aggressiven Art und Weise die Christianisierung der Tataren von der Regierung verordnet wurde. Die Tataren emigrierten nach diesen Angriffen.

Die verstärkte Emigration erfolgte in den Ural, nach Sibirien, Zentralasien, in die Türkei und den Vorderen Orient. Dadurch, dass die Tataren sich auf viele Gebiete verteilten, wurden sie für Russland zu einem wichtigen Vermittler. Vor allem im Handel mit muslimischen Volksgruppen, die außerhalb des russischen Machtbereiches lagen, gewannen sie an Bedeutung. Eine wichtige Aufgabe erfüllten tatarische Kaufleute, indem sie zwischen Russland und den Emiraten Mittelasiens Verbindungen aufbauten. Ein handelstätiges Bürgertum mit einem hohen Niveau an Bildung entstand in Kasan. Im ganzen Zarenreich war Tatarstan das am weitesten entwickelte Gebiet mit einer muslimischen Stammbevölkerung. Kasan stand intellektuellen Zentren der islamischen Welt, wie beispielsweise Kairo und Istanbul, in nichts nach.

Das tatarische Volk versuchte zunächst einen Nationalstaat an der Wolga zu errichten, jedoch scheiterte diese Bemühung nach der Oktoberrevolution 1917. Die RSFSR wurde von den Sowjets, die seit 1919 sich im Wolgaraum auszubreiten versuchten, errichtet. Dabei entstanden mehrere Sowjetnationen, wie der baschkirischen ASSR. 1920 erfolgte ein tatarisches Gegenstück. Leider wurden die Grenzen unvorteilhaft gezogen, da eine große Anzahl an Tataren in Baschkirien verbleiben musste.[2]

3. Tatarstan

Tatarstan ist eine Republik, welche Teil der Russischen Föderation ist und liegt auf einem Gebiet an der Wolga-Kama. Ihre Hauptstadt ist das bereits erwähnte Kasan und ihre Fläche beträgt ca. 86.000 km². 2002 ergab eine Volkszählung, dass die Tataren mit 52% den Hauptanteil der Bevölkerung darstellen. Die Russen nehmen mit 39% die Republik ein. Tatarstan ist ein multikulturelles Land, da über siebzig Nationalitäten, wie die Tschuwaschen, Baschkiren, Maritser, Mordwinen und Udmurten, vertreten sind.[3]

3.1 Religionen

54% der Bevölkerung in Tatarstan sind Muslime. Bereits zu Zeiten der Wolgabulgaren 922 war der Islam die offizielle Religion im Reich. Die „Geistliche Verwaltung der Muslime der Republik Tatarstan“ (DUMRT) ist die wichtigste muslimische Organisation und wurde 1992 gegründet, um die Interessen von ca. 900 Gemeinden in Tatarstan zu vertreten.[4]

Die Organisation ist Herausgeber mehrerer Zeitschriften, die die Menschen über acht Abteilungen informiert: Wissenschaft, Erziehung, islamische Mission, internationale Angelegenheiten, Architektur- und Bauangelegenheiten, Beziehungen zu staatlichen Institutionen, Abteilung für Haddsch-Angelegenheiten und Abteilung für Halāl-Zertifizierung. Das russisch-orthodoxe Christentum bildet die zweitwichtigste Religion in Tatarstan[5]

3.2 Bildung

Die Geschichte der Tataren zeigte bereits ihre Zeit als Hochkultur und ihr reichhaltiges Kulturerbe auf. Dieses Erbe wird durch das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturkreise, wie des turktatarischen, russischen und finn-ugrischen, einzigartig. Auch das Zusammentreffen zweier Religionen, dem Islam und Christentum, steuert zu einer kulturreichen Volkskultur bei. Diese Diversitäten bildeten das Fundament der tatarischen Kultur.

Tatarstan hat professionelle Theater, Staatsorchester, Museen und 1700 Bibliotheken zu bieten. Auch die Hochschulen haben einen ansehlichencStatus erreicht, da vier der Kasaner Hochschulen zu den 50 besten ganz Russlands gehören.

4. Sprachanalyse

4.1 Geschichte

Das Tatarische ist eine westtürkische Sprache und ist die Amtssprache der Republik Tatarstan. Zu gegebener Zeit wird die Bezeichnung Tatarisch weitestgehend mit den Wolga- und Kasantataren aus Russland und den Krimtataren auf der Krim assoziiert.[6] Tatarisch wird innerhalb der Turksprachen in den westlichen Zweig untergeordnet. Dieser besteht aus der bulgarischen, oghusischen und kiptschakischen Gruppe. Letztere Gruppe lässt sich weiter in die die kiptschak-oghusische und kyptschak-bulgatische Gruppe gegliedert. Das Tatarische folgt aus der kyptschak-bulgarischen Gruppe, die auch Kyptschaktatarisch genannt wird.[7] Es gibt aber auch andere Arten der Klassifikation, in welcher das Tatarische zur westtürkischen Gruppe, dem Kiptschakisch, angehört. Sie findet sich im Westen als Krim-Tatarisch und im Norden als Tatarisch wieder.

Die Nationalsprache Tatarstans ist Kasantatarisch, die auch als Hochtatarisch bekannt ist. Sie wird in einem Dreieck zwischen dem Samaraer Stausee, der mittleren Wolga und der unteren Kama sowie östlich des Urals gesprochen. Tatarstan, Teilrepublik der Russischen Föderation, hatte 1995 3,75 Mio. Einwohner, davon waren 48,5% Tataren, 43,3% Russen u.a. Viele Tataren leben nicht in ihrer Republik, sondern auf vielen verschiedenen Gebieten. Allein in der Nachbarrepublik Baschkortostan leben 1,4. Mio., eine weitere Million in Sibirien und weitere 1,5 Mio. in Mittelasien und Kasachstan.

In schriftlichen Quellen wird davon berichtet, dass das Volk der Tataren mongolischer Herkunft ist und als tatar oder ta-ta erwähnt wird. Sie entstanden durch die Verschmelzung eingewanderter Mongolen und Türken aus Zentralasien mit anderen Turkvölkern, vor allem mit den Wolgabulgaren.

Kasantatarisch und Baschkirisch zeigen die stärksten Gemeinsamkeiten auf. Das Tatarische lässt sich in eine Vielzahl von Dialekten unterteilen, welche wiederum in drei Gruppen gegliedert werden: die westlichen, die mittleren (Kasantatarisch u.a.) und die östlichen (westsibirischen) Dialekte. Diese besitzen ebenfalls Subdialekte. Standardmäßig wird Kasantatarisch gesprochen.[8]

[...]


[1] Vgl. Anlage 1

[2] Vgl. langwhich.com

[3] Vgl. Ersen-Rasch S. 6

[4] Vgl. Hunter S. 61f

[5] Vgl. Usmanova S51ff

[6] Vgl. Glück S. 630f

[7] Vgl. Wendt S. 328f.

[8] Vgl. Čaušević S.793

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Tataren und das Tatarische. Sprachanalyse einer Turksprache
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
15
Katalognummer
V378577
ISBN (eBook)
9783668557048
ISBN (Buch)
9783668557055
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tataren, Tatarisch, Turksprache, Sprachanalyse
Arbeit zitieren
Tugba Gül (Autor:in), 2017, Die Tataren und das Tatarische. Sprachanalyse einer Turksprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378577

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