Diese Arbeit setzt sich mit der Situation und der Sozialen Arbeit mit den sogenannten begleiteten minderjährigen Flüchtlingen auseinander. "90 bis 95 Prozent der Flüchtlingskinder, […], reisen mit ihren Familien in Deutschland ein" (Berthold 2014). Eine nicht unerhebliche Zahl, welche zu einer zentralen Frage nach der Situation der geflüchteten begleiteten Kindern /Jugendlichen in Deutschland führt.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten als besonders Schutzbedürftig und erfahren somit hier in Deutschland zunehmend mehr Aufmerksamkeit, gilt selbiges auch für die Begleiteten? Welche Dilemmata und Spannungsfelder entstehen im Rahmen der Flüchtlingssozialarbeit mit dieser Zielgruppe?
Nach Aufschlüsselung der Situation der Flüchtlingskinder wird sich mit den Möglichkeiten und den Feldern der Flüchtlingssozialarbeit befasst und auch auftretende Probleme, Spannungsfelder und Dilemmata erörtert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellungen
2. Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland
3. Dilemmata und Spannungsfelder der Sozialen Arbeit mit Flüchtlingskindern
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellungen
Der nachfolgende Text setzt sich mit der Situation und der Sozialen Arbeit mit den sog. begleiteten minderjährigen Flüchtlingen auseinander. „90 bis 95 Prozent der Flüchtlingskinder, […], reisen mit ihren Familien in Deutschland ein.“ (Berthold 2014: 13) Eine nicht unerhebliche Zahl, welche zu einer zentralen Frage nach der Situation der geflüchteten begleiteten Kindern /Jugendlichen in Deutschland führt. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten als besonders Schutzbedürftig und erfahren somit hier in Deutschland zunehmend mehr Aufmerksamkeit, gilt selbiges auch für die Begleiteten? Welche Dilemmata und Spannungsfelder entstehen im Rahmen der Flüchtlingssozialarbeit mit dieser Zielgruppe?
Nach Aufschlüsselung der Situation der Flüchtlingskinder wird sich mit den Möglichkeiten und den Feldern der Flüchtlingssozialarbeit befasst und auch auftretende Probleme, Spannungsfelder und Dilemmata erörtert.
2. Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland
Aktuell ist zu beobachten, dass das Hauptaugenmerk auf den sog. unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen liegt. Sie flüchten alleine oder werden während der Flucht von ihren Familien getrennt und kommen alleine in Deutschland an. Sie gelten somit als besonders schutzbedürftig. (vgl. Berthold 2014: 13) Der Status „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ ermöglicht ihnen Leistungen nach dem SGB VIII. „In Deutschland hat sich insbesondere durch die Aufmerk- samkeit der Jugendhilfe für diese Gruppe ein umfangreicher, […], Austausch entwickelt. Auch gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Publikationen zu dieser besonderen Gruppe.“ (vgl. Bert- hold 2014: 14)
Laut EU-Richtlinien sind alle minderjährigen Flüchtlinge als Schutzbedürftig zu betrachten. Obwohl die Mehrheit der Flüchtlingskinder den Begleiteten zu zuordnen sind, scheint es, dass sie nicht die erforderliche Aufmerksamkeit bekommen.
Demnach ist davon auszugehen, dass die Begleiteten kaum zu Adressaten der sozialen Arbeit werden. Obwohl sie es genauso bräuchten wie die Unbegleiteten. Soziale Arbeit mit Flücht- lingskindern steht somit in einem großen Spannungsfeld. Da die Begleiteten kaum Aufmerk- samkeit finden, sind sie als Adressaten auch so gut wie nicht erreichbar. „Im Fall der Sozialen
Arbeit mit Flüchtlingen wird die Diskrepanz zwischen den Idealen der Profession und ihrem normativ fundierten Selbstverständnis einerseits, und den faktischen Grenzen, die aus ihrer Einbindung in die Strukturen des nationalen Wohlfahrtsstaates resultieren, in zugespitzter Weise deutlich.“ (Scheer 2015: 17)
Kinder die mit ihren Eltern nach Deutschland einreisen, leben mit ihnen erstmal in sogenannten „Erstaufnahmeeinrichtungen“ und „Gemeinschaftsunterkünften. Diese sind in der Regel nicht Kindgerecht aufgebaut und ermöglichen Kindern keinerlei Privatsphäre. „Die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge unterläuft vielfach alle Standards, die gewöhnlich als Bedingung des Kindes- wohls betrachtet werden.“ (Berthold 2014) Auch im Asylverfahren bekommen Flüchtlingskin- der nur wenig Aufmerksamkeit. Sie werden von den Behörden nicht angehört oder ihre Eltern lassen eine Beteiligung nicht zu. Im Asylverfahren werden Kinder und Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr zusammen mit ihren Eltern erfasst. Hierbei werden Kinder nur in Ausnahmefällen zu den Fluchtursachen befragt. So ist eine Anhörung von minderjährigen zwischen 6 und 13 möglich, danach obligatorisch. Spezielle Anhörungsverfahren für diese Gruppe gibt es nicht. Es gilt zu bedenken, dass hier mit traumatisierten minderjährigen gesprochen wird. Jedoch mit dem 16. Geburtstag werden diese Kinder wie Erwachsene behandelt. Somit müssen sich diese Jugendlichen, denselben Anhörungsverfahren wie ihre Eltern unterziehen. (vgl. Berthold 2014: 19-21) Viele Flüchtlingskinder leben in Deutschland mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Dieser ist vom Herkunftsland und vom Fluchtweg abhängig. Somit beeinflusst auch das „Dub- lin-Verfahren“ die Situation der Kinder massiv. Nur ein geringer Teil etwa 10 Prozent der Kin- der sind mit einem dauerhaft sicheren Aufenthaltsstatus ausgestattet. (vgl. Berthold 2014: 22)
Nebst eben genannten Problemen, mit welchen Kinder mit Fluchterfahrung zu kämpfen haben, ergeben sich auch Spannungen innerhalb der Familie. Eltern sind nicht mehr in der Lage, ihren Kindern die nötige Orientierung in der neuen Umgebung zu bieten, da sie selbst noch keine Orientierung haben. Hierbei erleben die Kinder und Jugendlichen ihre Eltern oft als hilfebe- dürftig. Oft findet ein Rollentausch statt. Kinder ersetzen Rollen oder übernehmen zu früh zu viel Verantwortung. Sie lernen schneller und leichter Deutsch, da sie, sofern sie zur Schule gehen, den besseren Zugang zur deutschen Sprache haben. Ab diesem Moment fungieren sie oftmals als Dolmetscher und Vermittler bei Behördengängen für die Familie. In dieser Funktion werden die Kinder mit den traumatischen Erlebnissen der Flucht konfrontiert obwohl sie das zu übersetzende oft noch gar nicht verarbeiten und erfassen können. (vgl. Berthold 2014: 33)
Hier ist explizit Flüchtlingssozialarbeit gefragt. Wie Angebote und Leistungen der Jugendhilfe. Jedoch wird der Zielgruppe dies bei weitem noch nicht genug zur Verfügung gestellt.
Für die Familien ist das Ankommen in Deutschland nicht einfach. Derzeit sind noch keine hin- reichenden Beratungsangebote für Flüchtlingsfamilien impliziert. Was zur Folge hat, dass sich Partizipation, Teilhabe und Wahrnehmung nicht entwickeln kann. Eltern erfahren nur selten wie das hiesige System funktioniert. Die Suche nach einem Kitaplatz, die Einschulung oder die Abläufe des Asylverfahren sind Hürden, die diese Gruppen bewältigen müssen. Es gibt Hilfs- angebote in Deutschland für diese Kinder, jedoch erfahren sie meist nicht davon und oft sind an diesen Stellen schon alle Kapazitäten ausgelastet. Auch anzumerken ist, dass sich die Hilfs- angebote in der Regel an die Eltern wendet und nicht direkt an die Flüchtlingskinder selbst. Aus Sicht der Sozialen Arbeit ist davon auszugehen, dass eine kindgerechte Unterstützung bei wei- tem noch nicht vorhanden ist. Wobei es in Deutschland doch viele Leistungen und Maßnahmen gibt, die die Familien bei ihrer Neuorientierung unterstützen könnten. Denn auch Flüchtlings- kinder-/Familien haben einen Anspruch auf die Leistungen nach dem Jugendhilfegesetz. Für die betroffenen ist die Jugendhilfe als Hilfesystem so gut wie nicht präsent. Betrachtet man die Rechtslage im SGB VIII, so haben Flüchtlingskinder nach § 6 SGB VIII Anspruch auf Leis- tungen und Aufgaben der Jugendhilfe, sofern sie im Besitz einer Duldung sind. Jedoch ist dieses Recht in Deutschland eingeschränkt. Das bedeutet, das im Fall eines Leistungsbezuges im Rah- men der Jugendhilfe eine sog. Ermessensausweisung“ möglich ist. Dies hat zur Folge das Fa- milien nur aufgrund des Bezuges dieser Hilfeleistung aus Deutschland ausgewiesen werden können. Dieses Recht stellt den eigentlichen Charakter der Jugendhilfe und auch die der dort verankerten Sozialen Arbeit in Frage. Auch ist es fraglich ob Jugendämter in den Erstunter- künften überhaupt aktiv werden. (vgl. Berthold 2014: 44f)
Weiter ist die Lage in Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen zu betrach- ten. Diese unterliegen nicht denselben Standards wie Einrichtungen der Jugendhilfe im Allge- meinen. Sie müssen nicht nachweisen, dass sie geeignete Lebensorte für Kinder sind oder Be- teiligungsmechanismen impliziert haben. Laut Art. 12 KRK steht jedem Kind das Recht auf Gehör zu. Kinder müssen ihre Umgebung mitgestalten und verändern können, ihre Wünsche und Sorgen artikulieren es muss gewährleistet sein, dass ein für die Kinder klares Beschwerde- verfahren impliziert ist. (vgl. Berthold 2014: 46) Betrachtet man diese Anforderungen werden gewisse Spannungsfelder klar. Flüchtlingssozialarbeit sollte hier seinen Rahmen und seine Auf- gaben finden. Jedoch wird dahingehend noch nicht genug getan. Weder werden hierfür die er- forderlichen Arbeitsstellen geschaffen noch die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt.
Auch das Asylbewerberleistungsgesetzt trägt unmittelbar zur Situation der geflüchteten Kinder bei. Meist sind es nur materielle Leistungen und der Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Kinder ist stark eingeschränkt. Die medizinische Versorgung ist für diese Gruppe auf „akute Erkrankungen und Schmerzzustände“ reduziert. Alle Untersuchungen müssen im Vorhinein durch die zuständigen Ämter genehmigt werden. In diesem Bereich findet eine weitere Un- gleichbehandlung gegenüber hier lebenden Kinder statt. Weiter ist im AsylbLG das Sachleis- tungsprinzip verankert. Kommunen können Familien mit Essenspaketen versorgen statt ihnen Geldmittel für den Einkauf zur Verfügung zu stellen. Mangelnde Standards führen hierbei oft- mals zu einer nicht Kindgerechten Ernährung. Auch Sanktionsmöglichkeiten sind in diesem Gesetz verankert, welche natürlich auch für die Kinder spürbar werden. (vgl. Berthold 2014: 46f)
Da viele Kinder in Deutschland bleiben werden, sind integrative Maßnahmen umso bedeutsamer. Jedoch ist zu beobachten, dass derzeit nur wenige dieser Kinder eine Kita besuchen, dies liegt zum einem an der hohen Nachfrage nach Kita-Plätzen zum anderen an der nur geringen Beachtung der Flüchtlingskinder. (vgl. Berthold 2014: 47)
Auch Beratungskapazitäten für diese Familien sind als zu gering einzustufen. Auch werden in den bereits bestehenden Beratungsmöglichkeiten die Belange der Kinder noch zu wenig Fokussiert. Für die Beteiligung der Kinder im Beratungskontext sind einerseits keine Kapazitäten frei, andererseits werden hierfür explizit auch keine finanziellen Mittel bereitgestellt. Einzig der Jugendmigrationsdienst kann für diese Kinder und Jugendlichen eine Hilfestellung sein. Jedoch ist bekannt, dass dieser Dienst noch nicht Flächendeckend eingeführt ist. In Hinblick auf den Rollenwechsel, der in vielen Flüchtlingsfamilien stattfindet, ist eine beratende Stelle für diese Kinder unumgänglich und zwingend nötig. (vgl. Berthold 2014: 47)
Nebst all den genannten Problemen, Konflikten und fehlenden Hilfesystemen kommt auch noch der Zugang zur Bildung zum Tragen. Auch hier gestaltet sich der Einstieg als schwierig und ist ohne Hilfe Dritter kaum zu lösen. Schulplätze sind rar, es fehlt an passenden Sprachlernange- boten und während des meist langem Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen ist der Zugang zum Bildungssystem erschwert. Für Jugendlich ab dem 16. Lebensjahr geht die Möglichkeit einen Schulabschluss zu absolvieren gegen Null. Es besteht keine Schulpflicht mehr, so nimmt diese Jugendlichen kaum eine Schule auf.
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- Quote paper
- Christina Stahr (Author), 2016, Flüchtlingssozialarbeit mit minderjährigen Geflüchteten in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378856
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