Der ständige Kampf um den Erhalt des Mont Saint-Michel und die Hintergründe und Geschichte des Denkmals


Bachelorarbeit, 2016

47 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Lage

3 Die Bucht mit ihrer Natur und Umwelt
3.1 Flora und Fauna
3.2 Gezeiten
3.3 Vom Damm zur Brücke

4 Stadt oder Dorf

5 Geschichte
5.1 Vorwort
5.2 Anfänge
5.3 Wechsel zwischen Blütezeiten und Untergänge
5.4 Gefängnis und Kampf um Anerkennung
5.5 20. und 21. Jahrhundert

6 Architektur
6.1 Notre Dame sous Terre
6.2 Abteikirche
6.3 « La Merveille »
6.3.1 Refektorium
6.3.2 Kreuzgang
6.3.3 Rittersaal
6.3.4 Gästesaal
6.3.5 Vorratskeller und Almosensaal

7 Tourismus

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

10 Anlagenverzeichnis

11 Anlagen

1 Einleitung

Der Mont-Saint-Michel besitzt viele Namen, welche er im Laufe der Jahrhunder­te durch zahlreiche Ereignisse erhalten hat. Er ist ein bewundernswertes Phä­nomen mit einer herrlichen Seelandschaft und einem Tidenhub von bis zu 15 Meter, welcher den Rekord in Frankreich hält. Des Weiteren ist der Mont-Saint- Michel ein mystisches architektonisches Juwel, das sich im endlosen Bau wi­derspiegelt (vgl. Comité Régional du Tourisme de Bretagne). Diese „unein­nehmbare Festung ist nicht allein ein Ort des Gebets und der Wallfahrt, sondern auch eine durch gewaltige Ringmauern geschützte Zitadelle, die dank der tägli­chen zweimal auflaufenden Flut uneinnehmbar ist." (Quétel 2005: 83)

Wegen seiner fantastischen Lage in der Bucht und seiner einzigartigen Ge­schichte ist er der am dritthäufigsten besuchte Ort Frankreichs nach dem Eifel­turm und dem Schloss Versailles. Diese grandiose Sehenswürdigkeit bezaubert Touristen aus aller Welt. Victor Hugo sagte einst über dieses beeindruckende Ensemble: „Der Mont-Saint-Michel ist für Frankreich das, was die Pyramiden für Ägypten sind." (Jens Golombek)

Doch der Mont-Saint-Michel musste immer um seinen Erhalt kämpfen. Zahlrei­che Kriege mit Angriffen und Hinterhalten, Blitzeinschläge und andere Katastro­phen brachten die Abtei immer wieder zum Einstürzen. Jedes Mal wurden Teile wieder aufgebaut, vergrößert oder neu errichtet. Dadurch wurde es eines der umfangreichsten, schwierigsten und kostspieligsten Bauprojekte vom gesamten Mittelalter bis zur heutigen Zeit. Aus diesen Gründen ist der Mont-Saint-Michel ein „überwältigendes Zeugnis der mittelalterlichen Kultur" (Simonnet 1989: 3), ein treues Abbild dessen Epoche und das sogar in Krisenzeiten (vgl. ebd.: 54). Um den Kampf des Erhalts dieses besonderen Denkmals soll es in der folgen­den Arbeit gehen. Ich werde auf die Lage, die Naturgegebenheiten mit der dro­henden Versandung und der - zum Glück - gefundenen Lösung, auf die Ge­schichte und die Architektur eingehen. Dazu werde ich das Dorf, welches schon immer im Hintergrund der Burg steht und den Tourismus näher beleuchten. Am Ende meiner Arbeit werde ich ein Fazit ziehen inwieweit das UNESCO Weltkul­turerbe gesichert ist.

2 Lage

Lange Zeit war nicht geklärt, ob der Berg mit seinem Kloster zur Normandie oder zur Bretagne gehört. In einem Spruch heißt es: « Le Couesnon dans sa folie a mis le Mont en Normandie. » (Richard) übersetzt „Der Couesnon hat auf verrückt gemacht, den Mont zur Normandie gebracht." (Quétel 2005: 153)

Der Flusslauf des Couesnon war sehr willkürlich und hat sich mehrfach verän­dert, bis er im Jahr 1863 kanalisiert wurde (vgl. ebd.: 153). Sein Bett hat sich oft verlagert und geht man in die Geschichte zurück, war er einst bretonisch, da es keine Normandie gab. Durch den Bau des Mont-Saint-Michel, welcher überwie­gend mit der Geschichte der normannischen Herzöge und anglonormannischen Könige verbunden ist und durch die neue Aufteilung der Départements während der Französischen Revolution, welche sehr viel weiter nach Westen versetzt wurde, gehört er unbestritten zur Normandie (vgl. ebd.: 153). Um genau zu sa­gen liegt der Mont-Saint-Michel seit 1790 im Département Manche und speziell in der Region der Basse Normandie (vgl. ebd.). Dennoch ist er für die Bretonen ein heiliger Berg (vgl. Aufmkolk).

Der Mont-Saint-Michel liegt etwa 70 Kilometer von Rennes und 370 Kilometer von Paris entfernt. Der Berg befindet sich auf einer Höhe von fünf Meter bis 78,60 Meter über dem Meeresspiegel (vgl. Simonnet 1989: 7). Mit Gebäuden ist der Berg etwa 157 Meter hoch (vgl. Aufmkolk) und die Burg hat einen Umfang von 830 Meter (vgl. Werbeagentur ICC). Die Bucht hat eine Fläche von etwa 40.000 Hektar (vgl. Quétel 2005: 172) und der Mont-Saint-Michel nimmt eine Fläche von circa 5,5 Hektar ein (vgl. Werbeagentur ICC).

3 Die Bucht mit ihrer Natur und Umwelt

Der Mont-Saint-Michel ist der Schauplatz ungewöhnlichster Ereignisse (vgl. Si­monnet 1989: 8) mit wunderbaren Lichtstimmungen (vgl. ebd.: 12). Das Gebiet um diese unbeschreibliche Abtei wird als „Wüste aus Sand und Meer" (vgl. Quétel 2005: 25) bezeichnet. Im nachfolgenden Abschnitt werde ich auf die ein­zigartige Flora und Fauna, die Gezeiten mit seinem Tiden-Phänomen und auf die drohende Versandung mit einer millionenschweren Lösung eingehen.

3.1 Flora und Fauna

Der Naturraum um den Mont-Saint-Michel bietet einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen einen Lebensraum (vgl. Simonnet 1989: 12). Es leben dort u. a. Scha­fe und verschiedene Vogelarten, die dort überwintern. Auch Fischfang wird in dem Gebiet um Mont-Saint-Michel betrieben, welcher nicht als Tourismusein­nahmequelle dienen soll (vgl. ebd.).

Die Bucht stellt das größte Polder[1] - und Salzwiesengebiet Frankreichs dar. Die Zahl der Pflanzen vermehrte sich unaufhörlich, jedenfalls für die, die einen sehr hohen Salzgehalt vertragen (vgl. ebd.: 10). Dazu gehören das Salzkraut und das Basilienkraut (vgl. ebd.: 12). Die sogenannten Salzweiden wucherten zu dicken Teppichen und verkrauten die Wasserlandschaft (vgl. ebd.).

3.2 Gezeiten

In der Bucht des Mont-Saint-Michel liegen zwischen dem niedrigsten und höchsten Wasserstand, auch Tidenhub genannt, etwa 15 Meter. (vgl. Simonnet 1989: 10). Dieser ist der weltweit zweithöchste Tidenhub neben der Bucht Fun­dy in Kanada. Dabei umspült die Flut sieben bis neun Stunden den Mont. Schon zu normalen Zeiten ist der Tidenhub hier deutlich höher als etwa an der Atlantikküste (vgl. ZEIT ONLINE 2015). Innerhalb eines Mondtages heben und senken sich die Gezeiten zweimal (vgl. Simonnet 1989: 8). Dieses Phänomen findet während der Tagundnachtgleiche im Frühling und Herbst, aber auch in ausgeprägter Form bei Voll- und Neumond statt (vgl. ebd.). Das Tiden­Phänomen, oder auch Springflut genannt, findet aller 18 Jahre statt (vgl. ebd.). Dies geschieht wenn Sonne und Mond in einer Linie mit der Erde sind. Dadurch wirken die Anziehungskräfte von Mond und Sonne auf das Meereswasser, die für Flut und Ebbe verantwortlich sind, besonders stark. Bei solch einer Spring­flut ist der Mont-Saint-Michel völlig vom Festland abgeschnitten.

Im Jahr 2015 gab es sogenannte Jahrhundert-Tide. Durch die Sonnenfinsternis am 20.03.2015 erreichte der Tidenhub am 21.03.2015 eine Höhe von bis zu 14,5 Meter. Die nächsten Springfluten sollen sich bereits wieder im März 2033 und 2051 ereignen (vgl. T-Online). Dieses Naturschauspiel ist so fantastisch zu beobachten, weil dort die Halbinsel Cotentin am höchsten Punkt der Normandie und die bretonische Küste wie eine Art Trichter für das in den Ärmelkanal strö­mende Wasser wirken.

Einst zu Zeiten Victor Hugo‘s sagte er, dass das Wasser « à la vitesse d'un cheval au galop » übersetzt mit der Schnelligkeit eines Pferdes im Galopp fließt, weil bei Flut das Meer mit derartiger Macht und Schnelligkeit nach vorne prescht (vgl. Quétel 2005: 21). Das Meer zog sich so rasch zurück, dass sich das Gebiet unter dem Einfluss der Gezeiten um etwa 40 Kilometer ausdehnte, welche das Meer in zirka sechs Stunden zurücklegte (vgl. Simonnet 1989: 10). Auch wird gesagt, dass sich das Wasser 18 Kilometer zurückziehe, das bedeu­tet 62 Meter in der Minute fließt das Wasser (vgl. Decaëns 1981: 7). Dadurch ist das Einfließen des Wassers die größte Gefahrenquelle (vgl. Simonnet 1989: 10). Aus diesem Grund nannten die mittelalterlichen Pilger den Mont in Gefah­ren des Meeres - « au péril de la mer » (ZEIT ONLINE 1953). Sie mussten schließlich ihren Weg durch die bei Ebbe zurückgewichenen Fluten suchen (vgl. Simonnet 1989: 10).

Auch heute ist der Weg von der Küste über das Watt wegen der schnell kom­menden Flut und Treibsanden immer noch sehr gefährlich. Für den Mensch ist es unmöglich gegen die Strömungen, Strudel und den Fließsand anzukommen (vgl. ebd.). Aus diesem Grund stand schon früher in alten Schriften: "Gehst du nach Saint-Michel, vergiss nicht, vorher dein Testament zu machen". (Schloe- mer)

3.3 Vom Damm zur Brücke

Durch die Verbreitung der Salzweiden kam es immer mehr zur Versandung. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass der Zufluss des Meeres mehr Kraft besitzt als der Rücklauf. Dies bedeutet, dass die Flut mehr anschwemmt als die Ebbe zurück nehmen kann (vgl. Simonnet 1989: 10).

In den Jahren 1856 bis 1863 wurde der Fluss Couesnon kanalisiert (vgl. Quétel 2005: 160). Dazu kam, dass der Dammbau im Jahr 1874 genehmigt wurde.

Trotz dem Entgegenwirken der staatlichen Behörden für den Schutz von Kunstwerken wurde 1877 eine Staudammstraße mit einer Länge von 800 Meter erbaut, welche die Eindeichung und das Anlegen von Poldern noch mehr be­schleunigte und erst 1935 vervollständigt wurde (vgl. Decaëns 1981: 7). Eine Vereinigung der Freunde des Mont-Saint-Michel hatte schon 25 Jahre lang da­für gekämpft, dass der Fels weiterhin eine Insel bleibt (vgl. Simonnet 1989: 10). Mithilfe der Gefangenen, die die Schwerstarbeit leisteten, wurde der Bau inner­halb eines Jahr fertiggestellt. Zu den Gefangenen werde ich im Kapitel 5 Ge­schichte weitere Informationen geben.

Einerseits gab es Befürworter, die meinten, dass es für die Wallfahrten von Vor­teil war, andererseits meinten die Gegner, dass der Damm das Erscheinungs­bild des Mont-Saint-Michel beeinflusste. Im Jahr 1911 gab es eine Vereinigung gegen den Damm (vgl. Quétel 2005: 162).

Durch den Bau wurde aber der Massentourismus in Gang gesetzt. Das belegen folgende Zahlen: Im Jahr 1880 waren es nur 3.000 Besucher. 33 Jahre später, um 1913 waren es bereits 100.000, 2005 waren es über 2,5 Millionen Touristen und im letzten Jahr stieg die Besucherzahl auf 3,5 Millionen (vgl. ebd.: 164). Im Durchschnitt kommen fast 7.000 Tagestouristen (vgl. Wendroth).

Die damalige Staudammstraße, mit einer Länge von zwei Kilometer, verhinder­te, dass die Schlickablagerungen ihren Weg ins Meer finden, die der Fluss her­anträgt (vgl. Wilksch). Jährlich wurden mehr als eine Million Kubikmeter Sand in der Bucht angeschwemmt, die durch den Straßendamm an Ort und Stelle ge­halten wurden (vgl. Kröger). Zwischenzeitlich war die Sand- und Schlickschicht um die Insel etwa 15 Meter hoch. Die leichteren Teile sammelten sich in der Küste an, wo sich ein schlammiger Sand bildete, welcher « tangue » genannt wird (vgl. Simonnet 1989: 10). Diese feinsten Partikel, zerriebenen Muscheln und Lehm wurden als Dünger genutzt. Der maritime Charakter des Klosters Mont-Saint-Michel war in Gefahr und in absehbarer Zeit hätte der Klosterberg im Grünen gestanden (vgl. Wendroth, Bild 1). Ursprünglich war die Insel nur bei Niedrigwasser zu erreichen, aber nach dem Bau des Damms war die Verbin­dung gezeitenunabhängig (vgl. Simonnet 1989: 11). Dadurch wurden die natür­lichen Meeresströmungen unterbrochen und die Versandung der Bucht nahm immer mehr zu (vgl. ebd.: 10, Bild 2). Die Vereinigung erreichte, dass die Be­hörde bestimmte, dass die landwirtschaftliche Nutzung nur bis auf 1,5 Kilometer heranziehen zu lassen. Damit wurde eine neue Eindeichung verhindert, doch die Veränderungen der Flussläufe in der Bucht blieben (vgl. ebd.: 11). Bei ei­nem Besuch auf dem Mont im Jahr 1970 von Königin Elisabeth II von England und Staatspräsident Pompidou waren sie überrascht, dass dieser „keine Insel mehr" sei. Da kam die Idee den Damm durch Brückenkonstruktionen auf Stel­zen zu ersetzen (vgl. Wilksch). Im Jahr 1974 begann man auf wissenschaftli­cher Ebene zu erforschen, welche Methoden es gäbe um die charakterliche Meereslage zu bewahren, aber gleichzeitig die Rechte der Landwirte und die Polder zu schützen (vgl. Simonnet 1989: 11). Des Weiteren wurden jahrhunder­telang die Küstengebiete trockengelegt um Ackerland zu schaffen. Durch die Kanalisierung des Fluss Couesnon wurde diese Entwicklung noch verstärkt, so dass der Inselcharakter immer mehr verloren ging (vgl. Quétel 2005: 160 f.). Frankreich entschloss sich mit einem immensen Aufwand die Versandung der Bucht um den Mont vor der Küste der Normandie zu stoppen. Im Jahr 2005 wurden die umfangreichen Arbeiten in der Bucht eingeleitet. Sie umfassten ei­nen neuen Couesnon Damm, das Ausbaggern des Sandes und die Entfernung des Straßendamms und des Parkplatzes. Am 16. Juni 2006 gab es den Start­schuss durch den Premierminister Dominique de Villepin. Die Bauarbeiten ha­ben etwa sechs Jahre angedauert und die Kosten betrugen 164 Millionen Euro. Die Brücke soll alleine 43 Millionen Euro gekostet haben (vgl. Kröncke). Im Jahr 2009 wurde ein Stauwerk vor dem Couesnon in Betrieb genommen, das bei beginnender Ebbe geschlossen und erst bei Niedrigwasser geöffnet wird (vgl. Kröger). Diese hydraulische Schleuse hat eine Regulierungsfunktion, die bei Flut geschlossenen Tore verhindern, wie ein Filter, dass der Sand und andere Ablagerungen in die Flussmündung gelangen und dort gleichzeitig das Wasser stauen. Die so aufgehaltenen Wassermassen spülen dann die Ebbe durch die Bucht ins Meer und reißen dabei Ablagerungen mit sich. Dieses Prinzip ist aus dem Badezimmer bekannt. Innerhalb von 10 Jahren sollen durch die natürliche Kraft des fließenden Wasser 80 % der angesammelten Sedimente aus der Bucht hinaus getrieben sein (vgl. Wendroth). Damit werden 1,7 Millionen Ku­bikmeter Meerwasser in den Unterlauf fließen. Danach sind die Tore wieder für sechs Stunden geschlossen (vgl. Schloemer).

Für Privatfahrzeuge wurde die Zufahrt zum Mont-Saint-Michel seit 2012 unter­sagt (vgl. Blinda). Die inselnahen Parkplätze (Bild 3) wurden entfernt und auf

das Festland, etwa 2,5 Kilometer von der Abtei, verlagert. Diese neuen Park­plätze sind etwa 45 Minuten zu Fuß bis zum Mont-Saint-Michel entfernt und haben eine Kapazität von etwa 4150 Stellplätzen. Diese Parkplätze und die Transport-Shuttle wurden am 28. April 2012 in Betrieb genommen (vgl. GIE* Atout France). Diese halten unmittelbar vor dem Klosterberg (vgl. Comité Régi­onal de Tourisme de Normandie). Als Alternative kann man sich mit einer Pfer­dekutsche zum Klosterberg begeben (vgl. ebd). Gleichzeitig wurde ein neues Informationszentrum eröffnet, dass über die Veränderung in der Bucht des Bergklosters Auskunft gibt. Im Juli 2014 wurde die 760 Meter lange und 11 Me­ter breite, von Dietmar Feichtinger (vgl. Dietmar Feichtinger Architectes), einem österreichischen Stararchitekt, in gekurvter Linienführung entworfene Stelzen­brücke, eröffnet (Bild 4). Dadurch erhielt man eine neue Perspektive auf die Landschaft (vgl. Blinda, Bild 5). Diese ersetzt den Damm und die Wasserströ­mungen hatten wieder ihren freien Lauf (vgl. ebd.). Im Frühjahr 2015 wurde der Damm abgebaut und hat den Mont wieder endgültig zu einer Insel werden las­sen (vgl. Wendroth, Bild 6). Die Stegbrücke steht auf dünnen runden Stahlstüt­zen im Abstand von 12 Meter, die das Wasser frei unter der Brücke fließen las­sen. Sie endet auf einem dem Berg vorgelagerten Bereich, der aus Sedimenten aufgebaut ist. Dieser Bereich ist so konzipiert, dass er überflutet werden kann (Bild 7). Dadurch wird er an etwa 50 bis 70 Tagen im Jahr zu einer völlig isolier­ten Insel (vgl. Blinda).

Man nimmt an, dass im Jahr 2025 die maritime Landschaft in ihrer endgültigen Schönheit die Besucher in ihren Bann ziehen wird (vgl. GIE* Atout France). Durch den Bau der Brücke soll nach rund 10 Jahren eine Wassertiefe in der Bucht von etwa 70 Zentimeter wieder erreicht werden (vgl. Blinda).

Während dieser ganzen Bauphase blieb der Mont-Saint-Michel geöffnet. Durch die menschlichen Eingriffe in das freie Spiel der Naturkräfte kam es zur Ver­sandung. Die Vergrößerung der Salzweidenflächen war durchaus geplant, aber mit dem Ausmaß der Landschaftsveränderung wurde nicht gerechnet. Mit auf­wendigen Arbeiten wurden und werden die Fehler der Vergangenheit rückgän­gig gemacht und ihre Folgen beseitigt (vgl. Wendroth). Wenn nichts unternom­men worden wäre, dann wäre der Klosterberg im Jahr 2042 nicht mehr von Wasser, sondern von Salzwiesen umgeben gewesen und hätte sich wohlmög­lich um weitere 50 Hektar ausgedehnt (vgl. Comité Régional de Tourisme de Normandie, vgl. Aufmkolk).

4 Stadt oder Dorf

In den Augen der Einwohner ist der Mont-Saint-Michel eine Stadt und diese stand schon immer im Schatten dieser Burg (vgl. Simonnet 1989: 13). Das Dorf befindet sich auf der Südostseite der Felsen und besteht mit seinen Häusern und Geschäften seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Es steht im Schutz der Stadtmauern, die im 12. bis 15. Jahrhundert entstanden sind. Darin gibt es viele kulturhistorische Gebäude, kleine örtliche Museen und Geschäfte für Tou­risten. Die Besucher können über den Wehrgang, der von kleinen, geschützten Gärten eingebettet ist, gehen, um die fantastische Aussicht auf die Küste zu genießen. Die meisten alten Häuser gibt es heute nicht mehr, nur noch wenige aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind vorhanden (vgl. Decaëns 1981: 92, Bild 8). Der Großteil der Häuser wurde während der Belle Epoque[2] abgerissen um für komfortablere Gebäude Platz zu machen. Diese behielten aber bei Anord­nung den alten Aufbau des Ortes bei (vgl. Simonnet 1989: 16). Dadurch wurden viele Fachwerkhäuser im 20. Jahrhundert neu errichtet (vgl. Quétel 2005: 151, Bild 9). Des Weiteren gab es eine Schule, welche im Jahr 1972 geschlossen wurde.

Die einzige Straße der Gemeinde ist die La Grande Rue (Bild 10). Dazu gibt es viele kleine Gässchen mit steilen Stufen, die direkt zur Abtei führen (vgl. Si­monnet 1989: 13). Am Ende der La Grande Rue befindet sich die Pfarrkirche St. Pierre des Ortes. Diese wurde im 11. Jahrhundert erbaut und im 15. Jahr­hundert erweitert und aufgestockt (vgl. ebd.: 18). Am Ende des 19. Jahrhun­derts wurde sie zum Pilgerziel als die Abteikirche entweiht war (vgl. ebd.).

Kurz vor der Französischen Revolution hatte das Dorf etwa 300 Einwohner (vgl. Quétel 2005: 149). Nach der Französischen Revolution wurde die Gemeinde eigenständig (vgl. Simonnet 1989: 13).

Das Dorf ist durch seine traditionellen gastronomischen Spezialitäten bekannt, wie der bretonische Hummer, das typische Salzwiesenlamm - genannt « l’agneau de pré-salé » - oder das Omelette der Mère Poulard, die hier ein Gasthaus im Jahr 1888 eröffnete (vgl. Voyages-sncf.com).

Heute leben dort etwa 44 Einwohner (vgl. Schloemer).

5 Geschichte

Die Geschichte des Mont-Saint-Michel reicht viele Jahrhunderte zurück. Vor dem Bau trug die Insel den Namen Mont Tombe oder Tumbe (vgl. Quétel 2005: 17). Dies ist ein Ausdruck für eine grabähnliche Erhebung, abgeleitet von fran­zösisch « tombe » bzw. ein Ausdruck aus dem Vulgärlatein Tumba mit der Doppelbedeutung von Grabhügel und Grab (vgl. Decaëns 1981: 8). Etwa drei Kilometer nördlich befindet sich die Insel Tombelaine (Bild 11). Diese ist etwas kleiner als die Insel Mont Tombe und trägt deswegen die Verkleinerungsform Tombelaine (vgl. ebd.: 5).

Im nachfolgenden Kapitel werde ich ausführlich auf die Gründung, die Anfänge, die Höhen und die Tiefen bis zur heutigen Zeit eingehen.

5.1 Vorwort

Alles begann in einer Nacht im Jahr 708. In einem Traum wurde der Bischof Aubert von Avranches vom Erzengel Michael aufgefordert eine Kirche auf der Felseninsel Mont Tombe für ihn, zur Ehrung, bauen zu lassen. Nach einigem Zögern, er befürchtete sich alles einzubilden, leitete er alles in die Wege (vgl. Decaëns 1981: 8). Als der Bischof Aubert sich nach einem Standort umschaute, gab der Erzengel ihm den Hinweis, dass er an der vorgesehenen Stelle einen Stier finden würde und die Fläche der Kirche solle so groß werden, wie der Stier niedergetrampelt habe (vgl. ebd.). Die Arbeiten auf dem Mont Tombe wurden nach den Ereignissen begonnen. Der Bischof zweifelte zwischenzeitlich, weil ihm nicht klar war, welche Dimensionen das Heiligtum annehmen sollte und wieder erhielt er Antwort durch ein Zeichen des Himmels. In der darauffolgen­den Nacht war auf einer bestimmten Fläche kein Tau. Dies sollte die Fläche des Heiligtums werden und er konnte mit dem Bau nun wirklich beginnen (vgl. ebd.). Letztendlich wurde am 16. Oktober 709 das Heiligtum auf dem Berg eingeweiht. Ab da lebte eine Gemeinschaft von Geistlichen des Bischof Avranches (vgl. ebd.: 9).

5.2 Anfänge

Der Ruf des Bergheiligtums verbreitete sich schnell in Europa und erreichte im 9. Jahrhundert an großer Bedeutung (vgl. Decaëns 1981: 9). Um 870 ereignete sich eine erste Pilgerfahrt (vgl. Quétel 2005: 170) und rückte andere Heiligtümer in den Hintergrund. Kurzerhand nahm der Berg den Namen Mont-Saint-Michel an. Im Jahr 933 annektierten die Normannen die Halbinsel Cotentin, wodurch die Insel strategisch noch bedeutsamer nun an der Grenze zur Bretagne lag. Durch die Kämpfe um 965 wurden die Kanoniker[3], die bisher für den Berg und seine Reliquien verantwortlichen Mönche aus der Abtei Saint Wandrille, die dort lebten, von Richard I, welcher der normannische Herzog und französischer Kö­nig des Herzogtums der Normandie, vertrieben (vgl. Simonnet 1989: 21) und 966 durch 12 Benediktiner mit dem Abt Maynard[4] von Fontenelle ersetzt. Diese Besetzung hatte mehr politische als religiöse Gründe. Die Lage des Mont-Saint- Michel, welche ich im Kapitel 2 erläuterte, liegt direkt an der Grenze und ist so­mit eine strategische Lage für weitere politische Ereignisse (vgl. Simonnet 1989: 21).

Trotzdem war der bretonische Einfluss sehr groß. Im 11. Jahrhundert führte man auf dem Berg eine Mönchsordnung ein, die auf den wesentlichen Prinzi­pien der benediktinischen Ordensregeln gegründet waren, wie Armut, Keusch­heit und Gehorsam gegenüber dem Abt und Beachtung der Fastengebote (vgl. Decaëns 1981: 10).

5.3 Wechsel zwischen Blütezeiten und Untergänge

Ab dem 10. Jahrhundert ging es mit dem Kloster aufwärts und es lebten inzwi­schen 50 Mönche dort (vgl. Decaëns 1981: 11). Der Mont-Saint-Michel erlangte viel Reichtum durch Spenden der Pilger. Er war ein beliebter Wallfahrtsort (vgl. ebd.). Nach dem 1. Brand im Jahr 992 wurde dieser stark beschädigt und man stellte fest, dass die Kirche zu klein geworden war. Deswegen wurde sie wieder aufgebaut und gleichzeitig vergrößert um die zahlreichen Pilger zu beherbergen (vgl. Quétel 2005: 35).

Im Jahr 1020 begann man im Auftrag von dem Abt Hildebert II[5] mit dem Bau der romanischen Abtei (vgl. Decaëns 1981: 11). Das zerstörte vorromanische Kloster wurde zu einem romanischen Bauwerk wiederaufgebaut, welches letzt­endlich über 60 Jahre dauerte und um 1080 fertiggestellt wurde. Im Jahr 1022 wurden finanzielle Mittel für die Errichtung der Kirche vom Herzog der Norman­die, Richard II, bereitgestellt. Das Hauptproblem lag auf baulicher Ebene. Auf dem Granitkegel von Mont-Saint-Michel gab es keine genügend große horizon­tale Oberfläche, welches nur ein 70 Meter langes Gebäude zu lassen würde. Deshalb entschieden sich die Erbauer das Zentrum der Kirche auf dem Gipfel des Berges zu errichten und rings um das Zentrum herum eine Reihe von Kryp- ten[6] an der Nordspitze (vgl. Quétel 2005: 37, vgl. Decaëns 1981: 73) anzuord­nen, die seine Höhe erreichten, so dass dies für den Chor und die Arme des Transepts[7] als Fundament dienen konnten (vgl. Simonnet 1989: 23).

In den folgenden Jahrhunderten finanzierten Herzöge und Könige die großarti­ge Architektur des Klosters. Durch Schenkungen, aufgrund der hohen Bedeu­tung von herzoglichen Familien und Ortsherrschaften, vergrößerten sich die Ländereien der Abtei. Die Klosterbauten wurden stetig erweitert. Neben dem Wiederaufbau und der Erweiterung begann man im 11. Jahrhundert mit dem Neubau der komplexen Abtei, welcher 500 Jahre dauern sollte, teilweise sogar bis ins 17. Jahrhundert (vgl. Wendroth).

Im 12. Jahrhundert wurde die romanische Klosteranlage nach Westen und Sü­den erweitert. Doch im Jahr 1103 stürzte ein Teil des Kirchenschiffs ein. Um 1112 gab es einen 2. großen Brand durch einen Blitzschlag.

Die Abtei war weiterhin das Ziel großer Pilgerströme und Wallfahrten. Dies hat­te sie dem Abt Bernard[8], der auch der „Ehrwürdige" genannt wurde zu verdan­ken, der durch seine weitsichtige Verwaltung der Abtei große Macht und bedeu­tenden Einfluss erlangte. Er schaffte es, dass die verlorenen Güter, die durch eine Misswirtschaft hervorgerufen wurden, wieder zurückzuholen und erreichte neue Landschenkungen. Doch auch in seiner Zeit gab es im Jahr 1138 ein gro­ßes Feuer und bis auf die Abteikirche war alles abgebrannt. Dieses große Un­glück verursachte wiederum große Ausgaben (vgl. Decaëns 1981: 12).

Am 8. Mai 1149 starb der Abt Bernard und es gab viele Wechsel von Äbten (vgl. ebd.).

Am 27. Mai 1154 wählten die Mönche Robert de Torigny /Torigni[9] (vgl. ebd.: 13). zum Abt des Bergklosters (vgl. Decaëns 1981: 13). Er hatte nachhaltig geistigen Einfluss auf sein Kloster ausgeübt und dazu beigetragen, dass sich die Anzahl der Mönche von 40 auf 60 erhöhte. Diese Anzahl wurde in der Fol­gezeit nie mehr überschritten (vgl. Quétel 2005: 45). Robert de Torigny hatte die Schreibstube von Mont zur höchsten Blüte geführt, die sie jemals erlangte. Dies brachte den Berg den Beinamen „Stadt der Bücher" übersetzt « Cité des livres ». Er schrieb selbst verschiedene historische Werke über sein Kloster und die Normandie. Ihm ist das Urkundenbuch der Abtei zu verdanken (vgl. ebd.: 45 f.). Die Abtei stand in ihrer Blütezeit und Robert de Torigny verteidigte die Rech­te seiner Abtei, holte geraubte Güter zurück und vergrößerte den Bodenbesitz der Abtei durch Kauf, Tausch und Schenkungen. Durch diese Einnahmen konn­te Robert de Torigny wichtige Arbeiten in Angriff nehmen (vgl. Decaëns 1981: 13 f.). Er hatte vieles errichten lassen, aber er war kein guter Baumeister. Vieles stürzte ein, außer die Verwaltungs- und Gerichtsräume, sowie die Wohnung des Abtes sind stehen geblieben. Am 23. oder 24. Juni 1186 starb Robert de Torigny und er hatte über 30 Jahre die Abtei mit Autorität und Klugheit geführt und sich den Beinamen « Robert du Mont » zurecht verdient (vgl. Quétel 2005: 45).

Um 1192 wurde der Mönch Jourdain du Mont[10] zum Abt gewählt. Durch ihn wurde ein Wendepunkt in der Geschichte des Klosters eingeleitet (vgl. Decaëns 1981: 13).

Am Anfang des 13. Jahrhundert gab es viele Kriege, der Ort selber wurde in Brand gesteckt und Teile der Abtei zerstört. Die Stiftung des französischen Kö­nigs Philipp August ermöglichte nach der Eroberung der Normandie den Bau des gotischen Ensembles, genannt « La Merveille » - das Wunder. Dessen Bau begann um 1210 und sollte bis 1228 andauern.

In den Jahren 1237 bis 1264 herrschte unter dem Abt Richard Turstin[11] eine glanzvolle Amtszeit und ist dadurch einer Krise entgangen (vgl. ebd.:15). Am Ende seiner Amtszeit befand sich die Abtei auf ihrem Höhepunkt des Wohl­standes.

[...]


[1] eingedeichte Rückhaltefläche, die bei Bedarf geflutet werden kann

[2] Zeit eines gesteigerten Lebensgefühls in Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts

[3] Mitglied eines Stifts- oder Domkapitels

[4] 1. Abt, Amtszeit: 966-991 (vgl. Quétel 2005: 170)

[5] 4. Abt, Amtszeit: 1017-1023 (vgl. Quétel, 2005: 37)

[6] meist unter dem Chor einer [romanischen] Kirche liegender, [halb] unterirdischer gewölbter Raum

[7] Querschiff einer Kirche

[8] 13. Abt, Amtszeit: 1131-1149 (vgl. Decaëns 1981: 12)

[9] 16. Abt, Amtszeit: 1154-1186 (vgl. Quétel 2005: 170)

[10] 18. Abt, Amtszeit: 1192-1212 (vgl. Decaëns 1981: 13)

[11] 22. Abt, Amtszeit: 1237-1264 (vgl. Decaëns 1981: 15)

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Der ständige Kampf um den Erhalt des Mont Saint-Michel und die Hintergründe und Geschichte des Denkmals
Hochschule
Universität Potsdam  (Romanistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
47
Katalognummer
V383647
ISBN (eBook)
9783668589407
ISBN (Buch)
9783668589414
Dateigröße
3051 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
UNESCO, Weltkulturerbe, Erhalt, Mont Saint-Michel, Restauration, Frankreich, Denkmal, Architektur
Arbeit zitieren
Christin Curth (Autor:in), 2016, Der ständige Kampf um den Erhalt des Mont Saint-Michel und die Hintergründe und Geschichte des Denkmals, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383647

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