Über die Heilung eines Mannes am Sabbat

Eine Exegese von Mk 3,1-6


Quellenexegese, 2015

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Übersetzung

3. Literarkritik
3.1. Abgrenzung der Texteinheit
3.2. Kontextanalyse
3.3. Sprachlich-syntaktische Analyse
3.4. Semantische Analyse
3.5. Synoptischer Vergleich

4. Überlieferungsgeschichte

5. Formkritik/-geschichte
5.1. Gattungszuordnung
5.2. Gliederung des Textes
5.3. Parallele Texte
5.4. Sitz im Leben

6. Redaktionskritik
6.1. Trennung von Tradition und Redaktion
6.2. Intention des Autors

7. Traditionsgeschichte / Begriffs- und Motivgeschichte
7.1. Das Herz - καρδία
7.2. Die Hand - χέρι
7.3. Das Böse - κακός

8. Hermeneutik

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„ Und er sagt zu ihnen: Ist es erlaubt am Sabbat Gutes zu tun oder ü bel zu handeln, Leben zu retten oder zu t ö ten? Sie aber schwiegen. “ (Mk 3,4)

Diese zentrale Formulierung der Perikope scheint bei dem Leser verstärkt im Gedächtnis zu bleiben. Sie wirft nicht nur grundsätzliche Verständnisfragen auf, sondern stellt vielmehr auch entscheidende theologische Deutungen in Frage. Denn wieso gerät Jesus in den Konflikt mit dem Sabbatgesetz? Eine Auflehnung von Jesus gegen das Gesetzt scheint hier die erste Prob- lemlösung zu sein. Würde er sich nicht auflehnen, gäbe es keine Konflikte. Denn scheinbar zu Recht kann die Kritik formuliert werden, dass die Heilung des Kranken noch einen Tag hätte waren können. Ob seine verdorrte Hand am Sabbat oder am darauffolgenden Tag geheilt wird, mag vermutlich keinen essentiellen Unterschied darstellen. Aber warum sollte es nicht möglich sein am Sabbat mit gutem Willen zu handeln und Gutes zu tun? Weshalb schließt der Sabbat die Wunderheilungen aus? Und wieso darf man weder Gutes tun, noch übel handeln? Wie sollte man sich dann überhaupt noch am Sabbat verhalten d ü rfen ?

Nicht nur die Beschreibung der Situation und das Vorgehen Jesu sind dabei scheinbar interessant zu betrachten, auch die Auffälligkeit des Schweigens der Gegner Jesu fällt hier besonders ins Auge. Denn warum schweigen sie und geben keine Antwort auf Jesus gegensätzliche Darstellung von gut und böse?

Zur Klärung dieser Fragen und für die vertiefende exegetische Betrachtung der Perikope wird zunächst eine selbst angefertigte Übersetzung des Bibeltextes formuliert. Diesem Vorgehen schließen sich die Abgrenzung und die Kontextanalyse des Textes an. Die anschließende Be- trachtung von Syntax und Semantik verspricht eine Vereinfachung des folgenden synopti- schen Vergleiches. Durch die Frage nach der Vorgeschichte und dem Überlieferungsgang unter dem Punkt der Überlieferungsgeschichte wird der Prozess der Entstehung des Textes bis zu seiner letztendlichen Form dargestellt. Daraufhin wird in Kapitel 5 der Versuch aufgestellt, die Perikope einer bestimmten Gattung zuzuordnen, parallele Stellen zu finden und den Sitz im Leben zu bestimmen, um die Bedeutung der Perikope zur damaligen Zeit zu analysieren. Abschließend wird die redaktionelle Bearbeitung der Perikope untersucht und herausgestellt, welche Bestandteile der Tradition zuzuordnen sind. Die wichtigsten Motive zur Deutung der Textaussagen werden unter dem Punkt der Traditionsgeschichte erarbeitet. Schlussendlich widmet sich das Kapitel 9 der Hermeneutik, die die Aktualität und die heutige Bedeutung der Perikope klären soll.

2. Übersetzung

1 Und er ist nochmals in die Synagoge hineingegangen und da war ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte.

2 Und sie lauerten auf ihn, ob er ihn am Sabbat heilen werde, damit sie ihn verklagen würden.

3 Und er sagt dem Menschen, der die verdorrte Hand hatte: Erhebe dich in die Mitte.

4 Und er sagt zu ihnen: Ist es erlaubt am Sabbat Gutes zu tun oder übel zu handeln, Leben zu retten oder zu töten? Sie aber schwiegen.

5 Und er blickte sich mit Zorn nach ihnen um und empfand Mitleid aufgrund ihres verstockten Herzens und er sagt dem Menschen: Strecke deine Hand aus, und er streckte sie aus und seine Hand wurde gesund.

6 Und die Pharisäer gingen gerade heraus und hielten mit den Herodianern Beschluss gegen ihn, auf welche Weise sie ihn töten würden.

Zum besseren Verständnis sowie der Sinnerfassung der Intention der Perikope, ist die eigenständige Übersetzung essentiell wichtig. Die Entscheidungen meiner Übersetzung, anhand von Stoy/Haag1, werden im Folgenden kurz erläutert.

V. 2: Das Verb lauern beschreibt an dieser Stelle der Übersetzung die negative Intention, die die Gegner Jesus entgegenbringen. Es beinhaltet die feindliche Absicht, jemandem etwas Bö- ses anzutun.

V. 4: Ich entschied mich für die Übersetzung von κακοποιῆσαι als ü bel zu handeln. Dadurch wird meines Erachtens der böswillige Akt des Handelns klarer herausgestellt. Dieses Handeln wird in der Perikope fokussiert und sollte daher herausgestellt werden.

V. 6: Das Verb ἀπολέσωσιν scheint mir in der Übersetzung als t ö ten ertragreicher als vernich- ten oder verderben, da es die Wirkung und Stärke des Beschlusses besser einfängt und reprä- sentiert. Markus‘ Intention wird zudem durch t ö ten verdeutlicht und das Bestreben um Jesu Leben fokussiert.

3. Literarkritik

Zentral scheint für den ersten Überblick von Mk 3,1-6 die Frage, ob die Sabbatheilung einen eigenständigen Text darstellt und wie dieser Erzählstrang in das Markusevangelium eingebettet ist. Durch diese Herausstellung sollen die spezifischen Charakteristika erarbeitet werden, um einen synoptischen Vergleich zu erleichtern.

3.1. Abgrenzung der Texteinheit

Nimmt man an, dass die Markusperikope einen eigenständigen Text darstellt, so spricht dafür vor allem der Ortswechsel am Anfang und am Ende. In Mk 2,23 raufen die Jünger Ähren, wohingegen in Mk 3,1 die Juden in der Synagoge in Kapernaum thematisiert werden. Dabei ist eine Erinnerung an Mk 2,1 durch das Wort πάλιν vorzufinden. Zudem folgt auf den To- desbeschluss in Mk 3,7-12 ein weiterer Ortswechsel an den See Genezareth, an den Jesus und seine Jünger ziehen.

Zudem spricht für die geschlossene Texteinheit das Fehlen der Jünger. Waren sie in Mk 2,23 noch anwesend und finden auch wieder ihren Platz in Mk 3,7-12, so werden sie in Mk 3,1-6 nicht erwähnt. Dies stellt eine Diskontinuität zu den vorangegangen und nachfolgenden Peri- kopen dar.

3.2. Kontextanalyse

Innerhalbe des Markusevangelium bildet die Sabbatperikope in Mk 3,1-6 den Abschluss eines großen Abschnittes, der „eine Serie von Streitgesprächen in und bei Kapernaum“2 enthält. Er wird „durch die zwei Erzählungen, in denen Wunder und Konflikt miteinander verknüpft sind“3 gerahmt (Vgl. Mk 2,1-12; 3,1-6). Dieser Abschnitt beginnt bereits in Mk 2,1 mit dem Eintreffen Jesu in Kapernaum. Die Heilung eines Gelähmten (Vgl. Mk 2,1-12) fokussiert dabei die Vollmacht Jesu zur Sündenvergebung. Der Andrang auf Jesu Ankunft war so enorm, dass die meisten „keinen Platz mehr hatten, nicht einmal vor der Tür“ (Mk 2,2). Schon hier gerät Jesus in den Konflikt mit den Schriftgelehrten (Vgl. Mk 2,6-12). Ihr Zorn richtet sich gegen ihn, denn sie bezichtigen ihn der Gotteslästerung (Vgl. Mk 2,7). Grund dafür ist, dass nur Gott selbst die Macht zur Sündervergebung habe (Vgl. Mk 2,8).

Die in Mk 2,13-17 folgende Berufung des Levi behandelt zudem das gemeinsame Mahl der Zöllner und Jesus. Die Schriftgelehrten der Pharisäer erheben sich auch in dieser Überliefe- rung wieder gegen Jesus (Vgl. Mk 2,16). Ihre negativen Äußerungen richten sich gegen das Gemeinschaftsmahl mit den Zöllnern. Jesus entgegnet auf ihren Vorwurf, dass er nicht ge- kommen sei, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder (Vgl. Mk 2,17). Das Streitgespräch endet in der rechten Ordnung des Fastens zwischen Jesus und den Pharisäern (Vgl. Mk 2,18-22).

Markus behandelt als nächstes in seinem Evangelium die Sabbatfrage in Mk 2,23-28. Hier konfrontieren die Pharisäer Jesus und seine Jünger mit der Tatsache, dass das Raufen der Äh- ren am Sabbat nicht erlaubt sei (Vgl. Mk 2,23-24). Jesus begründet auch hier wieder seine Sabbathandlung, denn „der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Mk 2,27). Die Thematik der Sabbatfrage findet ihren Fortgang in der Heilung des Menschen mit der verdorrten Hand, die zugleich hier ihren Höhepunkt erreicht und mit dem Todesbeschluss Jesu endet.

3.3. Sprachlich-syntaktische Analyse

Die vorliegende Perikope zeigt einen parataktischen Textaufbau, der für Markus typisch ist.4 Dieser wird durch die Konjunktion και eingeleitet und ist 8-mal in der Perikope zu finden. Daneben gibt es nur eine weitere Konjunktion in dem Text, das nebenordnende ἢ, das 2-mal verwendet wird.

Die häufigste im Text vertretene Wortart bilden die Verben. Dies lässt darauf schließen, dass ein Erzähltext vorliegen könne. Zudem verleihen die Verben dem Text Dynamik - das Lesen wird vereinfacht und leichter verständlich. Dagegen sind nur die Adjektive ξηρὰν und ἀγαθὸν vorzufinden, wodurch der Rückschluss gezogen werden kann, dass diese wichtige Aspekte im Text hervorheben sollen. Das vermeintliche Fehlen von Adjektiven erweckt zunächst den Eindruck, dass die inhaltliche Genauigkeit genommen wurde. Dies ist jedoch in Mk 3,1-6 nicht der Fall. Lediglich die Akzentsetzung durch die Adjektive, beispielsweise in V. 3, er- möglicht einen erweiterten Blick in den sonst sehr schlichten und einfachen Satzbau, den Markus wählt. Der Evangelist setzt sich bewusst von großartigen, sprachlichen Ausschmü- ckungen ab.

Zudem weist die Perikope einige temporale Besonderheiten auf. Allein in den V. 3, V. 4 und V. 5b wurde das Präsens als Zeitform gewählt, sodass hier direkte Rede vorliegt. Grund dafür scheint der Sprachenanteil Jesu zu sein, welcher dem Text eine gewisse Lebendigkeit verleiht. Die restlichen Verben liegen im Präteritum vor. Möglich ist erneut die Annahme, dass Mar- kus diese Passagen hervorheben und akzentuieren wollte. Dies wird zudem durch die Ver- wendung des Imperativs in V. 3 und V. 5 verstärkt. Somit ist jedoch kein einheitliches Erzähl- tempus festzumachen, da dieses stark innerhalb der Perikope variiert. Besonders dominant erscheinen dabei die Partizipien, die im Aorist stehen sowie das Imperfekt. In der Analyse sollte zudem der Wechsel des Modus von V. 2 zu V. 6 fokussiert werden. Denn in V. 2 ändert sich das Tempus von Imperfekt zu Futur, darüber hinaus wird θεραπεύω in den Konjunktiv gesetzt. Gleiches geschieht in V. 6. bei dem Verb ἀπολειπω. Hier wechselt das Tempus aller- dings vom Imperfekt in das Präsens. Des Weiteren hebt sich das Verb λέγω im Präsens be- sonders ab. Dies mag an der Verknüpfung von Präsens und direkter Rede liegen. Eben dadurch findet eine temporale Abgrenzung zu den Jesusworten in V. 3, V. 4 und V. 5 statt.

Die synonymen Ausdrücke, die Markus verwendet, bilden ein weiteres charakteristisches Merkmal der Perikope. Diese Synonyme verleihen dem Text eine gewisse Spannung und seien zudem ein Indiz für Tradition und Redaktion.5 Bezogen auf den Menschen mit der verdorrten Hand fällt dies besonders in V. 1 durch ἄνθρωπος ἐξηραμμένην ἔχων τὴν χεῖρα und in V. 3 durch ἀνθρώπῳ τῷ τὴν ξηρὰν χεῖρα ἔχοντι auf.6 Eine ähnliche Verwendung von Synonymen ist in V. 2, V. 4 und V. 6. zu finden. Die Verben Θεραπεύω, σῳζω und ἀποκαΘίστημι werden hier nahezu synonym gebraucht.

Die Satzstruktur der Perikope darf in dieser Betrachtung nicht außer Acht gelassen werden. In V. 4 fällt besonders die Frage Jesu ins Auge. Diese ist als Parallelismus vorzufinden. Eine Ungewöhnlichkeit stellt dabei jedoch die Tatsache dar, dass die Satzteile ohne eine Konjunk- tion verbunden wurden. Sie sind symmetrisch aufgebaut und enthalten antithetische Struktu- ren. Dadurch wird die Aussage von Jesu Anspruch deutlich unterstrichen. Mk 3,1-6 weist jedoch noch weitere Auffälligkeiten vor: 1.) Aus dem Kontext gerissen scheint die Verwendung von πάλιν (Mk 3,1) sowie 2.) die gewählte Verwendung von Prono- mina. Anstatt Personennamen, wie in den ersten Versen zu verwenden, baut Markus auch hier wieder eine stilistische Besonderheit ein. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Sabbatperi- kopen thematisch direkt miteinander verbunden sind. Zudem erscheint es nach dem Autor nicht nötig zu sein, die Personen erneut vorzustellen, wodurch ein zeitlich aufeinander fol- gender Ablauf ebenfalls angenommen werden kann. Dies wird durch πάλιν verstärkt, das auf den erneuten Besuch von Jesus in der Synagoge verweist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.4. Semantische Analyse

Mk 3,1-6 verdeutlicht in der vorzufindenden Semantik die vorherrschende Opposition zwi- schen Jesus und den Pharisäern und Herodianern (Vgl. der Verben in Mk 3,2-5). Bereits am Textanfang werden diese durch das Auflauern negativ konnotiert (Vgl. Mk 3,2). Sie hegen den Willen, Jesus verklagen zu wollen (Vgl. Mk 3,2), wodurch eine negativ aufgeladene und provokante Stimmung erzeugt wird. Besonders herauszustellen ist dabei der Mensch mit der verdorrten Hand, der in der Mitte des Raumes, zwischen den beiden Streitgruppen, positio- niert wird. Durch die konträren Verben „Θεραπεύω“ (V.2), „σῳζω“ (V.4) und „ἀποκαΘίστημι“ (V.5) als auch „παρατηρέω“ (V.2), „κατηγορέω“ (V.2), „ἀποκτείνω“ (V.4) sowie „ἀπολειπω“ (V.6) wird dieser Eindruck akzentuiert.

Durch diese Gegenüberstellungen wird Jesu antithetische Frage in V. 4 herausgestellt. Hier geht es darum, ob es erlaubt ist, am Sabbat Gutes zu tun oder böse zu handeln bzw. Leben zu retten oder zu töten. Vermutet wurde nun durch den Auftakt der Perikope, dass es unweiger- lich zum Streit mit den Pharisäern kommen muss. Jesus blickt sich aber lediglich mit Zorn zu ihnen um und zeigt dabei sogar Mitleid. Angesichts der Verstocktheit ihrer Herzen kann sogar die These aufgestellt werden, Jesu Mitleid würde seinen Zorn entrücken. Es ist durch diese Interpretation gewiss der negative Beigeschmack dieser aufgeladenen Situation nicht wegzu- denken.

Der Fokus der Sabbatperikope verschiebt sich an dieser Stelle. Der sich anbahnende Streit wird durch Jesu Reaktion vermieden und die Heilung des Kranken rückt in den Vordergrund. Diese repräsentiert die Vollmacht Jesu. Der Gegensatz wird in V. 5 und V. 6 noch einmal aufgegriffen und kommt hier zu seinem Höhepunkt. Ganz deutlich wird dabei in V. 5 die Heilung des Menschen fokussiert und scheint dem Text eine positive Wendung zu verleihen. Dies wird jedoch durch V. 6 direkt wieder ausgehebelt, da hier der Tötungsbeschluss Jesu thematisiert wird und die Stimmung ins Gegenteil schiebt.

3.5. Synoptischer Vergleich

Die vorliegende Sabbatperikope lässt sich sowohl im Matthäusevangelium als auch im Lukasevangelium wiederfinden. Die beiden Evangelisten verändern die Markusperikope dabei nicht unwesentlich.

Im Matthäusevangelium ist der Paralleltext zu Markus in Mt 12,9-14 zu finden. Bereits durch das erste Lesen dieser Texte wird ein markanter Unterschied deutlich. Laut Markus ging Jesus in die Synagoge, Matthäus hingegen verwendet die Formulierung ihre Synagoge. Dadurch wird ein unmittelbarer Bezug zur Sabbatthematik dargestellt. Diese knüpft an das vorherge- gangene Ährenraufen an. Der Text legt dabei das Augenmerk auf die Synagoge der dortigen jüdischen Gemeinde, nicht etwa die Synagoge der Pharisäer.7

Zudem lässt Matthäus das Lauern der Feinde aus und schließt direkt mit der Frage aus Mk 3,4 an. Sie wird jedoch von den Pharisäern und nicht von Jesus gestellt. Diese Tatsache und das darauf folgende Frage-Antwort-Gespräch lassen darauf schließen, dass in Mt 12,9-14 ein Streitgespräch vorliegt.8 Dafür spreche auch, dass das Wunder selbst durch die kurzgehaltene Formulierung9 sowie die Verortung am Ende der Perikope in den Hintergrund gerückt wird (Vgl. Mt 12,13).10 Durch diese Änderung wird es für Matthäus möglich, den Spruch Jesu in V. 11 zu formulieren. Hier zeigt sich der grundlegende Unterschied zur Markusperikope: Matthäus verwendet ein Alltagsbeispiel als Argument für den Ausspruch Jesu. Dieses Bei- spiel scheint jedoch nicht allein zur Begründung auszureichen. Denn das Leben eines Schafes sei nicht so kostbar zu sein wie ein Menschenleben. Genau dadurch wird das Beispiel so er- tragreich. Ein Menschenleben ist sehr viel kostbarer und sofern es möglich ist, ein Schaf am Sabbat aus einer Grube zu retten, so muss es auch möglich sein, am Sabbat Barmherzigkeit walten zu lassen und Gutes zu vollbringen. Die Liebe steht dabei deutlich erhöht über dem starren Gesetz.

Der Paralleltext in Mt 12,9-14 endet ähnlich wie Markus mit dem Todesbeschluss Jesu. Je- doch lässt sich hier der Unterschied festmachen, dass nur von der Pharisäern und nicht zusätz- lich von den Herodianern gesprochen wird. Die politische Dimension der Perikope wird damit ausgelassen.

Gegenüber zu Matthäus deckt sich die Parallelstelle im Lukasevangelium in LK 6,6-11 über- wiegend mit der Markusperikope. Dies erweckt zumindest der erste Eindruck, den auch Ha- enchen vertritt, da nach ihm Lukas im Wesentlichen Markus folge.11 Bei der genaueren Be- trachtung wird jedoch klar, dass durchaus Veränderungen vorhanden sind, wenn auch mini- mal.

Deutlich wird eine dieser Unterscheidungen zunächst in V. 6, da Lukas hier nicht den glei- chen Anschluss wie Markus und Matthäus an das Ährenraufen wählt. Vielmehr setzt Lukas eine Zäsur, indem er davon schreibt, dass es ein anderer Sabbat war.

[...]


1 Vgl. Werner Stoy / Klaus Haag, Bibel-Griechisch leichtgemacht. Lehrbuch des neutestamentlichen Griechisch, Gießen 1983.

2 Hans Conzelmann / Andreas Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, 142004, 315.

3 Ebd..

4 Vgl. Heikki Sariola, Markus und das Gesetzt. Eine redaktionskritische Untersuchung, Helsinki 1990, 87.

5 Vgl. Sariola, Markus, 88.

6 Vgl. ebd..

7 Vgl. Luz Ulrich, Das Evangelium nach Matthäus, in: EKK 1 (1990), 238

8 Vgl. ebd..

9 Grund der Annahme einer knappen Formulierung: Mk 3,3 wird im matthäischen Paralleltext komplett ausge- lassen. Die eigentliche Heilung scheint nur eine Nebenhandlung der Perikope zu sein. Dabei wird der Kranke zum einen lediglich aufgefordert, seine Hand auszustrecken, zum anderen fehlt der Aufruf sich in die Mitte zu stellen.

10 Vgl. Ulrich, Evangelium, 238

11 Vgl. Ernst Haenchen, Der Weg Jesu. Eine Erklärung des Markus-Evangeliums und der kanonischen Parallelen, Berlin 1968, 237.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Über die Heilung eines Mannes am Sabbat
Untertitel
Eine Exegese von Mk 3,1-6
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik)
Veranstaltung
Fragen der Exegese und Bibelwissen-schaft (NT)
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
23
Katalognummer
V386007
ISBN (eBook)
9783668602236
ISBN (Buch)
9783668602243
Dateigröße
723 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Exegese, Mk 3, Heilung eines Mannes am Sabbat, Literarkritik, Überlieferungsgeschichte, Formkritik, Redaktionskritik, Traditionsgeschichte, Hermeneutik, Sabbat, Heilung
Arbeit zitieren
Annabell Hackfort (Autor:in), 2015, Über die Heilung eines Mannes am Sabbat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/386007

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