Die Bedeutung der Ideenlehre in Platons "Phaidon"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


2
1. H
INFÜHRUNG
Platons Werk Phaidon
1
zählt zu den mittleren Dialogen des antiken Philosophen.
2
Kutschera
bezeichnet die Dialoge dieser Gruppe, zu denen u.a. auch die Werke Symposion, Politeia und
Phaidros gehören, als die ,,großartigsten Zeugnisse platonischer Philosophie."
3
Auch ein
Blick auf die Rezeptionsgeschichte bestätigt die Bedeutung des Phaidon: Er gehört zu den
meist rezipierten Werken Platons. Das mag mitunter an der hohen literarischen Qualität der
Texte liegen und der detaillierten Ausarbeitung der letzten Stunden des Sokrates kurz vor sei-
nem Tod. Der Großteil der Schrift ist den Unsterblichkeitsbeweisen der Seele gewidmet, die
unter anderem der These, dass der Tod für Philosophen kein Übel darstellt, sondern etwas
Erstrebenswertes ist, dienen. Nichtsdestoweniger thematisiert der Dialog weitere Elemente
der platonischen Philosophie, darunter die Ideenlehre. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die
Ideenlehre nicht als zusammenhängendes Werk formuliert wurde. Wie Graeser prägnant zur
Sprache bringt, gibt es ,,[e]ine Ideenlehre als systematisch entfaltetes Lehrstück [...] nicht und
hat es unserer Kenntnis nach auch nie gegeben. Wohl werden die Ideen in einigen Dialogen
explizit oder auch nur implizit zur Sprache gebracht. Aber dies geschieht in sachlich ver-
schieden gelagerten Zusammenhängen."
4
Wenn also von der Ideenlehre die Rede ist, so darf
dies nicht außer Acht gelassen werden.
Der Phaidon gilt als der ,,Dialog, in dem erstmals die
Existenz von Ideen in genereller [...] Form [...] eingeführt [wird]."
5
Zwar stellen wie erwähnt
die Unsterblichkeitsbeweise den Hauptteil des Phaidon dar, jedoch steht dieses Vorhaben fast
durchweg im Zusammenhang mit den Ideen.
Zielsetzung dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, die Elemente der platonischen
Ideenlehre im Phaidon herauszuarbeiten. Dabei soll die Frage, welche Bedeutung der Ideen-
lehre im genannten Kontext zukommt, im Zentrum stehen, um die These, dass das zentrale
Thema des Phaidon mehr die Ideenlehre darstellt und weniger die Unsterblichkeitsbeweise
der Seele, bestätigen oder falsifizieren zu können. Bevor jedoch die Aufmerksamkeit den ein-
zelnen Komponenten der Ideenlehre gewidmet wird, soll in einem ersten Schritt prägnant auf
den Begriff Idee eingegangen werden, um etwaige Missdeutungen auszuschließen. Danach
1
Dieser Arbeit liegt folgende Ausgabe zugrunde: Platon: Phaidon, in: Platon sämtliche Werke, hrsg. v. Ursula
2
Zwar herrscht keine genaue Einigkeit bezüglich der Abfassungszeit des Phaidon, jedoch liegt die Vermutung
nahe, dass das Werk nach Platons Menon entstanden ist, da er auf die dort dargelegte Probe der Anamnesis re-
kurriert. (vgl. dazu Frede, Dorothea: Platons ,,Phaidon": Der Traum von der Unsterblichkeit der Seele. Darm-
stadt 1999 (Werkinterpretationen), S. 4f.).
3
Kutschera, Franz von: Platons Philosophie II: Die mittleren Dialoge. Paderborn 2002, S. 7.
4
Graeser, Andreas: Platons Ideenlehre: Sprache, Logik und Metaphysik. Eine Einführung. Stuttgart 1975, S. 14.
5
Strobel, Benedikt: Idee/Ideenkritik/Dritter Mensch, in: Platon Handbuch. Leben ­ Werk ­ Wirkung, hrsg. v.
Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stutt-
gart/Weimar 2009(a), S. 289-296, hier S. 289.

3
erfolgt die Beschäftigung mit den Elementen der Ideenlehre. In diesem Zusammenhang soll
zum einen auf die Arten und Eigenschaften der Ideen im Phaidon und zum anderen auf den
transzendenten Charakter der Ideen mit Blick auf die ,,Zweiweltentheorie" eingegangen wer-
den. Daran anschließend soll Platons Beschreibung der Idee als formale Ursache genauer be-
trachtet werden, während in einem nächsten Schritt das Verhältnis zwischen Ideen und Sin-
nendingen durch die Betrachtung der Teilhabe im Phaidon spezifiziert werden. Zuletzt ist es
vonnöten, näher auf die immanenten Eigenschaften der Ideen einzugehen. Im Anschluss an
die soeben skizzierte Untersuchung folgt die Schlussbetrachtung der Arbeit, die vordergrün-
dig, neben einem prägnanten Resümee der Betrachtung, die Beantwortung der die Arbeit lei-
tenden Frage sowie eine Stellungnahme in Bezug auf die zuvorderst erwähnte These erstrebt.
2. Z
UM
B
EGRIFF
I
DEE
Etymologisch betrachtet geht der deutschsprachige Begriff Idee auf den griechischen Aus-
druck
zurück. Nichtsdestoweniger wird der deutsche Terminus diesem semantisch nicht
gerecht und stellt somit streng betrachtet kein adäquates Äquivalent dar, da er die Gefahr evo-
ziert, falsche Assoziationen zu wecken. Dies ist mitunter dadurch begründet, dass Platon ne-
ben
gleichbedeutend die Begriffe und verwendet.
6
Demensprechend müsste
das deutsche Wort Idee das Bedeutungsspektrum der drei griechischen Termini umfassen. Die
ganze Breite dieses Spektrums wird bei der Betrachtung der griechischen Wörter deutlich. So
umfasst der Begriff ,,Gestalt, Wesen; Urbild; Idee"
7
, das von Platon synonym verwendete
,,Gestalt, Form [...], Aussehen"
8
und der Terminus hat das, was zu Deutsch ,,Ge-
schlecht, Art"
9
umfasst, zum Inhalt. Es ist evident, dass der Begriff Idee es nicht vermag, die-
se Bandbreite vollständig abzudecken. Hinzu kommt, dass der deutsche Ausdruck selbst am-
bivalent ist.
10
Betrachtet man die Ausführungen des Bedeutungswörterbuches von Duden zum
Terminus Idee, so wird dies ersichtlich: Dementsprechend wird die Bedeutung des Begriffs
primär im Sinne von ,,Gedanke, Einfall"
11
gemäß dem Inhalt ,,eine gute geniale Idee; auf eine
Idee kommen; eine Idee haben"
12
festgesetzt. Daneben nennt das Wörterbuch ,,Eingebung,
6
Vgl. Graeser 1975, S. 12.
7
Kytzler, Bernhard; Lutz, Redemund; Eberl, Nikolaus: Unser tägliches Griechisch. Lexikon des griechischen
Spracherbes, 3. Auflage unter Mitarbeit von Elke Steinmeyer. Mainz am Rhein 2007, S. 438.
8
Ebd., S. 1981.
9
Ebd., S. 1489.
10
Vgl. Graeser 1975, S. 12.
11
Wermke, Matthias; Kunkel-Razum, Kathrin; Scholze Stubenrecht, Werner (Hrsg.): Art. Idee, in: Der Duden in
zwölf Bänden. Das Standardwerk zur deutschen Sprache. Duden Band 10: Das Bedeutungswörterbuch, 3., neu
bearbeitet und erweiterte Auflage. Mannheim 2002, S. 492.
12
Ebd.

4
[...] Inspiration, Intuition"
13
als Begriffe, die in bestimmten Kontexten synonym zum Begriff
Idee verwendet werden.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird offensichtlich werden, dass Platon die Ideen
sicherlich so nicht verstanden haben wollte. Aufgrund dessen ist es wichtig, darauf hinzuwei-
sen, dass der Begriff Idee im Zusammenhang mit der Philosophie Platons nicht gemäß der
semantischen Norm unserer Sprache übereinstimmend zu interpretieren ist. Sich Graeser an-
schließend gilt für den weiteren Verlauf der Arbeit, dass, wenn der Terminus Idee aufgegrif-
fen wird, ,,dies die Beobachtung einer façon de parler [bedeutet], die uns im Übrigen keines-
wegs von der Verpflichtung entbindet, die Verbindlichkeit dieser Sprachregelung wenigstens
implizit in Frage [zu] stellen."
14
3. D
IE
I
DEENLEHRE IN
P
LATONS
P
HAIDON
Im Folgenden sollen nun die Komponenten der Ideenlehre in Platons Phaidon in den Fokus
der Betrachtung gerückt werden. Die im vorherigen Kapitel genannten griechischen Termini,
die Platon zur direkten Bezeichnung von Ideen gebraucht, werden im Phaidon kaum verwen-
det ­ lediglich im letzten der vier Unsterblichkeitsbeweise. Dementgegen nutzt Platon zur
Bezeichnung einer Idee eines spezifischen phänomenalen Dings an vielen Stellen substanti-
vierte Adjektive im Singular in Kombination mit einem bestimmten Artikel, wie zum Beispiel
,,das Schöne und [das] Gute" (Phd., 65d). Diese Verwendung kann durch die Eigenart der
griechischen Sprache begründet werden. So bezeichnet die Verbindung von einem substanti-
viertem Adjektiv und einem bestimmten Artikel nicht nur die Träger des Gehalts der phäno-
menalen Welt, sondern kann darüber hinaus auch auf den Gehalt selbst, in seiner alleinigen
Form, hinweisen.
15
Somit erfährt die Beschreibung einer spezifischen Idee eine noch deutli-
chere Kennzeichnung durch den am Ende der Phrase eingefügten Zusatz des Partikels selbst,
entsprechend dem Beispiel ,,das Gerechte selbst" (Phd., 65d). Eine weitere im Phaidon vor-
kommende begriffliche Form zur Benennung einer Idee stellt die Verbindung eines Wort-
stammes mit dem Derivationssuffix ­heit dar. Demgemäß spricht Platon von der ,,Idee der
Dreiheit" (Phd., 104d).
All dies sind Signale dafür, dass Platon von einer Idee spricht, nichtsdestotrotz lassen
diese Wendungen vorerst offen, wie eine Idee nach Platon zu definieren ist oder welche Ei-
13
Wermke, Kunkel-Razum, Scholze-Stubenrecht 2002, S. 492
14
Graeser 1975, S. 14.
15
Vgl. Menkhaus, Torsten: Eidos, Psyche und Unsterblichkeit. Ein Kommentar zu Platons Phaidon. Frankfurt a.
M. 2003, S. 10.

5
genschaften ihnen zugwiesen werden können. Im folgenden Kapitel liegt der Schwerpunkt der
Betrachtung auf den Eigenschaften der Ideen im Phaidon, wobei auch betrachtet werden soll,
welche Arten von Ideen Platon hier einführt.
3.1. A
RT UND
E
IGENSCHAFTEN DER
I
DEEN
Eine explizite Definition der Idee leistet Platon in seinen Dialogen nicht ­ demensprechend
auch nicht im Phaidon.
16
Eine genauere Bestimmung der Idee ist somit nur anhand Platons
Charakterisierung möglich. Während die Ideen erstmalig in 65d-66a als etwas bereits Bekann-
tes eingeführt werden, so erfolgt eine genauere Beschreibung der Idee im Phaidon erstmalig
in 75d als das, ,,was wir bezeichnen als >>dies selbst, was es ist" (Phd., 75d). Strobel zufolge
kommt diese Charakterisierung der Idee einer Definition nahe, da sie ausdrückt, dass die
Ideen im Zusammenhang auf die Frage ,,Was ist x?" das sind, worauf sowohl mit der Frage
als auch mit der dazugehörigen Antwort rekurriert wird.
17
Zwar mag dies einer Definition
nahekommen, jedoch ist diese Charakterisierung m. E. von geringer Aussagekraft und trägt
wenig zur Konkretisierung der Idee bei.
Eine wenig später folgende Stelle des Phaidon vermag es den Begriff Idee in höherem
Maße mit Inhalt zu füllen. Während in 77a die Ideen als ,,wahrhaft im allerhöchsten Sinne"
(Phd., 77a) beschrieben werden, nennt der platonische Sokrates im Rahmen des Affinitätsar-
gumentes (vgl. Phd., 78b-80e) weitere Eigenschaften der Ideen, unterdes er zu zeigen ver-
sucht, dass die Seele aufgrund ihrer Wesensverwandtschaft zu den Ideen unsterblich ist. Sok-
rates vertritt die These, dass das Vergehen bzw. das ,,Zerstieben" (Phd., 78b) nur dem Zu-
sammengesetzten, indem es in die Einzelteile aufgelöst wird, begegnet, dem Unzusammenge-
setzten wiederum, das ,,sich immer gleich [...] und auf einerlei Weise [verhält]" (Phd., 78c)
nicht. Um seine Argumentation für eine Unsterblichkeit der Seele zu stützen, ist es dement-
sprechend vonnöten, dass diese nicht zusammengesetzt ist. Dabei verweist er auf die Eigen-
schaften der Ideen:
Jenes Wesen selbst, welchem wir das eigentliche Sein zuschreiben in unsern Fragen und Antwor-
ten, verhält sich dies wohl immer auf gleiche Weise, oder bald so, bald anders? Das Gleiche selbst,
das Schöne selbst, und so jegliches, was ist, selbst, nimmt das wohl jemals auch nur irgendeine
Veränderung an? Oder verhält es sich nicht jedes dergleichen als ein einartiges Sein an und für
sich immer auf gleiche Weise und nimmt niemals und auf keine Weise irgendwie eine Verände-
rung an? ­ Auf gleiche Weise [...] und einerlei verhält es sich notwendig [...]. (Phd., 78d).
16
Vgl. Strobel 2009(a), S. 289.
17
Vgl. ebd.

6
Dementsprechend werden die Ideen ­ im Gegensatz zu den Gegenständen ­ als sich immer
gleich verhaltend, ergo unveränderlich, charakterisiert. Des Weiteren geht hervor, dass Sokra-
tes den Ideen ,,ein einartiges Sein" zuschreibt, was impliziert, dass sie nicht zusammengesetzt
sind, ,,[d]a jede ,Veränderung` (75d) von der Trennung und Zusammenfügung der Einzelteile
abhängt, [deshalb] kann und darf bei Platon das Unveränderliche per se nicht aus Teilen be-
stehen."
18
Daraus und aus Platons Verständnis des Vergehens resultiert, dass die Ideen un-
sterblich bzw. ewig sind.
Darüber hinaus werden im Phaidon die Ideen als unsichtbar bestimmt. Sie sind nicht
sinnlich erfassbar, wohingegen die veränderlichen Dinge durch die Sinne erfasst werden kön-
nen (vgl. Phd., 79a). Die Ideen sind nur mithilfe des Verstandes ­ ,,durch das Denken der See-
le selbst" (Phd., 79a) ­ zugänglich, ergo ist eine wahrhafte Erkenntnis für Platon nur von dem
Sinnlichen losgelöst möglich.
19
Dadurch erfährt die These, die der platonische Sokrates zuvor
schon aufstellte, dass der Tod kein Übel sei, ihre Bestätigung, da der Tod in Platons Philoso-
phie die Zerlegung des Zusammengesetzten in seine Einzelteile und dementsprechend auch
die Trennung von Seele und Leib bedeutet. Ist die Seele frei vom Leib, der ein ,,Hindernis
beim Erkennen des Ungetrübten" (Phd,. 66b) darstellt, kann sie das wahrhafte Sein ­ die
Ideen ­ erkennen (vgl. Phd., 66b-68b). Durch die Unterscheidung zwischen sichtbarem und
unsichtbarem Sein gelingt es Platon, im Rahmen des Affinitätsargumentes aufzuzeigen, dass
die Seele den Ideen ähnlicher ist als dem sinnlich erfassbaren Sichtbaren, zu dem der Leib
eine Analogie aufweist. Mit der ontologischen Ähnlichkeit der Seele zu den Ideen erbringt der
platonische Sokrates den Nachweis dafür, dass die Seele ­ gleich den Ideen ­ unzusammen-
gesetzt, unveränderlich, unsichtbar und unsterblich ist.
20
Abgesehen von der Frage, welche Eigenschaften Platon den Ideen im Phaidon zu-
schreibt, ist auch höchst interessant, welche Arten von Ideen er in diesem Werk bereits an-
nimmt. So steht in der Forschungsliteratur oft zur Debatte, für welche Dinge oder Eigenschaf-
ten der Philosoph Ideen annimmt und für welche Bereiche des Seins nicht. In seinem Werk
Parmenides
21
behandelt Platon diese Frage unter anderem auch. Im ersten Teil des Parmeni-
18
Menkhaus 2003, S. 88 (Hervorhebung im Original).
19
Diese These wird im Phaidon nicht begründet, sondern fungiert stattdessen als Voraussetzung von Platons
weiterer Beweisführung. Die These findet ihre Begründung in Platons Schrift Theaitetos (vgl. Platon: Theaitetos,
in: Platon sämtlich Werke, hrsg. v. Ursula Wolf. Bd. 3, übersetzt von Friedrich Schleiermacher und Hieronymus
und Friedrich Müller. Reinbeck bei Hamburg 1994, S. 147-252 (Rowohlts Enzyklopädie, hrsg. v. Burghard Kö-
nig), 185a-186c).
20
Vgl. Frede 1999, S. 66f.
21
Platon: Parmenides, in: Platon. Sämtliche Werke, hrsg. v. Ursula Wolf. Bd. 3, übersetzt von Friedrich Schlei-
ermacher und Hieronymus und Friedrich Müller. Reinbeck bei Hamburg 1994, S. 91-146 (Rowohlts Enzyklopä-
die, hrsg. v. Burghard König).

7
des klassifiziert Platon die Ideen in vier Klassen: Logisch-mathematische Ideen, ethisch-
ästhetische Ideen, biologische Ideen und die vierte Klasse Ideen, die negativ konnotierte Ideen
enthält wie beispielsweise Kot, Haare oder Schmutz (Parmenides, 129b-130c).
22
Wobei ­
auch wenn es den Phaidon nicht unmittelbar betrifft ­ anzumerken ist, dass Platon Sokrates
im Zweifel darüber lässt, ob es von solch geringen Dingen ­ wie die vierte Klasse sie beinhal-
tet ­ überhaupt Ideen gibt, so heißt es im Parmenides: ,,Dann aber, wenn ich hier zu stehen
komme, fliehe ich, aus Furcht, in eine bodenlose Albernheit versinkend umzukommen"
(Parmenides, 130d). Es bleibt demnach unklar, ob solche Ideen existieren. Im Phaidon führt
Platon logisch-mathematische und ethisch-ästhetische Ideen an.
23
Für die erst genannte Art
der Ideen findet sich im Text beispielsweise die ,,Idee der Gleichheit" (Phd., 74a) oder aber
auch Ideen arithmetischer Art, wie die ,,Idee der Dreiheit" (Phd., 104d), die Idee ,,der Zwei-
heit" (Phd., 101c) sowie die Idee der Acht (vgl. Phd., 101b) und der Zehn (vgl. Phd., 101b).
Des Weiteren nennt Platon die Ideentrias des Schönen, Gerechten und Guten (vgl. Phd., 75c-
d), der er eine hohe Bedeutung beimisst, als Vertreter der ethisch-ästhetischen Ideen. Über
diese Gattungen hinaus kommen im Phaidon explizit die Idee der ,,Größe, Gesundheit, Stär-
ke" (Phd., 65d) vor. Ebenso wie weder Ideen von belebten noch unbelebten Substanzen auf-
treten, nennt Platon auch keine Ideen von Artefakten ­ diese kommen ferner in der Politeia
und im Kratylos vor.
24
Eine erschöpfende Aufzählung aller Ideen, die Platon generell annimmt, liegt in der
Forschungsliteratur nicht vor.
25
Es hat sich jedoch gezeigt, dass Platon im Phaidon in erster
Linie logisch-mathematische sowie ethisch-ästhetische Ideen thematisiert, obwohl in späteren
Dialogen noch Ideen anderer Gattungen hinzukommen. So nimmt Platon im Phaidon explizit
nur Ideen für gewisse Adjektive an, während im Dialog Parmenides ­ wie bereits erwähnt ­
diskutiert wird, ob auch für Substantive, wie z.B. Mensch oder Feuer Ideen angenommen
werden können (vgl. Parmenides 130c). Diese Feststellung evoziert die Frage, warum Platon
seine frühe Ausführung der Ideenlehre gerade auf die genannten Ideenklassen stützt? Hierzu
formuliert Bostock eine plausible Hypothese. Er sieht die Auseinandersetzung mit solchen
Ideen, da diese nur mit dem Geiste zu erfassen sind, als die wichtigste Aufgabe der Philoso-
phen an:
22
Vgl. dazu auch Martin, Gottfried: Platons Ideenlehre. Berlin 1973, S. 70f.
23
Die Gruppe der biologischen Ideen erwähnt Platon dagegen erstmalig im Parmenides. Später werden diese
darüber hinaus im Timaios und im Philebos thematisiert.
24
Vgl. Martin 1973, S. 73.
25
Vgl. ebd., S. 70.
Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung der Ideenlehre in Platons "Phaidon"
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Platons Ideenlehre
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
20
Katalognummer
V386913
ISBN (eBook)
9783668625204
ISBN (Buch)
9783668625211
Dateigröße
616 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platon, Ideen, Sokrates, Ideenlehre, theoretische Philosophie, Antike, Anamnesislehre, Wiedererinnerung, Transzendenz der Ideen, Teilhabe, immanente Eigenschaften, idea, eidos, Phaidon, Unsterblichkeit, Seele, Beweise, Unsterblichkeitsbeweise
Arbeit zitieren
Lisa Maria Hoffmann (Autor:in), 2017, Die Bedeutung der Ideenlehre in Platons "Phaidon", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/386913

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