Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Funktionen und Probleme der Toponymastik
3. Allgemeine Ortsnamentypen
4. Entstehung der französischen Ortsnamen
4.1. Vorkeltische Elemente
4.2. Keltische Elemente
4.3. Lateinische Elemente
4.4. Germanische Elemente
4.5. Normannische Elemente
4.6. Mittelalterliche Elemente
5. Zusammenfassung
6. Quellen
1. Einleitung
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Forschungsrichtung der Toponymastik am Beispiel Frankreichs, also mit der Wissenschaft von der Erforschung der französischen Ortsnamen. Die Toponymastik gehört neben der Anthroponymastik (Erforschung der Personennamen) zur Onomastik, der allgemeinen Namensforschung, die sich mit der Geschichte und Etymologie von Namen befasst.
Nach einer kurzen Einführung in die Grundproblematiken der Toponymastik werde ich ausführlich auf die Einflüsse der verschiedenen Volksstämme, die das Gebiet des heutigen Frankreichs bewohnt haben, auf die regionalen Ortsnamen eingehen.
Auf Details zur Forschungsrichtung der Toponymastik verzichte ich bewusst, da meine Kommilitonin und Referatspartnerin Christina Eggeling sich in ihrer Hausarbeit mit diesen Themen beschäftigen wird.
2. Funktionen und Probleme der Toponymastik
Bei der Toponymastik handelt es sich um eine recht junge Wissenschaft, die erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts konsequent betrieben wurde.
Davon ausgehend, dass jeder Ortsname eine individualisierende Funktion hat, möchten die Wissenschaftler, die sich mit der Toponymastik befassen, herausfinden, warum ein Ort genau seinen Namen trägt und was uns dieser Ortsname über seine Umgebung, seine sprachliche Geschichte und seine (frühere) Bevölkerung sagt.
Ortsnamen sind älter als Personennamen. Während die französischen Familiennamen zum Beispiel erst ungefähr im 11. und 12. Jahrhundert entstanden sind, als es einen großen Bevölkerungsboom gab, der es notwendig machte, Personen, die im gleichen Ort wohnten, besser auseinander halten zu können, gab es Ortsnamen bereits in frühesten Zeiten. Bereits die Höhlenbewohner scheinen die Notwendigkeit erkannt zu haben, bestimmten Orten Namen zu geben.[1]
So wie alle Wörter einer Sprache einem stetigen Wandel unterliegen, so haben sich auch die Ortsnamen im Laufe der Jahrhunderte verändert, allerdings lange nicht so stark wie die normalen Wörter: Man könnte sie eher als eine Art „conservatoires de la langue“[2] bezeichnen, denn viele Völker haben in ihnen ihre Spuren hinterlassen, und innerhalb der Ortsnamen gibt es viele verschiedene sprachliche Entwicklungsstufen..
Die Erforschung der Ortsnamen ist mit großen Schwierigkeiten verbunden, denn die Bezeichnungen der Orte und Städte stammen aus verschiedenen Zeitstufen, von unterschiedlichen Volksstämmen, wurden von fremden Sprachen und Dialekten beeinflusst und im Laufe der Geschichte oft von den jeweiligen Bewohnern eines Gebietes verändert. Aufgrund lautlicher, graphischer und dialektaler Erscheinungen sind viele Bezeichnungen heute kaum noch erklärbar und können, wenn überhaupt, nur mit größter Mühe erforscht werden.
Hermann Gröhler hat dieses Problem erkannt und betont in seinem Werk „Über Ursprung und Bedeutung der französischen Ortsnamen“[3], dass Ausführungen über Ortsnamen „in vielen Fällen lediglich Hypothesen“ seien, „denen ein größerer oder geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit anhafte[]; nur wenige könn[t]en als vollkommen zuverlässig gelten, und eine Deutung k[önne] gar nur für eine verschwindende Mehrheit unternommen werden“.[4] Auf jeden Fall benötigen die Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung französischer Ortsnamen befassen, gute Kenntnisse der lateinischen Sprache, des Altfranzösischen, verschiedener regionaler Dialekte, Phonetiken und Flexionsformen.
3. Allgemeine Ortsnamentypen
In seinem Buch über Ortsnamen[5] führt der belgische Professor D. P.Blok allgemeine Unterteilungskriterien für Ortsnamen ein, die ich hier kurz nennen möchte.
Er erläutert, dass man „[d]ie geographischen Namen“ entweder „nach formalen, sprachlichen oder nach inhaltlichen Kriterien“ gliedern könne, fügt aber gleich hinzu, dass die formalen Kriterien für „unser Thema“ nicht weiter von Bedeutung seien.[6] Trotzdem erklärt er kurz den Unterschied zwischen ein- und mehrstämmigen Wörtern, da dieser schon „eine gewisse Rolle in der historischen Forschung“ spiele: „Ein einstämmiger Name besteht aus einer Wurzel und einem oder mehr Suffixen, z.B. London < Lond-in-ium […]. Zusammensetzungen werden gebildet durch Zusammenfügung zweier selbständiger Wörter, Grundwort und Bestimmungswort. Das letztere ist meist ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein Name, oft ein Personenname.“[7]
Die Gliederung nach inhaltlichen Kriterien „geht entweder von den Denotaten, d.h. von der Art der benannten Objekte, oder von der ursprünglichen Bedeutung der Namen“ aus.
Denotate, zwischen denen unterschieden wird, sind laut Blok Raumnamen (Bezirks-, Gelände- und Landschaftsnamen), Ortsnamen im engeren Sinne (Namen menschlicher Siedlungen wie Dörfer, Höfe etc.), Flurnamen (Ackerland, Weiden, Wald etc.), Gewässer- und Bergnamen.
Bei der Gliederung nach der ursprünglichen Bedeutung hingegen unterscheide man Naturnamen (natürliche örtliche Gegebenheiten), Kulturnamen (menschliche Tätigkeit), Insassennamen (Bewohner) und Ereignisnamen (gegeben anlässlich eines dort vorgefallenen Ereignisses). Die letzten beiden Kriterien stammen nicht von Blok selber, er hat sie von einem anderen Wissenschaftler namens Adolf Bach übernommen.
4. Entstehung der französischen Ortsnamen
Im folgenden Abschnitt werde ich in chronologischer Reihenfolge auf die Besiedelung des Gebiets des heutigen Frankreich durch verschiedene Volksstämme eingehen und dabei ihre Einflüsse auf regionale Ortsnamen erläutern. Allerdings lassen sich längst nicht alle Ortsnamen auf diese Völker und ihre Sprachen zurückführen, man geht davon aus, dass auch noch viel ältere Volksstämme ihre Spuren in den Ortsnamen hinterlassen haben, von deren Sprachen wir allerdings heute so gut wie keine Kenntnisse haben. Das LRL bezeichnet sie als „Bases pré-indo-européennes“[8].
4.1. Vorkeltische Elemente
Bevor die Kelten (insbesondere die Gallier) etwa im 6. Jahrhundert vor Christus vermutlich über den Rhein in das Gebiet Galliens eindrangen, wurde es von einigen 100 anderen Volksstämmen bewohnt.
Im Südosten siedelte das Volk der Ligurer, die „das Rhônebecken, die Franche-Comté, Teile der Schweiz und Oberitaliens sowie Nordportugals“[9] bewohnten. Das vermutlich aus Osteuropa stammende Volk ließ sich später von den Kelten ins Alpengebiet abdrängen.
Suffixe, die den Ligurern zugeschrieben werden, sind die in vielen Ortsnamen der Gegend enthaltenen –asko, -osku oder –usko,[10] die an einen – später auch gallischen oder römischen - Personennamen angehängt wurde.
Ein weiteres dort siedelndes Volk waren die im Südwesten (und auf der Iberischen Halbinsel) lebenden Iberer, die ursprünglich aus Afrika stammten und sich erst kurz vor der Ankunft der Kelten in Gallien niedergelassen hatten. Zu ihrem Volk gehörte auch der Stamm der Aquitaner.
Iberische Elemente lassen sich in den heutigen französischen Ortsnamen vermutlich nicht mehr finden.
[...]
[1] www.seniorplanet.fr/seniorplanet.fr.php (24.05.2004)
[2] Günther Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt: Lexikon der Romanistischen Linguistik. Band 5. Niemeyer Verlag, Tübingen 1990, S. 550.
[3] Hermann Gröhler: Über Ursprung und Bedeutung der französischen Ortsnamen. Teil 1: Ligurische, Iberische, Phönizische, Griechische, Gallische, Lateinische Namen. Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1913.
[4] ebd., S. 46.
[5] D. P. Blok: Ortsnamen. Brepols Turnhout – Belgium, 1988.
[6] ebd., S. 17.
[7] ebd., S. 17.
[8] Günther Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt: Lexikon der Romanistischen Linguistik. Band 5, S. 550.
[9] Johannes Klare: Französische Sprachgeschichte. Ernst Klett Verlag, Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig 1998, S. 34.
[10] Günther Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt: Lexikon der Romanistischen Linguistik. Band 5, S. 550.