Der Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. Die literarische Verarbeitung durch den jüngeren Plinius (6,16)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Brief 6,16: historische und literarische Einordnung

3. Textanalyse

4. Widersprüche im Text

5. Zum Tod des älteren Plinius

6. Schlussbetrachtung

7. Quellen und Literatur

1. Einleitung

Der Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr., vergleichbar mit dem Ausbruch des Krakatau 1883 oder dem des Montpeleé 1902, gehört zu den größten bekannten Katastrophen. Eine Eruption bis dahin ungekannten Ausmaßes zerstörte teils durch Lavaströme, vor allem aber durch Ascheregen, die Umgebung. Das Ausmaß der Verwüstung wird deutlich, wenn man bedenkt, dass allein die Bevölkerung Pompejis auf 12.000 bis 15.000 Menschen geschätzt wird.[1] Der Vesuv liegt als einziger auf dem europäischen Festland tätige Vulkan in der Kollisionszone von eurasischer und afrikanischer Kontinentalplatte. Zwar war bereits in der Antike bekannt, dass es sich um einen Vulkan handelt[2], gleichwohl rechnete man nicht mit einem größeren Ausbruch. Bereits 62 n. Chr. hatte ein Beben in Kampanien schwere Schäden angerichtet. Wie sich archäologisch nachweisen lässt, waren die Reparaturen noch nicht vollständig abgeschlossen, als der Vesuv wenige Jahre später dem Leben in den Provinzstädten Herculaneum und Pompeji ein Ende machte.[3]

Die einzig erhaltene Quelle, in denen ein Augenzeuge vom Hergang der Katastrophe berichtet, sind die Plinius-Briefe 6,16 und 6,20. Daneben hatte auch der Vater des Statius (48-96 n.Chr.) einen Bericht in Gedichtform geplant, da auch er als Neapolitaner das Geschehen miterlebt hatte. Dieses Vorhaben konnte allerdings nicht mehr in die Tat umgesetzt werden, da Statius’ Vater vor der Niederschrift starb.[4] Plinius beschäftigt sich in seiner Darstellung weniger mit dem Ausbruch an sich, als mit dem Verhalten seines Onkels in Bezug auf die Ereignisse. Die folgende Arbeit lehnt sich an diesen Schwerpunkt an und untersucht, wie der ältere Plinius von seinem Neffen dargestellt und bewertet wird.

2. Brief 6,16: historische und literarische Einordnung

Der Briefschreiber Plinius der Jüngere befand sich zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs in Misenum. Hier, am nordwestlichen Ende des Golfs von Neapel, befand sich seit der Zeit des Augustus der Hafen der im westlichen Mittelmeer operierenden römischen Flotte.[5] Dass diese Militärmacht dem Kommando von Plinius’ gleichnamigem Onkel unterstand, zeigt die Wertschätzung, die diesem Mann entgegengebracht wurde. Ein Blick in die Ämterlaufbahn zeigt, worauf dieses Vertrauen beruhte: Dienste als praefectus alae in Germania superior, die Teilnahme an Kämpfen gegen die Chatti und Chauci, und weitere prokonsularische Ämter in den Provinzen führten nach 76 zum Spitzenamt als praefectus classis in Misenum.[6] Während Plinius maior unter Claudius (41-54 n.Chr.) und Vespasian (69-79 n.Chr.) verschiedene politische Posten bekleidete, widmete er sich unter Nero (54-68 n.Chr.) ausschließlich seinen Studien. Worauf diese Unterbrechung der politischen Tätigkeit im einzelnen beruhte, lässt sich nicht nachweisen, erhaltene Äußerungen Plinius’ lassen aber auf ein gespanntes Verhältnis schließen.[7] Doch nicht als Militär, sondern als Naturforscher und Enzyklopädist hat sich der ältere Plinius seinen Nachruhm verdient. Der zum Zeitpunkt seines Todes 56-Jährige[8] hat mit seiner „Naturalis Historia“ das größte erhaltene Prosawerk der Antike geschaffen, dessen Themen breitgefächert von Botanik und Ackerbau, über Geographie bis hin zu Kunstgeschichte reichen. Plinius der Ältere stand im Ruf eines großen Gelehrten, so beschreibt ihn auch Sueton.[9] Die vorbildliche Lebensführung seines Adoptivvaters beschreibt Plinius der Jüngere am Beispiel eines Tagesablaufes im Hause seines Onkels.[10] Der ältere Plinius ist in dieser Darstellung eine Idealgestalt, neben den Aufgaben für die Kaiser verbringt er seine freie Zeit mit ausdauerndem Studium. Dieses Bild des unermüdlich nach Erkenntnis Strebenden wird in Brief 6,16 aufgegriffen und um moralische Aspekte erweitert.

Plinius der Jüngere erscheint noch nicht als der umsichtige Statthalter späterer Jahre. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs war er, eigenen Angaben zufolge, 18 Jahre alt, stand also erst am Beginn seiner Karriere, die ihn über verschiedene Ämter bis hin zu einem kaiserlichen Statthalter in Pontus-Bithynia führen sollte.[11]

79 n.Chr. hält er sich noch im Haushalt seines Onkels auf, zu dem, nach dem Tod ihres Mannes, auch Plinius’ Mutter gehört. Ihr Name ist nicht überliefert, wahrscheinlich wird er, römischer Sitte entsprechend, Plinia gelautet haben.[12] In der Darstellung ihres Sohnes ist sie bereits eine alte Frau: „se et annis et corpore gravem“.[13] Neben der Familie treten dem Leser in ep. 6,16 weitere Personen entgegen, von denen namentlich fassbar folgende sind: Rectina – ihr Schreiben bewegt den älteren Plinius, zur Rettung möglichst vieler Menschen in See zu stechen – ist die Frau des Cascus, der an auch anderer Stelle der Briefe genannt wird. Andere Lesarten schreiben hier Tascus beziehungsweise Cascius. A.N. Sherwin-White vermutet, dass Cascus und Pomponianus, in dessen Villa in Stabiae sich Plinius der Ältere nachmals aufhält, ein und dieselbe Person sind. Der vermutete komplette Name Cascus Pomponianus, so die These, sei durch Adoption zustandegekommen.[14] A.R. Birley und R. Copony kritisieren diese Theorie zu Recht, da Sherwin-White keine Angaben darüber macht, auf welche Quelle er seine Annahme stützt und auch Plinius sich nicht in dieser Richtung zum Verhältnis Cascus – Pomponianus äußert.[15]

Der Brief ist an den Historiker Tacitus gerichtet, der für seine Arbeit Material erbeten hatte. Tacitus stammte wahrscheinlich wie die beiden Plinii aus der Transpadana beziehungsweise aus dem südöstlichen Gallien, studierte bei Quintilian (35-96 n. Chr.)Rhetorik und klagte zusammen mit Plinius dem Jüngeren, der als sein Jugendfreund angesehen wird, 100 n. Chr. den ehemaligen Proconsul von Africa wegen Ausbeutung der Provinz an.[16]

Dem Genre nach lässt sich der Text der Exitusliteratur zuordnen. Diese Literaturform befasst sich mit der unmittelbar letzten Lebenszeit großer Männer und versucht dem Leser anhand der Verhaltensweise dieser illustres viri moralische Ideale nahezubringen, die häufig mit stoischem Gedankengut übereinstimmen.[17] Der Name „exitus illustrium virorum“ geht auf Plinius den Jüngeren zurück, der Darstellungen dieser Art in seinen Briefen bespricht.[18] Obwohl sich Plinius an anderer Stelle[19] davor verwahrt Historien zu verfassen, zeigt ep. 6,16 auch Merkmale einer Geschichtsschreibung. So bleibt der Autor im eigentlichen Brief (§ 4-20) im Gegensatz zu anderen Briefen Plinius’ im Hintergrund, die Handlungsmotive sind mehr moralisch als psychologisch fundiert, der Ausdruck ist gewählt und die charakterisierten Personen entstammen der vornehmen Gesellschaft.[20]

3. Textanalyse

Ein Großteil der einzelnen Schreiben aus Plinius’ Briefsammlung ist als wirklicher Gedankenaustausch an Adressaten verschickt worden. Da mehrfach von einem Schriftenaustausch zwischen Plinius und Tacitus berichtet wird, ist es auch bei Brief 6,16 wahrscheinlich, dass es sich ursprünglich um echte Korrespondenz gehandelt hat.[21] Für die Veröffentlichung wurden die Texte allerdings umgearbeitet, die Grußformeln standardisiert, um keinen Adressaten zu benachteiligen und die Absendedaten getilgt, um den Texten eine gewisse Zeitlosigkeit zu verleihen.[22] Ein zu einem konkreten Anlass verfasster Text wurde also erst nach der Bearbeitung veröffentlicht. Plinius äußert sich einem Freund gegenüber folgendermaßen:

[...]


[1] Étienne 1991, 411.

[2] Strabo 5,247.

[3] Étienne 1991, 19.

[4] Herrlich, in: Klio 4 (1904), 220.

[5] Suet., Aug. 49.

[6] Plin., ep. 3,5,3: „[...] cum praefectus alae militaret.“; Suet., Vita Plin. Sec.

[7] Plin., nat. hist. VII,46: „Neronem quoque, paulo ante principem et toto principatu suo hostem generis humani [...]“

[8] Plin, ep. 3,5,7: „[...]decessisse anno sexto et quinquagensimo[...]“

[9] Suet., Vita Pl. Sec.

[10] Plin., ep. 3,5; vgl. Bütler 1970, 32.

[11] Plin., ep. 6,20,5: „[...]agebam enim duodevicensimum annum[...]“; CIL V 5262= ILS 2927 (Como).

[12] Birley 2000, 1.

[13] Plin., ep. 6,20,12.

[14] Sherwin-White 1968, 373.

[15] Birley 2000, 91; Copony 1987, 222.

[16] Mehl 2001, 119; Mendell, in: Pöschl 1986, 485.

[17] Ronconi, RAC 6, 1258f.

[18] Plin., ep. 8,12: „exitus illustrum virorum“

[19] Plin., ep. 1,1,1: „neque enim historiam componebam“; vgl. Plin., ep. 5,8.

[20] Schönberger, in: Gymnasium 97 (1990), 533f.

[21] Plin., ep. 7,20; 8,7; 9,10.; vgl. Mendell, in: Pöschl 1986, 491.

[22] Mendell, in: Pöschl 1986, 491.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. Die literarische Verarbeitung durch den jüngeren Plinius (6,16)
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
14
Katalognummer
V39235
ISBN (eBook)
9783638380645
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vesuvausbruch, Jahres, Verarbeitung, Plinius
Arbeit zitieren
M.A. Carl Christian Wahrmann (Autor:in), 2004, Der Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. Die literarische Verarbeitung durch den jüngeren Plinius (6,16), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39235

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