„Es gibt also eine Sprache der Empfindung, die unmittelbares Naturgesetz ist.“1 Herder als einer der Begründer des Sturm und Drang fordert in seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache das Erheben des ursprünglichen empfindsamen Sprechens über die “künstliche Sprache“.
Um Heinrich Leopold Wagners Drama Die Kindermörderin genauer im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung, insbesondere die Figurenrede, untersuchen zu können, möchte ich zunächst auf die Tendenzen der Sprache in der Zeit der sogenannten “Stürmer und Dränger“ eingehen; und dies vor dem Hintergrund ihrer sozialen und künstlerischen Ambitionen.
Grundsätzlich ist es schwer, von einer poetischen Einheit des Sturm und Drang zu sprechen, da die Bewegung als solche Autonomie und Emanzipation der Individualität exzessiv betonte2 und in ihrem Protest gegen rationalistische Systematik es sich vielmehr zum Programm machte, feste Regeln zu durchbrechen als neue aufzustellen. Die Prinzipien der Aufklärung wurden weitergeführt. Etwa wurde Lessings Prinzip der poetischen Nachahmung weiterentwickelt zur Forderung nach einer schöpferischen Kraft des dichterischen Individuums.3
Auf der einen Seite sah sich das künstlerische Genie als überhöhtes Wesen, griff aber gleichzeitig als Beleg für seine Hinwendung zum Volk die Sprache des Volkes und dessen Probleme auf. Bevorzugte Themen der Bewegung waren das an Widrigkeiten gescheitere Genie, das Recht auf Liebe, die Aufhebung der Ständeschranken, Naturverbundenheit, Kindesmord, Brudermord und soziale Ungerechtigkeit als solche. Gewollt wurde „die Konfrontation des Vollkommenheitsanspruches der Aufklärung mit den Unzulänglichkeiten der gesellschaftlich-historischen Wirklichkeit.“4
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1 Johann Gottfried Herder: Ursprung der Sprache, S.404
2 Fritz Martini: Lenz’ ‚Anmerkungen übers Theater’, S.252
3 Inge Stephan: Die aufklärerische Praxis im Drama, S. 142
4 Matthias Luserke: Heinrich Leopold Wagner Die Kindermörderin, S.226
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Sturm & Drang - Gesinnung und Sprache
- Wagners Hintergrund
- Figurenrede als Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung und der emotionalen Situation bei
- Martin Humbrecht
- Frau Humbrecht
- Magister Humbrecht
- Evchen Humbrecht
- Lieutenant von Gröningseck
- Lisbet, Marianel, Wirtin, Frau Marthan, den Fausthämmern
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht Heinrich Leopold Wagners Drama „Die Kindermörderin“ mit dem Fokus auf die Figurenrede und deren Bedeutung als Ausdruck der jeweiligen sozialen Stellung und emotionalen Situation der Figuren. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, den Einfluss des Sturm und Drang auf Wagners Werk und die charakteristische Sprache des Dramas zu analysieren.
- Analyse der Figurenrede als Spiegelbild der sozialen Stellung
- Erforschung des Zusammenhangs zwischen emotionaler Verfassung und Sprachgebrauch
- Betrachtung des Dramas im Kontext der Sturm und Drang-Bewegung
- Einordnung des Kindsmord-Motivs in die gesellschaftliche und moralische Debatte des 18. Jahrhunderts
- Analyse der Dramaturgie und des realistischen Milieus in Wagners Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Sturm und Drang-Bewegung und ihren Einfluss auf die sprachliche Gestaltung von Dramen. Im Fokus steht dabei die Bedeutung des individuellen empfindsamen Sprechens und die Kritik an der „künstlichen Sprache“. Die Einführung skizziert Wagners Hintergrund und beleuchtet das Kindsmord-Motiv als zeitgenössisches Problem und literarisches Topos.
Im zweiten Teil der Arbeit wird die Figurenrede als Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung und der emotionalen Situation der Figuren analysiert. Hierbei werden exemplarisch die Figuren Martin Humbrecht, Frau Humbrecht, Magister Humbrecht, Evchen Humbrecht, Lieutenant von Gröningseck sowie Lisbet, Marianel, Wirtin, Frau Marthan und die Fausthämmern in ihrer Sprechweise untersucht. Die Arbeit beleuchtet die sprachlichen Eigenheiten der Figuren und zeigt, wie diese ihre soziale Rolle und ihre innere Verfassung widerspiegeln.
Schlüsselwörter
Die Kindermörderin, Heinrich Leopold Wagner, Sturm und Drang, Figurenrede, soziale Stellung, emotionale Situation, Kindsmord, gesellschaftliche Moral, Dramaturgie, Milieubeschreibung, Realismus
- Arbeit zitieren
- Magistra Artium Katharina Kirsch (Autor:in), 2001, Die Kindermörderin von Heinrich Leopold Wagner - Figurenrede als Hinweis auf Situation und soziale Stellung der Figuren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4035