Schulhunde in der Grundschule

Zur Bedeutung von Hunden als Lernbegleiter im Unterricht aus Sicht der Kinder. Eine qualitative Studie


Examensarbeit, 2016

148 Seiten, Note: 1,5

Sarah Kiemer (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Schulhund
2.1 Begriffserklärungen
2.1.1 Der Schulhund
2.1.2 Der Klassenhund
2.1.3 Abgrenzung zum Therapiebegleithund und Therapiehund
2.1.4 Hundegestützte Pädagogik
2.2 Die Verbreitung von Schulhunden in Deutschland
2.3 Die Einsatzarten der Schulhunde in Deutschland

3. Theorien zur Mensch-Tier Beziehung
3.1 Die Biophilie-Hypothese
3.2 Die Bindungstheorie und das Bindungshormon Oxytocin
3.3 Du-Evidenz
3.4 Empathie zu Tieren
3.5 Die besondere Kommunikation von Mensch und Tier
3.6 Einflüsse auf die Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl
3.7 Einflüsse auf das Sozialverhalten
3.8 Auswirkungen auf die Persönlichkeit
3.9 Tod von Tieren

4. Theorien zur Mensch-Hund-Beziehung
4.1 Der Wolf, der Hund und der Mensch
4.2 Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund
4.3 Die Rolle des Hundes in Deutschland

5. Der Hund im Klassenzimmer
5.1 Die Voraussetzungen für den Einsatz eines Hundes
5.1.1 Für den Hund
5.1.2 Für die Lehrperson
5.1.3 Für die Schule
5.1.4 Für die Schüler
5.2 Begründungen für den Einsatz im Klassenzimmer der Grundschule
5.2.1 Tiere als Lernbegleiter im Unterricht
5.2.2 Bezug zum Bildungsplan
5.3 Möglichkeiten des Einsatzes im Unterricht

6. Forschungsstand
6.1 Steigerung des Selbstwertgefühls von Schülern zwischen 9 und 12 Jahren während eines Schulprojekts mit Tieren
6.2 Verbesserung des sozialen Klimas einer ersten Klasse mit Schulhund
6.3 Kurzzeiteinflüsse eines Hundes auf Grundschüler im Hinblick auf das Sozialverhalten
6.4 Die Mars-Heimtier-Studie
6.5 Einflüsse eines Hundes auf die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung bei Kindern von 10 bis 14 Jahren

7. Zusammenfassung und Ableitung der Fragestellung

8. Qualitative Untersuchung in der Grundschule
8.1 Beschreibung der Stichprobe
8.2 Beschreibung des Forschungsdesigns
8.2.1 Die Methode des qualitativen Leitfadeninterviews
8.2.2 Transkription nach Dresing & Pehl
8.2.3 Auswertung: Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
8.3 Durchführung
8.3.1 Themen des Leitfadens
8.3.2 Zeitlicher Ablauf

9. Ergebnisse
9.1 Kategorie 1
9.2 Kategorie 2
9.3 Kategorie 3
9.4 Kategorie 4
9.5 Kategorie 5
9.6 Kategorie 6
9.7 Kategorie 7
9.8 Kategorie 8
9.9 Kategorie 9

10. Zusammenfassung und Diskussion

11. Grenzen und Ausblick

12. Literaturverzeichnis
12.1 Beiträge in Herausgeberwerken
12.2 Monografien
12.3 Artikel in Zeitschriften
12.4 Internetquellen
12.5 Artikel in Onlinezeitschriften

13. Abbildungsverzeichnis

14. Tabellenverzeichnis

15. Anhang
15.1 Interviewleitfaden
15.2 Transkriptionen*
15.3 Erste (fallspezifische) Reduktion nach Mayring (2015)
15.4 Screenshots

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1. Einleitung

״Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und aller Antworten ist in den Hunden enthalten.“ Franz Kafka, 1922

Diese Äußerung Kafkas ist nicht erwiesen. Jedoch ist der Hund schon seit Jahrtausenden der treuste tierische Begleiter des Menschen. In den eigenen vier Wänden, beim Spazierengehen draußen auf dem Feld oder im Beruf - der Hund hat sich über Jahre hinweg als treuer Begleiter erwiesen. Dass sich Hunde größtenteils verlässlich erziehen lassen und Verhalten durch den Menschen erlernen können, unterscheidet sie vermutlieh grundlegend von anderen Tierarten. Wahrscheinlich hat sich genau deshalb der Einsatz von Hunden in verschiedenen Berufen als erfolgreich erwiesen. Ob Jagdhund, Polizeihund, Militärhund oder Rettungshund - alle können sie die Fähigkeiten der Mensehen durch ihre außergewöhnlich guten Gehör- und Geruchssinne ergänzen. Doch auch eine weitere besondere Fähigkeit wird den Hunden zugesprochen: Sie können die Stimmung eines Menschen ״lesen“ und sein Verhalten durch dauerndes Beobachten neu interpretieren (Gansloßer & Kitchenham, 2012). Genau diese Fähigkeit wird daher seit Jahren in der tiergestützten Therapie erfolgreich verwendet, sodass neue Berufsfelder für den Hund entstanden sind. Der Blindenführhund, der Signalhund und der Behindertenbegleithund sind nur wenige Beispiele für eine Unterstützung bei einer körperlichen Beeinträchtigung des Menschen durch den Hund. Hier sind auch Kinder nicht ausgeschlossen.

Wenn Hunde bei körperlich beeinträchtigten Kindern wirksame Erfolge erzielen können, so liegt der Gedanke nicht fern, dass sie auch in der Pädagogik mit gesunden Kindern Erfolge erzielen können. Aus diesem Gedanken heraus hat sich die hundegestützte Pädagogik entwickelt, die sich seit einigen Jahren in Deutschland behaupten will. Es werden Hunde in Schule und Unterricht auf verschiedenste Arten eingesetzt, um Kinder und Jugendliche beim Lernen zu begleiten und sie hinsichtlich ihrer Persönlichkeit, dem Lernen und dem sozialen Verhalten zu fördern.

Zahlreiche Theorien und leider noch zu wenig empirische Forschungen zeigen positive Effekte von Hunden auf Menschen und insbesondere Kindern auf, die im ersten Teil der vorliegenden Arbeit dargestellt werden sollen. Die persönliche Meinung der Kinder und Jugendlichen selbst wurde dabei jedoch kaum oder gar nicht miteinbezogen. Es stellt sich deshalb die Frage, wie die Schüler[I] selbst einen Hund in ihrem Klassenzimmer und im Unterricht wahmehmen. Da die Grundschulpädagogik bereits ein paar empirische Forschungsergebnisse, allerdings ohne Einbezug der subjektiven Wahrnehmung der Schüler, bietet, soll an diese Ergebnisse angeknüpft werden. Eine qualitative Studie in einer Grundschule soll die subjektiven Erfahrungen, Wahrnehmungen und Meinungen der Schüler erheben. Qualitative Interviews mit den Kindern aus zwei Grundschulklassen, in denen ein Schulhund eingesetzt wird, sollen Aufschluss über die Bedeutung eines Hundes als Lernbegleiter im Unterricht aus Sicht der Kinder geben. Der Verlauf und die Ergebnisse der Forschung werden im zweiten Teil der Arbeit dargestellt.

2. Der Schulhund

ln diesem Kapitel werden zunächst Begrifflichkeiten dargestellt, erklärt und voneinander abgegrenzt, die den Einsatz von Hunden in der Schule als auch in der Therapie betreffen (siehe 2.1). Des Weiteren wird die Entwicklung der Verbreitung von Schulhunden in Deutschland dargestellt (siehe 2.2) und die verschiedenen Einsatzarten von Schulhunden in Deutschland beschrieben (siehe 2.3).

2.1 Begriffserklärungen

Im Bereich der hundegestützten Pädagogik sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Begrifflichkeiten entstanden. Diese betreffen sowohl den Hund selbst als auch die BeZeichnung der Pädagogik. Im Einsatz von Hunden in der Schulpädagogik, in der Heilbeziehungsweise Sonderpädagogik und Therapie werden zahlreiche Begrifflichkeiten verwendet, die sich teilweise Überschneiden und ergänzen oder gleichzusetzen sind.

2.1.1 Der Schulhund

Der Begriff des ״Schulhundes“ findet häufig Verwendung, hat jedoch vielfältige Bedeutungen. So wird er zum einen für den Hund, der generell in der Schule anwesend ist und zum Beispiel dem Hausmeister gehört, verwendet. Dieser wird nicht speziell in Schulklassen eingesetzt sondern begleitet nur den Hausmeister. Die Kinder können meistens in den Pausen Kontakt zu dem Hund aufnehmen (Agsten, 2009).

Der Begriff ״Schulhund“ kann außerdem auch die Hunde in Hundeschulen bezeichnen, die dem Leiter oder der Leiterin des Kurses gehören. In einer Hundeschule lernen Hunde gemeinsam mit ihrem Halter den grundlegenden Gehorsam und können eine Begleithundprüfung ablegen (Agsten, 2009).

Zudem meint ״Schulhund“ auch den pädagogischen Einsatz eines Hundes im Unterrieht. Der reguläre Einsatz eines Hundes im Unterricht wird nach Beetz und Marhofer (2013) als Präsenzhund bezeichnet:

Der Schulhurid (Präsenzhund) verbringt regelmäßig eine gewisse Zeit im Klassenraum und im Unterricht. Er wird von einer für den pädagogischen Hunde-Einsatz ausgebildeten Lehrperson geführt. Der Hund ist speziell auf seine Eignung getestet, entsprechend ausgebildet und wird regelmäßig im Einsatzort Schule überprüft. Zu den wichtigsten pädagogischen Zielsetzungen des Einsatzes von Schulhunden zählt ihr Beitrag zur Verbesserung des sozialen Gefüges in der Klasse, der Lehrer-Schüler-Beziehung, des Klassenklimas und der individuellen sozialen Kompetenz der Schüler. (Beetz & Marhofer, 2013, s. 16)

Im Moment ist der Begriff ״Schulhund“ größtenteils mit der Bedeutung von ehrenamtliehen Besuchshunden besetzt und hat sich noch nicht vollständig als Begriff für den Hund im Klassenzimmer (Präsenzhund) durchgesetzt (Agsten, 2009). Diese Hunde werden (Schul-) Besuchshunde genannt, welche

Schulklassen ein- oder mehrmals stundenweise [besuchen]. Sie werden von einer für den pädagogischen Hunde-Einsatz ausgebildeten, externen Begleitperson geführt. Die Hunde werden auf ihre Eignung getestet, entsprechend ausgebildet und regelmäßig überprüft. Zu den Zielsetzungen gehört die altersgerechte Wissensvermittlung über Hunde (adäquate Haltung, Pflege, Kosten und Ausbildung, insbesondere die Ausdrucksformen wie Körpersprache, Lautäußerungen) sowie über Tierschutzanliegen (z. B. tiergerechte Erziehung, Tierquälerei, Qualzucht u.ä.). (Beetz & Marhofer, 2013, S.16; Hervorhebung S.K.)

Oft werden die Schulen von Ehrenamtlichen besucht, die diese einzelnen stunden oder Tage zum Thema Hund gestalten. Der Begriff des Schulhundes wird also vielfältig verwendet und hat sich noch nicht als Hund, der regelmäßig im Klassenzimmer als Präsenzhund anwesend ist, vollständig durchgesetzt.

2.1.2 Der Klassenhund

Der Begriff des ״Klassenhundes“ wird häufiger verwendet. Hiermit sind Schulhunde gemeint, die sich überwiegend in einer Klasse aufhalten und seinen Besitzer sowie die Schüler der Klasse regelmäßig begleiten, überwiegend werden diese Hunde in Schularten eingesetzt, in denen das Klassenlehrerprinzip herrscht, da hier eine gute Bindung zwischen Schülern und Hund möglich ist. In der Michael-Ende-Schule in Bad Schönborn wird zum Beispiel der Klassenhund Charlie eingesetzt und in den Unterricht integriert (Agsten, 2009). Der Begriff des ״Klassenhundes“ kann mit der Definition des ״Präsenzhundes“ nach Beetz & Marhofer (2013) gleichgesetzt werden.

Im Verlauf der Arbeit soll der Begriff des Schulhundes in Form der Bedeutung des ״Klassenhundes“ beziehungsweise ״Präsenzhundes“ verwendet werden.

2.1.3 Abgrenzung zum Therapiebegleithund und Therapiehund

Der Begriff desTherapiebegleithundes oderTherapiehundes wird ebenso in Bezug auf Schulen verwendet. Nach Agsten (2009) ist es jedoch falsch, Pädagogik als Therapie zu bezeichnen, auch wenn die Grenzen zwischen Pädagogik und Therapie fließend sind. Das Verwischen der Grenzen von Therapie und Pädagogik wird besonders am Beispiel der Förderschulen deutlich, in denen Pädagogik mit therapeutischen Anwendungen verbunden wird. Die tiergestützte Therapie, im angloamerikanischen Raum ״Animal Assisted Therapy“ genannt, ״[...] ist eine zielgerichtete Intervention, bei der ein Tier, welches spezifische Merkmale aufweist, integraler Bestandteil des BehandlungsProzesses ist“ (Schneider & Vernooij, 2008, s. 31 ). Während man in der Pädagogik von Schülern spricht, wird in der Therapie von Patienten oder Klienten gesprochen, die von Experten mit spezifischer Ausbildung und deren Tier in ihrem Berufs- oder Praxisfeld behandelt werden (Jablanowski & Köse, 2012).

Jablanowski und Köse (2012) beschreiben den fließenden Übergang von Therapie und Pädagogik so, dass in der Therapie wie auch in der Pädagogik ein Fortschritt von körperlichen, sozialen, emotionalen und kognitiven Funktionen der Kinder und Jugendlichen gefördert wird. In der Therapie ist der Behandlungsprozess zu dokumentieren und zu überprüfen, was ebenfalls in der Pädagogik sinnvoll erscheint. Auch der Einsatz von Tieren in Einzel- oder in Gruppenarbeit kann in Therapie und Pädagogik stattfinden.

Die Grenzen von Schüler zu Patient oder Klient sind fließend und somit auch der Einsatz des Tieres im Sinne der Pädagogik oder Therapie. An Förderschulen mit Förder-schwerpunkt geistige oder körperliche und motorische Entwicklung wird der Therapiehund oder Therapiebegleithund im Rahmen der Psychotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie oder Heilpädagogik eingesetzt.

Hierfür ist die entsprechende Qualifikation des Besitzers erforderlich, welche ihn von einem Pädagogen unterscheidet. Jabłonowski und Köse (2012) grenzen den Kynopäd- agogen vom Kynotherapeuten ab.

Ein KYNOPÄDAGOGE ist ein Lehrer oder (Sozial-)Pädagoge, der aufgrund seiner kynopädagogischen Ausbildung befähigt ist, seinen Hund für diese Arbeit auszubilden und ihn im Rahmen seiner pädagogischen Tätigkeit, sei es in der Schule oder in anderen pädagogischen Bereichen, einzusetzen. Ein Therapeut, der seinen Hund in seine entsprechende Arbeit mit einbezieht, wird als KYNO- THERAPEUT bezeichnet. (Jabłonowski & Köse, 2012, s. 7)

Sie schließen aber therapeutische Nebeneffekte bei einem Pädagogen als auch pädagogische Nebeneffekte bei einem Therapeuten in der Kynopädagogik und -therapie nicht aus und bezeichnen diese Grenzen ebenfalls als fließend (Jablanowski & Köse, 2012).

Es ist zudem anzumerken, dass es eine anerkannte ״kynopädagogische Ausbildung“ (Jabłonowski & Köse, 2012, s. 7) in Deutschland noch nicht gibt, worauf im Verlauf der Arbeit noch eingegangen wird.

Daher wird der Begriff des Therapiehundes oder Therapiebegleithundes oft in Bezug auf allgemeinbildende Schulen verwendet, da es nur für Therapiehundteams oder Therapiebegleithundteams eine spezielle anerkannte Ausbildung in Deutschland gibt (Agsten,2009).

2.1.4 Hundegestützte Pädagogik

Der Begriff der hundegestützten Pädagogik bezieht sich auf einen speziellen Bereich der tiergestützten Pädagogik.Tiergestützte Pädagogik meint alle pädagogischen Ansätze, ״in denen Tiere als Hilfsmittel im Unterricht eingesetzt werden“ (Prothmann, 2007, s. 88).

Nach Vernooji und Schneider (2008) gliedert sich die tiergestützte Pädagogik in zwei Teile, die individuelle tiergestützte Förderung und die tiergestützte Didaktik. Dabei umfasst die Didaktik ״[i]m weitesten Sinne den Gesamtkomplex des Lehrens und Lernens im Zusammenhang mit der institutionalisierten Bildung“ (Schneider & Vernooij, 2008, s. 48).

Das Ziel der tiergestützten Pädagogik ist, Lernprozesse zu initiieren״[...] durch die schwerpunktmäßig die emotionale und soziale Kompetenz des Kindes verbessert werden soll“ (Schneider & Vernooij, 2008, s. 41).

Nach einer Definition nach Beetz und Marhofer (2013, s. 15) wird die hundegestützte Pädagogik [...] von einer Fachkraft mit einer pädagogischen bzw. heil-/sonder-/sozialpädagogischen Ausbildung und entsprechendem Fachwissen über Hunde durchgeführt.Die Intervention ist auf ein pädagogisches Ziel ausgerichtet, welches Bildung und/oder Erziehung betrifft. Die eingesetzten Hunde werden speziell fürden Einsatz mit Menschen sozialisiert und ausgebildet. (Hervorhebung S.K.)

Hier schließt die hundegestützte Pädagogik die Heil- und Sonderpädagogik mit ein. Eine weitere Bezeichnung für die ״hundegestützten Pädagogik“ wurde von Jabłonowski & Köse (2012) aus dem Griechischen entwickelt: Die Kynopädagogik.

Sie ״steht für ZIELGERICHTETES ARBEITEN (agein) mit KINDERN (paus) unter interaktiver Beteiligung entsprechend ausgebildeter HUNDE (kyon), die die Kinder ein Stück weit in Lernprozessen und ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten“ (Jabłonowski & Köse, 2012, S. 7). Im Bereich der Heilpädagogik für schwer verhaltensauffällige Kinder wurde von Klaassen und Möhrke (2012) der Begriff der ״Canepädagogik“ entwickelt.

Er stammt von dem lateinischen Wort ״Canis“ für Hund (Klaassen & Möhrke, 2012, S.25) und bedeutet ״Pädagogik mit dem und durch den Hund. [...] Sie will Kinder in erster Linie wieder erziehungsfähig und -willig machen, sie in die Gemeinschaft integrieren, um dann mittelbar auch Bildung zu ermöglichen“ (Klaassen & Möhrke, 2012, s. 25). Am Beispiel der Canepädagogik werden die fließenden Übergänge von Pädagogik zu Therapie erneut deutlich.

Es kann also auch in Sonderschulen und Förderschulen von einem Schulhund gesprochen werden. Die hundegestützte Pädagogik ist also das Einsetzen von Hunden als Lernbegleiter in der Institution Schule unter Berücksichtigung vorher festgelegter Ziele, die die Förderung verschiedener Kompetenzen und die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder beinhalten.

2.2 Die Verbreitung von Schulhunden in Deutschland

Es gibt noch keine repräsentativen Statistiken über die quantitative Entwicklung des Schulhundeinsatzes in Deutschland. Einen Anhaltspunkt jedoch bietet die Internetseite ״Schulhundweb.de“, die den aktuellen Stand der angemeldeten Schulhunde in Deutschland aufzeigt. Allerdings sind seit 2015 nur noch die Schulen registriert, die sich der freiwilligen Selbstverpflichtung des Fachkreises Schulhund angeschlossen haben. Diese beinhaltet die regelmäßige und nachweisbare Weiterbildung der Lehrperson zur hundegestützten Pädagogik (Agsten, 2016).

Die quantitative Entwicklung des Einsatzes von Schulhunden in Deutschland von 1999 bis 2007 soll in der folgenden Abbildung veranschaulicht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verbreitung der Schulhunde in Deutschland (Agsten, 2009, S. 41)

Der erste Versuch des pädagogischen Einsatzes eines Schulhundes fand im Jahr 1999 statt, woraufhin der Einsatz kontinuierlich anstieg, und sich vom Jahr 2005 bis zum Jahr 2007 mehr als verdoppelte. Den Daten der Internetseite zufolge sind aktuell 437 Schulen mit einem Schulhund in Deutschland und Selbstverpflichtung registriert, davon 37 Schulen in Baden-Württemberg (Agsten, 2016).

2009 gab es in Deutschland, Österreich und der Schweiz über 200 Schulen, an denen hundegestützt gearbeitet wurde. Allerdings wird von einem größeren Dunkelfeld ausgegangen, da viele Schulen ihren Schulhundeinsatz nur auf der eigenen InternetSeite darstellen (Agsten, 2009). Laut einer Telefonumfrage der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg ist ebenfalls von 1999 bis 2006 ein kontinuierlicher Anstieg des Einsatzes von Hunden in der Schule festzustellen. In Bezug auf den EinSatz von verschiedenen Rassen liegt eine Zentrierung auf die Rassen Border-Collie, Retriever und Labrador vor, wobei andere Rassen (vermehrt Mischlinge) vereinzelt genannt wurden. Es werden zudem vermehrt Welpen in den Schulen eingesetzt (Volk, 2007).

Die Verteilung auf verschiedene Schularten wurde 2009 mit 50% der Schulhunde an Grund- und Hauptschulen, 28% davon an Grundschulen und 48% an verschiedensten Förderschulen festgestellt. Nur 4% der Schulhunde wurden am Gymnasium eingesetzt, zudem waran nur zwei Realschulen ein Schulhund im Einsatz. Es ist festzu halten, dass ein vermehrter Einsatz von Schulhunden in Grund- und Förderschulen vorliegt, was mit dem dort oftmals vorherrschenden Klassenlehrerprinzip begründet werden kann (Ags- ten, 2009).

Denn ein Einsatz des Hundes in vorwiegend einer Klasse bietet für den Hund, die Lehrperson als auch für die Schüler viele Vorteile (siehe 5.). Für weitere Aussagen über die Verbreitung des Schulhundeinsatzes in Deutschland sind weitere Erhebungen notwendig.

2.3 Die Einsatzarten von Schulhunden in Deutschland

Die Einsatzarten von Schulhunden in Deutschland können anhand einer Fragebogenerhebung nach Agsten (2009) dargestellt werden. An der Umfrage nahmen 50 Lehrerinnen mit Hunden teil. Zurückzuführen ist dies auf die rein weibliche Anzahl von Pädagogen mit Hund. Davon setzten 28% ihren Hund an Grundschulen ein, 14% an Hauptschulen und 8% an Grund- und Hauptschulen. 48% der Hunde wurden an Förderschulen eingesetzt und nur 2% am Gymnasium. Realschullehrer nahmen nicht an der Befragung teil. Die gewählte Stichprobe entspricht den vorherigen Ausführungen des geringen Einsatzes von Schulhunden an Realschulen und Gymnasien in Deutschland.

46% der Lehrpersonen hatten eine Berufserfahrung von null bis zehn Jahren und setzten einen Schulhund ein. Zudem hatten 60% der Hundebesitzer Erfahrung mit dem Besitz eines eigenen Hundes seit null bis zehn Jahren. Es lag also generell eine geringe Berufserfahrung als auch eine geringe Hundeerfahrung der Lehrpersonen vor, die ihren Hund pädagogisch in den Unterricht miteinbezogen.42% nahmen ihren ersten eigenen Hund mit in die Schule.

In Bezug auf den zeitlichen Einsatz des Hundes in der Schule setzen die meisten Lehrpersonen ihren Hund sechs bis zehn stunden in der Woche (26%) im Unterricht ein. Der zeitliche Einsatz war aber generell sehr unterschiedlich, da zum Beispiel 22% ihren Hund auch 21 bis 30 stunden pro Woche mit in die Schule nahmen. Die meisten Lehrer (82%) setzten zudem ihren Hund im Zweierteam (Lehrer und Hund) ein und nur 18% gemeinsam mit Kollegen. Auch diese Zahlen können mit dem in den Grund- und Förderschulen vorherrschenden Klassenlehrerprinzip begründet werden. Auch die Vertrautheit des Hundes mit dem eigenen Besitzer könnte eine Begründung sein.

Über die Hälfte der Lehrpersonen (58%) setzten ihren Hund überwiegend in einer Klasse ein, 12% zusätzlich auch in Einzel- oder Gruppenarbeit. 26% nahmen den Hund in verschiedene Klassen oder Gruppen mit, und nur 4% setzten den Hund ausschließlich in Gruppen- oder Einzelarbeit ein. 80 % nahmen den Hund nie in die Turnhalle und 90% nie in die Schulküche mit.

Mehr als die Hälfte (58%) der Hunde konnte eine Grundausbildung vorweisen, wie zum Beispiel eine Begleithundprüfung, einen Wesenstest für Hunde, einen Hundeführerschein oder Sonstiges. Die restlichen Hunde hatten keine offizielle Grundausbildung absolviert. 54% davon hatten eine Teamausbildung vollzogen, wie zum Beispiel das regelmäßige Training in der Hundeschule.

Nur 10% der Lehrpersonen hatten keine Ausbildung in tiergestützter Interaktion, welche aber auch nur begrenzt in Deutschland angeboten wird und eine finanzielle und zeitliche Belastung darstellt. Generell gibt es noch keine festgelegten Standards, die ein Hund für den Einsatz in der Schule vorweisen muss. Auf die Formen der möglichen Ausbildung in Bezug auf den Einsatz von Schulhunden soll im Folgenden (siehe 5.1.1) noch eingegangen werden. (Agsten, 2009)

Zusammenfassend ist eine Tendenz des Einsatzes eine Schulhundes, wie er in 2.1 definiert wurde, hin zu weiblichen, größtenteils jungen und weniger erfahrenen Lehrpersonen zu beobachten. Diese unterrichten meistens Grund- oder Förderschulen nach dem Klassenlehrerprinzip. Zudem haben nur knapp mehr als die Hälfte der Hunde eine Grundausbildung. In der Schule werden Schulhunde größtenteils von der Lehr-

person alleine im Unterricht eingesetzt und nicht in die Schulküche oder Turnhalle mitgenommen. Für mögliche Gründe hierfür ist ebenfalls auf 5.1.1 zu verweisen. Verschiedene Begrifflichkeiten wurden in 2.1 dargestellt, um den Schulhund als Präsenzhund in der hundegestützten Pädagogik zu definieren. Ein stetiger Anstieg des Einsatzes von Schulhunden in Deutschland (siehe 2.2) sowie die Zentrierung des Einsatzes auf den Bereich der Primarstufe und Sonderpädagogik (siehe 2.3) ist zu beobachten. Um zu einem ganzheitlichen Verständnis des Einsatzes von Tieren in der Pädagogik zu gelangen, werden nun theoretische Hintergründe dargestellt.

3. Theorien zur Mensch-Tier-Beziehung

Nach Olbrich (2003, s. 86; Hervorhebung S.K.) ist die ״Bezogenheit zu Mitmenschen, zu Mitlebewesen und zu unserer gesamten natürlichen Umwelt [...] eine Voraussetzung für menschliche Entwicklung.“ Theorien im Hinblick auf diese besondere Bezogenheit von Menschen zu Tieren und die Beziehung zwischen Mensch und Tier sollen versuchen, eine Arbeit mit Tieren zu begründen.

3.1 Die Biophilie Hypothese

Ein evolutionsbiologischer Ansatz von E. o. Wilson (1984) beschreibt das Phänomen der Biophilie. Es wird davon ausgegangen, ״dass der Mensch über Millionen von Jahren hinweg eine biologisch begründete Verbundenheit mit der Natur und eine Bezogenheit zu all jenen in ihr beheimateten Lebewesen ausbildete, die ihn im Laufe seines evolutionären Entwicklungsprozesses geprägt und beeinflusst haben“ (Schneider & Vernooij, 2008, s. 4). Der Mensch fühlt sich also zur Natur und zu Lebewesen aufgrund einer angeborenen Affinität hingezogen (Wechsung, 2008).

Es handelt sich hierbei ״nicht um einen einfachen Instinkt, sondern um ein komplexes Regelwerk, welches das Verhalten, die Gefühle, aber auch die geistigen Fähigkeiten, die Ästhetik und sogar die spirituelle Entwicklung beim Menschen betrifft“ (Schneider & Vernooij, 2008, s. 4).

Der Sozialpsychologe Erich Fromm definiert Biophilie als ״leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen“ (Fromm, 1977, s. 411). Der Biophilie-Effekt tritt bei neutralen bis positiven Beziehungen zu Tieren auf und könnte somit erklären, warum sich Menschen in Anwesenheit von ruhigen Tieren sicherer und entspannter fühlen (Beetz, Julius, Kotrschal & Turner, 2013). Er erklärt die positive, affektive Verbundenheit des Menschen zum Tier sowie die Bereitschaft, mit Tieren zu interagieren. Jedoch schließt dies einen negativen Bezug zu Tieren nicht aus, denn

nicht jeder Mensch stellt jedoch deswegen automatisch einen positiven Bezug zu Tieren her. Je nach individuellen Erfahrungen, aber auch kulturellen Prägungen, gibt es ebenso negativen Bezug wie Angst, Ekel oder den Wunsch nach Dominanz und Vernichtung, z. B. gegenüber Tieren, die als Schädlinge gelten. Dies kann in manchen Ländern auch den Hund betreffen und manchmal einen religiösen Hintergrund haben. (Beetz & Heyer, 2014, s. 51 f)

Da die Biophilie-Hypothese nur eine Hypothese ist, soll sie keinen ״Wirkmechanismus für Effekte der Mensch-Tier-Interaktion dar[stellen], sondern einen Rahmen für alle weiteren Erklärungsansätze [bieten]“ (Beetz & Heyer, 2014, s. 51; Hervorhebung S.K.).

3.2 Die Bindungstheorie und das Bindungshormon Oxytocin

Die Bindungstheorie, welche von dem Kinderpsychiater John Bowlby im Jahr 1940 entwickelt und von Mary Ainsworth und Barbara Wittig (1969) erweitert wurde, beschreibt ein im Menschen tief verankertes Verhaltenssystem, das die Fähigkeit beinhaltet, Bindungen zu Bezugspersonen aufzubauen. Eine sichere Bindung ist ein grundlegendes Merkmal einer effektiv funktionierenden Persönlichkeit und von psychischer Gesundheit. Das Kind macht schon kurz nach der Geburt Bindungserfahrungen, welche im sogenannten internalen Arbeitsmodell des Kindes gespeichert werden und zu Einschätzungen des Erfüllens der Bedürfnisse führen. Es baut schon während der Schwangerschaft und direkt nach der Geburt eine Bindung zur Mutter auf, die wiederum auf kindliche Bindungssignale wie Weinen, Schreien oder aktives Suchen nach Nähe mit Pflegeverhalten reagiert. Je nach Reaktion der Mutter oder anderen engen Bezugspersonen entwickelt das Kind eines von drei Bindungsmustern. Reagiert die Mutter sensitiv und adäquat, so kann eine sichere Bindung entstehen. Zwei verschiedene Arten der unsicheren Bindung können durch ein nichtadäquates Verhalten und Reagieren der Mutter entstehen und sich negativ auf die Persönlichkeit und psychische Gesundheit des Kindes auswirken. So können vermeidende oder ängstlich-ambivalente Bindungen vom Kind zur Mutter entstehen. (Ainsworth, Bowlby & Seemann, 2005)

Sicher gebundene Kinder entwickeln mehr soziale Kompetenz, sind freundlicher, kooperativer, zugewandter und empathischer als unsicher gebundene Kinder (Brether- ton, Grossmann, Grossmann & Waters, 2015). Nach Beetz (2003, s. 79) ״scheinen sichere Bindungsmuster mit einer besseren Emotionsregulation verknüpft zu sein“.

Beetz (2003) schreibt auch, dass ״Menschen aber nicht nur zu anderen Personen, sondern auch zu Tieren tief gehende Beziehungen aufbauen [können], die vor allem hinsichtlich emotionaler und sozialer Bedürfnisse positive Auswirkungen haben. Noch mangelt es an einer theoretischen Basis zur Erklärung dieser besonderen Beziehung. Jedoch scheint es, als ob Konzepte aus der Bindungsforschung hier einen vielversprechenden Ansatz bieten könnten“ (Beetz, 2003, s. 77). So wird angenommen, dass positive Bindungserfahrungen mit einem Tier auch auf die soziale Situation mit Mensehen übertragen werden können (Schneider &Vernooij, 2008). Beziehungen zu Tieren können trotz allem nicht mit dem Mutter-Kind-Bindungsmodell gleichgesetzt werden, da die hier ablaufenden Interaktionen sich nicht ohne Weiteres auf die Mensch-TierBeziehung übertragen lassen. Der Ansatz des internalen Arbeitsmodells nach Bowlby (1940) ist hingegen vielversprechender, denn ein solches Arbeitsmodell könnte auch bei Tieren vorhanden sein und seine menschlichen und tierischen Bindungspartner enthalten (Collis & McNicholas, 1998).

Wenn die Herstellung einer vergleichbaren Bindung zwischen Tier und Mensch möglich ist, ״scheint es plausibel, dass gute frühe Bindungserfahrungen einen positiven Einfluss auf die emotionale bzw. soziale Intelligenz und soziale Kompetenz haben“ (Beetz, 2003, s. 80). Der frühe, sichere Bindungsaufbau zu einem Tier könnte also ähnliche positive Effekte auf die Entwicklung eines Kindes mit sich bringen wie die Bindung zu menschliehen Bezugspersonen.

Neben den entstehenden Bindungsprozessen wird sowohl während der Geburt eines Kindes als auch beim stillen der Mutter des Kindes das Hormon Oxytocin freigesetzt. Dieses wird im Hypothalamus produziert, in den Blutkreislauf abgegeben und im Gehirn freigesetzt. Die Freisetzung erfolgt beim Menschen als Reaktion auf die Stimulation von bestimmten Nerven, zum Beispiel beim stillen, beim Geschlechtsverkehr, aber auch bei Berührungen, Wärme, streit. Sie erfolgt vor allem in vertrauensvollen Beziehungen.

Durch dieses Hormon werden viele physiologische, psychologische und Verhaltensfunktionen beim Menschen sowie beim Tier beeinflusst. Es kann Stress reduzieren und die Hemmschwelle beim Erleben von Schmerzen herabsetzen. Es kann sich positiv auf soziale Interaktionen im Sinne von Gesichtserkennnung, positive Selbstwahrnehmung, Empathie, oder Vertrauen auswirken. Oxytocin kann außerdem Depressionen, Ängste und Aggressionen verringern und das Lernen durch Konditionierung verbessern (Beetz, Julius, Kotrschal & Uvnäs-Moberg, 2012).

Laut einer Studie konnte eine Erhöhung der Konzentration von Endorphinen, Cortisol, Oxytocin, Prolactin, Phenylethylaminen und Dopamin bei einer positiven Interaktion von Mensch und Hund festgestellt werden. Ein signifikanter Anstieg von Oxytocin konnte im But bei Mensch und Hund festgestellt werden, nachdem die Studienteilnehmer den Hund für fünf bis 24 Minuten gestreichelt hatten. Der Effekt war zudem größer, wenn der

Mensch seinen eigenen Hund streichelte. Dies zeigt eine Verknüpfung der Ausschüttung des Oxytocins und der Qualität der Beziehung zwischen Mensch und Tier (Meintjes & Odendaal, 2003).

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das streicheln des Hundes eine entspannende und verbindende Wirkung auf Mensch und Tier haben kann (Uvnäs-Moberg, 2003).

In einerweiteren Studie nach Ejdebäck, Handiin, Hydbring-Sandberg, Jansson, Nilsson und Uvnäs-Moberg (2011) führte dreiminütiges streicheln und Reden bei weiblichen Hundehaltern mit ihrem Hund zu einem Anstieg von Oxytocin im Blut bei Hundehalterin und Hund.

Kikusui, Mogi & Nagasawa (2009) beobachteten die Dauer des Blickkontakts zwischen Hunden und ihren Besitzern während einer 30-minütigen Interaktion. Ein höherer Oxytocin-Spiegel wurde nach der normalen Interaktion mit einem längeren Blickkontakt zum eigenen Hund bei den Besitzern festgestellt, jedoch nicht beim Blickkontakt mit einem fremden Hund in der Kontrollsituation. Die Forscher schlossen daraus, dass nicht allein die Anwesenheit eines Hundes zur Oxytocinspiegelerhöhung führt, sondern die soziale Bezogenheit zu dem Tier.

Soziale Interaktionen im Rahmen der sozialen Bezogenheit wie zum Beispiel streicheln, mit dem Hund reden oder Blickkontakt können somit zur Ausschüttung von Oxytocin und für einen positiven Einfluss auf die Psyche, den Körper oder das Verhalten des Mensehen sorgen. Beetz und Marhofer (2013) setzen hier an und schreiben, dass wenn״also die Interaktion mit dem Tier zu einer Ausschüttung von Oxytocin [führt], lassen sich darauf basierend die anderen Effekte von Tieren auf Menschen erklären“ (Beetz & Mar- hofer, 2013, s. 79; Hervorhebung S.K.).

3.3 Du-Evidenz

DieTheorie der Du-Evidenz wurde 1922 von Karl Bühler in Bezug auf Zwischenmensch- liehe Kommunikation entwickelt. 1931 wurde die Theorie von Theodor Geiger auf die Mensch-Tier-Beziehung übertragen (Schneider & Vernooij, 2008). Es wird von der Tatsache ausgegangen, ״dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich bzw. Tiere unter sich kennen“ (Greiffenhagen, 1991, S.22). Die Klasse der höheren Tiere ist mit dem Begriff der höheren Säugetiere gleichzusetzen, die die artenreichste Unterklasse der Säugetiere bezeichnet und sich durch eine höhere Entwicklungslinie auszeichnet (Asher, Novaček, Rougier & Wible, 2007).Tiere könnten Menschen also als Artgenossen betrachten und dementsprechend mit ihnen kommunizieren. Genauso passen die Menschen ihre Korn- munikation den Tieren an, um ein gegenseitiges Verständnis zu erreichen. Wenn eine gemeinsame Beziehungsbasis von Mensch und Tier besteht, so können facettenreiche Identifikationsmöglichkeiten zum Beispiel mit Hunden oder Pferden gewinnbringend für beide Seiten in der tiergestützten Intervention sein (Agsten, 2009).

3.4 Empathie zu Tieren

Kinder können schon früh Empathie fürTiere empfinden. Mit Empathie ist hier das Mitgefühl zu bezeichnen, das ein Kind in bezogenen Interaktionen für ein Tier empfindet. Der reine Besitz eines Tieres reicht somit nicht aus, um von Empathie zu sprechen (Hendrix & Poresky, 1989). Empathie ist Teil der emotionalen Kompetenz, welche außerdem die Selbstregulation von Emotionen, das Bewusstsein über den eigenen emotionalen Zustand und die Fähigkeit, Emotionen anderer differenziert wahrzunehmen und zu verbalisieren, beinhaltet (Saarni, 1999).

Laut einer Studie konnten Kinder im Alter von zehn Jahren das Gebell von Hunden auf einem Audioabspielgerät zu hundert Prozent den richtigen Situationen und Emotionen des Hundes zuordnen. Die Ergebnisse zeigten zudem, dass das Zuordnen des Bellens nicht nur von der eigenen Erfahrung mit Hunden abhing, sondern auch von dem Alter der Kinder. Jüngere Kinder konnten nur ein bis zwei Hundegebellarten den richtigen Situationen und Emotionen (Wut, Angst und Freude) zuordnen (Dóka, Miklósi, Molnár & Pongrácz, 2011).

Auch kann die Beziehung zu einem Tier Einfluss auf die Empathie gegenüber Menschen haben. Nach Ascione und Weber (1996) steht Empathie gegenüber Tieren nachweisbar in Zusammenhang mit Empathie gegenüber Menschen. Durch das “humane education program” in den USA an Schulen wurde der Einfluss der Verbesserung der Einstellung gegenüber Tieren und deren Generalisierung auf Empathie gegenüber Menschen belegt. Die prosoziale Einstellung der Teilnehmer war nach knapp zwei Jahren besser als in der Vergleichsgruppe (Ascione, 1992).

3.5 Die besondere Kommunikation von Mensch und Tier

In der Kommunikation wird nach Beavi, Jackson und Watzlawick (1969) zwischen digitaler und analoger Kommunikation unterschieden. Die digitale Kommunikation dient dem Menschen dazu, Informationen über Dinge mitzuteilen. Die analoge Kommunikation jedoch drückt Bezogenheit aus und meint das Mitschwingen beim übermitteln der Nachricht. Analoge Kommunikation beschreibt ein beständiges und gemeinsames Moment, das über Kulturen und Spezies hinweg existiert und schon in Urzeiten existiert hat, zum Beispiel im Werben um den Partner oder im Kampf (Beavin et al., 1969). Mit der digitalen Kommunikation kann der Mensch eine Beziehung zwischen einem Wort und dem Inhalt willkürlich festlegen und somit auch lügen. Dies ist in der analogen Kommunikation nicht möglich, denn das Symbol steht in direkter Beziehung zu dem, was wir ausdrücken wollen. Die analoge Kommunikation ist ehrlicher und drückt sich durch Gestik, Gesichtsausdruck, Sprache der Augen und Berührungen und/oder Stimmmodulation aus.

Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier verläuft somit größtenteils analog.Tiere nehmen analoge Anteile der Kommunikation wahr, kaum die digitalen. Sie antworten hauptsächlich auf analoge Anteile und verlangen von der Person echte und stimmige Bezogenheit. Somit werden durch eine stimmige analoge Kommunikation Diskrepanzen zwischen Sender und Empfänger vermieden. Dies lässt die Person sich selbst wahrhaftig und einfach erfahren, und auf ehrliche Art mit dem Gegenüber austauschen. Diese Art von Kommunikation ist aufgrund ihrer Ehrlichkeit therapeutisch wertvoll und im pädagogischen Kontext sinnvoll (Olbrich, 2003). Nach Csäny (2006) haben ״Menschen [...] keine Rute, können ihre Ohren nicht bewegen und haben ungewohnte Körpergerüche. Andererseits haben sie Hände, mit denen sie über unverständliche Dinge gestikulieren können. Aus diesem Grund haben Gebrauch und Interpretation gelernter Signale in der Kommunikation zwischen Menschen und Hunden eine große Bedeutung“ (Csänyi, 2006, s. 38; Hervorhebung S.K.).

Tiere und Menschen kommunizieren mit allen Sinnen miteinander. Nimmt der Hund beim Menschen einen gewissen Geruch wahr und reagiert darauf mit einem nonverbalen Signal, wie zum Beispiel dem Schnuppern am Fuß des Gegenübers, so nimmt der Mensch das nonverbale Signal mit dem Tastsinn auf und interpretiert es dementsprechend. Auch Hörsinn, Sehsinn und Geschmacksinn werden in der Mensch-Tier-Kom- munikation intensiver angeregt als in der Kommunikation unter Menschen (Otterstedt, 2003). ״Die Körpersprache als individuelle Ausdruckskraft und Informationstransmitter wird vom Menschen in der Regel unbewusst angewandt“ (Otterstedt, 2003, s. 90) und spielt in der Mensch-Tier-Kommunikation eine wichtige Rolle. Menschen mit Tiererfahrung kommunizieren zunächst viel verbal mit dem Tier und wenden eine unbewusste Körpersprache an, was sich im Laufe der wachsenden Erfahrung zu einer Kommunikation mit reflektierter Körpersprache und vokalreicher stimme entwickelt. Vertrauen, Körperkontakt und die Entwicklung einer emotionalen und sozialen Bindung zum Tier bilden die Basis für eine erfolgreiche Kommunikation (Otterstedt, 2003).

Die Vielzahl an Ausdrucksformen wie die Variation in Lautstärke, Stimmlage, Betonung oder nonverbaler Kommunikation in der Mensch-Tier-Kommunikation entspricht der einer zwischenmenschlichen Kommunikation. Außergewöhnlich in der Mensch-Tier-Kommunikation ist jedoch eine sich relativ schnell entwickelnde Vertrautheit (das Tier mag mich so wie ich bin), die emotionale Ausdrucksformen, wie beispielsweise weinen, ebenso zulässt, wie nahen Körperkontakt, Z.B. streicheln, schmusen, umarmen, küssen. Es scheint, dass Menschen sich eher Tieren emotional öffnen und anvertrauen, als einem Menschen. (Otterstedt, 2003, s. 93-95)

Tiere bieten nach Otterstedt (2003) bei psychischer, physischer Verletzung oder Behinderung ein effektives, alternatives Dialogangebot. Das Vertrauen eines Tieres zu spüren oder das sorgsame Umgehen mit dem Tier kann eine positive Erfahrung als Alternative zu körperlichen, sozialen oder seelischen Einschränkungen darstellen. Die Kommunikation mit Tieren kann somit als Einstieg in der pädagogischen oder therapeutischen Praxis für das Lernen von Verhaltensalternativen genutzt werden.

Kinder mit aggressivem oder hyperaktivem Verhalten oder mit Problemen in der sozialen Kontaktaufnahme können von der alternativen Kommunikation mit dem Tier profitieren und neue Verhaltensweisen erlernen.

Ein aggressives Kind erfährt zum Beispiel die Reaktionen des Tieres auf Aggressivität und lernt möglicherweise einen ruhigeren Umgang zum Schutz des Tieres kennen, ein Kind mit sozialen Anpassungsproblemen lernt in Folge neue Formen der Körpersprache am Tier kennen und deuten und kann Empathie erlernen (Otterstedt, 2003).

3.6 Einflüsse auf die Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl

Menschen, insbesondere Kinder, können im Umgang mit Tieren Selbstwirksamkeit erfahren. Selbstwirksamkeit beschreibt die Erwartung einer Person, aufgrund eigener Fähigkeiten eine Handlung selbst erfolgreich ausführen zu können. Dies schließt die ErWartung eines Menschen ein, etwas bewirken zu können, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen und selbstständig handeln zu können - auch in schwierigen Situationen (Bandura, 1977). Dies bedeutet ״in Bezug auf die Interaktion mit Tieren [...] dies: Junge Menschen erleben in Kontakt mit Tieren ihre stärken (Grundbedürfnis nach Selbstwerterhöhung), Freude (Grundbedürfnis nach Lustgewinn), Selbstwirksamkeit und Autonomie (Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle)“ (Wünsche, 2011, s. 242).

Durch das Einüben von Kommandos mit einem Hund kann ein Kind Selbstwirksamkeit als auch Geduld erlernen (Agsten, 2009). Zudem steigert die Kommandoarbeit mit dem Tier auch das Selbstbewusstsein, da das Kind in seinem Tun bestärkt wird und weiß, dass es das, was es sich vornimmt auch schaffen kann (Vanek-Gullner, 2011).

Der signifikante Anstieg des Selbstwertgefühls bei Kindern von neun bis 12 Jahren, die sich um ein Tier im Rahmen eines Schulprojekts kümmern durften, konnte innerhalb von neun Monaten durch eine Studie von Bergesen (1989) beobachtet werden.

Ein signifikanter Anstieg des Selbstwertgefühls konnte besonders bei den Kindern beobachtet werden, die zuvor als niedrig selbstwertend eingeschätzt wurden (Bergesen, 1989). Eine detaillierte Darstellung der Studie ist im aktuellen Forschungsstand nachzulesen, (siehe 6.)

3.7 Einflüsse auf das Sozialverhalten

Mit sozialer Kompetenz ist das Wissen über die soziale Welt, das Interesse an den Mitmensehen und die Sorge um andere Menschen,die Fähigkeitzursozialen Interaktion,empathi- sehe Fähigkeiten, emotionaler Ausdruck und Feinfühligkeit für den emotionalen Ausdruck anderer, soziale Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein gemeint (Cantor & Kihlstrom, 2000). Die soziale Kompetenz ist somit eng mit Empathie, sozialer Selbstwirksamkeit und dem Selbstwertgefühl verknüpft und beeinflusst zusammen mit ihnen das Sozialverhalten. Baarda & Endenburg (1995) stellten fest,dass Kinder,die in einem Haushalt mit einem Hund aufwuchsen, eine größere soziale Kompetenz aufwiesen als Kinder, die ohne einen Hund aufwuchsen. Sie entwickelten sich zudem zu sozial kompetenteren Erwachsenen als andere Kinder.

Olbrich und Schwarzkopf (2003) meinen, dass sich das soziale Verhalten des Menschen gegenüber Tieren von dem zu Menschen darin unterscheidet, dass Menschen Tieren gegenüber oft weniger scheu sind. Menschen zögern gegenüber Menschen öfter als gegenüber Tieren, diese zärtlich zu berühren oder anzufassen. Tiere können also als sozialer Katalysator für den Menschen dienen. Dies wird auch daran sichtbar, dass Menschen mit Hund eher von fremden Leuten angesprochen werden als ohne Hund. Hunde laden den Menschen durch ihre Offenheit dazu ein, fremde Menschen anzusprechen und eine Kommunikation und Interaktion mit ihnen zu beginnen. Sie ermöglichen den Kontakt, das Vertrauen, das Gespräch und die Verbindung zwischen unbekannten Personen, die einander sonst fremd geblieben wären (Cahill, Robins & Sanders, 1991). Dass der Hund als sozialer Katalysator positive Effekte auf das Sozialverhalten der Kinder in der Grundschule haben kann, wird in einer Studie nach Kotrschal & Ortbauer (2003) sichtbar. Die Ergebnisse der Studie werden in der Beschreibung des aktuellen Forschungsstands detailliert dargestellt (siehe 6.1).

In einer Studie mit Kindern wurde der Beliebtheitsfaktor durch den Besitz eines Haustieres gesteigert. Guttmann, Predovic und Zemanek (1985) beobachteten, dass Kinder mit einem Haustier bei ihren Klassenkameraden beliebter waren als ohne Tier. ״Tiere haben auch in der Klasse eine wichtige Funktion als Mittler zwischenmenschlicher Kontakte“ und können sozial weniger aktiven Kindern helfen, Kontakte zu knüpfen (Endenburg, 2003, s. 124).

Tiere können auch als soziale Unterstützer für Menschen und besonders Kinderwirken. Bachman (1975) zeigte in einer Studie, dass Kinder besonders gerne zu Tieren gehen, wenn sie ein Problem haben. Diese emotionale Unterstützung ist sehr wichtig für die psychische Entwicklung des Kindes (Levinson, 1978).

3.8 Auswirkungen auf die Persönlichkeit

Persönlichkeit ״ist wertfrei zu verstehen und meint ein bei jedem Menschen einzigartiges, relativ stabiles und Zeitablauf überdauerndes Verhaltenskorrelat“ (Klaassen & Möhrke, 2012, s. 33). Die Beziehung zu einem Tier ״ermöglicht es dem Heranwachsenden, eigene Persönlichkeitsanteile (besser) kennen zu lernen und defizitäre Persönlichkeitsstrukturen (begleitet von professionellen Unterstützungsangeboten), weiter zu entwickeln“ (Wünsche, 2011, s. 242). Die ehrliche Kommunikation des Tieres kann dem Menschen verhelfen Authentizität zu entwickeln. Nach Rogers und Tausch (2014) strebt der Mensch nach Authentizität, was die stimmigkeit zwischen dem eigenem Konzept über sich und sein Verhalten und dem, was man eigentlich ist, meint. Authentizität kann auch mit ״Echtheit“ beschrieben werden und bedeutet, dass ״Äuße- rungen, Verhalten, Maßnahmen, Gestik und Mimik einer Person [...] mit ihrem inneren Erleben, ihrem Fühlen und Denken überein[stimmen]“ (Tausch & Tausch, 1991, s. 220; Hervorhebung S.K.).

Oft sind Tiere Modelle von Authentizität und Echtheit, da sie dem Menschen ehrlich und empathisch gegenübertreten. Der authentisch werdende Mensch kann seiner Umwelt ganzheitlich gegenübertreten und ist in der Lage, mit dieser analog und digital zu kommunizieren. Generell werden authentische Menschen als stimmiger und ehrlicher erfahren, die effizientes Leisten mitempathischem Mitschwingen verbinden können (Olbrich & Schwarzkopf, 2003). Der Umgang mit Tieren kann somit zu einer Weiterentwicklung der Persönlichkeit und von Authentizität bei Kindern beitragen.

3.9 Tod von Tieren

Die besondere emotionale Beziehung des Menschen zu Tieren wird an der Trauer um ein verstorbenes Haustier deutlich. Oftmals findet das Sterben des Tieres in Form der Euthanasie statt, ״im medizinischen Sinn [...] nichts anderes als das Töten eines Tieres“ (Buck-Werner & Greiffenhagen, 2007, s. 61 ; Hervorhebung S.K.). So führt ״derTod eines Tieres [...] augenblicklich zu einer Unterbrechung der Mensch-Tier-Beziehung [...] mit der Folge des direkt körperlich erlebten Schmerzes“ (Buck-Werner & Greiffenhagen, 2007, s. 57; Hervorhebung S.K.).

Der Verlust führt zu einem Gefühl der Leere, das umso stärker ist, ״je zentraler die Stellung des Tieres im Leben der Besitzer zuvor gewesen sei“ (Buck-Werner & Greiffen- hagen, 2007, s. 58).

Besonders ״die Beziehungen zwischen den als Kotherapeuten eingesetzten Tieren und ihren Bezugspersonen sind sehr intensiv [...,] die emotionale Bindung an sie ist besonders ausgeprägt (Buck-Werner & Greiffenhagen, 2007, s. 58; Hervorhebung S.K.), was eine besonders intensiveTrauer hervorrufen kann. Im Trauerprozess können Trauerkomplikationen auftreten, die besonders durch langjährige Haltung, die herausragende Bedeutung des Tieres für den Menschen, die emotionale Abhängigkeit vom Tier und das Alleinleben des Halters ausgelöst werden (Voss, 2002).

Ein Phasenmodell der Trauerstadien nach Kübler-Ross (2009) kann nach Buck-Werner und Greiffenhagen (2007) auch auf Personen übertragen werden, die vor dem bevorstehenden Tod des Tieres um dieses trauern. Die Phasen können zur gleichen Zeit oder in anderer Reihenfolge durchlebt werden und sind nicht zwingend in der angegeben Folge zu durchlaufen. Die erste Phase ist das Verleugnen des Besitzers, dass sein Tier gestorben ist. Erwin den Tod des Tieres nicht wahrhaben. Die zweite Phase enthält Wut, die der Halter auf sich selbst durch Selbstvorwürfe oder den Tierarzt verspürt. Der Tod wird als zu früh oder nicht angemessen gesehen. In der dritten Phase will derTrauernde versuchen, den Zeitpunkt des Todes hinauszuschieben und nach alternativen Behändlungsmöglichkeiten oder Therapien suchen.

Die vierte Phase ist die Depression. Die Stimmung des Trauernden verschlechtert sich, es treten körperliche Symptome wie zum Beispiel Schlafstörungen sowie Schuldgefühle auf. DerTrauernde fühlt sich macht-und hilflos. In der fünften Phase findet die Akzeptanz statt. DerTrauernde akzeptiert den Tod des Tieres als Wahrheit, die unausweichlich ist. Erst in dieser Phase kann sich der Betroffene mit neuen Dingen und Beziehungen, auch mit einem Tier, befassen (Buck-Werner & Greiffenhagen, 2007).

Nach Buck-Werner und Greiffenhagen (2007) ist Im Kontext tiergestützterTherapie und Pädagogik [...] die kenntnisreiche und einfühlsame Begleitung dieses Trauerprozesses durch das menschliche Fachpersonal von überaus großer Bedeutung“ (Buck-Werner & Greiffenhagen, 2007, s. 63; Hervorhebung S.K.). Die Möglichkeit des Todes eines Schulhundes darf daher in der hundegestützten Pädagogik nicht außer Acht gelassen werden.

Evolutionstheoretische, kommunikationstheoretische und psychologische Ansätze sowie Beobachtungen verdeutlichen die Fähigkeiten von Tieren und Menschen, miteinander in einer besonderen Weise zu agieren, zu kommunizieren, Beziehungen aufzubauen und zu erhalten.

4. Theorien zur Mensch-Hund-Beziehung

Warum der Hund im Speziellen besonders für solch einen Beziehungsaufbau geeignet ist, zeigen Theorien zur Mensch-Hund-Beziehung. Von der Abstammung vom Wolf bis hin zur aktuellen Rolle des Hundes in Deutschland wird die besondere Rolle des Hundes in der heutigen Gesellschaft beschrieben. Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund soll ein pädagogisches Arbeiten mit dem Hund im Klassenzimmer begründen.

4.1 Der Wolf, der Hund und der Mensch

Die Abstammung des Hundes vom Wolf wurde noch nicht anerkannt, jedoch belegen neue Forschungsergebnisse, dass alle Hunderassen vom Wolf abstammen. Ein genauer Zeitpunkt der Entstehung des Hundes in der Geschichte ist jedoch noch nicht festgelegt. Vergleicht man die genetischen Muster von Wölfen und Hunden, so findet man die genetischen Muster bei Wölfen im Hypothalamus starr vor. Der Hypothalamus ist die Schlüsselregion für überlebenswichtige Reaktionen und Emotionen. Beim Hund sind jedoch im Hypothalamus bestimmte Gene ausgebildet wie Angst oder Stress. Es wird daher vermutet, dass Wölfe, die sich früher Menschen näherten, weder Dominanz noch Scheu zeigten. Warum sich die Wölfe langsam zu Hunden entwickelten, wird darauf zurückgeführt, dass sich rangniedere Wölfe mit geringer Fluchtdistanz langsam den Menschen anschlossen und sich ihr Äußeres durch psycho-somatische Effekte in Kontakt mit den Menschen veränderte. Zum Beispiel passte sich das Beißwerkzeug der Nahrung an, die Körpergröße schrumpfte und das Gehirnvolumen verringerte sich. Das Bellen und den Spieltrieb haben Hunde von den Wölfen beibehalten. Die sogenannte Domestikation, also die Anpassung des Hundes an den Menschen, ging mit der Beeinflussung von den Hormonen Melanin und Serotonin einher, die unter anderem Stressreaktionen regulieren und mit der äußerlichen Veränderung des Wolfes zum Hund einhergehen. (Schönberger, 2006)

Es sind im Verlauf des Prozesses der Kulturalisierung einige sozial-kognitive Fähigkeiten der Hunde, soweit es in ihrer Art möglich ist, mit denen des Menschen gewissermaßen verschmolzen. Wissenschaftler für evolutionäre Anthropologie des Max-Planck-Instituts und der Harvard University in Cambridge, USA, belegten, dass Hunde ihre besondere Fähigkeit, mit den Menschen zu kommunizieren nicht von den Wölfen geerbt oder individuell im Laufe des Lebens erworben haben. Stattdessen ist die besondere Kommunikation das Ergebnis ihrer permanenten Selektion durch den Menschen während der Domestizierung. (Csänyi,2006)

Nach (Csányi,2006) konnten ״die Nachkommen der Wölfe [...] nur dann in der menschliehen Gemeinschaft bleiben, wenn ihr Verstand dazu in der Lage war, die menschlichen Handlungen zu verfolgen und die ihnen vorausgehenden kleinen, kaum merklichen Hinweise richtig zu interpretieren“ (Csányi, 2006, s. 38; Hervorhebung S.K.).

Zum Beispiel zeigten Tests, dass Wölfe die Sprache des Menschen nicht so gut interpretieren oder verstecktes Futter finden können, auch wenn sie mit dem Menschen aufgewachsen sind (Savolainen, 2002). Die Frage danach, ob der Mensch vorsätzlich Wölfe domestiziert hat oder sich der Wolf dem Menschen angeschlossen hat, konnte von der Wissenschaft noch nicht beantwortet werden. Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund kann als eine Art Koevolution bezeichnet werden, eine Teamarbeit von beiden Seiten aus. Es scheint oft so, als hätten Hunde wesentliche Regeln der Gesellschaft verinnerlicht und als sähen sie die Menschen als ihre Artgenossen an (Schönberger, 2006).

4.2 Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund

Schon seit Jahrtausenden haben Hunde in der menschlichen Gesellschaft einen Platz gefunden. In einem Grab im nördlichen Palästina von vor etwa 12000 Jahren wurde das Skelett eines Menschen zusammen mit dem Skelett eines fünf Monate alten Hundes gefunden, was schon ein deutlicher Hinweis auf eine enge emotionale Beziehung zwi- sehen Mensch und Hund vor Jahrtausenden ist (Serpeli, 1986). Hunde fanden in der Geschichte der Menschen ihre Aufgabe in der ״Bewachung von Haus, Hof, Vieh; [die] Beteiligung an der Jagd; [als] Zugtier von Schlitten und Karren, [im] Spielen mit Kindern und Erwachsenen, [bei] gemeinsame[n] Freuden und sicherlich auch [beim] gemeinsame[n] Leiden“ (Bergler, 1986, s. 17, Hervorhebung S.K.). Bis heute wird ״[d]as Mängelwesen Mensch [...] durch den Hund abgesichert, behütet, entlastet, unterstützt, angeregt und erfreut“ (Bergler, 1986, s. 12). Der Besitz eines Haustieres stillt ״durch seine psychosoziale Bedeutung das menschliche Bedürfnis nach Kontakt mit der Natur“ (Olbrich, 2003, s. 25). Der Hund hat durch seine Beziehung zum Menschen gezeigt, dass er ״sein ganzes Leben lang in der Lage ist, dauerhafte Bindungen einzugehen“ (Csányi, 2006, s. 38), nämlich die mit seinem Besitzer. Die besondere Kommunikation zwischen Mensch und Hund, ״[d]ie Schaffung von Sicherheit und Vertrautheit, die tabulose Möglichkeit körperlichen Kontakts und vor allem die Konstanz durch das immer gleich bleibende Wesen des Hundes sind die Momente der Mensch-Hund-Beziehung, die auch die Hauptgründe für deren therapeutische [und pädagogische] Verwendung sind“ (Gebhard, 2009, s. 133; Hervorhebung S.K.). Eine weitere Besonderheit in der Mensch-Hund-Beziehung ist die Fähigkeit von Hunden, die Stimmung eines Menschen zu ״lesen“. Hunde wissen häufig, was als nächstes passieren wird und sind zur andauernden Interpretation und Beobachtung menschlichen Verhaltens fähig (Gansloßer & Kitchenham, 2012, s. 147). Hunde können das Verhalten eines Menschen Vorhersagen, wenn sie diesen Menschen in vergleichbaren Situationen beobachtet haben und können sich aufgrund ihrer Verhaltensflexibilität daran anpassen. Sie sind in der Lage zu erkennen, was der Mensch gerade sieht oder was er nicht sieht. Jedoch können sie dabei keine Rückschlüsse auf ihr eigenes Verhalten ziehen (Brauer, 2014).

Einige Theorien besagen, dass Hunde ein Empathievermögen, welches in bestimmten Gehirnstrukturen in Tests nachgewiesen wurde, besitzen. Dieses Empathievermögen kann sie dazu bringen, auch bei fremden Menschen richtig zu reagieren (Gansloßer & Kitchenham, 2015). Ein Hund kann spüren, wenn ein Kind Kummer hat. Er geht zu ihm hin und spendet Trost, indem er zum Beispiel den Kopf auf das Knie des Kindes legt. Zudem wurde ein höheres Empathievermögen gegenüber dem eigenen Hundehalter im Vergleich zu fremden Personen festgestellt (Custance & Mayer, 2014). Levinson (1962, s. 61) glaubt, dass kein menschliches Wesen ein Kind so bedingungslos akzeptiert, wie der vertrauenswürdige Hund es kann: ״And no human being can offer the child more general ‘acceptance’ than the faithful dog, for whom the master can do no wrong.“ Die bedingungslose Annahme eines Kindes durch den Hund ist einer der Hauptgründe für die hundegestützte Pädagogik.

4.3 Die Rolle des Hundes in Deutschland

״Die Nutzung der Hunde ist in den letzten Jahrzehnten vielfältiger geworden“ (Agsten, 2009, s. 17). Neben Polizeihunden, Jagdhunden und Haushunden kamen weitere Assistenzhunde dazu, die bestimmte körperliche Beeinträchtigungen des Menschen kompensieren. So gehört״neben dem Blindenführhund seit Jahren auch der Behindertenbegleithund, der Signalhund [für Gehörlose und Schwerhörige] und der Epilepsiehund [dazu]. Auch Therapiehunde und Schulhunde werden zunehmend speziell ausgebildet“ (Agsten, 2009, s. 17; Hervorhebung S.K.).

Auch wurden in Deutschland seit 1987 immer mehr Vereine und Forschungskreise für die Weiterbildung und Forschung über tiergestützte Interventionen gegründet. Im Jahr 2007 fand der erste größte deutsche Kongress ״Mensch und Tier: Tiere in Prävention und Therapie“ an der Humboldt Universität in Berlin statt (Agsten, 2009).

In Deutschland werden etwa fünf Millionen Hunde als Heimtiere gehalten. Für die hundegestützte Pädagogik heißt dies, dass in einer Klasse etwa jeder dritte Schüler einen Hund besitzt und sehr viele Schüler regelmäßig Kontakt zu Hunden haben (Agsten, 2009). Der Stellenwert des Hundes in unserer Gesellschaft wird durch die Ergebnisse einer Studie des Instituts Consumer View in Bremen von 2008 deutlich. 95% der deutschen Hundehalter und 85% der Bundesbürger ohne Hund waren davon überzeugt, dass Hunde einen festen Platz in unserer Gesellschaft verdient haben. Dies zeigt, dass sich die meisten Deutschen unabhängig vom Besitz eines eigenen Hundes ein Leben ohne Hunde nicht vorstellen können (Nielsen, 2008). Im Vergleich zu ca. 400 Millionen Straßenhunden in vielen anderen Ländern, pflegt die westliche Welt teilweise eine ״bizarre Liebe“ (Agsten, 2009, s. 19) zu Hunden, die in gefährlicher Anthropomorphisierung (Vermenschlichung) der Tiere enden kann.

Auch die Wirtschaft profitiert von den Vierbeinern. In Deutschland werden im Jahr etwa fünf Milliarden Euro für Ernährung, Pflege und ärztliche Versorgung der Hunde ausgegeben (Agsten, 2009).

Eine Studie mit Eltern aus 316 Familien mit Hunden zeigt, dass 90% der Eltern ihre Hunde als Erziehungshilfe betrachten. Davon sehen 89% den Hund als Lehrer in Hinblick auf Sozialverhalten und Verantwortungsgefühl und 77% als Förderer eines Naturverständnisses der Kinder (Rehm, 1993).

Wenn Hunde in den meisten Familien mit Hund in Deutschland als Erziehungshilfe dienen und Hunde zur Lebenswelt der meisten Kinder gehören, so erscheint ein pädagogischer Einsatz von Hunden in Schulen als sehr sinnvoll.

Die historische Beziehung zwischen Mensch und Hund, die durch ihre jahrtausendlange Domestizierung geprägt ist, wurde in diesem Kapitel beschrieben (siehe 4.1 und 4.2). Die Darstellung der aktuellen Rolle des Hundes in Deutschland verdeutlicht seinen den hohen Stellenwert und seine Akzeptanz in der Gesellschaft (siehe 4.5). Wenn Hunde in den meisten Familien mit Hund in Deutschland als Erziehungshilfe dienen und Hunde zur Lebenswelt der meisten Kinder gehören, so erscheint ein pädagogischer Einsatz von Hunden in Schulen als sehr sinnvoll.

5. Der Hund im Klassenzimmer

Dieses Kapitel beschreibt den pädagogischen Einsatz des Hundes im Klassenzimmer. Zunächst werden die Voraussetzungen dargestellt, die für den Einsatz eines Schulhundes geschaffen werden müssen. Sowohl für den Hund, die Lehrperson, die Schule als auch für die Schüler (siehe 5.1). Im zweiten Abschnitt des Kapitels wird ein Lernen mit Tieren im Unterricht begründet und Bezug zum Bildungsplan genommen (siehe 5.2). Der dritte Abschnitt des Kapitels zeigt verschiedene, konkrete Einsatzmöglichkeiten des Hundes im Unterricht auf (siehe 5.3).

5.1 Die Voraussetzungen für den Einsatz eines Hundes

Um den Einsatz eines Hundes im Klassenzimmer möglich zu machen, müssen zuerst grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden. Die Bedingungen müssen für den Hund, für die Lehrperson, die Institution Schule und für die Schüler der Klasse geschaffen werden.

5.1.1 Für den Hund

Um einen artgerechten Einsatz des Hundes zu gewährleisten, müssen die Charaktermerkmale des Hundes, seine Grunderziehung inklusive speziellem Training und seine Beziehung zum Halter beachtet werden. Seine Gesundheit muss geschützt werden und Stressprävention stattfinden (Agsten, 2009).

Zuerst einmal stellt sich die Frage, welche Hunde überhaupt für den Einsatz im Unterrieht geeignet sind.

Nach Agsten (2009) spielt hier allein die Rasse des Hundes keine Rolle, da Hunde innerhalb einer Rasse verschiedene Charaktereigenschaften und Wesenszüge aufzeigen können. Vielmehr spielen Charakter und Persönlichkeit eine Rolle. Gansloßer und Kitchenham (2015) unterscheiden zwei Grundpersönlichkeiten bei Tieren. Den A-Typ, welcher wagemutig und neugierig ist, und den B-Typ, der sich als Beobachter und Denker auszeichnet. Jede dieser Grundpersönlichkeiten kann viele weitere SubPersönlichkeitseigenschaften enthalten, um zum Beispiel einen Hund genauer zu beschreiben. Ganßloßer und Kitchenham (2015) stellen fest, dass ״der Begriff ‘Person- lichkeit’für nicht-menschliche Lebewesen [...] in der Literatur meist nicht von Charakter, Temperament oder‘Wesen’unterschieden [wird]. Persönlichkeit umfasst Erscheinungen, bei denen ein Tier wiederholt, über einen längeren Zeitraum hinweg, vorhersagbar in verschiedenen Testsituationen vergleichbare Reaktionen zeigt“ (Gansloßer & Kitchenham, 2015, s. 30; Hervorhebung S.K.). Die unterschiedlichen Persönlichkeitsherausbildungen innerhalb einer Rasse lassen sich auch mit der Herausbildung von verschiedenen Hundetypen begründen, die von Menschen für verschiedene Zwecke eingesetzt wurden.

So wurden bei einem Typ gewisse Segmente des Jagdverhaltens, wie zum Beispiel das Treiben der Beute, verstärkt, das Beutemachen und das Reißen der Beute aber abgeschwächt. So entstand der Schafhütehund (Collie etc). [...Ein weitererTyp ist] der Hofhund, der bereitwillig und schnell warnt, nicht zuletzt aber aufgrund einer gewissen Unsicherheit nicht vom Hof weggeht. Ein weiterer Hundetyp ist das selbstständig jagende Tier, welches ohne Leitung des Menschen im Rudel oder als Einzelgänger seine Arbeit tut, der Laufhund und der Terrier. (Zähner, 2003, s. 371 ; Hervorhebung s. K.)

Dies lässt nach Zähner (2003) rückschließen, dass Collies leichter zu führen sind als Molosser oder Terrier und somit besser für den pädagogischen Einsatz geeignet sind. Jedoch spielen Faktoren wie Aufzucht, Erziehung und Sozialisation ebenfalls eine große Rolle in der Persönlichkeitsentwicklung des Hundes. In deutschen Schulen werden größtenteils Border-Collies, Labradore und Retriever eingesetzt, aber auch Berner-Sennhunde, Großpudel, Elos, Setter, Australian Shepherds und eine große Variation an Mischlingen. (Zähner, 2003)

Anstatt sich auf eine Rasse zu beschränken, die aufgrund ihres historischen Einsatzes zum Beispiel als Hütehund leicht führbar und besonders geeignet sein soll, bilden bestimmte Wesenszüge die Voraussetzung für den Einsatz in der Schule. Der Hund sollte keine aggressive Ausstrahlung haben, am Menschen orientiert und interessiert sein und sich auch mit anderen Hunden vertragen. Er sollte ein ruhiges und freundliches Wesen besitzen, seinem Halter gehorchen, absolut mit Kindern verträglich sein und nur eine sehr geringe Aggressionsbereitschaft zeigen. Zudem sollte er im Kontakt mit den Kindern empathisch sein, wenig stressempfindlich, wenig bellfreudig und nicht sehr geräuschempfindlich. Aufgrund der vielen rennenden Kinder sollte er keinen Herdenschutztrieb aufweisen, da er sonst den Kindern hinterher rennt und dies ihnen Angst machen kann. Er sollte zudem nicht ängstlich und unsicher sein und nur wenig Speichel produzieren. (Agsten, 2009)

Der beschriebene Charakter des Hundes ist nach Agsten (2009) nur eines von zwei Puzzleteilen. Das zweite Teil bildet der gängige Gehorsam, die Grunderziehung des Hundes. ״Ein prinzipiell geeigneter Hund kann nicht eingesetzt werden, wenn der Hundeführer nicht in der Lage ist, den Hund mittels gängigem Gehorsam (Sitz, Platz, Komm, Bleib etc.) zu kontrollieren“ (Prothmann, 2007, s. 237).

Der Grundgehorsam ist in heiklen Situationen erforderlich, besonders in unvorhersehbaren Situationen, wenn der Fokus der Lehrperson auf der Interaktion mit den Schülern und der Stoffvermittlung liegt. Eine Kombination von Worten und Zeichen erleichtert dem Hund die Ausführung der Anweisungen, dieser erfahrungsgemäß schneller auf Sicht- und Hörzeichen reagiert.

Die Lehrperson sollte zum einen ein Aufmerksamkeitssignal mit dem Hund trainieren, wie zum Beispiel ein Schnalzgeräusch. Geräusche eignen sich deshalb besser, weil ein Rufen des Namens des Hundes die Aufmerksamkeit aller Schüler auf den Hund lenkt. Zum anderen sollte ein Bestätigungssignal - ebenfalls ein Geräusch, zum Beispiel mit einem Clicker - trainiert werden. So weiß der Hund, dass er das gewünschte Verhalten gezeigt hat und wird positiv bestärkt. Für Notfälle sollte zusätzlich ein Abbruch- oder

Umlenksignal eingeübt werden. Dies sollte ein lauteres Geräusch sein, das auf einige Meter Entfernung hörbar ist und den Hund in seinem Verhalten in gefährlichen Situationen stoppt (Agsten, 2009).

Das reine Trainieren von Gehorsam und die anschließende Hundebegleitprüfung auf dem Hundeplatz reichen allerdings allein nicht aus. Der Hund muss auch in schwierigen Situationen im Unterricht gehorchen können. Hierfür ist ein weiteres spezielles Training erforderlich.

Nur ein entsprechend ausgebildeter Hund mit einer erfahrenen Begleitperson reagiert gelassen auf eine plötzliche Masse lauter, sich schnell bewegender Kinder, die das Tier anfassen und streicheln wollen. Bei nicht entsprechend angewohnten Hunden leidet das Tier oder es kann zu gefährlichen Situationen für die Kinder kommen. (SchweizerTierschutz, 2003, s. 6)

Der Einsatz eines Tieres geht immer mit einem Risiko einher. ״Der erste Hund, der ein Kind [...] beißt, weil er von der Situation überfordert ist oder panisch auf einen Vorfall reagiert, kann die ganze Idee zu Fall bringen“ (Niepel, 1998, s. 7; Hervorhebung S.K.). Der Hund sollte deshalb an ungewohnte Umgebungen gewöhnt werden, an Menschenmassen und laute Geräusche. Auch der passive und aktive Kontakt zu Menschen muss mit dem Besitzer außerhalb des Schulalltags trainiert und immer wieder belohnt und bekräftigt werden. ״Hunde sollten nicht einfach so in die stunde mitgebracht werden“ (Schweizer Tierschutz, 2003, s. 6), denn ein hundegestützter pädagogischer Einsatz kann nur mit viel Durchhaltevermögen und Training in der Freizeit der Lehrperson mit dem Hund gelingen. ״Der professionelle Einsatz von Hunden als Ко-Therapeuten setzt ein mehrmonatiges Training des Tieres wie auch des Tierhalters voraus. Entsprechende Ausbildungsplätze sind in Europa erst ansatzweise vorhanden“ (Gutzwiller, 1999, s. 15). Aufgrund von nur wenigen Angeboten für Schulhundteams in Deutschland (Canisland, ColeCanido und Dogmentor) und nur finanziell schwer tragbaren Ausbildungen zum Therapiehund, werden diese Angebote kaum von Lehrpersonen mit Schulhund genutzt. Deshalb ist ein individuelles selbstbestimmtes Training von Hund und Halter in der Freizeit erforderlich (Agsten, 2009). Die Lehrperson sollte trotzdem die vorhandenen Angebote wie die Hundeschule oder die Begleithundprüfung nutzen und an den angebotenen Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen. Denn ״[d]urch die intensiven Phasen der Ausbildungszeit und deren unterschiedlichen Anforderungen lernen sich Hund und Halter besser kennen“ (Röger-Lagenbrink, 2006, s. 54).

Ein spezielles Training mit dem Hund für den Einsatz in der Schule sollte im Alter des Hundes zwischen 18 Monaten und sechs bis sieben Jahren stattfinden (Agsten, 2009). ״Um das Jahr 2000 herum ist eine wachsende Anzahl von Vereinen, Verbänden, Instituten und Akademien entstanden, deren Initiatoren alle sichtlich bemüht sind, Ausbildungskriterien, Schulungsformen und Prüfungsrichtlinien zu etablieren - eine halbwegs einheitliche Basis ist allerdings nicht entstanden“ (Röger-Lakenbrink, 2006, s. 16) stellt Röger-Lakenbrink fest. Diese Veranstaltungen können ein Zusammenarbeiten von aktiven Hundepädagogen aus der Praxis und Hundespezialisten möglich machen, was erforderlich ist, um die hundegestützte Pädagogik weiterzuentwickeln. Für Schulhunde in Deutschland, im Gegensatz zu Schulhunden in Österreich (Vanek-Gullner, 2007), gibt es keine den Gütekriterien entsprechenden Eingangstests, die sie bestehen müssen, um für den Einsatz zugelassen zu werden (Agsten, 2009).

Um den Hund im Unterricht einsetzen zu können, müssen auch gesundheitliche Vorkehrungen getroffen werden, auch wenn ״[d]ie Gesundheitsrisiken für den Menschen im Umgang mit Tieren [nur] minimal [sind]. Nur wenige Tierkrankheiten - so genannte Zoonosen - sind auf den Menschen übertragbar. Mit vorbeugenden sinnvollen Maßnahmen steht jedoch einem harmonischen Miteinander von Mensch und Tier nichts im Weg“ (Gutzwiller, 1999, s. 13). Eine Übertragung von Hund auf Mensch von virusbedingten, bakterienbedingten, pilzbedingten und parasitenbedingten Zoonosen kann durch Impfungen (z.B. gegen Tollwut) oder regelmäßiges Händewaschen nach der Berührung des Hundes verhindert werden (Gutzwiller, 1999). Zudem ist eine regelmäßige Entwurmung des Hundes erforderlich (Schwarzkopf & Weber, 2003). ״Wenn elementare Hygienegrundsätze eingehalten werden, gefährden gepflegte, regelmäßig entwurmte und geimpfte Hunde und Katzen die Gesundheit des Menschen nicht“ (Gutzwiller, 1999, s. 14).

Die Lehrperson muss jedes Jahr ein Gesundheitszeugnis des Hundes durch den Tierarzt vorlegen. Als Konsequenz für den Schulalltag müssen sich die Schüler regelmäßig nach dem Kontakt mit dem Hund die Hände waschen (Agsten, 2009). Der Hund darf keinen Zutritt zur Küche erhalten und muss mit sterilisiertem Fertigfutter versorgt werden. Er muss außerdem einen sauberen Liegeplatz im Klassenzimmer erhalten und hygienisch einwandfreie Futter- und Trinkwassergefäße und Spielzeug verwenden. Zudem muss für eine artgerechte Haltung ein regelmäßiger Auslauf garantiert sein (zum Beispiel in den großen Pausen). (Agsten, 2009)

Es sollten außerdem im besten Fall keine Allergien der Kinder auf Hunde vorliegen. Menschen reagieren aber meistens nur auf bestimmte Hunde allergisch und nicht auf alle. Eine allergische Reaktion kann durch Tierhaare, Speichelbestandteile, Hautschuppen oder Urinbestandteile auftreten, welche aber durch Allerpet/D - ein für den Hund nicht-schädliches Antiallergikum, das auf das Fell des Hundes aufgetragen wird - verhindert werden kann, (ebd.)

Um die Gesundheit des Hundes zu schützen, wird die Einhaltung der IHAIO Richtlinien von 1988 empfohlen. Es dürfen nur Heimtiere, die durch Methoden der positiven Verstärkung ausgebildet wurden und artgerecht untergebracht und betreut werden [eingesetzt werden.] Man muss alle Vorkehrungen treffen, dass die Tiere keinen negativen Einflüssen ausgesetzt sind. [Zudem muss] der Einsatz [...] begründete Erfolgsaussichten haben. [Die] Einhaltung von Mindestvoraussetzungen wie Sicherheit, Risikomanagement, körperliches und psychisches Wohlbefinden, Gesundheit, Vertraulichkeit sowie Entscheidungsfreiheit muss garantiert sein. [Ein] angemessenes Arbeitspensum, eine eindeutig auf Vertrauen ausgerichtete Aufgabenverteilung sowie Kommunikations- und Ausbildungsmaßnahmen sollten definiert sein. (Tiergestützte Therapie im Aufwind, 2007, s. 68)

Der Hund muss somit den Grundgehorsam durch positive Verstärkung und nicht durch Bestrafung oder Tierquälerei erlangt haben.

Um negative Erfahrungen des Hundes zu vermeiden, sollte Stressprävention für den Hund auf jeden Fall stattfinden. Schule ist oft stressbelastend, sowohl für die Lehrer, für die Schüler als auch für den Schulhund. Für Gansloßer & Kitchenham (2012, s. 90) ist ״Stress dann zu erwarten, wenn die Anpassungsfähigkeit eines Tieres überfordert wird und daraufhin Gesundheit und/oder Fortpflanzung leiden.“ Bei Hunden kann zwischen positivem und negativem Stress unterschieden werden.

Positiver Stress tritt zum Beispiel beim Spielen oder Rangeln auf, negativer Stress bei Überforderung, Angst oder Wut. Bei jeglicher Art von Stress werden die aneinander gekoppelten Hormone Adrenalin,Testosteron und Aldosteron ausgeschüttet, wobei Aldosteron für die Steuerung des Wasserhaushaltes verantwortlich ist. Der Hund uriniert zum Beispiel unter Stress öfter, was von Menschen oft fälschlicherweise als Markierungsverhalten gedeutet wird (Cordt, 2006). Als gesundheitsschädlich und [w]irklich kritisch zu sehen ist starker, häufiger oder andauernder Stress, der etwa aus der Unfähigkeit eines ungeeigneten Hundes resultiert, mit der dichten sozialen Situation in der Klasse zurechtzukommen. Es ist Aufgabe der Lehrkraft, dem vorzubeugen, und den Hund gegebenenfalls durch adäquate Reaktionen zu beruhigen und in der Freizeit für Ausgleich zu sorgen. (Beetz & Marhofer, 2013, s. 34)

Die Lehrperson muss die״ Verhaltensanzeichen für Stress, wie unruhiges Hin- und Herlaufen, Hecheln, Züngeln, Rückzug, Überdreht-Sein etc.“ (Beetz & Marhofer, 2013, s. 33) richtig lesen und deuten lernen und sie während des Unterrichtes dauernd gezielt überprüfen. (Beetz & Marhofer, 2013). Durch zum Beispiel eine Videoanalyse kann dies geschehen, ״selbst wenn die Aufmerksamkeit vorrangig den Schülern gilt“ (Beetz & Marhofer, 2013, s. 33).

Weitere Anzeichen für Stress ist die Verweigerung oder ungewohnt hektische Annahme von Leckerlis, von einem Menschen, von dem der Hund sie sonst normal annimmt (Cordt, 2006). Auch das ungewöhnlich vermehrte Auftreten von Beschwichtigungssignalen wie zum Beispiel das Abwenden des Kopfes, eine ungewöhnlich vermehrte sexu- eile Aktivität, Fellveränderungen, Überreaktionen oder die Verweigerung von Nahrung im Allgemeinen sind Indizien für erhöhten Stress beim Hund (Agsten, 2009). Um Stress vorzubeugen, benötigt der Hund einen Rückzugsort, an dem er ungestört liegen kann, wie zum Beispiel ein Körbchen, einen Zimmerkennel oder sogar ein extra Zimmer. Beim Erkennen von Stresssymptomen sollte die Übung abgebrochen und der Hund an seinen Ruheort gebracht werden. Zudem sollte die Einsatzzeit und eventuell sogar die genereile Eignung des Hundes für den Unterricht überdacht werden, um die Gesundheit des Hundes zu schützen (Beetz & Marhofer, 2013).

Kiefermassagen beim Hund sind ebenfalls eine Möglichkeit, Stress zu behandeln, da ״gerade die Kiefergelenke ein Gradmesser für die Anspannung des Körpers sind“ (Cordt, 2006, s. 63). Nach Agsten kann ״Stress [...]beim Schulhund reduziert werden, indem er zusätzliche Sicherheit und Unterstützung durch klare Signale und die Entwicklung von Ritualen erhält, die den Stresspegel in der Schule senken“ (Agsten, 2009, s. 75). Außerhalb der Schule sollte der Hund ausreichend Schlaf bekommen, denn ״Hunde, die weniger als 17 stunden pro Tag schlafen oder ruhen, haben einen deutlich höheren Stresspunktwert als der Gesamtdurchschnitt“ (Reinhardt & Scholz 2003, s. 65). Zudem sollte ein Ausgleich zum Schulalltag durch zum Beispiel das Spielen mit der Familie der Lehrperson oder mit den Artgenossen sowie lange Spaziergänge stattfinden.

Ein liebevolles und unterstützendes Umfeld in der Familie des Hundes ist förderlich (Agsten, 2009). Findet keine Prävention statt und werden die Signale nicht rechtzeitig erkannt, kann es sehr lange dauern, ״bis ein Hund sein inneres Gleichgewicht wieder gefunden hat und auf Anforderungen wieder normal belastbar reagiert“ (Cordt, 2006, s. 51).

5.1.2 Für die Lehrperson

Die Lehrperson sollte eine theoretische allgemeine Ausbildung besitzen, bevor sie sich dem Einsatz eines Schulhundes widmet (Agsten, 2009). Sie sollte ״wissenschaftliche Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung sowie Theorien und Studien mit einem Fokus auf die Mensch-Hund-Beziehung [und] die tiergestützteTherapie und Pädagogik“ (Beetz & Marhofer, 2013, s. 29) beherrschen. Zudem sollte sie über die in 5.1.1 festgelegten Bedingungen für ihren Hund informiert sein und diese erfüllen können.

Die Lehrperson sollte die Einsatzmöglichkeiten des Hundes an ״die Veranlagung des Tieres, Art des Einsatzes, Schulform, Klassengröße [und die] besonderen Bedürfnissen der Schüler“ anpassen (Beetz & Marhofer, 2013, s. 29). Den Einsatz sollte sie, bestenfalls in Zusammenarbeit mit der Schulleitung, in einem Konzept darstellen. Das Vorhaben der hundegestützten Arbeit sollten in jedem Fall vor dem Einsatz präsentiert werden und zwar vor allen Beteiligten wie Kollegen, Schülern und Eltern. Dabei ist es wichtig, dass die Lehrperson alle Ängste und Bedenken der Beteiligten ernst nimmt und über Risiken, Qualifikationen des Hundes und die Ziele der tiergestützten Pädagogik informiert (Jabłonowski & Köse, 2012).

Während der hundegestützten Arbeit spielt die Beziehung zwischen der Lehrperson und ihrem Hund eine bedeutende Rolle. ״Nur durch den regelmäßigen Kontakt zu seiner Teampartnerin und das Leben im ‘Rudel‘ ist die Basis für einen effektiven Einsatz im Unterricht gegeben“ (Agsten, 2009, s. 64). Mit ״Rudel“ ist die besondere Beziehung des Hundes zu den Menschen gemeint, da er ״im Zuge der Domestikation [zum] Hauptsozialpartner für die meisten Hundeformen und -rassen [wurde]“ (Feddersen-Petersen, 2004, S.175, Hervorhebung S.K.).

Der ungenügende Kontakt zum Hundeführer kann auch bei Schulhunden zu Verhaltensauffälligkeiten führen und in der Schule fatale Folgen haben. Die Lehrperson muss sich in der Freizeit intensiv mit dem Hund beschäftigen um seine individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten herauszufinden und das Verhalten des Hundes immer wieder neu interpretieren. Nur so kann sie diese im Schulalltag berücksichtigen. ״Auch für den Hund gilt der Grundsatz: Erst fördern dann fordern. Seine Bedürfnisse müssen genauso ernst genommen werden wie die der Kinder“ (Jabłonowski & Köse, 2012, s. 40). In den Pausen sollte somit ein intensiver, liebevoller Kontakt zwischen Halter und Hund stattfinden, welcher während des Unterrichts meistens zu kurz kommt (Buck-Werner & Greiffen hagen, 2007).

Gutzwiller (1999, s. 3) sieht eine ״[verantwortungsvolle Heimtierhaltung, die den Ansprüchen des Tieres gerecht wird, [als] Voraussetzung dafür, dass die positive Auswirkung der Mensch-Tier-Beziehung überhaupt zum Tragen kommt.“ Die Lehrperson sollte hundespezifische Grundlagen kennen und die Leistungsfähigkeit und das Alter des Hundes beachten (Große-Siestrup, 2003). Sie sollte vor allem das Verhalten ihres eigenen Hundes richtig interpretieren können, um der Gefahr von Überforderung vorzubeugen. Das gezielte Gewöhnen an den Unterricht und die Schule muss in jeden Fall stattfinden. Ein regelmäßiges Training mit dem Hund, wie in 5.1.1 beschrieben, beinhaltet dies. Die Lehrperson sollte zudem die individuellen Anlagen des Hundes, die im Schuleinsatz genutzt werden können, wie zum Beispiel verschiedene Tricks, Apportieren oder das Suchen, fördern (Beetz & Marhofer, 2013).

Das Schulhund-Projekt sollte sie hinsichtlich der schulischen Rahmenbedingungen organisieren und dokumentieren (siehe 5.1.3).

Im Unterricht sollte sie den Stoff vermitteln und den Hund, wenn die Bedingungen gegeben sind, in Übungen miteinbeziehen. Das Wissen über Hunde und das Verhalten ihnen gegenüber im Allgemeinen muss den Schülern vermittelt werden. Auch themenspezifische Grundlagen zu Ethik und Tierschutz sollten in der Klasse besprochen werden (Agsten, 2009).

Die Lehrperson selbst sollte auch nicht überfordert sein. Da Hunde die Stimmung von Menschen oft früher erkennen können, als der Mensch selbst, merkt er, wenn die Lehrperson gestresst oder überfordert ist. Diese Stresssignale wirken sich ebenfalls negativ auf den Hund aus und verunsichern ihn. Eine weitere Gefahr bildet eine unzureichende Bindung von Halter und Hund. In diesem Fall kann es passieren, dass der Hund die Führung übernimmt und zu einer Gefahr für die Schüler werden kann (Cordt, 2006). Im besten Fall sollte die Lehrperson erst einen Schulhundeinsatz wagen, wenn sie sich in der Ausübung ihrer Profession sicher ist, eine sichere Bindung zwischen ihr und dem Hund besteht und ein Grundgehorsam beim Hund vorhanden ist (Agsten, 2009).

5.1.3 Für die Schule

Für die Genehmigung eines Einsatzes von Schulhunden sprechen der innovative AnSatz und das besondere Profil der Schule. Jedoch müssen die Schulgremien einem EinSatz zustimmen und ausreichend informiert werden: Die Schulleitung, die Lehrerkonferenz, die Schulpflegschaft, die Schulkonferenz und die Eltern. In Baden-Württemberg ist eine Zustimmung und Information der Schulaufsichtsbehörde nicht notwendig. Zudem muss das Gesundheitsamt informiert sein, indem ihm ein Hygieneplan vorgelegt wird. Die Haftpflichtversicherung muss ebenfalls informiert werden. Der Hausmeister sollte zudem Bescheid wissen, da Hunde in der Regel in öffentlichen Gebäuden verboten sind. Sind diese Vorkehrungen getroffen, können die Schulleitung und die Lehrperson mit Hund vorwiegend eigenverantwortlich über den Einsatz des Hundes entscheiden und die räumlichen und zeitlichen Bedingungen festlegen. Ein gutes Konzept der hundege- stützten Pädagogik sollte im Schulprofil verankert sein. Zudem sollte dieses Konzept fortlaufend überarbeitet werden und eine regelmäßige Evaluation stattfinden, die sowohl den Hund als auch die Schüler schützt (Agsten, 2009).

5.1.4 Für die Schüler

Bevor ein Einsatz zum Tragen kommt, sollten Allergien der Schüler ausgeschlossen werden. In seltenen Fällen spielt auch der kulturelle Hintergrund eine Rolle, da zum Beispiel manche Muslime Hunde, insbesondere den Speichel des Hundes, als unrein empfinden. Eine Zustimmung und Freiwilligkeit von allen Schülern und Eltern muss somit gegeben sein. Vor dem Einsatz sollten die Schüler ausreichend über die Grundverhaltensregeln gegenüber einem Hund informiert und diese auch geübt werden. Während des begrenzten Einsatzes des Schulhundes sollte ein begrenzter Schülerkontakt stattfinden. Der Hund soll die Schüler beim Lernen begleiten und nicht die ganze Zeit im Mittelpunkt des Geschehens stehen. In Einzelarbeit kann eine Bindung zu dem Hund aufgebaut werden, in manchen Gruppenphasen kann der Hund auch mal im Zentrum stehen. Die Schüler sollten sich außerdem der Mitverantwortung bewusst sein und zum Beispiel den Napf füllen oder das Fell des Hundes bürsten dürfen. (Agsten, 2009)

Allgemein sollte ein adäquater Hund für die Schüler eingesetzt werden, mit dem sich keiner der Schüler unwohl fühlt (ebd.). So fand Zimmermann (2003) heraus, dass Kinder mit internalisierenden Störungen wie zum Beispiel Ängsten, Hunde mit geringerer Stimulanz präferieren, während Kinder mit externalisierenden Störungen, wie zum Beispiel Aggressionen, Hunde mit stärker stimulierenden Eigenschaften bevorzugen. Die Wahl des Hundes kann auch Vorurteile abschaffen. Der Einsatz eines Mischlings kann zum Beispiel vermitteln, dass jeder Mensch und jeder Hund, egal welche Hautfarbe/Fellfarbe er hat oder aus welcher Kultur er kommt, gleich wertvoll ist (Agsten, 2009).

Sind die genannten Bedingungen gegeben, so kann mit der Arbeit in der Schule begönnen werden. Warum ein Hund als Lernbegleiter wertvoll für das Lernen von Schülern in der Grundschule sein kann, soll im Folgenden begründet werden.

5.2 Begründungen für den Einsatz im Klassenzimmer der Grundschule

5.2.1 Tiere als Lernbegleiter im Unterricht

Lernen ist nach Olbrich und Schwarzkopf (2003, s. 253) ein ״Prozess der Veränderung, von Verhalten und Verhaltensbereitschaften, Wissen, Erfahrungen, Dispositionen und Bedeutung von Sinn“. Leider kommen in der Schule, in Ausbildung und Sozialisation nicht-intendiertes Lernen wie klassisches Konditionieren oder Beobachtungslernen oft zu kurz. Auch einer aktiven Beteiligung des Lerners sowie der Bedeutung von Interaktion zwischen Lehrer und Lernendem in Lernsituationen wird oft nicht genug Bedeutung zugemessen (Olbrich & Schwarzkopf, 2003). Der Aspekt der Erfahrungsbildung durch aktive Auseinandersetzung des Lerners mit dem Lerngegenstand sollte jedoch bei einem ganzheitlichen Verständnis von Lernen berücksichtigt werden (Edelmann, 1996). Ein Lernen mit Tieren kann nämlich nicht ausschließlich mit kognitiven Lerntheorien erklärt werden (Olbrich & Schwarzkopf, 2003).

Der Umgang mit Tieren im Klassenzimmer kann dazu führen, dass die Schüler sich aktiv mit ihrer Umwelt und mit der Natur auseinandersetzen und dadurch ein ganzheitliches Lernen ermöglicht wird. Zum Umgang gehören außerdem ״ihre Versorgung [und] die freundliche Resonanz auf Zuwendung[. A]ll das erlaubt Kindern ein Wiederentdecken von immateriellen Werten, die in einer hochentwickelten Leistungsgesellschaft zu selten erfahren werden.“ (Olbrich & Schwarzkopf, 2003, s. 260) Diese aktive Auseinandersetzung mit dem Tier und seinem Umfeld ist von Emotionen begleitet und spielt sich in sozialen Situationen ab. Die Förderung von emotionalen und sozialen Kompetenzen in aktiven Phasen des Lernens schränkt ein Erlernen von verbalen und mathematischen Fähigkeiten keineswegs ein.Stattdessen kann die Qualität dieser sozialen Beziehungen einen erheblichen Einfluss auf das Lernergebnis haben (Olbrich & Schwarzkopf, 2003).

Bis heute werden Tiere allerdings größtenteils nur dazu eingesetzt, um ein fehlgegangenes Lernen zu korrigieren. Die Tiere werden zur klassischen Konditionierung oder systematischen Desensibilisierung (das schrittweise Annähern an eine Situation, vor der man Angst hat) eingesetzt, um Verhaltensauffälligkeiten, Ängste oder Phobien zu verlernen (Olbrich & Schwarzkopf, 2003). Hierfür haben sich Hunde als sehr wirkungsvoll erwiesen.

Nach Zimmermann (2003) werden Hunde bei hundephobischen Kindern wirkungsvoll eingesetzt, wie sich bei Kindern zwischen fünf und 12 Jahren mit einer Angststörung vor Hunden zeigte. Durch die systematische Desensibilisierung konnte eine hochsignifikante Reduzierung beziehungsweise vollständige Remission der Hundephobie im Zeitraum von acht bis 12 Wochen anhaltend nachgewiesen werden. Auch generalisierende Effekte auf andere Angststörungen ließen sich nachweisen. Die Reduzierung oder Remission von Phobien und Angststörungen ist auch im Unterricht förderlich, besonders bei Kindern die Angst vor Hunden haben und in eine Schulhundklasse kommen.

Jedoch soll die tiergestützte Pädagogik nicht nur beim Verlernen von unerwünschtem Verhalten ansetzen, sondern auch beim alltäglichen Lernen und Erlernen.

[...]


[I] Geschlechtsbezogene Begriffe werden hier in ihrer männlichen Form verwendet; dies impliziert selbstverständlich auch die weibliche Form. Aus Gründen der Orthographie wird auf die VerWendung des Großbuchstabens ״I“ im Wortinneren verzichtet (״Schülerinnen“).

Ende der Leseprobe aus 148 Seiten

Details

Titel
Schulhunde in der Grundschule
Untertitel
Zur Bedeutung von Hunden als Lernbegleiter im Unterricht aus Sicht der Kinder. Eine qualitative Studie
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Bildungs- und Erziehungswissenschaften)
Note
1,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
148
Katalognummer
V414152
ISBN (eBook)
9783668652040
ISBN (Buch)
9783668652057
Dateigröße
1538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schulhunde, Grundschule, Lernbegleiter, Unterricht, Hundgestützte Pädagogik, Tiergestützte Pädagogik, qualitative Studie, Interview mit Kindern
Arbeit zitieren
Sarah Kiemer (Autor:in), 2016, Schulhunde in der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414152

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