Freiheit und Kausalität in Hinblick auf Kants Begründungsversuche in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 1


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kants Antinomienlehre

3 Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
3.1 Werkimmanente Notwendigkeit der Freiheit in Kants GMS
3.2 Die Kantsche Deduktion der Freiheit
3.3 Von den äußersten Grenzen der praktischen Philosophie

4 Ausblick: der Begriff des Gegebenen in der Kritik der praktischen Vernunft

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das in der vorliegenden Hausarbeit behandelte Problem von ״Freiheit und Kausalität“ ist als Verhältnis von Selbstbestimmung und Determiniertheit von weitreichender philosophischer Brisanz.

Betrachtet man etwa das zur Zeit viel diskutierte Mind-body problem der Philosophy of mind deutet sich Kants Problem von Freiheit der Vernunft und Naturkausalität im Problem vom Verhältnis der mentalen Prozesse zum Körper ab und Thomas Nagels Fledermaus-Argument der nicht irreduziblen Erlebnisperspektive könnte sich inspiriert haben lassen von Kants Annahme eines notwendigen ״Mehr“ als der bloßen Naturkausalität, (vgl GMS в A 119f)

Nicht nur, aber vor allem auch in Kants eigener Moralphilosophie ist die Bestimmung der beiden Begriffe darüber hinausgehend von fundamentaler Bedeutung. Bloße und vollkommene Determiniertheit würde jedes moralische Handeln verunmöglichen einerseits, Kants Bestimmung des Sittengesetz als objektiv notwendig und universal erzwingt den Begriff der Gesetzmäßigkeit andererseits.

Kants Versuch in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten eine Moralphilosophie zu entwerfen, die frei von jeder bedingter Empirie ausschließlich in der reinen praktischen Vernunft begründet liegt, ist also bis aufs Innerste mit diesen beiden Begriffen verbunden. Hinsichtlich einer Entschlüsselung dieses Spannungsverhältnisses beabsichtige ich zunächst einen in das Problem einführenden Exkurs in Kants ״Kritik der reinen Vernunft“ durch eine Erörterung des ״dritten Widerstreit der transzendentalen Ideen“ (KdrV, A444), in der Kant die Widersprüchlichkeit sowohl von Freiheit, als auch von Determiniertheit aufzeigt. Anschließend werde ich durch einen Überblick über die Kantsche Argumentation und seine verwendeten Begriffe die seiner Argumentation immanente Notwendigkeit der Freiheit für die Begründung seiner Moralphilosophie aufzeigen(Teil I und II der GMS), in der Absicht dann ihre Deduktion durch Kant in Teil III zu analysieren in Rückblick auf die vorherbestimmten Resultate, um abschließend in einem kurzen Exkurs den Begriff der Gegebenheit zu erörtern. Im Hintergrund der gesamten Analyse befinden sich dabei die für die Moralphilosophie entscheidenden Aufgaben, zum einen das Gute aufzufinden, und andererseits die Verbindlichkeit des Willens, als Vermittlung zwischen Einzelmensch und Sittengesetz zu leisten, (vgl Hom, S.42)

2 Kants Antinomienlehre

In der Kantschen theoretischen Philosophie wird das Problem von Freiheit und Kausalität in der sogenannten Antinomienlehre Kants ״Kritik der reinen Vernunft“ als ״dritter Widerstreit der transzendentalen Ideen“ explizit behandelt. Der Begriff der transzendentalen Idee muss hierbei im Sinne von Kants Transzendentalphilosophie verstanden werden. Es handelt sich um eine ״Idee“ insofern als ihre Behauptung die Grenzen der Möglichkeit der Erfahrung ins Unendliche transzendieren würde. Die hier in Widerstreit stehenden Ideen sind gegeben in Form von Thesis und Antithesis:

Thesis: ״Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig.“

Antithesis״ .׳Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur.“(KdrV, A444).

Kants methodisches Vorgehen besteht in einer argumentado e contrario: er versucht durch Aufzeigen der Widersprüchlichkeit der jeweiligen Gegenthese die Notwendigkeit der These zu beweisen.

Kant beginnt durch Negation der Antithesis, also nimmt er zwecks Widerspruchsbeweis eine allumfassende Kausalität an:

״Man nehme an, es gebe keine andere Kausalität, als nach Gesetzen der Natur: so setzt alles, was geschieht, einen vorigen Zustand voraus, auf den es unausbleiblich nach einer Regel folgt“ (KdrV, A444).

Der Kern der Kantschen Widerlegung dieser These ist die aus der Kategorienlehre abgeleitete Behauptung, dass nach dem ״Gesetz der Natur“ lediglich ״hinreichend bestinmite Ursache“ überhaupt etwas bedingen könnten, dass es also ohne hinreichend bestimmte Ursachen zu keiner Implikation darauf folgender Zustände im Sinne eines Kausalzusammenhangs käme. Dies hätte zur Konsequenz, dass es überhaupt so etwas wie Kausalität nicht geben könnte, woraus die Widersprüchlichkeit der angenonmien These folgen würde.

Kant versucht also zu zeigen, dass ein ausschließlicher Kausalzusammenhang in sich widersprüchlich ist, weil jede verursachende Ursache ihrerseits bereits verursacht zu sein hat und damit im infiniten Regress nicht hinreichend bestimmt sein könne, (vgl Adorno, s.54ff). Dazu argumentiert er, dass im Falle von ausschließlicher Kausalität jeder bedingende Zustand Y, aus dem dann z folge, wiederum einen vorherigen Zustand X bedinge. Dies stelle einen infiniten Regress dar, der jegliche hinreichende Bestimmung einer Ursache verunmöglichen würde. Kant fasst zusammen: ״selbst im Laufe der Natur die Reihenfolge der Erscheinungen auf der Seite der Ursachen niemals vollständig ist“ (KdrV, A446), ausschließliche Kausalität ist unmöglich; die Annahme transzendentaler Freiheit folglich begründet, (vgl. Adomo, S61ff) Andererseits ist die Thesis ebenso widersprüchlich. ״Setzet: es gebe eine Freiheit im transzendentalen Verstande als eine besondere Art von Kausalität, nach welcher die Begebenheiten der Welt erfolgen könnten, nämlich ein Vemiögen, einen Zustand, mithin auch eine Reihe von Folgen desselben, schlechthin anzufangen: so wird nicht allein eine Reihe durch diese Spontaneität, sondem die Bestimmung dieser Spontaneität selbst zur Hervorbringung der Reihe [...]“ (KdrV, A445).

Kant argumentiert hier also, dass durch die Annahme von Freiheit im transzendentalen Verstande, Freiheit selber wie bereits die Kausalität eine transzendentale Kategorie werden würde. Diese transzendentalen Kategorien wiederum haben gerade die Bestimmung, so etwas wie Gesetzmäßigkeit zu begründen, was die Aufnahme Der Freiheit als einem Handeln in Unabhängigkeit von Gesetzen als transzendentale Kategorie widersprüchlich sein ließe, also dem Begriff der Kausalität ebenfalls widerspricht, (vgl. Adorno, s. 66ff) Es folgt die Widersprüchlichkeit beider Behauptungen.

Kant schlussfolgert hieraus einen unkritischen, falschen Gebrauch der Vernunft, der für die vorliegende Antinomie verantwortlich ist, dadurch, dass die Prinzipien der Kausalität fälschlicherweise über die Grenzen der Möglichkeit der Erfahmng hinaus angewandt wurden, (vgl Adomo, S71) Hierbei handelt es sich jedoch um theoretische Widersprüche, die aufzulösen Aufgabe der theoretisch-spekulativen und nicht der praktischen Philosophie sei, ,damit sie der praktischen freie Bahn schaffe“ (GMS BAI 14,115), womit ein Moment an Kants Theorie der Freiheit zu Tage tritt, nämlich der Primat des Praktischen in seiner Philosophie, den Kant bereits in der Kritik der reinen Vernunft im Kapitel ״Von dem letzten Zwecke des reinen Gebrauchs unserer Vernunft“ postuliert. Für Kant sind die letzten Zwecke nicht die theoretische Erkenntnis, sondern die praktische Handlung (vgl KdrV, A797Í).

Adorno sieht dies unter Anderem darin begründet, dass die Antinomien, also insbesondere die hier behandelte dritte, ihrerseits notwendige Widersprüche sind. Schreibt Kant etwa

״Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.‘‘ (KdrV AA IV ) dann zeigt sich, dass die ״Belästigung“ durch diese Fragen, der Natur, also dem Wesen der Vernunft selber schicksalshaft geschuldet ist. Die Beschäftigung mit den Fragen bei gleichzeitiger Unmöglichkeit sie zu beantworten, resultiert dann darin, dass ״ihre Wichtigkeit wohl eigentlich nur das Praktische angehen“ (KdrV, A799Í) muss, (vgl Adomo, SlOOff) Neben dieses Primats des Praktischen, der sich an dieser Stelle bereits andeutet, bieten sich die hier rezipierten Stellen auch hinsichtlich einer Begriffsbestimmung der Begriffe der Kausalität und der Freiheit an:

Zunächst einmal fallt auf, dass von zwei verschiedenen Art und Weisen von Kausalität die Sprache ist: einmal der nach Gesetzen der Natur und einmal der Kausalität aus Freiheit. Schlüssel zum Verständnis an dieser Stelle könnte sein, dass der Begriff der Kausalität bei Kant als transzendentale Kategorie ein Ordnungsprinzip des Subjekts für das empfangene Sinnesmaterial darstellt. Kausalität ist in Abgrenzung zu rationalistischen Ansätzen von Wolff oder Leibniz also keine innere Verursachung, die den Dingen ап-sich zu komme, sondem als sortierendes Prinzip des Subjekts den Dingen ап-sich ״übergestülpt“, (vgl Adorno, S76ff) Hieraus folgt aber auch eine dualistische Konzeption des Begriffs Kausalität: einerseits herrscht auf Ebene der erscheinenden Phänomene die Naturkausalität, die das Subjekt als ordnendes Prinzip bemüht, andererseits gilt in der Sphäre der Dinge ап-sich ein andere Kausalität, da man ״von deren Wirkungsgesetzen [der Dinge an sich] [...] nicht verlangen kann, daß sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinung stehen“ (GMS BA122). Kants Begriff von Kausalität ist folglich ein sehr weit gefasster!

Gleichzeitig ergibt sich an dieser Stelle eine Bestimmung von Kants Begriff der Freiheit, welche Kant zunächst einmal als das Vemiögen von Menschen charakterisiert, von sich aus Kausalketten beginnen zu können, die nicht in der universalen Naturkausalität eingeschlossen sind.

Neben der theoretischen Unmöglichkeit einer Erklämng der Freiheit, lassen sich aus der Rezeption der dritten Antinomie folglich ein erster Begriff von Kants Verständnis der Freiheit, der Kausalität und ihres Verhätnisses zu einander, die in Kants Begründungsversuchen der GMS im Hintergrund stehen (vgl Adorno, S75).

3 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

3.1 Werkimmanente Notwendigkeit der Freiheit in Kants GMS

Kant beschreibt seine Absicht und die Methodik der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten bereits in der Vorrede. Die von ihm angestrebte Moralphilosophie habe aufgrund angestrebter ״absoluter Notwendigkeit“ (GMS BA VIII,IX) eine ״reine“ (vgl ebd) zu sein. Untersucht wird folglich eine Moral, die rein rational und nicht empirisch, sich ״a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft“ objektiv zu gründen versucht, ohne von bloß kontingenter und von menschlicher Praxis abhängiger empirischer Erfahrung Gebrauch zu machen: sie dürfen als kategorische Normen nicht von den Absichten der jeweils handeinen Person abhängen. (vgl ebd ff).

Kants Vorgehen entspricht dabei zunächst der analytischen Bestinmiung des obersten Prinzips aus der ״gemeinen Erkenntnisse“. Hierfür analysiert Kant im ersten Abschnitt die notwendigen Voraussetzungen eines sittlichen Bewusstseins, wodurch er zur Formulierung des Sittengesetzes als kategorischen Imperativ gelangt. Im zweiten Abschnitt erarbeitet Kant die begrifflichen Fundamente seiner Moralphilsophie vom Begriff des Imperativs hin zur Autonomie, welche er im dritten Abschnitt in ihrer Existenz und Verbindlichkeit versucht durch den Begriff der Freiheit zu deduzieren.(vgl GMS BAXVI).

Ausgehend von der ״gemeinen sittlichen Vemunfterkenntnis“ beginnt Kant mit der Analyse des ״guten Willens“, der als einziges in der Welt für uneingeschränkt gut gehalten werden könne (vgl GMS BAI,2). Zur näheren Bestimmung des Begriffs des guten Willens, also des ״Vermögen eines vernünftigen Wesens, nach der Vorstellung von Gesetzen, d.i nach Prinzipien zu handeln“(GMS BA36), bestimmt Kant dessen Verhältnis zu den Begriffen der Pflicht, also der ״Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung für das Gesetz“(GMS BAI4) und dem Begriff der Achtung, also dem ״Bewusstsein der Unterordnung meines Willens unter das Gesetz, und zwar dasjenige, das wir uns selbst und doch als an sich notwendig auferlegen“(GMS BA14).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Freiheit und Kausalität in Hinblick auf Kants Begründungsversuche in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V416111
ISBN (eBook)
9783668791008
ISBN (Buch)
9783668791015
Sprache
Deutsch
Schlagworte
freiheit, kausalität, hinblick, kants, begründungsversuche, grundlegung, metaphysik, sitten
Arbeit zitieren
Aaron Berman (Autor:in), 2016, Freiheit und Kausalität in Hinblick auf Kants Begründungsversuche in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416111

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