Einflussfaktoren von Gruppenzwang. Ausgewählte intraindividuelle Moderatoren und ihr Einfluss auf mehrheitskonformes Verhalten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abstract

I. Einleitung

II. Stand der Forschung

1. Kulturelle Prägung

2. Umgang mit emotionalen Reaktionen

3. Neigung, sich mit anderen zu vergleichen

III. Methoden

IV. Diskussion

Literaturverzeichnis

Anhang

Abstract

Studien, die das Phänomen der Konformität in der Interaktion zwischen Mitgliedern einer Gruppe untersucht haben, fokussierten lange Zeit überwiegend auf externe Faktoren, die durch den Versuchsleiter oder, übertragen auf die Situation in Unternehmen, durch das Management gesteuert werden können. Dazu gehören Merkmale wie Gruppengröße- und zusammensetzung, die Versorgung der Gruppenmitglieder mit Information, Expertise in der Gruppe oder das Ausmaß an Autonomie, die den einzelnen Teammitgliedern gegeben wird. Andere Moderatoren, die in der Disposition des Einzelnen liegen und ungleich schwerer zu identifizieren sind, werden erst in jüngerer Zeit untersucht. Um anerkannte und aktuelle Forschungsergebnisse bestmöglich zu berücksichtigen, beschäftigt sich diese Arbeit mit drei ausgewählten intraindividuellen Merkmalen: Die kulturelle Pr ä gung (1), der Umgang mit emotionalen Reaktionen (2) und die Neigung, sich mit anderen zu vergleichen (3). Ziel ist es, Hypothesen zu entwickeln, um untersuchen zu können, inwie- weit diese personenbezogenen Faktoren die Neigung zur Konformit ä t beeinflussen.

I. Einleitung

Seit den Experimenten des US-Psychologen Solomon Elliott Asch zur Beeinflussbarkeit von Menschen Anfang der fünfziger Jahren (Colman, 2009) beschäftigt sich die Sozial- psychologie intensiv mit dem Verhalten von Individuen in Gruppen und dabei insbeson- dere mit der Frage der Konformität, die Myers (2014, S. 605) als Anpassung des Verhal- tens oder Denkens definiert, um mit dem Gruppenstandard übereinzustimmen.

Diese Verhaltensanpassung an bestehende soziale Normen dient dazu, zwei Grundbedürf- nisse zu befriedigen, die in jedem Menschen verankert sind. Einerseits soll Unsicherheit darüber, wie man sich angemessen verhält, verringert werden (Van den Bos & Lind, 2002, zitiert nach Hewstone & Martin, 2014, S. 274), andrerseits soll dadurch, dass man mit den Erwartungen von anderen konform geht, Anerkennung erlangt und soziale Sanktio- nen, wie Ablehnung, vermieden werden (Hewstone & Martin, 2014, S. 282). Diese beiden sozialen Einflüsse, die als informativer bzw. normativer Einfluss in der Sozialpsycholo- gie definiert werden (Myers, 2014, S. 606), wirken in der Regel gleichzeitig mit jeweils unterschiedlicher Intensität oder in wechselnder Reihenfolge (Braun, 2017, S. 37).

Ausgehend von der Überzeugung, dass Individuen ihre Unabhängigkeit von falschen Urteilen der Mehrheit aufrechterhalten können, überprüfte Asch dies, indem er Testpersonen mit eindeutig falschen Antworten einer eingeweihten und zahlenmäßig überlegenen Gruppe von Personen konfrontierte. Während in der Kontrollbedingung, in der die Testpersonen die Aufgabe allein ausführten, die Antworten in 99% der Fälle richtig waren, sank dieser Anteil auf 36,8%, wenn 5-8 andere Personen, die in den Versuch eingebunden waren, die Länge einer angezeigten Linie im Vergleich zur Standardlinie objektiv falsch beurteilten (Hewstone & Martin, 2014, S. 286).

Aschs Ergebnisse wurden von Mori und Arai (2010, S. 393-394) wiederholt, die dabei keine eingeweihten Personen einsetzten, sondern auf Sonnenbrillen zurückgriffen, die mit Farbfiltern ausgestattet waren und ohne das Wissen der Testpersonen einen eingefärbten Teil der präsentierten Linien ausblendeten. Dadurch waren die Linien, je nach eingesetz- ter Sonnenbrille, subjektiv länger oder kürzer. In Übereinstimmung mit Asch Forschungs- ergebnissen, machten Personen, insbesondere Frauen, die einer Minderheit angehörten, statistisch gesehen mehr Fehler. Zudem hing, im Gegensatz zu Aschs Studien, die Häufigkeit des konformen Verhaltens nicht davon ab, wie viele andere Personen dieselbe Antwort gaben (Mori & Arai, 2010, S. 395).

Einige Forscher untersuchen, wie sich Gruppengröße und die Beziehung des Einzelnen zur Gruppe auf die Bereitschaft auswirken, bei gewaltsamen Auseinandersetzungen ein- zuschreiten, indem sie die Testpersonen bitten, sich entsprechende Situationen vorzustel- len (Levine & Crowther, 2008, S. 1430-1431). Andere gehen der Frage nach, inwieweit offengelegte Präferenzen anderer Gruppenmitglieder (Tu & Fishbach, 2015, S. 194-195), Handlungsfreiräume (Kaudela-Baum, Hanisch, Sprenger & Scherrer, 2015, S. 101) oder die aktive Förderung von Gruppendiskussion (Park & DeShon, 2010, S. 826) das Verhal- ten des Einzelnen beeinflussen. Bond und Smith (1996, S. 120) finden in ihrer Meta- Analyse bisheriger Asch-Experimente, dass auch die Zusammensetzung der Gruppe, also die Frage, ob die anderen Mitglieder Bekannte, Freunde oder Fremde sind, einen Effekt auf Konformität haben. Je stärker die empfundene Ähnlichkeit mit den übrigen Mitglie- dern und je höher der Grad der Verbundenheit zu ihnen, desto mehr werden sie als geeig- nete Referenz für das eigene Verhalten betrachtet.

Während viele der vorgenannten Faktoren, wie Gruppengröße und -zusammensetzung, die Informationsverteilung sowie Handlungsfreiräume in unternehmensinternen Projek- ten steuerbar sind, lassen sich andere intraindividuelle Einflussgrößen schwerer handha- ben. Bedeutende und eher abstrakte individuelle Faktoren sind, neben dem Geschlecht, dem Alter und der Ausbildung, die kulturelle Prägung, der Umgang mit Emotionen oder die Neigung, sich mit anderen zu vergleichen. Letztere definieren Hewstone und Martin (2014, S. 282) als Vorgang, in dem man sich selbst mit anderen vergleicht, um die eigenen Fähigkeiten und Meinungen einschätzen zu können. Während die Merkmale Geschlecht, Alter und Ausbildung vom Bewerber selbst offengelegt werden und wichtige Einstel- lungskriterien sind, können die vorgenannten Faktoren nicht ohne weiteres im Bewer- bungsverfahren beobachtet und für die Personalauswahl bewertet werden. Nach erfolgter Einstellung bietet sich die Möglichkeit, diese persönlichen Eigenschaften über Fortbil- dungsmaßnahmen zu beeinflussen.

Um etablierte und aktuelle Forschungsergebnisse bestmöglich zu berücksichtigen, kon- zentriert sich diese Arbeit auf die vorgenannten drei personenbezogenen Merkmale.

Es ist zu vermuten, dass diese intraindividuellen Faktoren auch die Bereitschaft beein- flussen, eine Meinung zu äußern, die von Standpunkten der Gruppenmehrheit abweicht.

Dieser Minderheiteneinfluss, definiert als Verhalten oder Meinungsäußerung, die beab- sichtigt oder unbeabsichtigt von dem Verhalten oder der Meinungsäußerung anderer Gruppenmitglieder abweicht (Heerdink, van Kleef, Homan & Fischer, 2013, S. 263), ist selbst wiederum Gegenstand zahlreicher Forschungen. Letztere offenbaren eine positive Wirkung des Minderheiteneinflusses auf Kreativität und Innovation (Kenworthy, Hews- tone, Levine, Martin & Willis, 2008, S. 633-634; De Dreu, 2002, S. 294-295).

Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher: „Inwieweit beeinflussen die kulturelle Pr ä gung (1), der Umgang mit emotionalen Reaktionen (2) sowie die Neigung, sich mit anderen zu vergleichen (3) das Maß an Konformit ä t ?“

Auf den Forschungsstand zu diesen drei Konstrukten wird im folgenden Abschnitt eingegangen. Im Abschnitt III, Methoden, werden die zu prüfenden Nullhypothesen formuliert sowie zu deren Operationalisierung geeignete Messgrößen, Erhebungsinstrumente und Analyseverfahren vorgestellt. Im Kapitel IV, Diskussion, werden mögliche Ergebnisse und deren Folgen für die Praxis erläutert.

II. Stand der Forschung

1. Kulturelle Prägung

Bond und Smith (1996) kategorisieren in einer breit angelegten Meta-Analyse Konformi- tätsstudien aus 17 Ländern, die denselben oder einen sehr ähnlichen Versuchsaufbau nut- zen, wie ihn Asch in seinen Experimenten einsetzte. Ziel ist es, einerseits eine Aussage zur zeitlichen Entwicklung des Konformitätsphänomens zu treffen, andrerseits durch Ein- fügen einer neuen Variable, der kulturellen Prägung, zu prüfen, inwieweit sich dieses Merkmal auf das in den Studien festgestellte Konformitätsverhalten auswirkt.

Zur Klassifizierung der Länder nutzen Bond und Smith dabei ein zweidimensionales Konzept von H. C. Triandis, welches Kulturen als individualistisch oder kollektivistisch einstuft. Triandis (1990, zitiert nach Bond und Smith 1996, S. 113-114) definiert ein in- dividualistisches Umfeld als Rahmen, in dem soziales Verhalten durch persönliche Ziele bestimmt wird, die nur wenig mit den Zielen von Kollektiven, wie der Familie, dem Un- ternehmen oder den Zielen anderen Angehöriger derselben Nation übereinstimmen.

In diesem Kulturkreis wird akzeptiert, dass bei Interessenkonflikten persönliche Zielen Vorrang haben. In kollektivistischen Kulturen werden hingegen die eigenen Ziele von Zielen abgeleitet, die von Kollektiven vorgegeben oder entwickelt wurden. Im Konflikt- fall sollen letztere den persönlichen Zielen vorgehen. Zur Einordnung der Länder, in de- nen die dem Asch-Experiment nachempfundenen Studien stattfanden, als kollektivistisch oder individualistisch nutzen Bond und Smith länderspezifische Befragungsergebnisse anderer Forscher, die mit ähnlichen Kategorien gearbeitet haben (1996, S.114).

Neben dem Merkmal der kulturellen Prägung und dem Jahr des Experiments werden das Verfahren, in dem die Versuchsteilnehmer interagieren (Gruppengespräch oder Einzel- kabinen), die Größe der Mehrheitsfraktion, die Beziehung der Testperson zur Mehrheit, die Anonymität des Feedbacks der Testperson, der Messfehler der Mehrheit in Zentime- tern, der Anteil manipulierter Durchgänge sowie der Frauenanteil untersucht (1996, S. 115).

Zunächst einzeln und dann gemeinsam werden die Variablen zu den in den länderspezi- fischen Studien ermittelten Konformitätswerten in Bezug gesetzt. Erst werden nur US- Studien betrachtet, um den Einfluss der Moderatoren losgelöst von der kulturellen Prä- gung zu ermitteln. Eine multiple Regression zeigt, dass die Größe der Mehrheitsfraktion (pos.), die Größe des Messfehlers (neg.), die Vertrautheit der Testperson mit der Mehrheit (pos.), der Frauenanteil (pos.) und das Jahr der Studie (neg.) einen signifikanten Einfluss auf die Konformitätswerte haben (1996, S. 120). Im Anschluss werden länderübergrei- fend und unter Berücksichtigung der kulturellen Prägung alle Studien analysiert.

Im Unterschied zu der US-amerikanischen Auswertung war hier das Verfahren, in dem die Testpersonen interagieren (Gruppengespräch oder Einzelkabinen) anstelle der Ver- trautheit der Testperson mit der Mehrheit positiv signifikant. Zudem konnte ein Einfluss des Messfehlers der Mehrheit nicht mehr nachgewiesen werden. Größe der Mehrheit (pos.), Frauenanteil (pos.) und Studienjahr (neg.) wirkten weiterhin. Wie in der For- schungsfrage formuliert, waren die Konformitätswerte in kollektivistischen Kulturen sig- nifikant höher als in individualistischen Kulturen. Zudem waren die Koeffizienten der Kulturvariablen (1996, S. 124-125) größer als die Koeffizienten aller anderen unabhän- gigen Variablen.

Anknüpfend an die Studie von Bond und Smith (1996) untersuchen Korn et al. (2014) wie sich deutsche und chinesische Versuchsteilnehmer selbst beurteilen, nachdem sie Feedback über eigene Charakterzüge erhalten haben. Neben der Fragen, in welchen Arealen des Gehirns soziales Feedback verarbeitet wird und ob es hier kulturelle Unterschiede gibt, soll festgestellt werden, inwieweit Angehörige einer individualistischen Kultur (deutsche Teilnehmer) auf andere Weise soziales Feedback verarbeiten, als Angehörige einer kollektivistischen Kultur (chinesische Teilnehmer). Die Forscher gehen dabei von der Hypothese aus, dass chinesische Teilnehmer nach Erhalt des Feedbacks zu mehr Konformität neigen, als deutsche Probanden.

Korn et al. (2014) beschreiben ihren Versuchsaufbau auf den Seiten 4-6. Nach einer so- zialen Interaktion, an der jeweils fünf Teilnehmer aus dem gleichen Kulturkreis teilneh- men, wird jeder Proband gebeten, 80 Charakterzüge der anderen vier Versuchspersonen auf einem Fragebogen zu beurteilen. Im zweiten Schritt müssen die Versuchspersonen sich selber bewerten (Selbstbild) und werden im Anschluss daran mit der Durchschnitts- bewertung der anderen vier Teilnehmer (Fremdbild) konfrontiert. Die Unterschiede zwi- schen dem Selbstbild und dem Fremdbild werden dabei manipuliert. Nach Anzeige einer für die einzelne Testperson angenehmen (Fremdbild besser als Selbstbild) oder unange- nehmen Abweichung (Fremdbild schlechter als Selbstbild) wird die Testperson gebeten, eine erneute Selbstbewertung abzugeben. Danach wird gemessen, inwieweit diese neue Bewertung von der ursprünglichen abweicht.

Die Erwartung, dass diese Abweichung, die das Ausmaß der Anpassung misst, bei den chinesischen Teilnehmern signifikant größer ist, als bei den deutschen Probanden, wird bestätigt (Korn et al., 2014, S. 8). Auch ist in beiden Gruppen die Anpassung des Selbst- bildes nach angenehmen Feedback stärker als bei unangenehmen Feedback. Zusammen- fassend wird bestätigt, dass Personen, die sich aufgrund kultureller Prägung oder aus ei- genem Antrieb an kollektivistischen Werten orientieren, soziales Feedback anderer Per- sonen bei der Selbstbewertung stärker in Betracht ziehen. Korn et al. (2014, S. 15) ver- muten, dass sich dieser Effekt verstärken dürfte, wenn das Feedback von sozial höherge- stellten Personen abgegeben wird.

Bezogen auf die vorliegende Arbeit lässt sich ableiten, dass Personen, die kollektivistisch geprägt sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit zu mehrheitskonformen Verhalten neigen.

2. Umgang mit emotionalen Reaktionen

Heerdink et al. (2013, S. 265-266) bitten Testpersonen, sich ein Situation vorzustellen, in der sie gegenüber Freunden einen abweichenden Vorschlag machen und daraufhin je- weils mit emotionalen Reaktionen der Begeisterung, der Verärgerung, der Enttäuschung oder mit neutralen Reaktionen (Kontrollbedingung) konfrontiert werden. Die Testperso- nen vervollständigen im Anschluss einen Fragebogen, der Auskunft über die empfundene Ablehnung geben soll. Erwartungsgemäß wird Ablehnung bei Reaktionen der Verärge- rung am stärksten empfunden, insbesondere im Vergleich mit Reaktionen der Enttäu- schung, die von der Testperson wie neutrales Feedback empfunden werden (S. 266).

Weitere Versuche von Heerdink et al. (2013) ergeben, dass die Verhaltensanpassung infolge der Ablehnung von anderen moderierenden Faktoren abhängt, wie bspw. dem Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit (S.278). Verstärkt wird der Konformitätsdruck in Situationen, in denen kein Wechsel zu attraktiven anderen Gruppen möglich (S. 268) und ein erhöhtes Maß an Zusammenarbeit erforderlich ist (S. 271). Zudem reagieren Mitglieder, die nicht zum Kern der Gruppe gehören, stärker auf Verärgerung, als Mitglieder, die fest in der Gruppenmitte angesiedelt sind (S. 278).

In einer neueren Studie untersuchen Heerdink, van Kleef, Homan und Fischer (2015), inwieweit eine Zunahme verärgerter Äußerungen auf das Ablehnungsempfinden und da- mit indirekt auf die Neigung zur Konformität Einfluss nimmt. Auf Seite 3-5 der Studie wird der Versuchsaufbau beschrieben: Studenten werden zu einem speziellen Thema be- fragt, welches einen Bezug zum Studium aufweist und anschließend virtuellen Gruppen zugeordnet. In nächsten Schritt werden die Testpersonen über die Größe ihrer Gruppe informiert und darauf hingewiesen, wie sehr ihre persönliche Meinung von der Gruppen- meinung abweicht. Dann werden Aussagen virtueller Gruppenmitglieder präsentiert, die eine Reaktion der Verärgerung simulieren. Um die Verhaltensanpassung zu messen, wird die Testperson im Anschluss um eine finale Entscheidung gebeten, welche der Gruppen- meinung entsprechen oder davon abweichen kann.

Die Auswertungsergebnisse bestätigen einen linearen Zusammenhang zwischen der Anzahl verärgerter Äußerungen und der gefühlten Ablehnung, der unabhängig von der Größe der virtuellen Gruppe ist (Heerdink et al., 2015, S. 6). Ein direkter und konformitätsverstärkender Effekt verärgerter Äußerungen wird in einem zweiten Versuch allerdings nicht bestätigt (S. 9).

Zusammenfassend wird nicht, wie erwartet, eine positive, sondern eine leicht negative Wirkung subjektiv empfundener Ablehnung auf Konformität festgestellt (S. 10). Dies gilt allerdings nicht, wenn zwei zusätzliche Faktoren in das Model aufgenommen werden: Wenn die anfängliche Meinung nur leicht von der Mehrheit abweicht und die finale Entscheidung sichtbar ist sowie gegenüber der Gruppe begründet werden muss, verstärkt empfundene Ablehnung die Verhaltensanpassung (S. 9).

Da im Unternehmen ein Wechsel in andere Arbeitsgruppen praktisch kaum möglich ist, Kooperationsbereitschaft für den Projekterfolg erforderlich und Mitarbeiter in der Gruppe erst ihre soziale Rolle finden müssen, ist davon auszugehen, dass emotionale Reaktionen der Verärgerung eher einen konformitätsverstärkenden Effekt haben werden. Der offene Gedankenaustausch, der eine Begründung eigener Argumente beinhaltet, wird diese Wirkung mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärken, insbesondere wenn Mitarbeiter eine Meinung vertreten, die nur leicht von der Mehrheitsmeinung abweicht.

3. Neigung, sich mit anderen zu vergleichen

Zhang, Deng, Yu, Zhao und Liu (2016) untersuchen in ihrer Studie, wie sich Jugendliche mit unterschiedlich stark ausgeprägter sozialer Phobie, definiert als „Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen führt“ (Weltgesundheitsorganisation, 2016), in zwei Szenarien verhalten. In diesen müssen die Teilnehmer Figuren-Paare, die auf einem Bildschirm dargestellt werden, als gleich oder unterschiedlich groß beurteilen (Zhang et al., 2016, S. 2-3). Auf der rechten Seite des Bildschirms werden dabei die manipulierten Beurteilungsergebnisse von Klassenkame- raden eingeblendet. In einem Versuchsaufbau (Interaktionsszenario) wird dem Probanden mitgeteilt, dass er gemeinsam mit den Klassenkameraden die Figuren-Paare einordnen und dabei die Antworten der anderen angezeigt, seine eigenen jedoch nicht offengelegt werden. Im zweiten Versuchsaufbau (Beurteilungsszenario), in dem der Schüler die Fi- guren-Paare alleine beurteilen muss, sieht er die Ergebnisse der Klassenkameraden und diese sehen seine Ergebnisse (S. 3). Zhang et al. prüfen, inwieweit die Fehlerquote in den unterschiedlichen Szenarien einen Zusammenhang mit zuvor gemessenen Werten sozia- ler Phobie aufweist (S. 3).

Wie erwartet, kann die Nullhypothese, dass in beiden Testszenarien Jugendliche mit ausgeprägten sozialen Ängsten genauso reagieren, wie Jugendliche mit wenig ausgeprägten sozialen Ängsten, abgelehnt werden.

Der Korrelationskoeffizient der Variablen soziale Phobie ist im Beurteilungsszenario po- sitiv und im Interaktionsszenario negativ. Zudem steigt bei zunehmender sozialer Phobie der Druck zur Konformität im Beurteilungsszenario stärker an als im Interaktionsszena- rio. In einem ANOVA-Verfahren wurden die Unterschiede in den Fehlerquoten der bei- den Szenarien erst dann signifikant, als der Faktor soziale Phobie berücksichtigt wurde (S. 3).

In einer Studie aus dem Jahre 2001 untersuchen Buunk, Ybema, Gibbons und Ipenburg, wie sich Burnout-Syndrom (1.), die Neigung zum sozialen Vergleich (2.) sowie die Dar- stellung von positiven und negativen Rollenausprägungen (3.) auf die Gefühlslage und innere Verbundenheit von Testpersonen mit dargestellten Vergleichspersonen auswirken. Helfen soll die Studie bei der Beurteilung, ob Reaktionen auf schlechter- und besserge- stellte Vergleichspersonen aus Mitgefühl erfolgen oder ob diese Vergleichspersonen da- bei helfen, den eigenen Status-Quo besser zu beurteilen (Buunk et al., 2001, S. 340).

In der Studie müssen sich Sozialarbeiter mit manipulierten Interviews, die mit fiktiven Kollegen geführt wurden, auseinandersetzen. In den Interviews werden zwei Kollegen dargestellt, von denen einer seinen Beruf vorbildlich ausübt und der andere im Sinne eines beruflich abschreckenden Beispiels eingesetzt wird (S. 341-342). Die Gefühlslage der Versuchsteilnehmer wird nach Lesen der Interviews gemessen, indem aus einer Liste mit Adjektiven diejenigen ausgewählt werden sollen, die den Gefühlszustand am besten wiedergeben (S. 342). Die Verbundenheit zu den fiktiven Kollegen wird über drei Items abgefragt (S. 342). Das Vorhandensein typischer Burnout-Symptome und die Neigung, sich mit anderen zu vergleichen, wurden zuvor abgefragt (S. 341).

Die Fragen zur Messung der Neigung, sich mit anderen zu vergleichen, sind von Gibbons und Buunk (1999) entwickelt worden, die sich mit Konstrukten beschäftigen, die ursächlich für die Motivation sind, sich mit anderen zu vergleichen. Während ein Vergleich mit Fähigkeiten der anderen Aufschluss darüber gibt, inwieweit man selbst noch besser werden kann, hilft die Frage nach der Meinung der anderen zu entscheiden, wie man selber denken oder fühlen sollte (Gibbons & Buunk, 1999, S. 129).

Gibbons und Buunk (1999) vergleichen ihre Befragungsergebnisse mit den Resultaten zahlreicher anderer Studien, die Fragen entwickeln, um ähnliche Konstrukte, wie bspw. die soziale Orientierung oder soziale Ängste, zu messen (Gibbons und Buunk, 1999, S. 133).

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Einflussfaktoren von Gruppenzwang. Ausgewählte intraindividuelle Moderatoren und ihr Einfluss auf mehrheitskonformes Verhalten
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, München früher Fachhochschule  (Wirtschaftspsychologie)
Veranstaltung
Sozialpsychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
27
Katalognummer
V416944
ISBN (eBook)
9783668664340
ISBN (Buch)
9783668664357
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konformität, Gruppenzwang, Kulturelle Prägung, Asch-Experiment, Umgang mit emotionalen Reaktionen, Neigung zum sozialen Vergleich, Informativer Einfluss, Normativer Einfluss, Mehrheitskonformes Verhalten, Intraindividuelle Moderatoren
Arbeit zitieren
Dr. Igor Rösch (Autor:in), 2018, Einflussfaktoren von Gruppenzwang. Ausgewählte intraindividuelle Moderatoren und ihr Einfluss auf mehrheitskonformes Verhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416944

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