Sergio Leones Erzählweise in "Once Upon a Time in America"


Seminararbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Der Film und das Ziel dieser Arbeit

2. Das Genre und die Erwartungen

3. Der Plot und die Story
3.1. Kausalität
3.2. Die Zeit im Film und des Films
3.3. Motivation

4. Sight and Sound

5. Parallelen zu „Citizen Kane“ (1941)

6. Schlussbetrachtung

Literatur

1. Der Film und das Ziel dieser Arbeit

Bordwell/Thompson begründeten in einem ihrer filmanalytischen (Lehr-)Bücher ihre Entscheidung, „Citizen Kane“ (1941) als Referenzfilm für eine Filmanalyse heranzuziehen, indem sie diesem Film „unusual in form and varied in style“ attestierten.[1] Aus genau demselben Grund habe ich den Entschluss gefasst, eine Analyse von „Once Upon a Time in America“ zu wagen. Ich betrachte diesen Film seit vielen Jahren als herausragendes Kunstwerk in der Filmgeschichte und ich wollte schon lange einen analytischen Überblick über die anspruchsvolle Erzählstruktur in diesem Werk erlangen. Seine Komplexität erhielt der Film u.a. durch die unüblich lange Vorlaufzeit. Zwischen dem Moment, als Leone die Vorlage („The Hoods“ von Harry Grey) entdeckte und dem Drehbeginn vergingen aus rechtlichen, organisatorischen und künstlerischen Gründen ca. 15 Jahre – Jahre, in denen quasi als „work in progress“ an dem Script gefeilt wurde.

Als der Film im Jahr 1984 in den US-amerikanischen Kinos anlief, wurde er ein finanzieller Flop. Einer der Gründe war zweifelsohne die Tatsache, dass Szenen auf insgesamt 2 ½ Stunden gestrafft und die gesamte Erzählstruktur geändert wurde.[2] Vor allem Gewalt- und Sexszenen fielen der Schere zum Opfer. Weiters wurde die Geschichte chronologisch erzählt, obwohl gerade in diesem Film die Zeitsprünge ein wesentliches künstlerisches Element darstellen. Diese Schnitte wurden gegen Leones Willen realisiert, der gerichtlich dagegen vorzugehen versuchte. Es ist daher wichtig klar zu stellen, dass sich diese Analyse ausschließlich auf den heute im allgemeinen Umlauf befindlichen Sergio Leone-Cut auf 220 Minuten bezieht (der Regisseur wünschte sich eine „ideale“ Länge zwischen 250 und 265 Minuten[3]).

In Anlehnung an die oben erwähnte Untersuchung von Bordwell/Thompson möchte ich in dieser Arbeit zunächst auf die Frage nach dem Genre und den damit verbundenen Erwartungen sowohl beim Rezipienten als auch auf der Seite der Filmindustrie eingehen. Danach erfolgt der Versuch, den Plot zu segmentieren, um einen Überblick über die Erzählweise zu ermöglichen. Da bei Filmen von Leone die Erzählung zu einem wichtigen Teil über den Sound und die Mise-en-scene erfolgt, werden diese Komponenten in einem gesonderten Kapitel behandelt.

Obwohl Spielfilme als das Werk vieler partizipierender Personen angesehen werden müssen, so hatte Leone bereits vor Drehbeginn sehr genaue Vorstellungen darüber, wie das Endprodukt auszusehen hat. Er hatte entscheidenden Einfluss auf die Wahl und die Führung der Schauspieler, auf das Bild sowie den Einsatz des Sounds. Daher kann meines Erachtens bei allen hier zu analysierenden Faktoren von „Leones Erzählweise“ gesprochen werden.

Die Szenenangaben beziehen sich auf die Plot-Segmentierung auf Seite 9. In eckigen Klammern finden sich Referenzstellen, die diversen Beobachtungen als Beispiele dienen sollen.

2. Das Genre und die Erwartungen

Wenn Personen, die über keinerlei Kenntnisse über diesen Film verfügen, den Titel hören, denken diese zumeist unweigerlich an eine Märchenerzählung. Laut Schickel ist diese Assoziation nicht ganz unbeabsichtigt.[4] Es sei ein Fantasy-Film mit einer erfundenen Handlung. Er vertritt die Meinung, dass auch im Film selbst die Handlung nicht tatsächlich passiert, sondern lediglich als Traum des opiumberauschten Protagonisten zu werten ist. Auf diesen Beitrag zu einer vieldiskuttierten Frage soll jedoch an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Vermarktet wird dieser Film als „ Gangsterepos “, und das ist meiner Ansicht nach auch die zutreffendste Bezeichnung. Auch wenn der Film starke Ähnlichkeiten zu Mafia-Filmen aufweist, so spräche einiges gegen eine Klassifizierung als Mafiaepos. Die Hauptfiguren sind weder Italiener, noch spielt Familienbande eine Rolle. Sie sind am ergaunerten Geld zu gleichen Teilen beteiligt, es gibt keinen „Paten“. Das sind jedoch unverzichtbare Kriterien in Mafiafilmen. Leone selbst sah „Once Upon a Time in America“ als Homage an den Film Noir sowie an das Kino im Allgemeinen[5]. Darüber hinaus könne der Film gemäß Leone den Untertitel „Once Upon a Time Was a Certain Cinema that No Longer Exists“ tragen.[6] Lopez ordnete diesen Film daher in das Genre des „ Homage Films “ ein.[7]

Das mag auch eine Erklärung sein für die Vielzahl unterschiedlicher Referenzen und Genres, die in diesem Film zu finden sind.[8] Komödiantische Szenen ließ Leone ebenso einfließen (31. und 40. Szene) wie Charakteristika aus Western (27. Szene) oder Melodram (43., 44. und 56. Szene). Weiters gibt es Parallelen zum Detektivfilm-Genre. Der Protagonist sieht sich mit einem Rätsel - „mystery“[9] – konfrontiert (Frage: Wer weiß von Noodles Vergangenheit und woher?). Dieses Rätsel weckt die Neugier des Protagonisten. Nach und nach erhält der Rezipient gemeinsam mit dem Protagonisten Informationen, die schließlich zur Auflösung dieses Rätsels führen.

Wichtig für ein Epos ist u.a. „dominance of spectacle“[10]. Die aufwendige Ausstattung und die Liebe zu filmischen Details werden dieser Umschreibung meines Erachtens gerecht, weshalb es zulässig scheint, „Once Upon a Time in America“ als Epos zu bezeichnen.

Wie unschwer am DVD-Cover und an den Original-Filmplakaten zu erkennen ist, werden v.a. mittels zweier Namen Erwartungen seitens der Rezipienten geweckt. Sergio Leone auf der einen Seite steht für einen besonderen Regiestil, De Niro auf der anderen Seite für einen bestimmten Charakter. Die „Marke“ De Niro als inkonografischer Schauspieler lässt einen Film mit gewisser Härte, „Coolness“, aber auch Gefühl erwarten. Die Farben des Plakats bereiten auf eine Reise in die Vergangenheit vor. Personen, die in Kontakt mit dem Filmplakat oder eines Trailers kommen, haben also gänzlich andere (und weitaus „richtigere“) Erwartungen als jene, die lediglich mit dem Titel konfrontiert werden – und zwar in einem durchaus stärkeren Ausmaß als dies bei anderen Filmen der Fall ist.

[...]


[1] Vgl. Bordwell, David/Thompson, Kristin (1997), S. 110ff.

[2] Vgl. Brode (1996), S. 153f.

[3] Vgl. Frayling (2000), S. 458.

[4] Vgl. Schickel, Richard: Filmkritiker der Times – Original-Kommentar.

[5] Vgl. Frayling (2000), S. 391.

[6] Vgl. ebenda, S. 392.

[7] Vgl. Lopez (1993), S. 145.

[8] Für Referenzen zu bestimmten Filmen und Künstlern in der Filmgeschichte vgl. De Fornari (1997), S. 101ff und Frayling (2000), S. 421ff.

[9] Vgl. Bordwell/Thomson (1997), S. 111.

[10] Vgl. Neale (2000), S. 174.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sergio Leones Erzählweise in "Once Upon a Time in America"
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Filmanalyse
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V42144
ISBN (eBook)
9783638402484
ISBN (Buch)
9783668208186
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In Anlehnung an eine Untersuchung von Bordwell/Thompson geht diese Arbeit zunächst auf die Frage nach dem Genre und den damit verbundenen Erwartungen sowohl beim Rezipienten als auch auf der Seite der Filmindustrie ein. Danach wird der Plot segmentiert, um einen Überblick über die Erzählweise zu ermöglichen. Da bei Filmen von Leone die Erzählung zu einem wichtigen Teil über den Sound und die Mise-en-scene erfolgt, werden diese Komponenten in einem gesonderten Kapitel behandelt.
Schlagworte
Sergio, Leones, Erzählweise, Once, Upon, Time, America, Filmanalyse
Arbeit zitieren
Mag. Stephan Burianek (Autor:in), 2005, Sergio Leones Erzählweise in "Once Upon a Time in America", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42144

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