Die vorliegende Bachelorarbeit behandelt die Folgen der Digitalisierung der Wirtschaft auf die mittelständischen Unternehmen und insbesondere ihre Ge-schäftsmodelle. Die theoretischen Erkenntnisse über die Digitalisierung, deren Prinzipien und Ausprägungsformen sowie die daraus entstandenen digitalen Geschäftsmodelle wurden in dieser Arbeit zusammengefasst. Anschließend wurden diese in Bezug zu klassischen Geschäftsmodellen des Mittelstandes gesetzt, um daraus Denkanstöße zur digitalen Transformation abzuleiten. Die entwickelten Annahmen wurden im letzten Schritt mithilfe von Expertenmeinungen aus der Praxis auf mögliche Herausforderungen und Grenzen bei der Umsetzung bewertet. Sie geben einen Ausblick für Geschäftsmodelle von mittelständischen Unternehmen in der digitalen Ökonomie.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise
1.3 Abgrenzung
2 Die Digitalisierung
2.1 Prinzipien der Digitalisierung
2.1.1 Immaterielle Güter
2.1.2 Wertschöpfungsnetzwerke
2.1.3 Anwendung der Spieltheorie
2.2 Formen der Digitalisierung
2.2.1 Big Data
2.2.2 Cloud Computing
2.2.3 Gamification
2.2.4 Industrie 4.0
2.2.5 Internet der Dinge
2.2.6 Mobile Payment
2.2.7 Sharing Economy
2.2.8 Social Business
3 Die Auswirkungen der Digitalisierung
3.1 Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette
3.2 Auswirkung der einzelnen Formen der Digitalisierung
3.2.1 Auswirkungen von Big Data
3.2.2 Auswirkungen von Cloud Computing
3.2.3 Auswirkungen von Gamification
3.2.4 Auswirkungen der Industrie 4.0
3.2.5 Auswirkungen des Internets der Dinge
3.2.6 Auswirkungen von Mobile Payment
3.2.7 Auswirkungen der Sharing Economy
3.2.8 Auswirkungen von Social Business
4 Geschäftsmodelle
4.1 Geschäftsmodelle des Mittelstands
4.2 Digitale Geschäftsmodelle
4.2.1 Erfolgsprinzipien digitaler Geschäftsmodelle
4.2.2 Innovationskriterium
4.2.3 Überblick über digitale Geschäftsmodelle
5 Die digitale Transformation
5.1 Möglichkeiten der digitale Transformation im Mittelstand
5.1.1 IT-Kompetenz der Führungsebene
5.1.2 Geschäftsmodelle auf Nischenmärkten
5.1.3 Digitalisierung von Vertriebsprozessen unter veränderten Kundenanforderungen
5.1.4 Kooperationen eingehen, um Innovationen zu schaffen
5.1.5 Beschleunigte Umsetzung durch mittelständische Unternehmenskultur
5.1.6 Commitment der Unternehmensführung
5.1.7 Aufbau von IT-Strukturen und Kompetenzen
5.1.8 Optimierte Verwendung begrenzter Ressourcen
5.2 Notwendigkeit einer Strategieveränderung im Mittelstand
5.3 Umsetzung der Strategieveränderung
5.3.1 Phasen der Umsetzung
5.3.2 Mögliche Widerstände
6 Zusammenfassung und Ausblick
7 Kritische Diskussion
Literatur
Eidesstattliche Versicherung
Auszug aus dem Strafgesetzbuch (StGB)
Kurzfassung
Die vorliegende Bachelorarbeit behandelt die Folgen der Digitalisierung der Wirtschaft auf die mittelständischen Unternehmen und insbesondere ihre Geschäftsmodelle. Die theoretischen Erkenntnisse über die Digitalisierung, deren Prinzipien und Ausprägungsformen sowie die daraus entstandenen digitalen Geschäftsmodelle wurden in dieser Arbeit zusammengefasst. Anschließend wurden diese in Bezug zu klassischen Geschäftsmodellen des Mittelstandes gesetzt, um daraus Denkanstöße zur digitalen Transformation abzuleiten. Die entwickelten Annahmen wurden im letzten Schritt mithilfe von Expertenmeinungen aus der Praxis auf mögliche Herausforderungen und Grenzen bei der Umsetzung bewertet. Sie geben einen Ausblick für Geschäftsmodelle von mittelständischen Unternehmen in der digitalen Ökonomie.
Schlagwörter: Betriebswirtschaftslehre, Mittelstand, Digitalisierung, Geschäftsmodelle, digitale Transformation, Unternehmensstrategie
Abstract
This bachelor thesis deals with the impact of the digitalization on medium-sized companies especially on their business models. The theoretical knowledge of digitalization and their principles and forms as well as the existing digital business models are summarized in this thesis. After that the knowledge gained were related to established business models of medium-sized companies, in order to create recommended actions for digital transformations. The last step was the evaluation of the developed hypotheses with opinions from economic experts. They assessed the possible challenges and limits of the implementation and offer an outlook about the business models of medium-sized companies in a digital World.
Keywords: business administration, medium-sized companies, digitalization, business models, digital transformation, corporate strategy
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Revolution von Geschäftsmodellen
Abbildung 2: Prinzipien und Auswirkungen der Digitalisierung
Abbildung 3: Formen der Digitalisierung
Abbildung 4: Canvas Entflechtungs-/ Unbundling-Modell
Abbildung 5: Canvas Long-Tail-Modell
Abbildung 6: Canvas Multi-Sided Platforms
Abbildung 7: Canvas FREE-Modell
Abbildung 8: Canvas Open Business Model - Innovationskauf
Abbildung 9: Canvas Open Business Model - Innovationsverkauf
Abbildung 10: Drei-Phasen-Modell nach Lewin
Abbildung 11: Widerstände in Veränderungsprozessen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Business Model Canvas
Tabelle 2: Mittelstandsmerkmale und deren Auswirkung auf Geschäftsmodelle
Tabelle 3: Auswirkungen des Mittelstandscharakters auf Geschäftsmodelle
Tabelle 4: St. Galler Business Model Navigator
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
Die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Titel Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle im Mittelstand – Denkanstöße zur digitalen Transformation ist im siebten Semester, im Rahmen des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre für kleine und mittlere Unternehmen an der Hochschule Aalen verfasst worden. Es wird das Thema der Digitalisierung und dessen Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen behandelt.
Basierend auf den gewonnenen theoretischen Erkenntnissen durch umfangreiche Literaturrecherche wurden Denkanstöße zur digitalen Transformation im Mittelstand abgeleitet. Diese wurden durch Expertenmeinungen bewertet, um mögliche Herausforderungen und Grenzen bei der Umsetzung aufzudecken. Zusätzlich wurde durch die Experteninterviews der aktuelle Grad der Digitalisierung der befragten Unternehmen betrachtet und es konnte somit ein Eindruck aus der Praxis der digitalen Transformation gewonnen werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser die Digitalisierung mit ihren vielen verschiedenen Facetten bekannt zu machen und ihm die Anwendbarkeit digitaler Geschäftsmodelle im Mittelstand näher zu bringen.[1] Ich hoffe ich konnte mit dieser Arbeit einen Beitrag zur Diskussion über die digitale Transformation mittelständischer Geschäftsmodelle leisten.
Ein besonderer Dank geht an Herrn Prof. Dr. Holger Held, der mir durch seine konstruktive Kritik sehr geholfen und mich unterstützt hat. Als Ansprechpartner und Betreuer der Arbeit mit langjähriger Erfahrung im Bereich der strategischen Unternehmensplanung im Mittelstand konnte er mir einen sehr guten Einblick in die Materie gewähren und mir hilfreiche Denkanstöße mitgeben.
Darüber hinaus möchte ich mich bei den Interviewpartnern, Geschäftsführer und Entwicklungsleiter mittelständischer Unternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg, recht herzlich für Ihre investierte Zeit und Unterstützung bedanken.
Anja Stenzel
März 2017
1 Einleitung
„Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.“
Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896 – 1957)
Eine Revolution beschreibt eine schnelle fundamentale und nachhaltige Veränderung von vorhandenen Strukturen.[2] Diese Beschreibung trifft die Digitalisierung genau auf den Punkt. Das Stichwort digitaler Wandel ist in jüngster Vergangenheit allgegenwärtig zu lesen und dabei nicht zu unterschätzen.[3] Wie bereits der Vater der Innovationsforschung Joseph Schumpeter erkannte, unterliegen die Ökonomie und die darin agierenden Unternehmen einem Prozess der Evolution und Mutation.[4] Die neuen digitalen Technologien sind die Quelle dieser derzeit stattfindenden Veränderung der Unternehmen und ihrer Geschäftsmodelle. Sie bieten durch eine Breite an Anwendungsmöglichkeiten eine unerschöpfliche Grundlage zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle (Zusammenhang in Abbildung 1 dargestellt).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Revolution von Geschäftsmodellen[5]
Die Digitalisierung hebt sich vor allem aufgrund ihrer funktionalen Querschnittseigenschaft und ihrer, von Unternehmensbereichen und Branchen unabhängigen, Anwendungsmöglichkeiten von den vorherigen Evolutionen ab und ist als Revolution zu verstehen. Sie geht soweit, dass unter anderem bekannte Verhaltensmuster von Konsumenten und ebenso unternehmensinterne Prozessabläufe aus den Angeln gehoben werden.
Gerade aus diesem Grund, entkommt kein Unternehmen in der heutigen Wirtschaft der Konfrontation mit digitalen Geschäftsmodellen. Sei es durch den Auftritt neuer Wettbewerber am Markt oder veränderter Kundenwünsche. Doch das volle Ausmaß der Digitalisierung zu erfassen ist, gerade aufgrund seiner unbeschränkten Anwendungsmöglichkeiten, für Organisationen besonders schwer. Etablierte Unternehmen können mittels der Verknüpfung von bisherigen mit neuen Technologien in das Zeitalter der innovativen Unternehmenskonzepte und Geschäftsmodelle, welche Wertschöpfung digital generieren, einsteigen.[6]
1.1 Problemstellung
In der jüngsten Fachliteratur schwirren viele Fachbegriffe der Digitalisierung und die unterschiedlichsten Leitgedanken zum Thema nur so umher. Der Bezug auf mittelständische Unternehmen mit deren besonderen Charakteristika fehlt dabei meist. Die Auswirkungen und Handlungsempfehlungen zur Digitalisierung können für diese Unternehmen daher nur schwer in einen praktischen Zusammenhang gebracht werden.
Diese Arbeit soll die Frage beantworten, inwieweit die Digitalisierung Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle insbesondere im Mittelstand hat. Hierfür werden die Prinzipien, die der digitalen Wirtschaftswelt zugrunde liegen untersucht und erläutert. Um sich im Dickicht der Fachbegriffe der Digitalisierung zurecht finden zu können, werden die Formen der Digitalisierung erläutert und deren Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette, die Gesamtwirtschaft und einzelne Branchen aufgedeckt.
Die Auswirkungen der Digitalisierung haben in der Wirtschaft eine Vielzahl neuartiger digitaler Geschäftsmodelle entstehen lassen. Den dominierenden digitalen Geschäftsmodellen liegen andersartige Merkmale und Erfolgsprinzipien zugrunde. Diese neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollen erkannt und verstanden werden, um sie mit der Charakteristika von mittleren Unternehmen in einen Bezug zu setzen.
Des Weiteren werden Möglichkeiten der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen im Mittelstand entwickelt und aufgezeigt. Diese Denkanstöße werden durch Interviews mithilfe von Expertenmeinungen von Geschäftsführern mittelständischer Unternehmen bezüglich ihrer Umsetzbarkeit bewertet.
Ziel ist es, die abgeleiteten Handlungsempfehlungen durch die Bewertung mit Meinungen aus der Praxis einordnen zu können. Ebenso soll ein Ausblick für die Zukunft von Geschäftsmodellen mittlerer Unternehmen in der digitalen Ökonomie gegeben werden.
1.2 Vorgehensweise
Das Ziel bei der Erstellung dieser Arbeit war zunächst der Erhalt eines ersten theoretischen Überblicks über die Digitalisierung und deren zugrundeliegenden Prinzipien, welche sich auf die Wirtschaft auswirken. Um die genannte Problemstellung behandeln zu können, wurden theoretische Erkenntnisse zu den verschiedenen Ausprägungsformen der Digitalisierung mittels umfangreicher Literaturrecherche gewonnen und im Anschluss beschrieben.
In logischer Konsequenz wurden danach die Effekte der Digitalisierung auf die klassische Wertschöpfungskette genauer betrachtet. Die Auswirkungen der vielfältigen Digitalisierungsformen wurden speziell auf die Branchen der Agenturen sowie Maschinen- und Anlagenbauer im darauffolgenden Kapitel detailliert dargestellt.
Aus den Bestandteilen der Wertschöpfungskette eines Unternehmens lassen sich Geschäftsmodelle herausbilden, welche in dieser Arbeit anhand der Business Model Canvas beschrieben wurden. Im Weiteren wurden, für die spätere Ableitung von Handlungsempfehlungen zur digitalen Transformation, die spezifischen Merkmale der Geschäftsmodelle im Mittelstand erläutert und ein Überblick über die digitalen Geschäftsmodelle mit ihren Handlungsfeldern und besonderen Erfolgsprinzipien vorgestellt.
Der Kern dieser Arbeit ist das Aufzeigen und die Bewertung der Möglichkeiten der digitalen Transformation mittelständischer Unternehmen auf Basis der vorliegenden theoretischen Erkenntnisse. Hierfür erfolgt in Kapitel 5 anfänglich eine Vorstellung des grundlegenden Vorgehens bei einer digitalen Transformation. Danach folgen das Zusammenführen der theoretischen Ansätze und das Ableiten von Denkanstößen für den Mittelstand.
Zur Untersuchung der Praxisrelevanz der theoretischen, konzeptionellen Annahmen wurden persönliche Interviews mit Geschäftsführern und einem Entwicklungsleiter von mittelständischen Unternehmen durchgeführt. Die Interviews orientierten sich an den zuvor erstellten Leitfäden, welche aus den theoretischen Erkenntnissen entstanden. Die Expertenbefragung hatte zum Ziel darüber Aufschluss zu geben, ob eine Umsetzung der neuartigen Geschäftsmodelle, dem Vorbild der Großunternehmen folgend, im Mittelstand möglich bzw. notwendig ist. Des Weiteren wurde ermittelt, inwieweit die Denkansätze bereits innerhalb der befragten Unternehmen umgesetzt wurden.
Im weiteren Verlauf der Arbeit folgt das Hervorheben der Notwendigkeit einer Anpassung der Geschäftsmodelle im Mittelstand. Ebenso wurde eine Anleitung zur Umsetzung einer solchen Veränderung, inklusive einzuhaltender Phasen und unter Beachtung möglicher Widerstände gegeben.
Der letzte Teil der Bachelorthesis stellt eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse dar und gibt einen Ausblick über die Möglichkeiten des Mittelstandes in Bezug auf die Anwendung digitaler Geschäftsmodelle. Abgeschlossen wird die vorliegende Thesis durch eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten dieser Arbeit.
1.3 Abgrenzung
Diese Arbeit fokussiert sich auf den strategischen Einfluss der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung der einzelnen Geschäftsprozesse, um beispielsweise Kosten zu senken, Effizienz zu erhöhen oder die Produktivität zu steigern, wird nur am Rande behandelt. Um den Rahmen dieser Arbeit zu wahren, beziehen sich die Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle des deutschen Mittelstandes.
Es wird nicht auf die physikalischen Ursprünge der Informationsverarbeitung als Grundlage der Digitalisierung eingegangen. Die Informationsverarbeitung und Datenübertragung wird nur in groben Zügen dargestellt.
Die möglichen rechtlichen Widerstände die im Rahmen der Umsetzung auftreten können werden zwar genannt, jedoch nicht explizit mit Paragraphen untermauert. Ebenso wurde der Bereich der genauen Ausgestaltung der Prozesse im Betrieb und der Vertragswerke auf Basis der geltenden Gesetzgebung ausgeschlossen.
2 Die Digitalisierung
Die Digitalisierung hat weiten Einfluss auf die Wirtschaft und kann sowohl das gesamte Geschäftsmodell als auch einzelne Prozesse im Unternehmen grundlegend verändern.[7] Um diese Erscheinung besser bewerten zu können, muss zunächst Klarheit darüber geschaffen werden, was die Digitalisierung kennzeichnet und welche Prinzipien ihr zugrunde liegen. Im zweiten Schritt wird aufgedeckt, in welchen Formen sich die Digitalisierung in der heutigen Wirtschaft ausdrückt.
Digitalisierung im engen Sinne beschreibt die Umstellung von analogen auf digitale Daten.[8] Dies findet beispielsweise bei der Verarbeitung von Texten und Bildern statt und ist bei der Datenübertragung über das Internet entscheidend. Diese Technologie ermöglicht es Datenpakete von vorher zerlegten Einzelteilen über ein Netzwerk, z. B. dem Internet, zu übertragen.[9] Das Netzwerk erfordert nun keine feste Verbindung mehr zwischen Sender und Empfänger, denn die Datenpakete werden beim Empfänger, vereinfacht ausgedrückt, mit einem Bauplan wieder zusammengesetzt. Durch diese Veränderung wurde der Datentransfer weitreichend vereinfacht, was die massenhafte Nutzung von Kommunikationstechnologie in allen Bereichen der Geschäfts- und Privatwelt verursacht hat.
Doch die Digitalisierung zieht sehr viel weitere Kreise als die ursprüngliche Definition beschreibt. Es haben sich drei Grundprinzipien innerhalb der digitalen Ökonomie herausgebildet (Abbildung 2).
Diese Grundprinzipien bestimmen die wirtschaftliche Umwelt grundlegend und haben zur Bildung der Ausprägungsformen der Digitalisierung beigetragen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Prinzipien und Auswirkungen der Digitalisierung[10]
Die Prinzipien finden sowohl Anklang bei der Neugestaltung von Geschäftsprozessen im Rahmen von Kostensenkungs- und Produktivitätsverbesserungsmaßnahmen, als auch bei der Generierung und Einführung neuer Geschäftsmodelle.[11]
2.1 Prinzipien der Digitalisierung
Die Prinzipien der steigenden Bedeutung von immateriellen Gütern, dem Wandel von Wertschöpfungsketten zu Wertschöpfungsnetzwerken und der Anwendung der Spieltheorie zur mathematischen Optimierung von Entscheidungen spielen in der digitalen Welt eine große Rolle. Parallel zu den Prinzipien klassischer Betriebsführung, wie beispielsweise Skalen- und Verbundeffekte, halten diese neuartigen Prinzipien Einzug in die Wirtschaft und wirken im gleichen Maße auf sie ein.[12]
2.1.1 Immaterielle Güter
Eines der Prinzipien beschreibt die Wichtigkeit der immateriellen Güter, welche im Gegensatz zu materiellen Gütern immer mehr an Bedeutung gewinnen.[13] Software ist im digitalen Umfeld als universales Komplementärgut für materielle Güter aller Art wie etwa Fahrzeuge, Gebäudesicherung oder Verkehrsanlagen nicht mehr wegzudenken.
Bei der Betrachtung von Dienstleistungen kristallisiert sich heraus, dass die Verwendung von Software bisher geltende Grundsätze und traditionelle ökonomische Denkmodelle aus den Angeln hebt. Dienstleistungen waren vor der Nutzung von Software meist ortsgebunden, die Leistung war nicht lagerfähig und es bestand eine gewisse Leistungsrivalität unter den Kunden. Am Beispiel eines Reisebüros beschrieben: Die Buchung erfolgte im Reisebüro, zu den gegebenen Öffnungszeiten und nach einer gewissen Wartezeit, in der die anderen Kunden bedient wurden. Durch das Nutzen von Buchungssoftware, wird diese Dienstleistung nun ortsungebunden, lagerfähig und rivalitätslos, da sie jederzeit und überall für den Kunden abrufbar und zeitlich unabhängig von anderen Kunden buchbar ist.
In dieser Informationsökonomie haben bloße Informationen im Gegensatz zu materiellen Gütern deutlichen Vorrang. Entgegengesetzt der traditionellen Denkweise gewinnen Produkte, wie Software oder Plattformen, in der Informationsökonomie durch die Nutzung an Wert.[14]
2.1.2 Wertschöpfungsnetzwerke
Im digitalen Wirtschaftsumfeld wird Wertschöpfung nicht mehr nur mittels der bekannten linearen Modelle generiert.[15] Die Wertschöpfung im vereinfachten Muster von Eingangslogistik, Operationen und Ausgangslogistik inklusive Marketing und Vertrieb, ist nicht länger der alleinige Maßstab der Wirtschaft.[16] Vielmehr stellt ein Unternehmen ein Netzwerk dar, welches mit anderen Netzwerken kooperiert und dadurch seine Wertschöpfung hervorbringt. Unter anderem werden die Bereiche Entwicklung und Produktion durch Informations- und Telekommunikationstechnik mit anderen Marktteilnehmern eng verknüpft.[17]
Zur Verdeutlichung dient die Vorstellung eines Fischernetzes, an dem an einem Punkt gezogen wird. Folglich verformt sich die komplette Struktur des Netzes, da jeder Knotenpunkt mit den anderen verknüpft ist. Wird dieses Prinzip nun auf das Wertschöpfungsnetzwerk bezogen, so verursacht jede Produktänderung oder Änderung im Produktionsverlauf eines Unternehmens, auch Auswirkungen bei den anderen Akteuren im Netzwerk.
Der Trend zur Vernetzung beruht auf dem Ausbau der Kundenmacht. Diese wird, durch die Möglichkeit Kundenmeinungen über digitale Kanäle schnell und breit streuen zu können, noch weiter erhöht.[18] Um die damit einhergehenden hohen Kundenerwartungen erfüllen zu können, integrieren sich moderne Organisationen vermehrt in Wertschöpfungsnetzwerke. Unternehmen öffnen ihre Grenzen und interagieren mit ihren Lieferanten, Kunden, Partnern und Wettbewerbern, u. a. im Rahmen von Crowdsourcing (in Kapitel 2.2.7 Sharing Economy genauer erläutert).
Diese Betrachtung ändert auch die Sichtweise auf die Erfolgsfaktoren eines Unternehmens. Nicht mehr nur Gewinn und Umsatz bestimmen den Unternehmenswert. Der Vernetzungsgrad im Vergleich zu Wettbewerbern ist in dieser neuen Ökonomie mindestens ebenso ausschlaggebend. Ein branchenunabhängiger Vergleich, der Höhe der Börsenwerte von Facebook (~ 297 Mrd. €) im Vergleich zu Siemens (~ 103 Mrd. €), ist ein gutes Beispiel hierfür.[19]
2.1.3 Anwendung der Spieltheorie
Entscheidungsprozesse liefen in der Vergangenheit mit einer vorhergehenden logischen Analyse und anschließender kausal abgeleiteter Lösungen ab.[20] Die so getroffenen Entscheidungen hatten ein direktes positives oder negatives Ergebnis für das Unternehmen und dessen Strategie zur Folge.
Infolge der Digitalisierung und der entstandenen Rechenleistungen von Computern, wird eine mathematische Optimierung von Einzelentscheidungen ermöglicht. Da die Ergebnisse durch das Netzwerk von Marktteilnehmern beeinflusst werden, findet die Spieltheorie, in der Literatur auch Gambling-Prinzip genannt, bei der Analyse strategischer Entscheidungssituationen Anwendung.[21] Die Auswirkungen der möglichen Maßnahmen werden dabei unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten zugeordnet. Als Entscheidungsgrundlage dient die Differenz der positiven und negativen Effekte, also die Rendite einer Entscheidung. Erfolgreiche Unternehmen können durch das Determinieren der Rahmenbedingungen die Wahrscheinlichkeiten in ihrem Sinne beeinflussen und somit ein marktbeherrschendes Geschäftsmodell schaffen.
2.2 Formen der Digitalisierung
Die Digitalisierung prägt durch technologische und gesellschaftliche Entwicklungen in vielerlei Formen unsere Wirtschaft. Diese Formen, basierend auf den beschriebenen Prinzipien der Digitalisierung, können laut einer Studie der DHBW Mannheim in acht Trends zusammengefasst werden, welche die Säulen der Digitalisierung darstellen.[22]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Formen der Digitalisierung[23]
Diese Trendsäulen der Digitalisierung werden im Folgenden detailliert erklärt. Die Auswirkungen der einzelnen Formen auf die Wirtschaft und auf ausgewählte Branchen wird im darauffolgenden Kapitel 3.2 genauer betrachtet.
2.2.1 Big Data
Big Data wird mit den sogenannten vier V‘s beschrieben.[24] Es werden große Datenmengen (Volumen), in sehr hoher Geschwindigkeit (Velocity) und vielfältiger Beschaffenheit (Variety), in einer glaubwürdigen Auswertung (Veracity) bereitgestellt.[25] Die Datenbeschaffenheit ist deshalb so vielfältig, da die Daten aus den unterschiedlichsten Quellen, beispielsweise aus GPS-Systemen oder Social Media Kanälen gewonnen werden.
Die bereitgestellten, vertrauenswürdigen Daten bedürfen einer Auswertung mit neusten Technologien und Methoden, bezeichnet als Business Analytics, um sie als Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen, z. B. durch das Erstellen von umfangreichen Kundenprofilen, nutzen zu können.
2.2.2 Cloud Computing
Unter Cloud Computing wird das Bereitstellen von Rechenleistung, Datenspeicher oder Software über das Internet bzw. Intranet verstanden.[26] Die im Unternehmen vorhandenen IT-Ressourcen werden durch die Verknüpfung mit einer Cloud flexibilisiert und können ortsunabhängig genutzt werden.
Die verschiedenen Serviceangebote werden nach Leistungsumfang unterschieden und mit Abkürzungen aus dem Englischen gekennzeichnet. IaaS (Infrastructure as a Service) bietet den Unternehmen zusätzliche Rechenleistung sowie Speicherkapazität, wohingegen PaaS (Platform as a Service) darüber hinaus Werkzeuge zur Entwicklung eigener Programme auf Basis der bereitgestellten Infrastruktur beinhaltet. Das SaaS-Modell (Software as a Service) ist das umfangreichste und bietet den Anwendern direkten Zugriff auf individualisierte Software und Programme.[27]
2.2.3 Gamification
Gamification (aus dem Englischen „Game“) dient dazu spielerische Elemente in spielfremden Zusammenhängen anzuwenden. Unter spielerischen Elementen werden Highscores, Ranglisten und Erfahrungspunkte verstanden, welche entweder innerhalb eines Unternehmens, im privaten Bereich oder bei Werbemaßnahmen verwendet werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wird die unternehmerische Seite dieser Digitalisierungsform genauer betrachtet. Besonders im Bereich der Mitarbeitermotivation und -weiterbildung feiert Gamification mittels geeigneter Software zur Vermittlung komplexer Aufgabenstellungen erste Erfolge. Die Verwendung im Marketing zielt auf die Kundenbindung durch Spiele ab. Sie sollen dem Kunden Spaß bereiten, das Agieren innerhalb einer Gemeinschaft ermöglichen und den Kunden im letzten Schritt belohnen. Diese Technologie wurde beispielsweise bei einer BMW Kampagne erfolgreich eingesetzt. Die Kunden konnten via GPS ihres Smartphones einen virtuellen MINI finden. Derjenige, der dabei den MINI nach dem Auffinden solange wie möglich in der App behalten konnte, bekam einen echten MINI geschenkt.[28]
2.2.4 Industrie 4.0
Die vierte industrielle Revolution beschreibt die Verknüpfung klassischer Industrieprozesse mit Digitalprozessen der Informations- und Kommunikationstechnologie. Dies ermöglicht eine Kommunikation, beispielsweise über anstehende Wartungsprozesse, zwischen realen Objekten wie Maschinen auf virtueller Basis. Zur Erzielung des größtmöglichen Wettbewerbsvorteils durch die integrierte Datennutzung werden Produkte, Services und ganze Geschäftsmodelle digitalisiert und miteinander vernetzt. Dadurch ist eine umfassende Abstimmung bezüglich der Verfügbarkeiten und Auslastungen möglich und es kann eine Steigerung der Effizienz, Effektivität und Qualität der Unternehmensprozesse erreicht werden.
Eine der Herausforderungen bei der Einführung sind die hohen notwendigen Investitionen die einem oftmals noch unklaren Beitrag zur Wirtschaftlichkeit gegenüberstehen.[29] Dies bestätigte auch die Wahrnehmung befragten Interviewpartner aus dem Maschinen- und Anlagenbau.[30]
2.2.5 Internet der Dinge
Das Internet der Dinge bzw. Internet of Things (IoT) basiert, wie die Industrie 4.0, auf einer Vernetzung die durch die Digitalisierung ermöglicht wurde. Es werden Gegenstände und Geräte mit Menschen und Organisationen auf Grundlage eigener IP-Adressen zu Kommunikationszwecken verknüpft. Diese Technologie wird durch eine flächendeckende Bereitstellung von Drahtlosnetzwerken und der günstigen Produktion von Sensoren und Prozessoren ermöglicht.
Durch die Verbindung der digitalen mit der physischen Welt entstehen innovative Produkte und Dienstleistungen, welche in neuartige Geschäftsmodelle gipfeln. Geschäftsmodelle die auf der neugeschaffenen Konnektivität beruhen, beinhalten ein großes Entwicklungspotenzial. Durch die weiter wachsende Zahl von verbundenen Geräten, von 3,8 Milliarden 2014 auf 6,4 Milliarden 2016 (68 % Zuwachs in zwei Jahren), wird das Entwicklungspotenzial der neuen Geschäftsmodelle noch vergrößert und deren Bedeutung in Zukunft stark zunehmen.[31]
2.2.6 Mobile Payment
Das Mobile Payment wird als eine Form des elektronischen Bezahlens verstanden und beschränkt sich auf die Bezahlung mittels mobiler Geräte, wie Smartphones, ohne die Verwendung von Bargeld oder Kreditkarten. Diese Technologie wird durch die weite Verbreitung von Smartphones und des mobilen Internets ermöglicht und durch das Angebot von Global Playern wie Google, Apple und PayPal in der Gesellschaft verbreitet. Die Angebotspalette umfasst das sogenannte In-App-Bezahlen, eine Methoden zur Bezahlung von Leistungen innerhalb einer Smartphone-Anwendung und das mobile Bezahlen mittels einer App in Onlineshops und am Point of Sale.[32]
2.2.7 Sharing Economy
Das veränderte Konsumverhalten vom Besitzgedanken hin zum gemeinschaftlichen Teilen, die sogenannte Sharing Economy, wird durch die Digitalisierung grundlegend vereinfacht. Hier steht der nachhaltige Gemeinschaftskonsum von Ressourcen, Wissen und Erfahrung im Vordergrund.
Auf dieser Idee basieren neuartige Geschäftsmodelle, wie die von Uber oder Airbnb, die das gemeinsame Nutzen von privaten Gütern gegen Entgelt ermöglichen. Wie Carsharing-Modelle zeigen, stellen auch Firmen der Gemeinschaft ihr Eigentum zur Benutzung zur Verfügung. Wird die Sharing Economy auf die gemeinschaftliche Problemlösung von komplexen Aufgabestellungen bezogen, wird vom Crowdsourcing gesprochen.[33] Hierbei veröffentlichen Unternehmen Problemstellungen und gelangen im besten Fall zu einer kostengünstigen Lösung durch die Intelligenz der Masse.[34]
2.2.8 Social Business
Der unternehmensinterne und –externe Verbund von sozialen Anwendungen stellt das Social Business dar, welches eine weitere Form der Digitalisierung ist. Unter diesen Begriff fallen alle Aktivitäten die Wissen, Ressourcen und Menschen durch soziale Dienste nutzbringend verbinden. Die externe Nutzung umfasst z. B. die Verwendung von Social Media Plattformen wie Facebook und Xing im Personalbereich.
Eine weit verbreitete interne Variante ist das Intranet, in welchem Wissen gesammelt und gemeinsam nutzbar gemacht wird. Diese Technologie fokussiert vor allem die Stärkung des Wissenstransfers und die interne Kommunikation. Beim Einsatz von Social Business entsteht ein Konflikt zwischen den Vorteilen orts- und zeitunabhängigen Zugriffs auf die Wissensdatenbank und den damit verbundenen möglichen Sicherheitsrisiken der gespeicherten Firmengeheimnisse.[35]
3 Die Auswirkungen der Digitalisierung
Nach der Vorstellung der Digitalisierung mit ihren geltenden Prinzipien und Trendsäulen ist es nun folgerichtig im nächsten Schritt deren Auswirkungen auf die klassische Wertschöpfungskette, die Gesamtwirtschaft und einzelne Branchen zu untersuchen. Denn gerade die innerhalb der Digitalisierung geschaffenen Technologien und Ausprägungsformen werden aktuell mehr und mehr mit bestehenden Technologien verknüpft.[36] Dadurch entstehen unendlich viele Möglichkeiten neuartiger Geschäftsmodelle und Konzepte für die Unternehmen der heutigen Zeit.
Gerade disruptive Technologien, welche klassische Technologien und somit jahrelang etablierte Geschäftsmodelle vom Markt verdrängen, fordern Unternehmer dabei ganz besonders zum Nachdenken auf. Eine Parallelwelt in der traditionelle und digitale Geschäftsmodelle existieren wird nicht die Zukunft sein, da es zwischenzeitlich kaum mehr ein traditionelles Geschäftsmodell gibt, welches im Rahmen der Digitalisierung unverändert bestehen bleibt. Die Analyse von Geschäftsmodellen insbesondere im Mittelstand sowie die unterschiedlichen Muster der digitalen Geschäftsmodelle werden im Kapitel 4 genauer erläutert.
Deloitte Digital, eine Sparte von Deloitte zur Beratung bezüglich Digitalisierungsstrategien und digitalen Geschäftsmodellen, bewertet die Veränderung der Geschäftsmodelle in unterschiedlichen Branchen mittels einer Disruption Map. Nur die Industrien Bergbau, Öl, Gas und Chemie werden hier als zunächst eher unveränderliche Bereiche eingeschätzt.[37] Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass alle anderen Branchen und deren Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle, sei es das produzierende Gewerbe oder der Handel, einer kompletten Umwälzung – der Disruption – durch digitale Innovationen unterliegen.
3.1 Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette
Die klassische Wertschöpfungskette, auch Value Chain genannt, bildet die zusammenhängenden Prozesse im Rahmen des betrieblichen Gütererstellungsprozesses ab.[38] Das von Michael Porter entwickelte Konzept unterscheidet primäre (Logistik, Produktion, Verkauf,…) und unterstützende Aktivitäten (Infrastruktur, Technologieentwicklung, HR,…) welche gemeinsam zur Wertschöpfung eines Betriebes beitragen.
Als Wertschöpfung wird der durch die betriebliche Leistungserstellung entstandene Mehrwert beschrieben, welcher den Vorleistungen hinzugefügt wird.[39] Die Wertschöpfung bestimmt sich durch den Markt und das Kundenverhalten und gerade das erlebt durch die Digitalisierung einen grundlegenden Wandel.[40] Die Kunden und deren Kaufverhalten werden heute durch neue Technologien und der Möglichkeit des ständig verfügbaren Internetzugangs beeinflusst.[41] Die meist webaffinen Zielgruppen präferieren einfache und transparente Angebote, wie beispielsweise am Geschäftsmodell von Fintechs zu erkennen ist.[42]
Die Folge für Unternehmen ist, dass diese sich schneller und flexibler als je zuvor an verändernde Marktbedingungen und die neuen digitalen Kundenschnittstellen adaptieren müssen. Ganz nach dem Motto von Alfred D. Chandler aus dem Jahre 1969 „Structure follows strategy“, müssen Unternehmen auch heute noch, bezogen auf ihre Aufbau- und Ablauforganisation, mit ihrer Wertschöpfungskette auf zukünftige Marktveränderungen und Strategien vorbereitet sein. Diese Anpassungsfähigkeit ist in der digitalen Welt mehr denn je erforderlich. Es macht ein andersartiges Denken und Handeln im Gegensatz zu traditionellen Wertschöpfungsketten, welchen meist die Flexibilität bei Organisationsveränderungen fehlte, unausweichlich.
Die Formen der Digitalisierung, die im Kapitel 2.2 beschrieben wurden, führen zu einer grundlegenden Veränderung der Art der Wertschöpfung. Die Informations- und Kommunikationstechnologien, die die Digitalisierung aufgeworfen hat, verursachen eine Dekomposition der traditionellen Wertschöpfungsketten und Märkte.[43] Dieser Transformationsprozess der Wertschöpfung ist so weitreichend, dass er sich nicht nur auf eine Unternehmensfunktion oder einen Prozess bezieht, sondern alle Wertschöpfungsstufen und benötigte unterstützende Aktivitäten mit einbezieht, wie bereits in Kapitel 2.1.2 Wertschöpfungsnetzwerke erwähnt.[44]
Innerhalb dieser sogenannten interaktiven Wertschöpfung wird mit den Marktteilnehmern nun auf einer anderen Ebene agiert.[45] Der Kunde steht dabei nicht mehr nur am Ende einer Wertschöpfungskette, sondern kann direkt bei der Entwicklung neuer Produkte mitwirken. Ermöglicht durch digitale Technologien entsteht die Interaktion meist auf Online-Plattformen. Mit der Plattform wir eine neue Wertschöpfungsstufe geschaffen und versucht eine Leistung über vorhandene Grenzen hinweg anzubieten, um einen neuen Standard bei der Kundeninteraktion zu setzen. Anbieter dieses Konzepts werden Market-Makers genannt.[46] Kunden können zum Beispiel bei der Firma MyFab über Designer-Möbel abstimmen, die nur bei einer hohen Bewertung im Anschluss an das Abstimmungsverfahren produziert werden.[47]
Ebenso wird Kunden die Möglichkeit geboten, Produkte schon beim Einkauf mit einem Baukastensystem zu individualisieren und somit die daraufhin ablaufende Wertschöpfungskette vorzugeben.[48] Unternehmen können mittels Datenanalyse, auf Basis der bestellten Module, Kunden durch funktionale Trennung gruppieren und gezielter ansprechen. Diverse Firmen, wie Nike mit ihren personalisierten NIKEiD Schuhen oder Dell mit dem Angebot von individualisierten Computern, bieten diese Möglichkeit mittlerweile in ihren Webshops an.
Als Auswirkung der Digitalisierung, ist die Auslagerung einzelner Wertschöpfungselemente eine weitere Abwandlung, die unter anderem durch die verringerten Transaktionskosten erleichtert wird.[49] Bei genauerer Betrachtung der Geschäftsidee von Michael Dell kann neben der Kundeninteraktion, die Koordination überbetrieblicher Wertschöpfungsprozesse als Kernkompetenzen erkannt werden. Aufgrund von anfänglicher Geldnot besaß Dell zunächst keine eigene Entwicklung, kein Lager und keine Produktion. Das unternehmerische Handeln umfasste lediglich eine Auswahl der klassischen Wertschöpfungsprozesse: die Bestellannahme, die Beschaffung und der Einbau der Computerkomponenten. Der Erfolg dieses Geschäftsmodells basiert dabei auf einem Wertschöpfungsnetzwerk von Händlern und Entwicklern. Bei diesem Modell steuern Informationsnetzwerke den Wertschöpfungsprozess und ersetzen physische Hallen zur logistischen Abwicklung. Die Literatur bezeichnet die Dirigenten einer solchen Wertschöpfungskette als Orchestratoren.[50]
Eine weitere Auswirkung stellt die neue Ära der Industrie 4.0 in der industriellen Produktion dar, welche eine unternehmensübergreifende Koordination der Maschinen in den einzelnen Wertschöpfungsprozessen erleichtert und im Kapitel 2.2.4 bereits genauer vorgestellt wurde.[51]
3.2 Auswirkung der einzelnen Formen der Digitalisierung
Die bereits vorgestellten Formen oder auch Trendsäulen der Digitalisierung wirken auf Unternehmen entweder disruptiv, also marktverändernd bzw. -zerstörend oder evolutionär, das heißt sie verbessern die Leistung bestehender Produkte und Dienstleistungen.
Die Auswirkungen werden nachfolgend zunächst allgemein auf Unternehmen geschildert und im zweiten Schritt zunächst in Bezug auf Agenturen und dann auf Maschinen- und Anlagenbauer bewertet. Die Agenturen (z. B. Werbeagenturen) wurden ausgewählt, da sie der wichtigsten Branche „unternehmensnahe Dienstleistungen“ im deutschen Mittelstand zuzuordnen sind.[52] Der Maschinen- und Anlagenbau, welcher das produzierende Gewerbe widerspiegelt, wurde dabei als repräsentatives Pendant dazu ausgewählt.
3.2.1 Auswirkungen von Big Data
Big Data als Form der Digitalisierung wirkt sich disruptiv auf Unternehmen aus. Die kundenfokussierte Auswertung und Nutzung der vorhandenen Daten verändert die Märkte, durch entstehende Vorteile bei der Planung und Steuerung von Unternehmen und der Individualisierung von Preisen und Angeboten.
- Die Nutzung von Big Data ist bei Dienstleistern mit Kundenorientierung nicht mehr weg zu denken und einer der wichtigsten Trends für Agenturen.[53] Diese Branche weißt einen hohen Digitalisierungsgrad auf, der im Moment noch von der Zurückhaltung bei der Sammlung personenbezogener Daten im Kontext mit Datenschutzrichtlinien gebremst wird.
- Die Sammlung von Maschinendaten mittels Big Data Technologie wird bei Maschinen- und Anlagebauern zur vorzeitigen Fehlererkennung immer bedeutender.[54] Ebenso wird Big Data in diesen Unternehmen vermehrt zur Analyse von Daten aus dem Finanz-, Verkaufs- oder Produktionsbereich angewandt.
[...]
[1] Im Folgenden wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung nur die männliche Form verwendet. Es sind jedoch stets beide Geschlechter gleichermaßen gemeint.
[2] Vgl. (Schubert & Klein, 2016) Onlinequelle
[3] Vgl. (Köhler-Schute, 2016, S. 16-17)
[4] Vgl. (Hoffmeister, 2015, S. 13)
[5] Eigene Darstellung
[6] Vgl. (Köhler-Schute, 2016, S. 3-4)
[7] Vgl. (Kieninger, 2/2015, S. 2)
[8] Vgl. (Köhler-Schute, 2016, S. 3-4)
[9] Vgl. (Hoffmeister & von Borcke, 2015, S. 28-29)
[10] Eigene Darstellung mit Bildern aus folgenden Quellen: Digitalisierung: http://www.collegescholarships.org/images/it-student-scholarships.jpg Immaterielle Güter: http://kingofwallpapers.com/software/software-003.jpg Netzwerk: http://www.hpi-hamburg.de/fileadmin/_migrated/pics/Netzwerk.png Spieltheorie: http://www.wirtschafteinfach.de/wp-content/uploads/2012/05/W%C3%BCrfel1.jpg
[11] Vgl. (Dirks, 2016) Onlinequelle
[12] Vgl. (Reichwald & Piller, 2009, S. 30)
[13] Vgl. (Hoffmeister & von Borcke, 2015, S. 29-33)
[14] Vgl. (Hoffmeister, 2015, S. 342-343, 378)
[15] Vgl. (Hoffmeister & von Borcke, 2015, S. 33-34)
[16] Vgl. (Kollmann, 2013, S. 46-47)
[17] Vgl. (Simon, 2013) Onlinequelle
[18] Vgl. (ap Verlag GmbH, 2015) Onlinequelle
[19] Börsenwerte laut www.wallsteet-online.de abgerufen am 20.02.2017 um 17:20 Uhr
[20] Vgl. (Hoffmeister, 2015, S. 381-383) und (Hoffmeister & von Borcke, 2015, S. 34-36)
[21] Vgl. (Hoffmeister & von Borcke, 2015, S. 51)
[22] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 4-5)
[23] Eigene Darstellung in Anlehnung an (Booß, et al., 2015, S. 4-5)
[24] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 9-10)
[25] Vgl. (Klein, Tran-Gia, & Hartmann, 2013) Onlinequelle
[26] Vgl. (Agudo, 2010) Onlinequelle
[27] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 10-11)
[28] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 11-12)
[29] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 12-13)
[30] Interview Firma B auf die Frage nach Chancen und Risiken der digitalen Transformation im eigenen Unternehmen: Die Industrie 4.0 ist für den Entwicklungsleiter nicht Neues, nur die Frage, was mit den Daten im Anschluss geschieht ist neu. Auswertungen sind in diesem Bereich zwar heute schon möglich, jedoch will dies niemand bezahlen.
[31] Vgl. (Gartner Inc., 2015) Onlinequelle und (Booß, et al., 2015, S. 13-14)
[32] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 14-15)
[33] Vgl. (Gassmann & Sutter, 2016, S. 157)
[34] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 15-16)
[35] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 16-17)
[36] Vgl. (Köhler-Schute, 2016, S. 16-17)
[37] Vgl. (Der Tagesspiegel GmbH, 2016, S. 4-5)
[38] Vgl. (Wirtschaftslexikon Gabler- Wertschöpfungskette, 2016) Onlinequelle
[39] Vgl. (Becker & Ulrich, 2013, S. 66)
[40] Vgl. (Köhler-Schute, 2016, S. 17-18)
[41] Vgl. (Adelt, 2/2015, S. 10-11)
[42] Fintech: Geschäftsmodell basierend auf Verknüpfung von Finanzdienstleistungen und Technologie (Markull, Neumann, & Beese, 2015) Onlinequelle
[43] Vgl. (Becker & Ulrich, 2013, S. 5)
[44] Vgl. (Jung & Kraft, 2017, S. VII-VIII)
[45] Vgl. (Hoffmeister & von Borcke, 2015, S. 34)
[46] Vgl. (Waser & Peter, 2013, S. 32)
[47] Vgl. (Gassmann, Frankenberger, & Csik, 2013, S. 94)
[48] Vgl. (Reichwald & Piller, 2009, S. 30-31)
[49] „Transaktionskosten sind sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss anfallen.“ (Dr. Stiller, 2015) Onlinequelle
[50] Vgl. (Gassmann, Frankenberger, & Csik, 2013, S. 187-189) und (Waser & Peter, 2013, S. 32)
[51] Vgl. (Jung & Kraft, 2017, S. 35)
[52] Vgl. (KfW Bankengruppe, 2015) Onlinequelle
[53] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 54)
[54] Vgl. (Booß, et al., 2015, S. 23-24, 56)
- Arbeit zitieren
- Anja Stenzel (Autor:in), 2017, Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle im Mittelstand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423578
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