Technologischer Wandel und Barrieren der Marktentwicklung. New urban production und ihre Marktvoraussetzungen


Seminararbeit, 2018

37 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Globale Trends und deren Folgen für produzierende Unternehmen
1.2 Urbane Produktion als Lösungsansatz
1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen
1.4 Methodik und Aufbau der Arbeit

2 Urbane Produktion: Industrie und Stadt als symbiotische Verbindung
2.1 Hintergründe der urbanen Produktion
2.2 Begriffsannäherung

3 Urbane Produktion im Kontext der Digitalisierung
3.1 Die industrielle Produktion im digitalen Wandel
3.2 Räumliche Wirkung neuer Produktionstechnologien
3.3 Mit der Digitalisierung zur urbanen Produktion

4 Potenziale und Barrieren der urbanen Produktion
4.1 Potenziale der Wertschöpfung im städtischen Umfeld
4.2 Aktuelle Barrieren und Lösungsansätze
4.2.1 Flächennutzungskonflikte zwischen Industrie und Wohnen
4.2.2 Technische und städtische Infrastruktur
4.2.3 Produkteignung
4.3 Zwischenfazit

5 Urbane Produktion am Beispielder Gläsernen Manufaktur in Dresden
5.1 Stadtregion Dresden
5.2 Elemente der urbanen Produktion in der Gläsernen Manufaktur

6 Fazit und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklungen im Kontext der urbanen Produktion

Abbildung 2: Potenziale der urbanen Produktion

Abbildung 3: Gläserne Manufaktur Dresden

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Potenziale von Industrie 4.0 für das produzierende Gewerbe

1 Einleitung

1.1 Globale Trends und deren Folgen für produzierende Unternehmen

Globale Megatrends wie die Urbanisierung der Lebens- und Wirtschaftsräume, der Klimawandel oder die Digitalisierung zwingen Unternehmen immer mehr zu einer Anpassung der bisherigen Produktionsstandorte und -netzwerke. Durch eine stetig fortschreitende Globalisierung, eine hohe Volatilität des Marktgeschehens und kürzer werdende Produktlebenszyklen steigen insbesondere die Anforderungen an die Flexibilität des Ressourceneinsatzes. Berücksichtigt man aktuelle Studien, wird sich das Umfeld der produzierenden Unternehmen auch weiterhin drastisch verändern, wenn nicht entsprechend auf die Trends reagiert wird. So soll bis zum Jahr 2050 die Weltbevölkerung um etwa 2,3 Milliarden Menschen ansteigen,[1] sodass der Ressourcenbedarf das aktuelle Angebot unseres Planeten um etwa das 2,9-fache übersteigen würde, wenn man den aktuellen Lebensstandard bei unveränderten industriellen Strukturen beibehält.[2] Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass sich der Bevölkerungsanteil der in der Stadt lebenden Menschen nahezu verdoppelt.[3] Diese Entwicklungen machen deutlich, dass ein nachhaltiges wirtschaftliches Handeln, insbesondere unter Berücksichtigung des städtischen Umfeldes künftig unabdingbar ist, um den aufgeführten Herausforderungen für die Produktion der Zukunft Rechnung zu tragen. Unternehmen werden sich neben der zunehmenden Dynamik der Absatz­märkte also auch den steigenden Anforderungen des Innovationsgeschehens in Hinblick auf den Energie- und Ressourceneinsatz stellen müssen, um langfristig wettbewerbsfähig am Markt agieren zu können. Die klassischen Zielgrößen der produzierenden Unternehmen Qualität, Kosten und Zeit werden künftig um die Aspekte der ökologischen, ökonomischen und sozialen Qualität erweitert werden müssen.[4]

1.2 Urbane Produktion als Lösungsansatz

Den zunehmenden Erfordernissen, welche aus den verschiedenen Trends resultieren, steht aber auch eine Reihe von Potenzialen gegenüber, die sich insbesondere aus technologischen Lösungen und der Weiterentwicklung der Informations- und Kommuni­kationstechnik ergeben. Prognosen zufolge wird die Produktion der Zukunft durch adaptive und flexible Produktionsanlagen, eine tiefgehende Vernetzung der digitalen und der virtuellen Welt, datenbasierte Wertschöpfungsflüsse sowie die Verfügbarkeit echtzeitfähiger Informationen geprägt sein. Eng damit verbunden sind auch die Erwartungen, dass durch die Entwicklungen im Rahmen der sogenannten Industrie 4.0 neue Möglichkeiten der kundenindividuellen Fertigung und der bedarfsgerechten, flexiblen Produktionsanpassung entstehen. Da sich Städte besonders durch eine höheres Angebot an qualifiziertem Humankapital, eine erleichterte zwischen­betriebliche Interaktion und Kooperation oder bspw. kurze Wege sowie die Nutzbarkeit von Clustereffekten auszeichnen, birgt das Konzept der urbanen Wertschöpfung große Potenziale für die Produktion der Zukunft.[5] Eine ökonomische, ökologisch nachhaltige und sozial akzeptierte Produktion im städtischen Umfeld rückt wieder zunehmend in den Fokus der wissenschaftlichen Diskussion.

1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen

Ausgehend von den geschilderten Herausforderungen für produzierende Unternehmen wird im Rahmen der Arbeit das Konzept der urbanen Produktion als möglicher Lösungsansatz betrachtet. Ziel ist es, eine differenzierte Einschätzung der Treiber dieser Entwicklung, der potenziellen Effekte und der Herausforderungen der urbanen Produktion vorzunehmen. Dazu sollen die nachfolgenden Forschungsfragen zu einem tieferen Verständnis der „new urban production" führen:

- Inwiefern dient die Digitalisierung und Industrie 4.0 als Treiber einer urbanen Produktion und ermöglicht damit eine Re-Integration der Produktion in den Stadtraum?
- Welche Wertschöpfungspotenziale erhofft man sich durch urbane Produktion und welche Barrieren hemmen die Entwicklungen aktuell noch, gibt es Lösungsansätze?

1.4 Methodik und Aufbau der Arbeit

Um ein tiefgehendes Verständnis für die urbane Produktion zu erlangen, wird das Konzept im Rahmen einer systematischen Literatur- und Dokumentenanalyse untersucht. Hierbei gilt es, im ersten Abschnitt den Begriff der „new urban production" zu definieren und die wesentlichen Entwicklungstendenzen zu betrachten, die zu einem Wandel des bestehenden Produktionsparadigmas führen. Im zweiten Abschnitt soll die Verbindung in Hinblick auf die Digitalisierung und den technologischen Wandel aufgezeigt werden. Im Anschluss werden sowohl die Potenziale einer urbanen Wertschöpfung als auch die damit verbundenen Barrieren und mögliche Lösungs­ansätze für diese erläutert. Im dritten Abschnitt wird das Konzept der „new urban production" abschließend mittels eines selbst gewählten Praxisbeispiels betrachtet. Den Abschluss der Arbeit bilden dann eine Zusammenfassung und ein Zukunftsausblick.

2 Urbane Produktion: Industrie und Stadt als symbiotische Verbindung

Um sich dem Begriff der urbanen Produktion zu nähern, sollten im ersten Schritt die beiden wesentlichen Entwicklungen betrachtet werden, die eine Re-Integration der Produktion in die Stadt sinnvoll erscheinen lassen. Im Anschluss wird eine Begriffsan­näherung anhand der Betrachtung zweier Expertenmeinungen abgeleitet.

2.1 Hintergründe der urbanen Produktion

Der Wandel von einem industriellen Wirtschaftssystem hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft stellt eine der bedeutsamsten gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte dar und trägt wesentlich zum Wandel der bestehenden Produktions­paradigmen bei.[6] Wissensintensive Dienstleistungen und Güter gewinnen zunehmend an Bedeutung. Ihr Anteil am Export, der Beschäftigung und Wertschöpfung stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Diese Weiterentwicklung hebt insbesondere die Bedeutung von Informationen und Wissen als wichtige Produktionsfaktoren in der Wirtschaft hervor, stellt aber auch einen relevanten Mitbestimmungsfaktor in der modernen Gesellschaft dar. Dabei geht es nicht nur um wissenschaftlich generiertes Wissen, sondern auch um dessen Transfer in die Wirtschaft. In diesem Prozess nehmen die Wissenschaft und Forschung sowie die durch sie geprägten modernen Technologien eine besondere Rolle ein. Digitale Technologien führen die konventionellen Produktionsformen immer mehr weg von der Massenproduktion hin zu einer flexiblen und immer kundenindividuelleren Produktion.[7]

Eine zweite wichtige Komponente stellt der gesellschaftliche Wandel dar, welcher sich auch auf die Raumstrukturen auswirkt. Weltweit ist ein klarer Trend zur Urbanisierung zu erkennen. In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts lebten erstmals mehr als 50% der Weltbevölkerung in Städten.[8] Die Vereinten Nationen prognostizieren bis zum Jahr 2050 sogar, dass fast 75%[9] der Menschen im urbanen Raum leben werden. Dies spiegelt auch die Bevölkerungsentwicklung wirtschaftlich attraktiver Ballungszentren in Deutschland wider. Immer mehr Menschen, insbesondere die jüngeren, ziehen das Leben in der Stadt dem Leben in ländlichen Gebieten vor. Dadurch konzentrieren sich sowohl die Absatzmärkte als auch die Arbeitskräfte zunhemend im städtischen Raum. Hinzu kommt die gut ausgebaute Infrastruktur, ein hohes Mobilitätsangebot, eine Vielzahl an Bildungseinrichtungen und öffentlichen Institutionen, welche ideale

Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen und somit auch ein attraktives Umfeld für das produzierende Gewerbe bilden.[10]

Betrachtet man beide Entwicklungen gemeinschaftlich, so führen diese in der Konsequenz zu einem Überdenken der bisherigen Produktionsorte und -netzwerke, welche oft zentralisiert in Industriegebieten am Stadtrand oder gar im Umland verortet sind. In Zukunft stellen Städte mehr denn je interessante Märkte für produzierende Unternehmen dar, denn die Tatsache, dass sich neben den Absatzmärkten auch die Arbeitskräfte mehr und mehr in Städten befinden, führt zu steigenden Waren- und Güterflüssen aus dem Umland zur Versorgung der urbanen Zentren. Diese überlasten nicht nur die städtische Verkehrsinfrastruktur, sondern belasten auch die Umwelt. Die Re-Integration der Produktion in die Stadt bietet hierbei erhebliche Potenziale, da künftig davon auszugehen ist, dass nicht nur das Produkt den Erfolg auf dem Markt „Stadt" entscheiden wird, sondern auch die Art und Weise wie Prozesse zur Ver- und Entsorgung organisiert und strukturiert werden (siehe Abb. 1).[11]

Abbildung 1: Entwicklungen im Kontext der urbanen Produktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Internet-Recherche vom 13.11.2017: http://docplayer.org/15798845-Urban- manufacturing-neue-wege-fuer-die-city-logistik.html

2.2 Begriffsannäherung

Im vergangenen Jahrhundert wurde das produzierende Gewerbe fast vollständig aus dem Stadtbild verdrängt. Vor dem Hintergrundhoher Grundstückspreise, welche sich aus der geringen Flächenverfügbarkeit in den Ballungsräumen ergeben, der zu­nehmenden Mobilität der arbeitenden Bevölkerung und dem Image einer „dreckigen" Produktion, unterteilte man die Städte im Zuge der Industrialisierung Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend in verschiedene Funktionsgebiete, was zu einer strikten Trennung von Wohnen, Arbeiten und Erholung führte.[12] Seit einigen Jahren hingegen ist insbesondere in den USA eine neue Diskussion um einen sichtbaren Trend zur Re- Industrialisierung der Städte aufgelebt. Nach einer langen Phase, in der eine klare Tendenz zur De-Industrialisierung in den westlichen Ländern erkennbar war, bei der großflächig Dienstleistungen die industrielle Wertschöpfung ersetzten und die Produktion in Schwellenländer ausgelagert wurde,[13] steigt das politische Bewusstsein für die Relevanz des produzierenden Gewerbes wieder an. Ziel der politischen Bemühungen ist es deshalb, den Fokus wieder stärker auf den industriellen Sektor zu lenken[14] und die Produktion verstärkt im urbanen Kontext zu verorten.[15]

Als eine der ersten Autorinnen, die auf die Potenziale urbaner Produktion im Rahmen eines Vortrages mit dem Titel „Urban Manufacturing: Economy, Space and Politics in Today’s Cities"[16] bereits 2006 aufmerksam machte, gilt Frau Prof. Saskia Sassen. In ihrem Vortrag kritisiert sie vor allem die starke Konzentration der lokalen Wirtschaftspolitik auf die Großunternehmen der wissensintensiven Sektoren im Bereich der Kultur und Dienstleistungen, während insbesondere das produzierende Gewerbe im städtischen Umfeld vernachlässigt wird. Sie weist auf die Bedeutsamkeit spezifischer Typen des verarbeitenden Gewerbes in der städtischen Ökonomie hin und bezeichnet diese als „small, networked urban manufacturing firms"[17].[18]

In Deutschland gilt Dieter Läpple als einer der ersten Stadtforscher, der sich 2013 in seinem Aufsatz mit dem Titel „Produktion zurück in die Stadt?"[19] mit dem Thema der urbanen Wertschöpfung auseinandergesetzt und die Potenziale einer Rückkehr der Produktion in die Stadt eruiert hat. Läpple versteht die urbane Produktion als eine neue Art der städtischen Ökonomie, welche neben vielfältigen Beschäftigungsmöglichkeiten auch Aufstiegsmöglichkeiten in die Mittelklasse eröffnen kann: „Sie soll die soziale Struktur der Städte stabilisieren und durch eine Stärkung lokaler Kreisläufe Stadtöko­nomien robuster machen gegen die Turbulenzen des Weltmarktes"[20]. Nach Läpple handle es ich bei der urbanen Produktion um eine nachhaltige und ökologische Produktionsweise, die sich aus den Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung ergeben und bei der kundenspezifisch auf die lokale Nachfrage reagiert wird. Dabei betont er insbesondere den Trend zu lokalen Produkten, aus welchem sich Nischen­märkte ergeben sowie neue Verknüpfungen zwischen Design, Produkten und Vertriebswegen.[21]

Betrachtet man die beiden zuvor aufgeführten Expertenmeinungen zum Begriff der „new urban production", so kann man diese wie folgt zusammenfassen:

„Urbane Produktion bezeichnet die Herstellung und Bearbeitung materieller Güter in dicht besiedelten Gebieten, die häufig lokale Ressourcen und lokal eingebettete Wertschöpfungsketten nutzt. Die Nähe zum Lebensraum verlangt emissionsarme und ressourceneffiziente Produktions- und Transportweisen, um Nutzungskonflikte mit den Anwohnerinnen und Anwohnern zu vermeiden. Die eigenwirtschaftlich agierenden Betriebe weisen dabei vielfach Synergieeffekte mit kreativen Milieus und Dienstleistungen auf."[22]

Das übergeordnete Ziel der urbanen Wertschöpfung ist also eine Symbiose von Produktionsort, Arbeitsmarkt und Absatzmarkt im städtischen Umfeld. Die Urbane Wertschöpfung beschränkt sich dabei nicht auf das bisherige Konzept stadtnaher Industriegebiete, sondern umfasst auch die stadtzentrumsnahe gemischte Nutzung von Stadtquartieren.[23]

3 Urbane Produktion im Kontext der Digitalisierung

Innovative Technologien und die Digitalisierung generieren diverse Chancen für neue Produktionsverfahren und beeinflussen damit auch die bestehenden Produktions­paradigmen. Deshalb soll im Folgenden auf die Rolle der Digitalisierung für die urbane Produktion eingegangen und die räumliche Wirkung der neuen Produktionstechno­logien aufgezeigt werden.

3.1 Die industrielle Produktion im digitalen Wandel

Die Digitalisierung und die damit verbundene Verschmelzung der realen mit der digitalen Welt ist einer der großen Megatrends, welcher nicht nur das Alltagsleben der Menschen, sondern auch ganze Märkte, Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungs­ketten verändert.[24] Während der Umgang mit dem Internet, die Kommunikation im Social Web oder das Online-Shopping bei den Verbrauchern bereits flächendeckend Einzug gehalten haben, steht die Digitalisierung der industriellen Produktion im Sinne der sog. vierten industriellen Revolution (kurz: Industrie 4.0) und die damit verbundene Anpassung an die geänderten Wertschöpfungsstrukturen noch am Anfang. Längst ist diese Digitalisierung kein Selbstzweck mehr, sondern ein Enabler für eine notwendige Produktivitätssteigerung und gleichzeitig eine konsequente Ausrichtung der Produktion an die geänderten Bedürfnisse der Gesellschaft. Die digitale Transformation, die eine Integration und Implementierung der digitalen Technologien in die bestehende Geschäftswelt anstrebt, ist damit nicht nur als Resultat einer systematischen Weiter­entwicklung der Informations- und Kommunikationssysteme im Rahmen der Produktionsprozesse zu verstehen, sondern auch als das Ergebnis einer sich wandelnden Gesellschaft.[25]

Die Bezeichnung Industrie 4.0 wurde erstmals auf der Hannover Messe verwendet und beschreibt die „Informatisierung“ der deutschen Fertigungstechnik im Rahmen der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung als Reaktion auf die gravierenden Veränderungen in der Produktion.[26] Während es anfangs keine offizielle Definition für den Begriff der vierten industriellen Revolution gab, wurde aufgrund der zunehmenden Diskussion des Themas im April 2015 im Rahmen der „Umsetzungsstrategie Industrie 4.0“ durch die „Plattform Industrie 4.0“ erstmals eine Definition vorgenommen.[27]

Demnach steht der Begriff Industrie 4.0 „[...] für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten. Dieser Zyklus orientiert sich an den zunehmend individualisierten Kundenwünschen und erstreckt sich von der Idee, dem Auftrag über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen."[28]

Es wird deutlich, dass die Veränderung der Fertigung sowie der Weg zu neuen Produktideen, ihre Entwicklung und das individuelle Design entscheidende Faktoren in der Produktion der Zukunft sind. Auch die Dienstleistungen und die damit verbundenen neuen Geschäftsmodelle unterliegen einer Veränderung.

„Basis [für die grundlegende Veränderung der Produktionsweise] ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen sowie die Fähigkeit aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie beispielsweise Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen."[29]

Das heißt, Produkte und Dienstleistungen werden künftig durch Software miteinander verknüpft und dadurch in die Lage versetzt, relevante Informationen in Echtzeit über das Internet oder andere Netzwerke auszutauschen. Es findet eine unternehmens­übergreifende Vernetzung von Wertschöpfungspartnern statt, welche nicht nur auf die technologischen Komponenten zu begrenzen ist, sondern auch in der Organisation und Steuerung eines Unternehmens Einzug halten muss.

Betrachtet man die Chancen von Industrie 4.0 für die produzierenden Unternehmen so lassen sich die folgenden wichtigen Potenziale identifizieren (siehe Tab. 1):

Tabelle 1: Potenziale von Industrie 4.0 für das produzierende Gewerbe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Roth 2016, S. 7

3.2 Räumliche Wirkung neuer Produktionstechnologien

Für die urbane Produktion ist die Digitalisierung auch insofern ein wesentlicher Treiber, als dass sie die Fertigungstechnik kleinteiliger und damit durch dezentrale Produktionsorte stadtverträglich werden lässt. Dabei führt die Digitalisierung der Fertigungsprozesse vor allem zu neuen technologischen und prozessualen Möglichkeiten.[30] Im Folgenden sollen deshalb die wichtigsten Entwicklungen im Bereich der Produktionstechnologien vorgestellt werden, die zu einer besseren Eignung der Produktion im städtischen Umfeld führen.

Additiv-generative Fertigungstechniken

Die additiv-generativen Fertigungsverfahren ermöglichen die Herstellung von dreidimensionalen, physischen Objekten, welche zuvor am Personal Computer in Form von Computer-Aided-Design-Daten entworfen wurden. Dieser Prozess wird auch als „Additive Manufacturing“, „Digital Fabrication" oder als „3D-Druck“ bezeichnet.[31] Die Vorteile des 3D-Drucks bestehen im urbanen Kontext vor allem darin, dass die Herstellung eines Produktes individuell nach Kundenwunsch aus digitalen Daten an dezentralen Produktionsorten kleinteilig und schnell erfolgen kann, ohne dass Abfall oder Verschnitt anfällt. Die Produktion kann direkt im Ladengeschäft völlig lautlos und emissionsarm stattfinden, sodass auch Lager- oder Transportleistungen entfallen würden. Die Umsetzung für den Massenmarkt ist jedoch noch nicht praktikabel, da die bedarfsgerechte und schnelle Fertigung von komplexen Bauteilen zurzeit nur von sehr ausgereiften Druckern unter professioneller Anleitung erfolgen kann.[32]

Multibearbeitungsmaschinen

Mehrachsige Fräs- und Zerspanungsmaschinen beherrschen die Fertigung von hoch­komplexen Formen mit einer schnellen und individuellen Steuerung inklusive Bearbeitungswechseln. So können beispielsweise durch den Wechsel des Werkzeug­aufsatzes viele verschiedene Fertigungs- und Funktionsschritte mit einer einzelnen Maschine durchgeführt werden, sodass ein Produkt viele oder sogar alle notwendigen Fertigungs- und Montageschritte an einem Produktionsort durchlaufen kann, ohne sich physisch fortzubewegen und zwischendurch gelagert zu werden. Nach demselben Prinzip kann auch die Laserbearbeitung von Werkstücken vielfältig eingesetzt werden, die in Form von sog. Lasercuttern oder als Laserschweißtechnik zum Einsatz kommen. Moderne CNC-Fräs- und Drehmaschinen sind durch die dazugehörige Steuerungs­Software in der Lage, Prozessdaten zu sammeln, auszuwerten und sogar selbstständig Prozesse zu optimieren und zu automatisieren.

[...]


[1] Vgl. United Nations 2013, S. XV

[2] Vgl. WWF International et al. 2012, S. 100

[3] Vgl. United Nations 2012, S. 1

[4] Vgl. Dombrowski/Riechel 2014, S. 11

[5] Vgl. Porter 1998

[6] Vgl. Internet-Recherche vom 29.11.2017: http://quartierslabor.de/urbane-produktion/

[7] Vgl. Arnold 2012, Bd. 112, S. 3

[8] Internet-Recherche vom 02.12.2017: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/urbanisierung-die- stadt-von-morgen/

[9] United Nations 2015, S. 1

[10] Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2014, S. 3

[11] Vgl. Matt 2014, S. 14

[12] Vgl. Internet-Recherche vom 27.11.2017: https://www.jeder-qm-du.de/ueber-die-platte/detail /charta-von-athen/

[13] Vgl. Heymann/Vetter 2013, S. 1

[14] Vgl. BDI - Bundesverband der Deutschen Industrie e. V 2013, S. 5

[15] Brandt/Gärtner/Meyer 2017, S.3

[16] Sassen 2006

[17] Ebd., S. 1

[18] Vgl. Brandt/Gärtner/Meyer 2017, S. 3

[19] Läpple 2013

[20] Läpple 2013, S. 140

[21] Vgl. ebd., S. 140 f.

[22] Brandt/Gärtner/Meyer 2017, S. 4

[23] Vgl. Internet-Recherche vom 03.12.2017: http://www.ingenieur.de/Themen/Produktion/ Urbane-Wertschoepfung-Wenn-Industrie-Stadt-verschmelzen

[24] Vgl. Roth 2016, S. 3

[25] Vgl. Bode/Pätzold 2016, S. 13 f.

[26] Vgl. Siepmann 2016, S. 20

[27] Die „Plattform Industrie 4.0“ ist über die Verbände BITKOM, VDMA, ZVEI organisiert und arbeitetet mit den Unternehmen der deutschen Industrie zusammen.

[28] BITKOM e.V./VDMA e.V./ZVEI e.V. 2015, S. 8

[29] Ebd., S. 8

[30] Vgl. Erbstößer 2016, S. 12

[31] Vgl. Wirth/Pickert 2013, S. 3

[32] Vgl. Erbstößer 2016, S. 15

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Technologischer Wandel und Barrieren der Marktentwicklung. New urban production und ihre Marktvoraussetzungen
Hochschule
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig  (Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsingenieurwissenschaften)
Note
1,3
Jahr
2018
Seiten
37
Katalognummer
V425444
ISBN (eBook)
9783668702080
ISBN (Buch)
9783668702097
Dateigröße
863 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
New urban production, urban production, urbane Produktion, Digitalisierung Industrie 4.0, städtische Wertschöpfung
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Technologischer Wandel und Barrieren der Marktentwicklung. New urban production und ihre Marktvoraussetzungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/425444

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