Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Historische Aspekte - Das „Civil Right Movement“ und der Vietnamkrieg
A. Historischer Kontext
B. Das „Civil Rights Movement“ und die Antikriegsbewegung
1. Johnson und die etablierten Burgerrechtsorganisationen
2. Die SNCC als Beispiel gescheiterter Annaherung zwischen der Burgerrechtsbewegung und der Antikriegsbewegung
III. Martin Luther Kings systemkritischer Wandel
A. Kings Philosophie - Gewaltlosigkeit und Antikolonialismus
1. Gewaltlosigkeit
2. Antikolonialismus
B. Kings personliches Dilemma
C. Kings Rhetorik im Vergleich: „I have a dream“ und „Beyond Vietnam“
1. Kings Rhetorik in „I have a dream“
2. Kings Rhetorik in „Beyond Vietnam“
IV. Fazit: Martin Luther Kings Wandel und dessen Auswirkungen
V. Quellenverzeichnis
VI. Eigenstandigkeitserklarung
Anmerkung: Obwohl aus Grunden der Lesbarkeit im Text die mannliche Form gewahlt wurde beziehen sich die Angaben im Folgenden auf Angehorige beider Geschlechter.
I. Einleitung
„Ich habe einen Traum, dass eines Tages diese Nation sich erheben wird und der wahren Bedeutung Ihres Credos gemaB leben wird [...^A Dies sind die wohl einpragsamsten Worte des 1929 in Atlanta geborenen Protestfuhrers Martin Luther King. Wahrend des so genannten „Marsches auf Washington“ erreichte das „Civil Rights Movement“ den Hohepunkt seines bisherigen Wirkens. Kings Einsatz und sein bedingungsloser Glaube an einen Erfolgreichen Pazifismus und absolute Gewaltlosigkeit wurden 1964 mit dem Friedensnobelpreis gewurdigt. Das „Civil Rights Movement“ erreichte grundlegende juristische Erfolge, unter anderem durch die Abschaffung rassistischer Gesetze und offensichtlicher Benachteiligungen afroamerikanischer Burger im offentlichen Leben („For whites only“), sowie die Durchsetzung eines uneingeschrankten Wahlrechtes fur Afroamerikaner.
Jedoch ist ein klarer Wandel der Inhalte von Kings Reden festzustellen, welcher gerade in den Jahren seit 1965 bis zu seinem Tod (1968), immer ofter fur die Rechte aller Armen und Benachteiligten eintritt und nicht mehr nur fur die der Afroamerikaner1 2. King sah sich auch auf Grund seiner Wurdigung mit dem Friedensnobelpreis einer groBeren Verantwortung ausgesetzt. Immer ofter predigte er nun von einem tiefgreifend vergifteten amerikanischen System. 1966 auf einer Reise nach Chicago wird King eine neue Komplexitat des Rassismus bewusst. „Ein Gebaude, das Bettler hervorbringt, muss umgebaut werden“3. Anhand dieser Aussage ist deutlich zu erkennen welche Richtung King seit 1965 einschlagt. Er fokussiert sich mehr auf den institutionellen Charakter des Rassismus und stellt dabei vor allem die amerikanischen und westlichen Werte stark in Frage: „Jahrelang muhte ich mich ab mit dem Gedanken die bestehenden Institutionen der Gesellschaft zu reformieren [...]. Jetzt bin ich ganz anderer Meinung, [.] eine Revolution der Werte ist notwendig“4.
Besonders erbittert kampft King fur eine sofortige Beendigung des Vietnamkrieges. In seinen Reden hierzu wird deutlich, dass seine Gesellschaftskritik ein neues globales AusmaB erreicht.
Er stellt fest, dass das amerikanische System, basierend auf Rassismus, Armut und Militarismus grundlegend gewandelt werden muss5.
Vom Traum zur Realitat. Aber wie wirkt sich dieser Wandel Kings auf das „Civil Rights Movement“ aus. „Peace and Civil Rights don’t mix“6 sagten viele seiner Anhanger. Steht eine Welle der Desillusionierung und Resignation vieler Protestanhanger mit Kings neuem Weg in Verbindung? Welche Auswirkungen hat sein personlicher Wandel auf die Politik und sein allgemeines Ansehen als pazifistischer Burgerrechtler in der weiBen aber auch afroamerikanischen Gesellschaft?
Diese wissenschaftliche Arbeit soll anhand ausgewahlter Reden aufklaren, inwiefern King seine Prioritaten neu setzte und welche gesellschaftlichen Auswirkungen sein Wandel hatte. Dafur werden zunachst historische Korrelationen zwischen dem Vietnamkrieg, dem daraus resultierenden „Anti-War-Movement“ und dem „Civil Right Movement“ dargestellt. Darauf basierend soll ein analytischer Vergleich von Kings beruhmtester Rede gegen den Vietnamkrieg („Beyond Vietnam“, 1967) und seiner wohl bekanntesten Rede von 1963 („Ich habe einen Traum“) angestellt werden, um die neue Orientierung Kings anhand der rhetorischen Differenzen beider Reden zu verdeutlichen.
Ein besonderer Fokus der Arbeit liegt also auf den Jahren 1965 bis 1968. Hierbei soll angemerkt sein, dass insbesondere Kings Reden uber den Vietnamkrieg analysiert werden, da diese dessen Systemkritik besonders deutlich und auf verschiedenen Ebenen (lokal und global) darstellen.
II. Historische Aspekte - Das „Civil Right Movement" und der Vietnamkrieg
Um den „Wandel“ Kings verstehen zu konnen mussen zunachst die historischen Ereignisse zu dieser Zeit genauer untersucht werden. So befand sich King 1965 wahrend des Hohepunktes des „Civil Rights Movements“ (im Folgenden synonym mit „Burgerrechtsbewegung“ verwendet), aber auch der Eskalation des Vietnamkrieges unter Prasident Johnson, in einem Dilemma zwischen der Entscheidung, sein Engagement in der Antikriegsbewegung zu forcieren und dabei einen Bruch mit Johnson zu riskieren, oder den Vietnamkrieg offentlich nicht zu bekampfen, dabei jedoch die Verantwortung zu ignorieren, die er sich ins besondere nach der Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1964 selbst immer starker auferlegte. Eine Entscheidung zwischen Gesinnungs- oder Verantwortungsethik also, deren Harte nur verstanden werde kann, wenn die Konstellationen zwischen der Burgerrechtsbewegung, der Antikriegsbewegung und der Johnson Administration genau untersucht werden.
A. Historischer Kontext
Nach Ende des zweiten Weltkrieges, unterstutzten die USA die Intentionen Frankreichs zur Restauration der franzosischen Kolonialherrschaft in Indochina mit dem Ziel der Eindammung des Kommunismus, was 1946 zum Indochina Krieg fuhrte. Aus dem Kolonialkrieg der Franzosen entwickelte sich dabei mit dem Sieg der Kommunisten in China schnell ein Feldzug des Westens gegen den Kommunismus. Dieser war Teil der beginnenden Auseinandersetzung zwischen West und Ost. So zahlten die Amerikaner 1953/54 beinahe 75% der franzosischen Kriegskosten7.
1954 endet die Herrschaft der Franzosen allerdings mit einer erbitterten Niederlage, woraufhin Vietnam auf der folgenden Konferenz in Genf in einen sudlichen Block mit Unterstutzung der Amerikaner und einen nordlichen Block unter dem Kommunistenfuhrer Ho Chi Min aufgeteilt wurde. Unter J. F. Kennedy wurde die militarische Prasenz in Sudvietnam weiter aufgestockt, um ein starkes Gegengewicht zum kommunistischen Norden zu bilden. L. B. Johnson setzte diesen Kurs wahrend seiner Prasidentschaft fort. Die ausgepragte „Cold-War“ Mentalitat wahrend dieser Jahre schurte Angste vor einem Verlust asiatischer Staaten an den Kommunismus, wie es Eisenhower schon in seiner „Domino-Theorie“ befurchtete8. 1964 kam es zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Sudvietnam, nachdem der US-Zerstorer „Maddox“ im Golf von Tonking beschossen wurde. Dies fuhrte dazu, dass der Kongress durch die „Tonking-Resolution“ in Washington, Johnson dazu ermachtigte, nahezu uneingeschrankt in Vietnam zu interagieren, um Sudvietnam zu unter stutzen9. 1965 wurden weitere folgenschwere Entscheidungen getroffen. Unter anderem weitete Johnson mit der
Operation „Rolling Thunder“ die Luftangriffe auf den Norden Vietnams aus, spater entsandte er erstmals seit dem Koreakrieg Bodentruppen nach Asien. Schon Ende des Jahres 1965 sollten uber 100000 Bodentruppen in Vietnam stationiert sein. Johnson machte den Vietnamkrieg zu einem amerikanischen Krieg.
Gleichzeitig erreichte die Burgerrechtsbewegung in Amerika ihren Hohepunkt mit der Durchsetzung des „ Civil Rights Act“ von 1964, welcher unter anderem das Wahlrecht von Afroamerikanern starkte10.
Nach anhaltender Diskriminierung von Afroamerikanern, welche ihr Wahlrecht in den Sudstaaten einforderten, kam es jedoch zu weiteren Protesten, die 1965 zur Ermordung von Jimmy Lee Jackson und zwei Wochen spater zur brutalen Niederschlagung eines Protestzuges in Selma fuhrten, welcher durch Fernsehkameras eingefangen, als „Bloody Sunday“ in die Geschichte Amerikas einging11. Als Reaktion auf den zunehmenden Druck der afroamerikanischen und weiBen Offentlichkeit unterzeichnete Johnson im August 1965, nach langem Kampf mit dem Kongress, den „Civil Voting Act“, wofur er durchgehend starke Anerkennung von den fuhrenden Burgerrechtsorganisationen bekam - explizit auch von Martin Luther King.
Im Tumult dieser Ereignisse entgingen viele von Johnsons Entscheidungen bezuglich des Vietnamkrieges, bis zur Unterzeichnung des „Civil Voting Acts“ der Aufmerksamkeit der „Civil Right“ Fuhrer. Das sollte sich in den kommenden Jahren andern.
B. Das „Civil Rights Movement" und die Antikriegsbewegung
Wahrend der Mitte der 60er Jahre kam es vermehrt zu Annaherungen zwischen dem „Civil Rights Movement“ und der Antikriegsbewegung. Der Krieg in Vietnam hatte dabei groBe Auswirkungen auf den Erfolg des „Civil Rights Movement“, da ein GroBteil der weiBen Gesellschaft sich immer mehr der Vietnamproblematik widmete. Es entstand dabei das Gefuhl, dass mit der Durchsetzung des „Civil Voting Acts“ im Jahre 1965, die Burgerrechtsbewegung als gelostes Problem angesehen wurde und in der Folge immer weiter in den Hintergrund zu rucken drohte12. Eine Verbundung mit der Antikriegsbewegung hatte diese Verstummung verhindern konnen, kam jedoch auf Grund diverser Entwicklungen, die im Folgenden genauer erlautert werden kaum zustande.
1. Johnson und die etablierten Burgerrechtsorganisationen
Eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Burgerrechtsbewegung spielte Prasident Lyndon B. Johnson. Sein Engagement fur das „Civil Right Movement“ veranlasste viele afroamerikanische Burger, sich Johnson gegenuber loyal zu verhalten und zu zeigen, dass sie ihrer neu erhaltenen Rechte „gewachsen“ sind13. So sagte der damalige Vorsitzende der NAACP (“National Association for the advancement for colored people”): „it will take many, many presidents to match what Lindon B. Johnson did for blacks”14. Doch mit der Eskalation des Vietnamkrieges durch die Operation “Rolling Thunder” im Jahre 1965, steigerte sich Johnson immer weiter in den Vietnamkrieg hinein, was dazu fuhrte, dass er sich in den folgenden Jahren immer weniger fur die Durchsetzung weitere Gesetze zur Bekampfung des Rassismus und der Armut in Amerika kummerte15. Sich gegen den Vietnamkrieg zu positionieren wurde aber gleichzeitig auch einen Bruch mit der Johnson Administration bedeuten, weshalb sich viele der etablierten Burgerrechtsorganisationen in der Antikriegsbewegung zuruckhielten. Zusatzlich unterstutzte ein GroBteil der weiBen, als auch schwarzen amerikanischen Bevolkerung zu dieser Zeit den kalten Krieg, als Folge einer ausgepragten Angst gegenuber der Ausbreitung des Kommunismus, welche vor allem auf die 1940er und 1950er Jahre zuruckzufuhren ist („McCathyism“ und „Red Scare“)16. In Folge dessen wurden Anhanger der Antikriegsbewegung haufig als Kommunisten gebrandmarkt („red-brushing“) und durch skrupellose MaBnahmen des FBI, beispielsweise unter dem „COINTELPRO“-Programm, welches durch die Johnson Regierung gefordert wurde, ausspioniert und eingeschuchtert17. Wie zahlreiche Quellen heute zeigen, litt Johnson unter einer zunehmenden Paranoia gegenuber seiner Kritiker weshalb er immer starker in Zusammenarbeit mit dem FBI trat, um vermeintliche Bedrohungen unter Kontrolle zu halten18. Johnsons Entscheidung den Krieg zu intensivieren basierte hauptsachlich auf dem zunehmenden Druck, nicht noch weitere Staaten in Sudostasien an den Kommunismus zu verlieren. Die Amerikanisierung des Vietnamkrieges fuhrte allerdings gleichzeitig dazu, dass Johnson sein Reformprogramm zur Armutsbekampfung („Great Society“) finanziell groBteils einfrieren musste und deshalb scharf von linken Gruppierungen und Teilen der Burgerrechtsbewegung kritisiert wurde19.
Dennoch verhielten sich besonders die alteren Generationen des „Civil Rights Movement“ Johnson gegenuber loyal, unter anderem auch deshalb, weil ihre Spendeneinnahmen abhangig von einer weiBen, liberalen Mittelschicht waren, welche den Krieg groBtenteils unterstutze und befand, dass die AuBenpolitik uber die Kompetenz der „Civil Rights“ Fuhrer hinausgehe20. Zusatzlich hatten viele Burgerrechtsanhanger die Hoffnung, nach der Einfuhrung des „Civil Voting Act“ nun vermehrt offiziell politischen Einfluss nehmen zu konnen. Dies fuhrte letztendlich dazu, dass der GroBteil der etablierten Burgerrechtsorganisationen eine liberale Nachkriegsmentalitat beibehielten.
Mit der Ausweitung des Krieges in Vietnam zog Johnson am 28. Juli 1965 weiter Soldaten ein, wobei vor allem afroamerikanische Burger ihren Wehrdienst leisten mussten, da sie zumeist kein College besuchten, womit sie aus der Kriegspflicht ausgenommen waren21. Doch gerade zu Beginn des Krieges wollten viele Afroamerikaner ihren Patriotismus im Kampf fur die Demokratie beweisen. Zusatzlich wurde der Vietnamkrieg mit einer, durch die ^Executive Order 9981“ groBtenteils integrierten Armee ohne Rassentrennung gefuhrt22
[...]
1 Martin Luther King, Martin Luther King - Ich Habe Einen Traum, ed. by Hans-Eckehard Bahr and Heinrich W. Grosse (Dusseldorf: Patmos Verlag GmbH & Co. KG, 2003). - S.92
2 Martin Luther King, Testament Der Hoffnung: Letzte Reden, Aufsatze UndPredigten, ed. by Heinrich W. Grosse, Orig.-Ausg (Gutersloh: Gutersloher Verlagshaus Mohn, 1974). - S.13
3 King, Testament Der Hoffnung: Letzte Reden, Aufsatze Und Predigten. - S.14
4 King, Testament Der Hoffnung: Letzte Reden, Aufsatze Und Predigten. - S.14
5 King, Testament Der Hoffnung: Letzte Reden, Aufsatze Und Predigten. - S.22
6 King, Martin Luther King - Ich Habe Einen Traum. - S.16
7 Prof. Dr. Rolf Steininger, bpb.de (2008), „Dossier USA-Geschichte-Vietnamkrieg“, unter:
http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10620/vietnamkrieg?p=all, zuletzt aufgerufen am: 06.03.2018
8 Wissen.de, „Domino-Theorie“, unter: https://www.wissen.de/lexikon/domino-theorie, zuletzt aufgerufen am: 06.03.2018
9 Prof. Dr. Steininger.
10 History.com, „Selma to Montgomery March“, unter: https://www.history.com/topics/black-history/selma- montgomery-march , zuletzt aufgerufen am: 06.03.2018
11 Karin Beindorff, „Amerikanische Burgerrechtler - Protestmarsch von Selma nach Montgomery (Archiv)“, unter: http://www.deutschlandfunk.de/amerikanische-buereerrechtler-protestmarsch-von-selma- nach.871.de.html?dram:article id=315038, zuletzt aufgerufen: 06.03.2018
12 Daniel S. Lucks, Selma to Saigon: The Civil Rights Movement and the Vietnam War (Lexington, Kentucky: The University Press of Kentucky), 2014- S.92
13 Lucks. - S.3
14 Lucks. - S.5
15 Lucks. - S.5
16 History.com (2009), “Joseph McCathy”, unter: https://www.historv.com/topics/cold-war/ioseph-mccarthy. zuletzt aufgerufen am: 06.03.2018
17 Lucks. - S.5
18 Lucks. - S.153
19 History.com (2017), “Great Society”, unter: https://www.history.com/topics/great-society, zuletzt aufgerufen am: 07.03.2018
20 Lucks. - S.101
21 Lucks. - S.97
22 Michael Ray, Encyclopaedia Britannica (2013), “Executive Order 9981”, unter: https://www.britannica.com/topic/Executive-Order-9981, zuletzt aufgerufen am: 07.03.2018