Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat im Vergleich. Die Sozialpolitik in Schweden und Deutschland


Fachbuch, 2018

123 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Untersuchungsgegenstand und Methode
1.2 Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat: Begriffsklärung und -setzung

2 Wohlfahrtstaatliche Grundmodelle und Wohlfahrtsstaatsregime
2.1 Staatsbürgerversorgung, Sozialversicherung und Fürsorge
2.2 Versicherungs- und Fürsorgemodell
2.3 Drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus: Esping-Andersen drei Wohlfahrtsstaatsregime
2.4 Kritik an Esping-Andersens drei Welten des Wohlfahrtsstaatskapitalismus

3 Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Wirkungen der Sozialpolitik
3.1 Wirtschaftliche Wirkungen der Sozialpolitik
3.2 Gesellschaftliche Wirkungen der Sozialpolitik
3.3 Politische Wirkungen von Sozialpolitik

4 Übersicht: Schweden und die Bundesrepublik Deutschland

5 Gesellschaftliche Konflikte in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland
5.1 Stadt/Land-Konflikt in Schweden
5.2 Staat/Kirche-Konflikt in Deutschland

6 Historische Entwicklung der schwedischen und deutschen Sozialpolitik
6.1 Sozialpolitische Entwicklung Schwedens imJahrhundert
6.2 Sozialpolitische Entwicklung Deutschlands von 1871 bis 2009
6.3 Parteien und deren Bedeutung in der sozialpolitischen Geschichte von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

7 Soziales Sicherungssystem in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Rentensystems und der Arbeitslosenversicherung
7.1 Einführung in das soziale Sicherungssystem in Schweden
7.2 Einführung in das soziale Sicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland
7.3 Der Vergleich des schwedischen Wohlfahrtsstaates und des deutschen Sozialstaates

8 Das Bildungssystem in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland
8.1 Das Bildungssystem in Schweden
8.2 Das Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland
8.3 Die Bildungssysteme von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich

9 Statistische Einordnung Schwedens und der Bundesrepublik Deutschland
9.1 Privatisierungsgrad
9.2 Dekommodifizierungsgrad
9.3 Stratifizierung und soziale Gerechtigkeit
9.4 Exklusivität und Inklusivität

10 Kritik am schwedischen Wohlfahrtsstaat und dem deutschen Sozialstaat
10.1 Effizienz
10.2 Finanzierungsstabilität
10.3 Pfadabhängigkeit

11 Fazit und Perspektive

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: "Gesellschaftliche Spaltungslinien nach Rokkan und Wohlfahrtsstaatsregime"

Abbildung 2: Staatsquote (zum BIP)

Abbildung 3: Steuerquote (zum BIP)

Abbildung 4: Sozialversicherungsquote (zum BIP)

Abbildung 5: Durchschnittliche relative Wahlergebnisse einer Dekade von liberalen, konservativ-christlichen und sozialdemokratischen Parteien in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland (1948-2010)

Abbildung 6: Die Grundstruktur des schwedischen Sozialsystems

Abbildung 7: Die Grundstruktur des deutschen Sozialsystems

Abbildung 8: Bildungssystem in Schweden

Abbildung 9: Hochschulsystem in Schweden

Abbildung 10: Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland

Abbildung 11: Hochschulsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Abbildung 12: Bildungsausgaben (in % zum BIP) und Jugendarbeitslosigkeit

Abbildung 13: PISA-Ergebnisse

Abbildung 14: Gini-Koeffizient (%)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Versicherungs- und Fürsorgemodell 15

Tabelle 2: Typen und Dimensionen von Wohlfahrtstaaten nach Esping-Andersen

Tabelle 3: Wahlsysteme und Regierungsbeteiligung linker und rechter Parteien in 17 OECD-Länder (1945-1998)

Tabelle 4: Religionsgruppen in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland (2001)

Tabelle 5: Jahre der Regierungsbeteiligung christlich-konservativer und sozialdemokratischer Parteien ab 1945

Tabelle 6: Zusammensetzung der Ausgaben in der Arbeitsmarktpolitik in Schweden 2005 (in Mio. EUR)

Tabelle 7: Vergleich der Eckrente zur durchschnittlichen Pension 2012

Tabelle 8: Anteil der Rentenbeitragszahler zu einem Rentenbezieher (Prognose)

Tabelle 9: Arbeitslosengeld II Bezieher im Vergleich

Tabelle 10: Vergleichende Übersicht über die schwedische und deutsche Rentenversicherung

Tabelle 11: Rentenhöhe im Vergleich zum Durchschnittseinkommen

Tabelle 12: Renteneintrittsalter und durchschnittliche Bezugsdauer im Vergleich (2012)

Tabelle 13: Vergleichende Übersicht der schwedischen und deutschen Arbeitslosenversicherung

Tabelle 14: Arbeitslosenquote (Oktober 2014) und Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (2004)

Tabelle 15: Bildungsbereiche nach ISCED-2011

Tabelle 16: Bildungstand der 25-64-Jährigen 2012 in %

Tabelle 17:Teilnahme an der Tertiären Bildung der 20-34 Jährigen in % nach dem Bildungsstand der Eltern und Chance an der Teilnahme im Tertiären Bereich im Vergleich zu einem Bildungsstand der Eltern im Sekundarbereich I 2012

Tabelle 18: Private und Öffentliche Kosten in PPP-USD und interne Rendite (%) nach Geschlecht und Bildungsbereich 2012 (Geschlechter-Ø = 100)

Tabelle 19: Anteil der Privatversicherten und der privaten Zusatzversicherungen 2013 am Beispiel der Krankenversicherung

Tabelle 20: Elemente des Grades der dekommodifizierten Sicherheit in % (2002)

Tabelle 21: Schwedische Einkommenssteuer 2014

Tabelle 22: Sechs Dimensionen der sozialen Gerechtigkeit (2005-2013)

Tabelle 23: Verwaltungskosten am Bruttoinlandsprodukt (2005)

Tabelle 24: Gesamtübersichert von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland

1 Einleitung

1.1 Untersuchungsgegenstand und Methode

Diese vorliegende Arbeit wird Schweden und die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich ihrer Sozialpolitik vergleichen. Sozialpolitik, hier gemeint als der umfassende Begriff von Wohlfahrts- beziehungsweise Sozialstaatlichkeit, als auch die jeweiligen sozialpolitischen Tätigkeiten und Entwicklungen dieser beiden Länder in ihrer Geschichte. Hierzu soll zunächst die theoretische Basis dargelegt werden. Welche Unterscheidungsmodelle, die eine Vergleichbarkeit beziehungsweise Einordnung ermöglichen, gibt es bisher, um mehrere Länder, in diesem Fall zwei Ländern, in ihrer Sozialpolitik, ihren Finanzierungstypus und in ihre Wohlfahrtsstaatstypen beziehungsweise –regime einzuordnen (Kapitel 2)?

Danach sollen die grundsätzlichen Folgen der Sozialpolitik dargestellt werden, die in der Diskussion um das sozialpolitische Handeln eines Landes aufgeführt werden und dieses sowohl kritisch als auch positiv kommentieren (Kapitel 3).

Die theoretische Einführung und der ihr folgenden Darstellung der Folgen und Wirkungen von Sozialpolitik soll einen Rahmen für den Vergleich von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland geben, um sowohl den wissenschaftlichen Stand darzulegen, als auch Anregungen darzustellen, den Vergleich aus diesen Blickwickeln später zu sehen.

Nachdem das Grundlegende aufgeführt wurde, folgt ein kurzer Überblick über Schweden und der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich ihrer Staats-, Steuer-und Sozialleistungsquote, um einen ersten Eindruck dieser Länder darzulegen (Kapitel 4). Diesem folgt eine Darstellung der gesellschaftlichen Konfliktlinien. Die Konfliktlinien untermalen und beeinflussen die sozialpolitische Entwicklung, die darauf folgend dargestellt wird (Kapitel 5).

Darauf aufbauend folgt die historische Entwicklung der Sozialpolitik in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland und die parteipolitischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg (Kapitel 6). Es folgt eine Einführung in das heute bestehende System der sozialen Sicherung. Hier werden die wichtigsten sozialpolitischen Felder wie Alters-, Gesundheits- (mit Pflegeversicherung) und Arbeitslosensicherung, sowie Familienpolitik dargestellt. Aufgebaut wird dieser Teil folgendermaßen: Zunächst wird eine Einführung in das soziale Sicherungssystem Schwedens gegeben, woraufhin das Rentensystem und die Arbeitslosenversicherung genauer beschrieben wird und schließlich jeweils mit ihren Problemen und Konflikten behandelt wird. Daraufhin folgt für die Bundesrepublik Deutschland dasselbe Vorgehen, um danach das Rentensystem und die Arbeitslosenversicherung Schwedens und der Bundesrepublik Deutschland näher zu vergleichen (Kapitel 7).

Da Bildungspolitik in einem gewissen Maße auch Sozialpolitik darstellt, da es unteranderem sozialen Aufstieg ermöglicht, wird nach den üblichen sozialen Sicherungssystemen auch dieses Politikfeld behandelt. Zunächst werden jeweils das schwedische, als auch das deutsche Bildungssystem, beziehungsweise –wesen dargestellt, um daraufhin es sowohl in seinem Aufbau, als auch in seinen gesellschaftlichen Folgen durch empirische Daten zu vergleichen (Kapitel 8).

Danach folgt ein weiterer Vergleich von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland, der sich mit dem Privatisierungs- und dem Dekommodifizierungsgrad, der Stratifizierung der Gesellschaft und der sozialen Gerechtigkeit in der jeweiligen Gesellschaft und der Exklusivität und Inklusivität dieser Systeme befasst. Also ein weitergehender systematischer und empirischer Vergleich (Kapitel 9).

Dieser Vergleich von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland wird abgeschlossen mit der Frage nach der Effizienz, der Finanzierungsstabilität und der Pfadabhängigkeit dieser beiden Länder (Kapitel 10). Hierauf folgt ein Fazit, dass auch eine Perspektive, beziehungsweise einen Ausblick darstellen soll, was in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft in Betracht gezogen werden könnte (Kapitel 11).

1.2 Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat: Begriffsklärung und -setzung

Wie im Titel dieser Arbeit schon auffällt, wird Schweden als Wohlfahrtsstaat und die Bundesrepublik Deutschland als Sozialstaat bezeichnet. Woher kommt diese Unterscheidung und was macht sie aus?

Allgemein wird in den deutschen Rechtswissenschaften die Bezeichnung „Sozialstaat“ für die Bundesrepublik Deutschland verwendet, wenn man die rechtlichen Grundlagen des deutschen Sozialstaats betonen will, also das Sozialstaatsprinzip in Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes, wie es auch Frank Pilz in seiner Einleitung zum Buch „Der Sozialstaat“ darlegt. „Wohlfahrtsstaat“ (bzw. im Englischen welfare state) hingegen ist vor allem in den Sozialwissenschaften der übergeordnete Begriff. Wobei in der Bundesrepublik Deutschland weite Einigkeit darüber besteht, dass es einen Unterschied gibt, beziehungsweise einer gesetzt wurde. Wohlfahrtsstaaten sind in den deutschen Sozial- beziehungsweise Politikwissenschaften Sozialstaaten in einem weitaus umfangreicheren Sinne, meist im skandinavischen Sinne, wie zu zeigen sein wird. Sie bieten allen ihren Bürgern umfassende soziale Leistungen. Ein Wohlfahrtsstaat greift in nahezu sämtliche gesellschaftliche Situationen ein und versucht sie in seinem Sinne zu steuern. Ein Sozialstaat hingegen hat kein derartig universalistisches und meist egalitäres Ziel.[1] Hieraus ergibt sich also die Frage, die es zu beantworten gilt. Durch die im Titel unterstellte Unterscheidung der beiden Länder in Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat, muss die Frage geklärt werden, ob Schweden und die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich anders sind in ihren sozialen Leistungen für ihre Bürger oder ob der im Titel dieser Arbeit unterstellte Unterschied revidiert oder zumindest kritisch überdacht werden sollte. Dies stellt also eine Leitfrage dar, die in den verschiedenen Kapiteln mit wiederum ihren unterschiedlichen Leitfragen dem Ziel der Beantwortung der hier gestellten Frage dienen soll und im Fazit seinen letztlichen Platz erhält.

2 Wohlfahrtstaatliche Grundmodelle und Wohlfahrtsstaatsregime

Um die Einordnung Schwedens und der Bundesrepublik Deutschland vornehmen zu können, werden im Folgenden die wohlfahrtsstaatlichen Grundmodelle und Wohlfahrtsregime dargestellt, die in der (vergleichenden) sozialpolitischen Forschung verwendet werden. Sie sollen einen kurzen Überblick über den wissenschaftlichen Stand geben und die neueren Diskussionen und Kritiken darlegen.

In der sozialpolitischen Forschung wurden verschiedene Modelle vorgelegt, die eine bessere Vergleichbarkeit herstellen sollen, um so Idealtypen zu schaffen, die die breit gefächerten realexistierenden Wohlfahrtsstaaten einordnen vermögen. Es gibt Idealtypen der Sozialpolitik, Kategorisierungen der Wohlfahrtsstaaten nach ihrer Finanzierungsart und Idealtypen von Wohlfahrtsstaatsregimen, die in ihrem Dekommodifizierungsgrad, gesellschaftlicher Stratifizierung und Zuständigkeit der sozialen Hilfe unterschieden werden. Diese werden hier im Überblick kurz dargestellt.

2.1 Staatsbürgerversorgung, Sozialversicherung und Fürsorge

Drei sozialpolitische Idealtypen haben sich in der Wissenschaft durchgesetzt, die Manfred G. Schmidt in seinem Buch „Sozialpolitik in Deutschland“ darstellt: die Staatsbürgerversorgung, die Sozialversicherung und die Fürsorge.[2]

„Den weitreichendsten Schutz gewährt die Staatsbürgerversorgung, und zwar unabhängig vom beruflichen Stand und vom Status als Erwerbs- und Nichterwerbsperson.“[3] Die Staatsbürgerversorgung ist organisatorisch geprägt von einer steuerfinanzierten Einheitsversicherung, die im Idealfall alle Ansässigen in einem Land erfasst und zum Ziel hat, soziale Ungleichheit zu dezimieren.[4]

Sozialpolitik, die dem Sozialversicherungstyp folgt, besteht meist aus Pflichtversicherungen, die als Solidargemeinschaft aufgebaut sind und deren Leistungen an die gezahlten Beiträge gebunden sind (Äquivalenzprinzip). In der Regel sind diese Sozialversicherungen beziehungsweise Solidargemeinschaften in berufsstän­dische Versicherungen fragmentiert und dadurch an den Erwerbs- und Berufsstatus gebunden. Im Gegensatz zur Staatsbürgerversorgung verfestigen die Sozialversicherungen möglichweise soziale Ungleichheit und Statusunterschiede und bringt diese gegebenenfalls hervor.[5]

Der dritte Typ, die Fürsorge, stellt eine sozialpolitische Bedürftigkeitsverwaltung dar. Leistungen werden meist zeitlich begrenzt gewährt, wenn eine Bedürftigkeit vorliegt. Der Fürsorgetypus ist also eine begrenzte Umverteilung von der Gesellschaft auf die Bedürftigen.[6]

„Dem Typus der Sozialversicherung kommen die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten näher als anderen Sozialpolitiktypen, während die Staatsbürgerversorgung vor allem das Leitbild der Sozialpolitik der nordischen Länder geworden ist.“[7]

Manfred G. Schmidt nimmt hier eine erste Kategorisierung von Ländern vor, die Schweden als typischer Versorgungsstaat aller Bürger darstellt und die Bundesrepublik Deutschland als klassischen Sozialstaat, der die Sozialversicherung und somit die berufsständische statusorientierte Sozialversicherung als Konzept hat. Die Einteilung in drei Typen wird später auch unter den wohlfahrtsstaatlichen Regimemodellen von Esping-Andersen Thema sein und so eine Brücke zwischen Typen der Sozialpolitik und Typen der Wohlfahrtsstaaten darstellen.

2.2 Versicherungs- und Fürsorgemodell

In der früheren vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung wurden Wohlfahrtsstaaten in zwei Typen, beziehungsweise Gruppen eingeordnet. Es wurde zwischen beitragsfinanzierten Sozialversicherungen, die an die Erwerbsarbeit gekoppelt sind, und steuerfinanzierter Grundsicherung für alle Staatsbürger unterschieden. Ersteres wird als Bismarck-Modell bezeichnet und geht auf den ehemaligen Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck zurück, der im Deutschen Kaiserreich eine derart strukturierte soziale Sicherung einführte. Als Beverige-Modell wird das steuerfinanzierte Grundsicherungssystem bezeichnet, das seinen Namen vom Briten William Beverige hat, der 1942 eine derart aufgebaute Grundsicherung für Großbritannien vorschlug.[8]

In der folgenden Tabelle 1 werden die beiden Grundmodelle bezüglich Personenkreis, Finanzierung, Geldleistung, Sachleistung, Verwaltung und Transferintensität gegenüber gestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Versicherungs- und Fürsorgemodell

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung: Wohlfahrtsstaatliche Grundmodelle, in: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/55072/wohlfahrtsstaatliche-grundmodelle?p=all (aufgerufen am: 25.10.2014).

2.3 Drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus: Esping-Andersen drei Wohlfahrtsstaatsregime

In dem 1990 erschienen Buch „The Three Worlds of Welfare Capitalism“ versuchte der dänischen Politikwissenschaftler und Soziologe Gøsta Esping-Andersen anhand von empirischen Daten drei Grundmodelle wohlfahrtsstaatlicher Regime zu identifizieren. Eine zentrale Rolle zur Typisierung von Wohlfahrtsstaaten spielen der Grad der Dekommodifizierung, die Stratifizierung und die Rolle von Staat, Familie und Markt.

Dekommodifizierung wird als die größtmögliche Freiheit von marktwirtschaftlichen Zwängen und Risiken verstanden.

„In sum, the gist of de-commodification in the socialist paradigm is the emancipation from market dependency. It is in the quantity and arrangement of social rights, not in their existence per se, that we can identify a distinct socialist approach. “[9]

Stratifizierung wird verstanden als die (Un-)Gleichheit einer Gesellschaft hinsichtlich von Einkommen und Vermögen, aber auch Bildung, als Mittel zum sozialen Aufstieg. Dabei greift der Wohlfahrtsstaat nicht nur in die Stratifizierung ein, sondern ist selbst ein System das stratifiziert.

„Generally speaking, the issue has either been assumed away (it has been taken for granted that the welfare state creates a more egalitarian society), or it has been approached narrowly in terms of income distribution or in terms of whether education promotes upward social mobility. […] The welfare state is not just a mechanism that intervenes in, and possibly corrects, the structure of inequality; it is, in its own right, a system of stratification. “[10]

Die Rollen und die Verhältnisse von Staat, Markt und Familie werden als die Institutionen verglichen, die die Bereitstellung von sozialen Sicherheitsangeboten in ihrer Verantwortung haben.

„A particularly important element in the identification of welfare-state regimes will, accordingly, be related to the bend of publicly provided social rights, and private initiative. In other words, regimes can be compared with respect to which essential human needs are relegated to private versus public responsibility.

The division of social protection between public and private provides the structural context of de-commodification, social rights, and the stratificational nexus of welfare-state regimes. “[11]

Dabei wurden der liberale (angelsächsische), der konservativ-korporatistischer (kontinentaleuropäischer) und der sozialdemokratische (skandinavische) Wohlfahrtsstaat als die grundlegenden Typen identifiziert. Jeder Typ hat charakteristische Merkmale, die sich zum Teil von den anderen zwei Typen unterscheidet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Typen und Dimensionen von Wohlfahrtstaaten nach Esping-Andersen

Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung: Wohlfahrtsstaatliche Grundmodelle, in: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/55072/wohlfahrtsstaatliche-grundmodelle?p=all (aufgerufen am: 25.10.2014).

In Tabelle 2 werden anhand von sechs Dimensionen die wesentlichen Merkmale der wohlfahrtsstaatlichen Typen dargestellt.

Der liberale Wohlfahrtsstaat setzt vornehmlich auf den Markt als den Ort, an dem soziale Sicherung angeboten wird. Von den dreien ist die individuelle Eigenverantwortung in diesem Wohlfahrtstaat am höchsten. Staatliche Angebote beschränken sich auf Grundsicherungen, die sich an der Bedürftigkeit ausrichten und existenzsichernd sein sollen.[12]

Der konservative Wohlfahrtsstaat ist ein statusorientiertes und statussicherndes Modell, da gewisse Berufsgruppen und Klientel, wie Beamte, unabhängig von Erwerbstätigkeit Sicherung erhalten. Alle anderen Berufsgruppen sind an ihre Erwerbstätigkeit gebunden, um Versicherungsleistungen erhalten zu können. Traditionelle Familienstrukturen und –bilder sollen erhalten bleiben und ebenfalls ein Ort der sozialen Sicherheit sein und werden dementsprechend gefördert.[13]

Der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat ist letztlich die Umkehrung des liberalen Wohlfahrtstaates und die konsequente Ausweitung der Klientelleistungen eines konservativen Wohlfahrtsstaates auf alle Bürger, also universalistisch und egalitär.[14]

In der Modelldiskussion wird auch öfters vom rudimentären Wohlfahrtsstaat gesprochen, der vor allem die südeuropäischen Wohlfahrtsstaaten darstellen soll. Dieser Wohlfahrtsstaat ist nicht in Gänze ausgebaut, sodass das Leistungsniveau sehr gering ist. Des Weiteren spricht man vom postsozialistischen Wohlfahrtsstaat, der sich in den ehemaligen Sowjetstaaten entwickelte. Er hat Elemente sowohl der ehemaligen sozialistischen sozialen Sicherung und den drei Grundmodellen nach Esping-Andersen. Durch diese Mischung und des nicht beendeten Ausbaus kann man diese Wohlfahrtsstaaten noch keinem der drei Grundmodelle zweifelsfrei zuordnen.[15]

[...]


[1] Vgl. Pilz, Frank: Der Sozialstaat. Ausbau – Kontroversen – Umbau, Bonn 2009, S. 17

[2] Vgl. Schmidt, Manfred G.: Sozialpolitik in Deutschland. Historische Entwicklung und internationaler Vergleich, Wiesbaden 2005, S. 217

[3] Ebd.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. ebd. f.

[6] Vgl. ebd., S. 218

[7] Ebd., S. 219

[8] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Wohlfahrtsstaatliche Grundmodelle, in: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/55072/wohlfahrtsstaatliche-grundmodelle?p=all (aufgerufen am: 26.10.2014).

[9] Esping-Andersen, Gøsta: The Tree Worlds of Welfare Capitalism, Cambridge 1990, S. 47

[10] Ebd., S. 23

[11] Ebd., S. 80

[12] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Wohlfahrtsstaatliche Grundmodelle, in: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/55072/wohlfahrtsstaatliche-grundmodelle?p=all (aufgerufen am: 26.10.2014).

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 123 Seiten

Details

Titel
Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat im Vergleich. Die Sozialpolitik in Schweden und Deutschland
Autor
Jahr
2018
Seiten
123
Katalognummer
V427419
ISBN (eBook)
9783956875311
ISBN (Buch)
9783956875335
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialpolitik, Wohlfahrtstaat, Sozialstaat, Schweden, Deutschland, Bundesrepublik, Vergleich
Arbeit zitieren
Phil Hänßler (Autor:in), 2018, Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat im Vergleich. Die Sozialpolitik in Schweden und Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427419

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