Mit jedem Tag, den die Kinder in der Schule verbringen, werden ihre Leistungen einem Bewertungsmaßstab ausgesetzt, der sich in den Schulnoten manifestiert. Seit einiger Zeit wird in verschiedenen Instanzen darüber diskutiert, ob diese Art der Bewertung für die Entwicklung der Schüler gerecht und dienlich ist oder nicht, oder ob es andersartige Alternativen gibt, die man heranziehen könnte, um eine Leistungsübersicht zu gewinnen. Bisher konnte man sich in diesem Punkt nur teilweise einig werden, was sich daran zeigt, dass in manchen Grundschulen ausführliche Bewertungsberichte geschrieben werden, um das Problem der Notengebung zu umgehen, während woanders selbst die kleinen ABC-Schützen von Anfang an lernen, mit der wichtigen Zensur unter ihren Arbeiten zu leben.
Die vorliegende Untersuchung setzt sich mit Problemen in diesem Bereich auseinander, die speziell Schülern mit Migrantenhintergrund begegnen. Dabei stehen Situations- und Kompetenzkonflikte auf Seiten der Lehrer und Schüler im Mittelpunkt, welche zu Kommunikationsschwierigkeiten führen und jeweils von beiden Parteien als belastend empfunden werden.
1. Einleitung:
Allgemeine Bemerkungen zum Thema Schulnoten
Mit jedem Tag, den die Kinder in der Schule verbringen, werden ihre Leistungen einem Bewertungsmaßstab ausgesetzt, der sich in den Schulnoten manifestiert. Seit einiger Zeit wird in verschiedenen Instanzen darüber diskutiert, ob diese Art der Bewertung für die Entwicklung der Schüler gerecht und dienlich ist oder nicht, oder ob es andersartige Alternativen gibt, die man heranziehen könnte, um eine Leistungsübersicht zu gewinnen. Bisher konnte man sich in diesem Punkt nur teilweise einig werden, was sich daran zeigt, daß in manchen Grundschulen ausführliche Bewertungsberichte geschrieben werden, um das Problem der Notengebung zu umgehen, während woanders selbst die kleinen ABC-Schützen von Anfang an lernen, mit der wichtigen Zensur unter ihren Arbeiten zu leben.
Seitdem sich nun die Pädagogen mit der Frage der Notengebung beschäftigen, stellt sich das Problem der Objektivität in den Vordergrund. Laut einer empirischen Studie, die 1976 von Lothar Tent, Walter Fingerhut und Hans-Peter Lengfeldt[1] unternommen wurde stellt sich heraus, daß eine Objektivität der üblichen Schulnoten nur in geringem Maße gegeben ist. Tent et.al. haben herausgearbeitet, das die gleichen Schulleistungen von verschiedenen Lehrern unterschiedlich beurteilt werden und sie ziehen daher die Schlußfolgerung, daß die Reliabilität als uneinheitlich betrachtet werden kann. Das heißt, sie ist nur für kurze Zeiträume relativ hoch, in weiter Sicht jedoch stark absinkend. Weiter heißt es bei Tent et.al. das schulische Versagen sei im beträchtlichen Maße mit der sozialen Herkunft der Schüler verbunden und bei Unterschichtkindern stärker von außerintellektuellen Faktoren abhängig als bei Oberschichtkindern. Das Erziehungs- und Sprachverhalten der Unterschicht wird also im Zusammenhang mit der sozialen Diskriminierung gesehen, was eine Chancenungleichheit aller Kinder aufgrund der sozialen Benachteiligung hervorhebt.
1.1. Probleme der Leistungsbeurteilung und der Leistungsdiagnose
In ihrem Aufsatz Probleme der Leistungsbeurteilung und Leistungsdiagnose[2] betont Ina Linke-Benzing, daß die Zensur vor allem als Urteilsinstrument der Schule diene, um den Schüler und implizit dessen Eltern zu bewerten. Die Note sei entscheidend ob und wie weit der Schüler die schulischen Normen erfülle und wie weit oben er in der Rangliste in Konkurrenz zu seinen Mitschülern stehe. Dieses Konkurrenzprinzip verstößt, nach Aussagen von Linke-Benzing, gegen den gesellschaftspolitischen und pädagogischen Grundsatz, die Individualität des jungen Menschen in einer Gruppe zu fördern, die nach dem Prinzip der Solidarität gemeinsam lernt und miteinander versucht Probleme zu lösen.
Da diese schwierige Situation im Falle von ausländischen Schülern und Schülerinnen im besonderen Maße potenziert ist, müsse die Benotungspraxis neu durchdacht und verändert werden. Es wird dazu angeregt, statt des Ausleseverfahrens (und der damit verbundenen Verurteilung) die Leistungsmessung als Instrument der Lernförderung und Diagnostik zu Rate zu ziehen, die lediglich die Daten über die individuellen Lernprozesse von Schülern und Lehrern, bzw. über die Qualität des Unterrichts liefert.
Laut Linke-Benzing gibt es folgende systematische Einstellungsfehler, des Lehrers:
Der Lehrer neigt zu scharfer oder zu milder Beurteilung.
Das Urteil ist abhängig vom Geschlecht des Beurteilten.
Das Urteil ist abhängig von den Informationen über die soziale Herkunft und den Fremdaussagen über das Verhalten des Schülers.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Leistungsbeurteilung und den Urteilen über die sozialen Verhaltensweisen.
Das Urteil ist abhängig von der implizierten Persönlichkeitstheorie des Lehrers.
Das Urteil ist abhängig von der persönlichen Einschätzung des Lehrers, bezüglich den Zensuren. Das bedeutet, eine günstige Einstellung motiviert den Schüler und verstärkt die Erfolgsorientation während eine negative Sanktionierung eine hemmende Wirkung auf die Lernmotivation ausübt. Das Konkurrenzklima, das daraufhin entsteht, verhindert die Kooperation und die Solidarität. Die Schwächeren werden demotiviert und in eine hoffnungslose Lage gedrängt. Als Folge der negativen Urteile wird die Diskrepanz in den Lernbereichen immer größer, was eine psychologische Belastung der Eltern und der Schüler gleichsam nach sich zieht. Außerdem wird das Lehrer-Schüler-Verhältnis stark emotionalisiert und nicht versachlicht.
1.2. Besondere Problemmerkmale der Beurteilung von ausländischen Schülern
Insbesondere bei der Bewertung und Beurteilung von ausländischen Schülern und Schülerinnen werden verschiedene Fragen aufgeworfen, die hinsichtlich der Zukunftsplanung beantwortet werden müssen:
Kann der Schüler/die Schülerin für den Übergang aus der Vorbereitungsklasse in die Regelklasse empfohlen werden? Kann er in die nächsthöhere Klassenstufe aufrücken? Kann er in eine weiterführende Schule überwechseln? Kann er generell einen formalen deutschen Schulabschluß zuerkannt bekommen?
Die doppelte Schwierigkeit liegt dabei für den Lehrer darin, daß er sich auf den sprachlich benachteiligten, soziokulturell anders orientierten und im Verhaltensrepertoire nicht auf die mittelschichtspezifische Leistungsorientiertheit der Schule ausgerichteten ausländischen Schüler einstellen.
Um dieses Problem besser unter Kontrolle zu bekommen, brachte das Land Rheinland-Pfalz einen Erlaß heraus, der bestimmt, daß die Zensur im Fach Deutsch durch erklärende Bemerkungen über folgende Dimensionen der Sprachleistung interpretiert werden soll: Über die Fähigkeit des Verstehens, des Sprechens, der Verständigung, über die Schreibfähigkeit und die in allen Dimensionen erzielten Fortschritte.
[...]
[1] Tent, Lothar, Walter Fingerhut, Hans-Peter Lengfeldt. Quellen des Lehrerurteils. Untersuchungen zur Aufklärung der Varianz von Schulnoten. Weinheim und Basel: Belz, 1976.
[2] Linke-Benzing, Ina. “Probleme der Leistungsbeurteilung und Leistungsdiagnose“ in: Homann, Manfred (Hrsg.) Unterricht mit ausländischen Kindern. Schwann Düsseldorf: Pädagogischer Verlag, 1976. S. 256 – 278.
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