Die zentralen Fragen in der Diskussion um die Genese der Kreolsprachen kreisen zum einen um den Beitrag der afrikanischen Sprachen bei der Herausbildung der Kreols, zum anderen um deren „kontinuierlichen“ oder „abrupten“ Entwicklungsverlauf.
Letzterer Punkt beinhaltet zum einen die Überlegung, ob die Kreols über das Zwischenstadium eines Pidgins entstanden sind. Die drastische Reduzierung der Basissprache zu einem Pidginstadium, das eine Manifestierung der genetischen Diskontinuität zwischen der Basissprache und dem Kreol darstellt, sorgt in dieser Denkfigur für eine beträchtliche typologische Distanz zwischen den Kreolsprachen und der Basissprache. In einem ersten theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit, werden drei Hypothesen zur Entstehung der Kreolsprachen vorgestellt, die diese Sichtweise vertreten.
In jüngster Zeit fokusiert die Frage nach „Bruch“ oder „Kontinuität“ vorwiegend die kognitive Ebene des Kreolisierungsprozesses. Sind die kognitiven Mechanismen, die bei der Herausbildung der Kreols zum Tragen kommen, fundamental anderer Natur als bei der Entstehung „normaler“ Sprachen? Bewirkten diese Prozesse eine „kontinuierliche“ oder eine „abrupte“ Entfernung der Kreols von ihren Basissprachen? Führten sie – sowie weitere universelle Faktoren des Sprachkontakts – zu einer graduellen Distanz der Kreols von ihren Basissprachen oder besteht zwischen den beiden Sprachen ein Wesensunterschied? Hypothesen, welche sich mit diesen Fragestellungen beschäftigen, werden in einem zweiten Theorieteil erläutert.
Der dritte theoretische Teil meiner Arbeit beschäftigt sich mit Theorien, die einen beträchtlichen Einfluss der Substratsprache(n) auf die entstehende Kreolsprache postulieren. Das grammatische System der Substratsprachen verändert diesen Hypothesen zufolge dasjenige der Basissprache so dass die Substratsprachen die europäische Entwicklungslinie entscheidend „durchbrechen“.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- I. Die wichtigsten Theorien zur Genese kreolsprachlicher Systeme
- 1.1 Bruch durch Pidginisierung?
- 1.2 Universalistische Ansätze - Bruch durch universelle Faktoren des Sprachkontakts?
- 1.3 Afrogenetische Ansätze - Bruch durch substratsprachlichen Einfluss?
- 1.4 Eurogenetischer Ansatz - Chaudensons Approximationstheorie als graduelles Kreolisierungsmodell
- II. Interpretation morphosyntaktischer Züge in den französischbasierten Kreolsprachen und Vergleich mit ihren Entsprechungen im français cadien in Louisiana
- III. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entstehung französischbasierter Kreolsprachen und erörtert dabei die Frage, ob diese Sprachen einen abrupten Bruch oder eine kontinuierliche Entwicklung von ihren Basissprachen darstellen. Die Arbeit befasst sich mit verschiedenen Theorien, die sich mit der Genese der Kreolsprachen auseinandersetzen, einschließlich der Rolle von Pidginisierung, universellen Faktoren des Sprachkontakts und dem Einfluss von Substratsprachen.
- Die Genese der Kreolsprachen aus einem Pidgin-Stadium
- Die Bedeutung universeller Faktoren des Sprachkontakts für die Kreolisierung
- Der Einfluss von Substratsprachen auf die grammatischen Systeme von Kreolsprachen
- Die Chaudensonsche Approximationstheorie als graduelles Kreolisierungsmodell
- Der Vergleich französischbasierter Kreolsprachen mit dem français cadien in Louisiana
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor: die Genese der Kreolsprachen und deren Beziehung zu ihren Basissprachen. Sie führt die beiden Kernaspekte der Diskussion ein: den Beitrag der afrikanischen Sprachen und den „kontinuierlichen“ oder „abrupten“ Entwicklungsverlauf.
- I. Die wichtigsten Theorien zur Genese kreolsprachlicher Systeme: Dieses Kapitel präsentiert verschiedene Theorien zur Entstehung kreolsprachlicher Systeme. Es behandelt die Rolle von Pidginisierung, universelle Faktoren des Sprachkontakts und dem Einfluss von Substratsprachen. Dabei werden sowohl die „Bruch“-Theorien als auch die „Kontinuität“-Theorien vorgestellt.
- II. Interpretation morphosyntaktischer Züge in den französischbasierten Kreolsprachen und Vergleich mit ihren Entsprechungen im français cadien in Louisiana: Dieses Kapitel analysiert morphosyntaktische Merkmale in französischbasierten Kreolsprachen und vergleicht sie mit dem français cadien in Louisiana. Der Vergleich soll Aufschluss darüber geben, ob Chaudensons Approximationstheorie, die eine graduelle Entwicklung von Kreolsprachen aus dem Französischen postuliert, zutreffend ist.
Schlüsselwörter
Kreolsprachen, Genese, Pidginisierung, Universalistische Ansätze, Substratsprache, Approximationstheorie, Français cadien, Morphosyntax, Grammatikalisierung.
- Quote paper
- Daniela Becker (Author), 2004, Französischbasierte Kreolsprachen: Bruch oder Kontinuität?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43090