Napoleon schafft deutsches Nationalbewusstsein


Hausarbeit, 2005

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1.) Einleitung

2.) Nationalbewusstsein – Begriffsklärung und Abgrenzung

3.) Deutsches Nationalbewusstsein vor Napoleon
3.1) Der Humanismus
3.2) Die Ausgangslage im späten 18. Jahrhundert

4.) Die Entwicklung des deutschen Nationalbewusstseins nach
4.1) Die Ablehnung des „Franzosentums“ stiftet deutsche Identität
4.2) Preußische Intellektuelle verbreiten nationales Bewusstsein
4.3) Nationalbewusstsein und Franzosenhass – exemplarisch
4.3.1) Johann Gottlieb Fichte
4.3.2) Ernst Moritz Arndt

5.) Schlussbetrachtung

Auswahlbibliographie

1.) Einleitung:

„Napoleon schafft deutsches Nationalbewusstsein“ – Das Titelthema dieser Arbeit fungiert gleichzeitig als Hypothese, die in den folgenden Kapiteln erörtert und belegt wird. Dem übergeordnet ist die Fragestellung, inwieweit die französische Besatzung Deutschlands unter Napoleon Bonaparte Einfluss auf die Ausbildung eines nationalen Bewusstseins ausgeübt hat.

Nach einer Begriffsdefinition folgt ein Überblick über die Stufen des Nationalbewusstseins in der deutschen Geschichte, um aufzuzeigen, wie sich die Ausgangslage vor Beginn der napoleonischen Herrschaft darstellte. Die darauf folgenden Betrachtungen nehmen ihren Ausgang bei der Gründung des Rheinbundes im Juli 1806 und beschränken sich auf die Zeit direkt danach. Ein thematischer Schwerpunkt liegt zwar auf dem Königreich Preußen, weil es im deutschen Staatengebilde eine Sonderrolle einnahm, dabei steht jedoch immer die Bedeutung für „Gesamtdeutschland“ im Vordergrund. Die Befreiungskriege (1813-1815) gegen Napoleon rücken nur in den Blickpunkt, sofern sie mit der Situation unmittelbar nach 1806 in Beziehung stehen und der Beantwortung der Frage dienen.

Die zwei ausgewählten Quellen stammen aus der von Hans-Bernd Spies herausgegebenen Sammlung „Die Erhebung gegen Napoleon 1806-1814/15“. Als wichtigste Sekundärliteratur zur Bearbeitung dieses Themas haben sich Otto W. Johnstons „Der deutsche Nationalmythos“, Hannsjoachim W. Kochs „Die Befreiungskriege 1807-1815“, Paul Joachimsens „Vom deutschen Volk zum deutschen Staat“ und Gebhard Schweiglers „Nationalbewusstsein in der BRD und der DDR“ erwiesen.

2.) Nationalbewusstsein – Begriffsklärung und Abgrenzung:

„Nationalbewußtsein ist im Wesentlichen eine Frage des Wissens und Gefühls; nationales Selbstbewußtsein und Nationalismus dagegen beruhen grundsätzlich auf Willen.“ Auf diese Weise grenzt der Politikwissenschaftler Gebhard Schweigler den Begriff Nationalbewusstsein von seinen oben genannten Ausprägungen ab.[1] Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass keine direkte Wechselwirkung zwischen Nationalbewusstsein und Nationalismus besteht: Ersteres bildet zwar eine Grundvoraussetzung für den Nationalismus, kann aber seinerseits ohne den Nationalismus existieren. Die Entstehung eines Nationalbewusstseins ist zum einen das Produkt eines Lernprozesses des Individuums, das sich spezifischer nationaler Besonderheiten gewahr wird und zum anderen das Produkt gesellschaftlicher Lernprozesse, die von einer „nationalen Elite“ initiiert werden.[2]

Ohne, dass Schweigler sie im Blick gehabt hätte, trifft die Bezeichnung „nationale Elite“ sehr genau auf die Gruppierung literarischer Patrioten zu, die zur Ausbildung des deutschen Nationalbewusstseins während der napoleonischen Ära beigetragen hat. Ihre Rolle wird in Kapitel 4 betrachtet.

3.) Deutsches Nationalbewusstsein vor Napoleon:

Dass es bereits vor der französischen Besatzungszeit und der napoleonischen Herrschaft unter der Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ein Nationalbewusstsein gegeben hat, ist nicht auszuschließen. Allerdings sind die Hinweise darauf nicht sehr zahlreich. Während des Bauernkrieges 1524 bis 1526 sind beispielsweise von den aufständischen Bauern erste Forderungen nach einem zentralisierten Nationalstaat und der damit verbundenen Abschaffung der Kleinstaaterei formuliert worden.[3] Aus früherer Zeit ist auch die Gründung der Leipziger Universität 1409 Beleg für ein Nationalbewusstsein gewesen, nachdem deutsche Studenten die von Kaiser Karl IV. gegründete Prager Universität im Streit mit den tschechischen Kommilitonen verlassen hatten.[4]

Dies waren jedoch Akte einzelner Gruppierungen. Einen ersten allumfassenden Entwurf des Nationalbewusstseins konstatiert Otto W. Johnston:

Die frühen Ansätze zu einer Profilgestaltung des >Deutschen< verdanken wir den Humanisten des späten 15. Jahrhunderts, die mit den verheißungsvollen Parolen >Germania maxima< und >lingua adamia< die wichtigsten Prozesse zur Herausbildung eines deutschen Nationalbewusstseins in Gang setzten.[5]

Ein großes Hindernis für die Entstehung eines nationalen Einheitsgedankens und dessen Verbreitung stellte aber seit jeher die territoriale Zersplitterung des Deutschen Reiches mit hunderten von souveränen Kleinstaaten dar. Eine Konsequenz daraus war neben der politisch unterschiedlichen die autarke Entwicklung der sozialen Kultur in den verschiedenen Territorien.[6] Es ist eine Annahme des Autors, dass sich durch die andersartigen Ausprägungen des Kulturlebens in den Territorien verschiedene Identitäten ausbildeten und eine Art provinzieller Stolz entstand, der die Bevölkerung insgesamt gegen ein deutsches Nationalbewusstsein „resistent“ machte.

Das territorialstaatliche Denken ging auf eine lange Tradition zurück. Unter Bezugnahme auf die Germania des römischen Geschichtsschreibers Publius Cornelius Tacitus (circa 55 bis 115 n. Chr.), der unter anderem die unterschiedlichen Interessen der germanischen Volksstämme nach der Varusschlacht (9 n. Chr.) beschreibt, stellt Johnston einen „[…] frühen, durch das Faustrecht um jeden Preis bewahrten Partikularismus unter den Germanen“ fest.[7] Hinderlich auf die Ausbildung eines Nationalbewusstseins wirkte sich zudem „[…] das Verhängnis der Völkerwanderung“[8] aus, wie Paul Joachimsen die Auswirkungen der europäischen Wanderungsbewegungen der germanischen Stämme zwischen dem zweiten und sechsten Jahrhundert nennt. Die Verbreitung der Stämme über das Römische Reich hat die Kultivierung des Ackerbaus, den Austausch darüber und die Entstehung einer gemeinsamen Religion mit festgelegten Kulten verhindert.[9] Joachimsen charakterisiert die Zeit nach der Völkerwanderung wie folgt: „Die Stämme, die auf dem Boden des alten Germanien nun Bedeutung gewinnen, […], leben ihr partikulares Dasein fort.“[10]

3.1) Der Humanismus:

Die Tradition des Partikularismus bildete sich also weiter aus. Damit war die Möglichkeit für ein verbindendes Nationalbewusstsein als Grundlage für die Bildung einer deutschen Nation für Jahrhunderte nicht mehr gegeben. Erst mit der deutschen Ausprägung des Humanismus im 15. Jahrhundert kam es zu einem nationalen Patriotismus, der kulturelle Besonderheiten betonte und sich dabei auf die Vergangenheit berief. In der humanistischen Literatur wurden germanische Eigenschaften wie Tapferkeit, Treue, Einfachheit und Keuschheit, die Tacitus in seiner Germania festgehalten hatte, als verbindende deutsche Merkmale über territorialstaatliche Grenzen hinweg ausgemacht und, wo sie nicht vorhanden waren, als erstrebenswert betont.[11] Wenn man zu Grunde legt, dass Johnston wie oben aufgeführt, in Tacitus’ Germania einen frühen Partikularismus unter den Germanen entdeckt hat, wirken die Bezüge der Humanisten auf den römischen Geschichtsschreiber wie eine willkürliche Instrumentalisierung der germanischen Geschichte. Entscheidend jedoch sind die erkennbaren Vorstellungen der Humanisten von einer deutschen Nation – und damit einem verbindenden Nationalbewusstsein –, die formuliert werden, auch wenn sie von einer Realisierung weit entfernt sind. Joachimsen spricht in diesem Zusammenhang von „[…] eine[r] unitarische[n] Tendenz in der Gesamtstimmung, die in merkwürdigstem Gegensatz zu der tatsächlichen politischen und sozialen Zerklüftung steht.“[12]

[...]


[1] Gebhard Schweigler: Nationalbewußtsein in der BRD und der DDR. In: Studien zur Sozialwissenschaft, Band 9. Düsseldorf² 1974, Seite 45.

[2] Vergleiche ebenda, S. 47.

[3] Vgl. Hannsjoachim W. Koch: Die Befreiungskriege 1807-1815. Napoleon gegen Deutschland und Europa. Berg/Starnberger See 1987, S. 47.

[4] Vgl. ebd., S. 46.

[5] Otto W. Johnston: Der deutsche Nationalmythos: Ursprung eines politischen Programms. Stuttgart 1990, S. 4.

[6] Vgl. Koch, S. 50.

[7] Johnston, S. 3.

[8] Paul Joachimsen: Vom Deutschen Volk zum Deutschen Staat. Eine Geschichte des deutschen Nationalbewusstseins. Göttingen hoch vier 1967, S. 5.

[9] Vgl. ebd., S. 4f.

[10] ebd., S. 6.

[11] Vgl. ebd., 24.

[12] Ebd., S. 25.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Napoleon schafft deutsches Nationalbewusstsein
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Übung
Note
2
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V43618
ISBN (eBook)
9783638413756
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Napoleon, Nationalbewusstsein
Arbeit zitieren
Folko Damm (Autor:in), 2005, Napoleon schafft deutsches Nationalbewusstsein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43618

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