Erinnerung und Selbstauffassung. Untersuchung der Identität österreichischer Juden in Thomas Bernards "Heldenplatz"


Diplomarbeit, 2018

101 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

WIDMUNG

VORWORT

RESUME

ABSTRACT

INHALTSVERZEICHNIS

KAPITEL 0: EINLEITUNG
0.1. Thema der Forschung
0.2. Motivation zur Wahl des Themas
0.3. Ziel und Erkenntnisinteresse
0.4. Das Problem und der aktuelle Erkenntnisstand
0.5. Die Fragestellungen
0.6. Forschungsleitende Thesen, theoretische Basis und methodisches Vorgehen
0.7. Zum Aufbau der Arbeit

KAPITEL 1: IDENTITÄTSBILDUNG IN INTERAKTION MIT DER VERGANGENHEIT
1.1. Begriffsbestimmung
1.1.1. Kultur
1.1.2. Identität
1.1.3. Alterität
1.1.4. Repräsentation
1.1.5. Erinnerung
1.1.6. Gedächtnis
1.1.7. Globalisierung
1.2. Subjekt und Identitätsbildung
1.2.1. Identitätsformen
1.2.1.1. Identitätsauffassung der Aufklärung: klare Selbstwahrnehmung des Subjekts
1.2.1.2. Identitätsauffassung aus soziologischer Hinsicht: Subjekt in Interaktion mit den Anderen
1.2.1.3. Identitätsauffassung der Postmoderne: ein zerstreutes Subjekt
1.2.2. Erinnerung und Identität
1.2.2.1. Erinnerung und Trauma
1.2.2.2. Erinnerung und Selbstbild
Exkurs: Vergangenheitsbewältigung und Identität in der österreichischen Gesellschaft.

KAPITEL 2: HELDENPLATZ ALS INSZENIERUNG HISTORISCH KULTURELLER UNTERSCHIEDE
2.1. Zum Autor und dessen Werk
2.1.1. Zum Autor
2.1.2. Zum Werk Heldenplatz
2.1.2.1. Heldenplatz als modernes Drama
2.1.2.1.1. Die formalen Besonderheiten des Werkes
2.1.2.1.2. Die Ritualisierung im Bernhards Werk „Heldenplatz“
2.1.2.2. Zur Handlung im Werk
2.1.2.3. Figuren und Figurenkonstellation
2.1.2.3.1. Zur Figurencharakterisierung
2.1.2.3.1.1. Die Elterngeneration
2.1.2.3.1.2. Die Kindergeneration
2.1.2.3.1.3. Die Hausangestellten
2.1.2.3.2. Zur Figurenkonstellation
2.2. Zur Inszenierung des kulturell Anderen im Werk
2.2.1. Zum Konzept ‚kulturell Andere‘
2.2.2. Darstellung der verschiedenen kulturellen Gruppen
2.2.2.1. Die Juden
2.2.2.2. Die Österreicher
2.2.2.3. Die Engländer
2.2.2.4. Die Franzosen
2.2.2.5. Die Eritreaer
2.3. Zu Verhältnissen zwischen dargestellten kulturellen Gruppen
2.3.1. Der Rassismus oder Ausschluss
2.3.1.1. Das Bild der Juden
2.3.1.2. Das Bild der Österreicher
2.3.2. Die Integration
2.3.2.1. Aus der Perspektive der Österreicher
2.3.2.2. Aus der Perspektive der Juden

KAPITEL 3: IDENTITÄTSBILDUNG AUS DER ERINNERUNG AN VERGANGENHEITSERFAHRUNGEN
3.1. Zur Rekonstruktion des jüdischen Bewusstseins in Heldenplatz
3.1.1. Diskriminierung und Ausgrenzung
3.1.2. Verfolgung und Vernichtung
3.1.3. Angst und Flucht
3.2. Identitätskonstruktion in Interaktion mit den Österreichern
3.2.1. Geschichte, Erinnerung und Identitätsbildung
3.2.2. Aus der Perspektive der Eltern
3.2.2.1. Josef Schuster
3.2.2.2. Robert Schuster
3.2.2.3. Hedwig Schuster
3.2.3. Aus der Perspektive der Kinder

KAPITEL 4: DAS JÜDISCHE KULTURELLE GEDÄCHTNIS ALS BILDUNGS- UND BEWAHRUNGSMEDIUM IHRER IDENTITÄT
4.1. Literatur als Medium des kulturellen Gedächtnisses
4.1.1. Heldenplatz als kultureller Text
4.1.2. Der Mythos im Heldenplatz
4.2. Zum kulturellen Gedächtnis der jüdischen Figuren im Heldenplatz
4.2.1. Zur Bestimmung des Begriffs „kulturelles Gedächtnis“
4.2.2. Der Heldenplatz im Werk als Erinnerungsort
4.2.3. Selbstmord und kollektive Identität der Juden
4.2.4. Zum Trauma von Figuren im Werk

ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

VORWORT

Im Rahmen einer Lehrveranstaltung im dritten Jahrgang an der Universität Yaoundé I habe ich mich bei einem Referat für das erste Mal mit dem Text Heldenplatz von Thomas Bernhard befasst. Daher wurde ich besonders durch den kritischen Umgang des Autors mit seiner Heimat einerseits und die Verhaltensweisen von Figuren andererseits beeindruckt. Dass der Autor damit eine Erinnerungsarbeit für die jüdische Gemeinschaft geleistet hat, die mehr oder weniger für ihre Identitätsbildung in der postmodernen Gesellschaft von hervorragender Bedeutung ist, entsprach meinem persönlichen Interesse an der Erinnerungs- bzw. Gedächtnisforschung. Deshalb kam ich zum Entschluss, das Verhältnis zwischen Identität und Erinnerung in diesem Text im Rahmen meiner Abschlussarbeit zu erforschen.

Bei der Abfassung der vorliegenden Arbeit bin ich auf bestimmte Schwierigkeiten gestoßen. Von vornherein war es nicht leicht, die einschlägige Fachliteratur zu meinem Thema an der Hand zu haben. Als Neuling in dem wissenschaftlichen Prozess hatte ich methodische Probleme, und ich sollte mich auch akribisch mit der Bewertung und Auswertung von Literatur auseinandersetzen. Glücklicherweise habe ich diese Arbeit mit dem erheblichen Beistand vieler Personen zustande gebracht.

An erster Stelle statte ich meinem Betreuer Dr. Jean Bertrand Miguoué für seine kritische Lektüre und seine vollständige Bereitschaft meinen Dank ab. Er hat die für das Zustandekommen dieser Arbeit unabdingbaren Materialien zu meiner Verfügung gestellt. In derselben Blickrichtung bin ich allen Lehrenden im Fach Deutsch der Fremdsprachenabteilung an der pädagogischen Hochschule und am Studiengang Germanistik der Universität Yaoundé I für meine effiziente Ausbildung zum Dank verpflichtet.

Im Besonderen bedanke ich mich bei meiner innig geliebten Freundin Raissa Ama Tazou, meiner Familie, besonders Ernerst Teyouk und Pierre Teindong, den Familien Menla und Tazou. Für das Korrekturlesen dieser Arbeit bedanke ich mich ganz herzlich bei Réné Demanou und Burrhus Njanjo. Des Weiteren gilt ein besonderer Dank meinen Freunden Floriant Soh, Quentin Tsangue, Isis Silabing, Guilène Djasseu, Joel Ngameleu, und letzten Endes meinen geliebten Kusinen Ghislaine Ntonlepeu und Durelle Noubi Boum. All denen, die ich hier namentlich nicht erwähnen kann, bin ich für ihre allerlei Unterstützung dankbar.

Yaoundé, im Juni 2015 Giresse Macaire TEIKEU TAKOUGANG

RESUME

Le présent travail de recherche, intitulé : « souvenir et perception de soi : de l’analyse de l’identité des juifs autrichiens dans Heldenplatz de Thomas Bernhard. », a pour but de montrer comment le dramaturge autrichien dans l’optique de sensibiliser l’opinion publique sur la non reconnaissance de son passé Nazi participe à la construction de l’identité et de la mémoire culturelle juive. Ce faisant, l’auteur effectue un travail de souvenir qui à l’ère de la globalisation et de la pluralité se trouve au premier plan du processus de la construction identitaire de l’individu et des groupes. A travers l’analyse structurale de l’œuvre et se basant sur la notion de l’identité culturelle développée par Stuart Hall dans l’analyse des relations interhumaines et -culturelles, des concepts comme la mémoire culturelle, le texte culturel, le mythe et le lieu de mémoire élaborés par Jan et Aleida Assmann pour l’analyse des textes littéraires, le présent travail démontre en quatre chapitres que l’identité juive se construit permanemment en fonction des situations et sur la base des faits historiques spécifiques. Ces faits sont archivés dans leur mémoire culturelle et facilitent grâce au phénomène du souvenir la construction et la conservation de cette identité. En effet, Bernhard en dépit de sa satire contre l’Etat Autrichien dans ladite œuvre participe à la construction d’une conscience juive marquée par la continuité des idées du national-socialisme et le rejet de l’autre dans cette société. Le texte Heldenplatz apparait ainsi pour le lecteur juif comme un média non seulement pour l’analyse et la compréhension de sa propre situation dans ce milieu et pour avoir une image claire de sa propre personne, mais également pour la construction d’une conscience historique et d’une mémoire culturelle.

Mots clés : Passé national-socialiste – souvenir – identité.

ABSTRACT

This research work entitled: "Remembrance and Self-perception: from the analysis of the identity of Austrian Jews of Heldenplatz by Thomas Bernhard.", aims at showing how the Austrian playwright in order to draw the attention of his fellow countrymen on the non-recognition of their past marked by Nazi, participates in the construction of Jewish identity and cultural memory. In this vein, the author makes a remembrance work, which in this era of globalization and plurality, is at the forefront of the construction of individual and collective identity. Through a structural analysis and basing on the notion of cultural identity developed by Stuart Hall in the analysis of intercultural relationships between human beings, and concepts such as cultural memory, cultural text, myths and place of memory elaborated by Jan and Aleida Assmann for the analysis of literary texts, the work shows in four chapters that Jewish identity is permanently built according to specific situations and through concrete historical events. These events are saved in their cultural memory and enable, thanks to the remembrance capacity, the construction and the preservation of that identity. In fact, despite his satire against the Austrian society in that work, Bernhard participates in the construction of a Jewish consciousness marked by the perpetration of Nazi ideas and the rejection of the other within that society. Heldenplatz thus appears for a Jewish reader as a means not only for the analysis and the comprehension of his situation within that society and to have a real image of himself, but also for the consolidation of a historical consciousness and of a cultural memory.

Key words : national socialist past – Remembrance – Identity.

KAPITEL 0: EINLEITUNG

“There is no escape from yesterday because yesterday has deformed us, or been deformed by us.”

(Samuel Beckett, Proust, three dialogues)

0.1. Thema der Forschung

Im Mittelpunkt dieser Forschung steht die Auseinandersetzung mit dem kulturell Anderen mit Blick auf die Vergangenheit im Selbsterfahrungsprozess von bestimmten Protagonisten in Thomas Bernhards Theaterstück „Heldenplatz“. Es wird zu zeigen versucht, welche Rolle das kulturell Andere im Prozess der Identitätsbildung von jüdischen Figuren spielt. Daher werden bestimmte Kategorien erläutert und untersucht, die der Thematik der kulturellen Bestimmung und der kulturellen Identität im Zeitalter der Globalisierung zugrunde liegen. Die Erforschung der Repräsentation des kulturell Anderen im Rahmen dieser Arbeit wird also mittels der zentralen Achse von der Figurenforschung unternommen werden, sodass aus der Figurenkonstellation kulturelle Unterschiede und deren Verhältnisse definiert werden.

0.2. Motivation zur Wahl des Themas

Die vorliegende Arbeit schreibt sich in eine Diskussion über die Bestimmung bzw. die Wahrnehmung des Einzelnen in einer multikulturellen Gesellschaft ein. Transnationalisierung, Nomadismus und Globalisierung[1] sind einige Charakteristiken der zeitgenössischen Welt, wobei die Pluralität, die Heterogenität, und die Differenzen zur alltäglichen Debatte gehören. Diese Eigenschaften stellen in der Interkulturalitätsforschung Begriffe wie Nation, Kultur und Identität in Frage, und bieten in dieser Blickrichtung neuen Umgang mit diesen Letzteren an. Darüber hinaus erweist sich die (nationalsozialistische) Vergangenheit im heutigen Leben als unbestreitbar bzw. unumgänglich. Das von mir zu erforschende Thema: „Erinnerung und Selbstauffassung: Zur Untersuchung der Identität österreichischer Juden in Thomas Bernhards Heldenplatz “ entspricht dieser Zielsetzung, indem es einer anderen Sichtweise des Umgangs des Einzelnen mit dem kulturell Anderen und diesbezüglich mit der eigenen Identität den Weg ebnet. Denn in einer multikulturellen Gesellschaft soll das Individuum über geeignete kulturelle Kompetenzen verfügen, die ihm in einer erfolgreichen Weise Zugang zu dem/den Anderen gibt. Davon ausgehend besteht das Ziel der Auseinandersetzung mit dem Anderen darin, nicht nur Nutzen aus dem Anderen durch die Aneignung dessen bestimmte Kulturelemente zur Anreicherung des Eigenen zu ziehen, „sondern sich auch gegenüber den Anderen zu positionieren“ [2] . Der Blick auf das Andere oder die Repräsentation des Anderen mit Rücksicht auf die Vergangenheit sei ein wirksames Mittel zur Selbstbestimmung bzw. –wahrnehmung und zum Selbstverständnis in einer globalisierten Welt. Daher wird klar, dass die kulturelle Identität – Edward Said zufolge – sich auf die kontrastive Gegenüberstellung eines >Anderen< stützt, d.h., auf das Bewusstsein von Alterität.[3]

Die Motivation der Wahl von diesem Thema ist auch daraufhin pädagogisch gerichtet. Dieses pädagogische Interesse ist hier im Sinne der Fremdsprachendidaktik – und zwar Deutsch als Fremdsprache - zu verstehen. Das Lehren und das Lernen von Fremdsprachen und deren Literatur sind heutzutage Schlüssel der ständigen Mobilität des Menschen und dessen Integration in fremden Gesellschaften bzw. Umgebungen. Durch die Beherrschung der Sprache eines Volkes, die zum Teil Zugang zu dessen Kultur gibt, ist man im Stande, in Kommunikation mit diesem Volk zu treten. In diesem Erziehungssystem spielt die Literatur eine ausschlaggebende Rolle. Diese Funktion wird von Norbert Mecklenburg im nachstehenden Zitat klar entworfen: „Das spezifische interkulturelle Potential von künstlerischer Literatur liegt darin, wie und mit welchen Effekten sie kulturelle Differenzen inszeniert.“ [4] In dieser Perspektive lässt sich klar herausstellen, dass die Auseinandersetzung mit fremden Literaturen Schlüssel der Reflexion und Verständigung sowohl der fremden Kultur als auch der eigenen ist. Die fremde Kultur liefert folgerichtig die Kategorien zur Rekonstruktion der eigenen Lebensgeschichte. Was man in der fremden Kultur versteht, trägt also zur Erhellung der eigenen Lebensgeschichte bei.[5] Daher wird klar, dass die Beschäftigung mit der deutschsprachigen Literatur – Jean Bertrand Miguoué zufolge – als Medium zur Selbstreflexion und –verständigung betrachtet werden kann: „A look on the German space from its periphery can be fruitful for cultural and German Studies in Africa and bring answers to some questions that may be left without answer if one views the space only from Germany, the supposed core of the space.“ [6] Kurzum kann durch diese Arbeit die Vergangenheit im Konstruktionsprozess der eigenen Identität in meinem (afrikanischen) Kontext mitberücksichtigt werden.

0.3. Ziel und Erkenntnisinteresse

Seit einigen Jahren haben die interkulturellen Studien in zahlreichen Disziplinen an Boden gewonnen, etwa Linguistik, Soziologie, Anthropologie, Literaturwissenschaft, um nur diese zu erwähnen. Ausgangspunkt dieser starken Beschäftigung ist die moderne bzw. postmoderne Gesellschaft, die sich auf eine markante Weise nicht nur durch die Auflösung der starren Grenzen zwischen verschiedenen Kontinenten und Ländern, sondern auch durch die ständige Mobilität von Menschen und deren Netzverbindungen kennzeichnen lässt. Dabei bleibt diese Gesellschaft nicht mehr etwas Homogenes, das heißt, ein Zusammenleben von Menschen mit bestimmten Kulturen und Werten, sondern nun als das Ergebnis einer Zusammensetzung von Menschen bzw. Individuen unterschiedlicher Stämme und Geschichte oder Vergangenheit. Diese besondere Eigenschaft der heutigen Welt stellt – wie bereits erwähnt – Begriffe wie Nation, Kultur, und Identität stark in Frage, und schenkt einer Pluralität von Kulturen und einer neuen Wahrnehmung der Identität Beachtung. Geleugnet wird nicht, dass zwischen Menschen dieser interkulturellen Umgebung Differenzen, Missverständnisse und ferner Konflikte herrschen. Denn „unter den gegebenen Umständen muss die Überbetonung kultureller Verschiedenheit notwendig zur Marginalisierung des >Anderen< führen.“ [7] Spezifisch hier ist der Umstand, dass diese Marginalisierung nicht aus bloßer Betrachtung entsteht, sondern geht auf die Vergangenheit zurück. An dieser Stelle muss zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht nur die Marginalisierung des kulturell Anderen, sondern auch die Existenz einer kulturellen Unsicherheit in solcher Gesellschaft herrscht. Von diesen Schwierigkeiten ausgehend wird festgestellt, dass die Auseinandersetzung mit dieser menschlichen Interaktion darin besteht, bestimmte Mittel in Gang zu setzen, die dazu dienen, die kulturellen Differenzen zu überwinden, um zwischen Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen ein friedliches Zusammenleben zu fördern, das auf der gegenseitigen Akzeptanz und dementsprechend der gegenseitigen Anreicherung des kulturell Eigenen beruht. Diese Besorgnis wird im nachstehenden Zitat beschrieben:

Den Anderen verstehen und sich selbst erkennen bedeutet dann also das Wahrnehmen und das Zulassen und Zugestehen von Alterität innerhalb der Grenzen der eigenen Ordnung, aber auch das Erkennen eigener Wahrnehmungsmechanismen, die das Bild des jeweils Anderen prägen. [8]

Die Berücksichtigung der Alterität bestimmt das Bild, das man von sich selbst hat und das vom Anderen über das Eigene gemacht wird. Voraussetzung dieser gegenseitigen Wahrnehmung ist die Aufgeschlossenheit und die Interaktion mit dem Anderen. Daher ist von der Feststellung ausgegangen, „dass sich Momente des Fremden im Eigenen befinden.“ [9] In der österreichischen Gesellschaft zum Beispiel haben Juden und Nicht-Juden dieselbe (nationalsozialistische) Vergangenheit.

Die vorliegende Arbeit schreibt sich in eine bestimmte Perspektive der Forschung dieser Vergangenheit ein, und vertritt also die These, dass die Betrachtung bzw. die Repräsentation des kulturell Anderen ein geeignetes Mittel der Selbstentdeckung, -wahrnehmung, bzw. –inszenierung ist. Die Identität einer sozialen Gruppe ergibt sich nach der Interaktion zwischen anderen sozialen Gruppen. Daraus wird klar, dass die Auseinandersetzung mit dem Anderen nicht mehr auf einem heuristischen Versuch basiert, sondern vielmehr auf der Selbsterkennung bzw. –erfahrung und der klaren Wahrnehmung bestimmter Aspekte des Eigenen. „Es geht [hier] um das Phänomen der Modellierung von Feindbildern, die in Konfliktfall unbedingte Identifikation und Opferungsbereitschaft erzwingen.“ [10]

0.4. Das Problem und der aktuelle Erkenntnisstand

Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, sich schwerpunktmäßig mit der Repräsentation des Anderen zum Zweck der Selbstentdeckung bezüglich bestimmter historischer Ereignisse im Lichte eines besonderen literarischen Kunstwerkes, nämlich Heldenplatz des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard, zu beschäftigen. Hierbei wird von der Feststellung ausgegangen, dass der Blick, der auf den kulturell Anderen geworfen wird, sich nicht bloß auf das Lernen und das sich Erkennen beschränkt, sondern zielt in bestimmten Umständen darauf ab zu wissen, wer man eigentlich ist, woher man kommt, was für Erfahrungen der Vergangenheit man hat. Aufgrund bestimmter historischer Ereignisse und Konstellationen, die mehr oder weniger einen erheblichen Einfluss auf die Identitätsbestimmung des Individuums in der postmodernen Gesellschaft ausüben, ist das historische Bewusstsein in dem Prozess der Selbstbildung von großer Bedeutung. Die Vergangenheit hat eine entscheidende Funktion im Prozess der Identitätskonstruktion, denn ohne sie kann das Einzelne seine Gegenwart nicht begreifen und seine Zukunft nicht vorhersehen.

Vielmehr werden hingegen in diesem Forschungsfeld über das Andere Möglichkeiten der Herstellung von gegenseitiger Akzeptanz und Kommunikation einerseits und ferner von egalitärem Dialog und friedlichem Zusammenleben andererseits untersucht, die dessen Integration und Entfaltung in der neuen Gesellschaft gewährleisten können. Des Weiteren wird in derselben Blickrichtung der Kontakt mit dem Anderen als gewisse Gelegenheit betrachtet, die Zugang zum Entdecken und zur Aneignung für die Entwicklung des Selbst gibt. Diese Untersuchungen wurden bis dahin im Besonderen von afrikanischen Germanisten, etwa Alioune Sow[11], David Simo[12], Norbert Ndong[13], und Bertin Nyemb[14], um nur diese Namen zu erwähnen, unternommen.

Der von mir gewählte Autor Thomas Bernhard lässt sich durch seinen kritischen Umgang mit historisch gesellschaftlichen Missständen kennzeichnen. Dies erweckt auch noch Interessen und Reflexionen über diese Missstände in einer kulturell globalisierten Welt. Dass in Europa zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über den Schriftsteller und dessen Werke geschrieben werden, ist also kein Zufall. An dieser Stelle lohnt es sich, die Arbeiten von Jacqueline Summer, Martin Kraus, und Catriona Firth zu erwähnen, im Mittelpunkt derer das Werk Heldenplatz steht. Der Inhalt der Magisterarbeit von Summer lässt sich im nachstehenden Zitat zusammenfassen: „Das zentrale Thema bildet die Verlogenheit der österreichischen Gesellschaft mit den damit verbundenen katastrophalen Folgen für den denkenden Einzelmenschen.“ [15] Während Jacqueline Summer sich in eine gesellschaftskritische und autobiografische Perspektive einschreibt, unternimmt Martin Kraus[16] in seiner Masterarbeit eine rezeptive Vorgehensweise des Stücks, indem er die gesellschaftlichen Bedingungen und Kontexte untersucht, die dem Skandal nach dessen Veröffentlichung zugrunde liegen. In demselben Blickwinkel ist es erforderlich, den Aufsatz von Martine Sforzin zu erwähnen, die sich auch mit den politischen Kontexten des Skandals im Bernhards Werk auseinandersetzt, indem sie das Werk als ein „Bewältigungsdrama“[17] betrachtet. In ihrer Masterarbeit untersucht Catriona Firth[18] in Bezug auf die Rezeption einiger literarischer Kunstwerke durch die Presse die Beziehung zwischen Literatur und historischem Gedächtnis in Österreich.

In dieser Arbeit wird zu zeigen versucht, wie die Bildung eines kulturellen Bewusstseins und der Identität des Individuums oder der Gruppe in der zeitgenössischen Gesellschaft auf bestimmte historische Ereignisse zurückgreift. Daher wird klar, dass die (kulturelle) Identität aufgrund bestehender Situationen etwas Konstruiertes ist, das in diesem Rahmen mit Blick auf die Vergangenheit möglich ist. In dieser Blickrichtung werden Begriffe wie Erinnerung, Gedächtnis, Vergangenheit und kulturelle Identität besonders im Rahmen dieser Arbeit in Acht genommen.

0.5. Die Fragestellungen

Beim näheren Hinsehen wird von vornherein angemerkt werden, dass die Moderne zwar bestimmte Reformen bzw. Veränderungen an sich gebracht hat, die für die Verbesserung der Lebensverhältnisse des Menschen relevant sind. Aber der Druck des Vergangenen ist in dieser modernen Zeit nicht zu leugnen. Die Auseinandersetzung mit solch einem Thema erweckt also folgende Fragestellungen:

Wie lässt sich die kulturelle Identität des Subjekts in der Moderne konzipieren und welche Rolle erfüllen die Erinnerung und das Gedächtnis dabei? Wie verfährt die Literatur, um kulturelle Unterschiede zu inszenieren, und deren Verhältnisse ans Licht zu bringen? Wie lässt sich die auf dem Anderen geworfene Blick rechtfertigen? Wie leistet die Literatur durch diese Inszenierung einen Beitrag zur Konstruktion des kulturellen Gedächtnisses? Im Rahmen dieser Arbeit wird versucht, auf die oben gestellten Fragen einzugehen.

0.6. Forschungsleitende Thesen, theoretische Basis und methodisches Vorgehen

Von der Unmöglichkeit, theoriefrei Literatur zu lesen und die Notwendigkeit, sich literaturtheoretisch zu bilden. [19]

Die Methode „ist der Weg zu einem Ziel. Methode ist die Art und Weise, etwas noch nicht Realisiertes in Realität umzusetzen und dabei aus dem unerkannten Gegenüber in seiner abgespaltenen Existenz ein für den einzelnen Erkanntes zu machen.“ [20] Im Zentrum meiner Arbeit steht die Identitätsbildung mithilfe historischer Ereignisse, die durch das Gedächtnis bewahrt und durch die Erinnerung zur Sprache gebracht werden. Dabei wird von vornherein auf die Gedächtnistheorien von Jan und Aleida Assmann und die Identitätstheorien – bei Stuart Hall im Besonderen – zurückgegriffen. Es wird in diesem Rahmen Begriffe wie Mythos, Erinnerungsort und kulturelles Gedächtnis untersucht, um also das Verhältnis zwischen Literatur, Geschichte und Gedächtnis hervorzuheben. Das kulturelle Gedächtnis „ umfasst die Inhalte, kulturellen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Überlieferungsformen der kollektiven Erinnerung.“ [21] Dabei geht es mir in diesem Teil darum zu zeigen,

dass das Gedächtnis kein Speicher ist, der die Vergangenheit selbst bewahrt, sondern dass die Gesellschaft von ihrer jeweils gegenwärtigen Situation aus ihre(n) Geschichte(n) unter wechselnden Bezugsrahmen neu konstruiert. [22]

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass literarische Texte in dieser Hinsicht „als Dokumente neben anderen [23] erscheinen, die gemeinsam einen >Erinnerungsraum<aufspannen.“ [24] In derselben Blickrichtung wird die Analyse von Konzepten wie kollektive Identität und Selbstmord in Acht genommen, die für die Selbsterkennung der jüdischen Figuren bedeutungskräftig sind.

Damit werden sowohl die Komplexität der Identitätsbildung und deren wandelbaren Charakter bearbeitet, als auch die verschiedenen Bestandteile, die diesem Prozess zugrunde liegen. Denn „Gedächtnis und Erinnern spielen eine entscheidende Rolle beim Aufbau und dem Erhalt individueller wie gesellschaftlicher Identität.“ [25] Das Gedächtnis erfüllt die Funktion des Speichers historischer Ereignisse und Erfahrungen, worauf sich das Individuum beruht, um ständig seine Identität zu bestimmen. Die Erinnerung ist die Instanz, die Zugang zu diesen gespeicherten Erfahrungen gibt. Hier wird – so Ibrahima Diagne – Erinnern demzufolge als performativer Prozess verstanden, der seinen Gegenstand konstituiert, (re-)inszeniert und ständig modifiziert, wobei die Identität neu gebildet und bewahrt wird.[26]

Eine andere Methode, die ich für diese Arbeit für angebracht halte, ist die Strukturanalyse. Jürgen Schutte hat eine Variante der Textanalyse bearbeitet, die für pragmatische Annäherung an dem literarischen Text gelten kann. Er basiert sich auf einem Zitat von Sartre über die Erzeugung von literarischen Kunstwerken, um die Mitteilungsfunktion von Literatur zu unterstreichen:

„Was sagt der Autor eigentlich? Von welchen Sachverhalten ist aus welcher Perspektive und in welcher spezifischen Form die Rede? Warum wird gesprochen, warum so und nicht anders? An wen ist die Äußerung gerichtet?“ [27]

Schutte zufolge schreibt sich diese Fragestellung in die Textstrategie ein, insofern als er von dem Gegenstand, dem Verfahren und der Wirkungsabsicht spricht.

Der Gegenstand verweist auf den „vom Autor angeeigneten Ausschnitt der Wirklichkeit, beschreibbar als Sachverhalt, Erlebnis, Ereignis, Problem“.[28] Das Verfahren ist die besondere Weise der Aneignung und Mitteilung des Gegenstandes, beschreibbar als Darstellungs-, Deutungs-, und Wertungsmuster des Textes[29] und die Wirkungsabsicht bedeutet die im Text erkennbaren Wirkungsabsichten, bezogen auf einen Adressaten und beschreibbar als Appel, Parteinahme, Tendenz.[30]

Diese Methode wird Anlass zur Analyse kultureller Unterschiede und die Verhältnisse zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen im Werk geben. Dabei ist es nicht nur die Rede davon, wie die Literatur sich kulturelle Differenzen aneignet und sie inszeniert, sondern auch die Gründe oder die Ausgangspunkte der Identitätsbildung zu bearbeiten. Geleugnet wird nicht, dass diese Verhältnisse zwischen diesen Kulturen sich zum Teil auf Ereignisse der Vergangenheit, nämlich in dem Zweiten Weltkrieg besonders mit der Machtergreifung Hitlers, stützen. Bei dieser Analyse der Inszenierung der Repräsentation des kulturell Anderen geht es darum zu zeigen, wie es dem Schriftsteller Thomas Bernhard gelegentlich des 100-jährigen Eröffnungsjubiläums des Wiener Burgtheaters 1988 gelungen ist, die Interaktion zwischen österreichischer kultureller Minderheiten mithilfe ästhetischer Mittel zu verarbeiten, die für das Selbstbewusstsein der jüdischen Figuren und deren Identität stiftend sind. Aber es soll der Eindruck nicht vermieden werden, dass der Text für die Selbstreflexion seines Autors geschrieben wurde. Die Strukturanalyse einbegriffen der Analyse sowohl des semantischen Feldes als auch der Figurenkonstellation ist in diesem Rahmen zum Zielerreichen von großem Belang.

Des Weiteren wird die literatursoziologische Methode für die folgende Arbeit von großer Bedeutung sein. Hier wird der Literaturbegriff als Ort zu betrachten, wo sich „spezielles zwischenmenschliches Handeln vollzieht.“ [31] Die Literatursoziologie – so argumentiert der Theoretiker Hans Norbert Fügen – hat es demnach mit dem Handeln der an der Literatur beteiligten Menschen zu tun ; ihr Gegenstand ist die Interaktion der an der Literatur beteiligten Personen.[32] Davon ausgehend wird klar, dass literarische Figuren hier in ihrem fiktionalen Handlungszusammenhang soziologisch analysiert werden, als wären sie wirkliche Personen; sie erscheinen als einzelne Rollenträger oder als Elemente von Figuren-Konstellationen.[33] Damit wird die These vertreten, dass die Repräsentation des kulturell Anderen ein wirksames Mittel zur Selbsterfahrung und zur Bildung des Selbstbewusstseins in einer multikulturellen Gesellschaft ist. Es wird daher zu zeigen versucht, dass der Blick, der von den Juden auf die Österreicher bzw. die österreichische Gesellschaft geworfen wird, ein Mittel für sie ist, sich ihrer Lage in dieser Gesellschaft und ihrer Geschichte bzw. Vergangenheit bewusst zu werden. In demselben Sinne ist auch der Blick des Autors über die Juden ein Mittel zur Infragestellung bestimmter Aspekte der eigenen Vergangenheit.

0.7. Zum Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Forschungsarbeit lässt sich in vier Kapitel gliedern. Das erste Kapitel setzt sich schwerpunktmäßig mit der Subjektbestimmung bzw. –definition im Zeitalter der Globalisierung auseinander. Dabei wird das theoretische Wissen durch Definition von Fachbegriffen und Diskussion wissenschaftlicher Positionen über die kulturelle Identität und die Rolle der Erinnerung und des Gedächtnisses im Prozess der Identitätskonstruktion in der heutigen Gesellschaft in den Vordergrund gerückt. Dann wird ein Exkurs über den multikulturellen Charakter der österreichischen Gesellschaft gemacht werden. Ziel dieses Exkurses besteht nicht bloß darin, Österreich als ein im Zeitalter der Globalisierung aufgrund ständiger Migrationsphänomenen multikulturell geprägtes Land zu betrachten, was selbstverständlich ist. Vielmehr wird zu zeigen versucht, dass der österreichische Staat schon in der Vergangenheit besonders in der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie ein multikulturelles Land gewesen ist, und dass das Problem der Staatsangerhörigkeit bis dahin immer zu öffentlichen Diskussionen steht. In dem zweiten Kapitel widme ich mich der Werkanalyse, im deren Mittelpunkt die Analyse von kulturellen Unterschieden und die Verhältnisse zwischen im Werk auftauchenden verschiedenen kulturellen Gruppen stehen. Im dritten Kapitel meiner Arbeit gehe ich auf die Repräsentation des kulturell Anderen als wirksames Mittel zur Selbsterfahrung und sogar auch –bestimmung der Juden bzw. der jüdischen Figuren im Werk Heldenplatz ein. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Beitrag der Literatur zur Konstruktion des jüdischen kulturellen Gedächtnisses. Denn beim näheren Betrachten wird aufgrund des Zusammenhangs zwischen Literatur, Geschichte und Gedächtnis festgestellt, dass die Literatur in ihrem Prozess der Verarbeitung gesellschaftlicher bzw. geschichtlicher Ereignisse Zeugnis über das Vergangene oder die Vergangenheit ablege, das zur Konstruktion kulturellen Gedächtnisses und zur Bewahrung der Identität einen erheblichen Beitrag leistet.

KAPITEL 1: IDENTITÄTSBILDUNG IN INTERAKTION MIT DER VERGANGENHEIT

In diesem Kapitel setze ich mich mit terminologischem bzw. begrifflichem und theoretischem Wissen über die Subjektbestimmung In der zeitgenössischen Welt auseinander. Es geht mir darum, erstens die Komplexität von Begriffen ans Licht zu bringen, die im Rahmen der Gedächtnisforschung zum Ausdruck kommen; und zweitens Positionen zu besprechen, die die Gegenwartsnähe der kulturellen Bestimmung und der Identitätskonstruktion legitimieren. Dies ebnet den Weg zur spätkommenden Werkanalyse, wobei die Repräsentation des kulturell Anderen aus einer multikulturellen Gesellschaft resultiert, in der die Marginalisierung bzw. die Exklusion des Anderen eine Frage der Alltäglichkeit geworden ist.

1.1. Begriffsbestimmung

Die Auseinandersetzung mit kulturellen Verhältnissen und der Identitätsbildung in der postmodernen Gesellschaft setzt von vornherein voraus, dass bestimmte Begriffe oder Termini definiert werden, die häufig im Rahmen der Literaturwissenschaft verwendet werden. Darüber hinaus handelt es sich auch um Konzepte, die für das Verständnis der vorliegenden Arbeit von relevanter Bedeutung sind. Es ist also die Rede von Kultur, Identität, Alterität, Repräsentation, Erinnerung, Gedächtnis und Globalisierung.

1.1.1. Kultur

Der Begriff „Kultur“ – abgeleitet vom lateinischen ‚colere‘ und bedeutet bebauen, bestellen, pflegen – bezeichnet „zunächst ganz allgemein die Art und Weise, wie die Menschen ihr Leben gestalten mitsamt den Produkten ihres Denkens und Schaffens.“ [34] Von dieser Bestimmung ausgehend verweist der Begriff „Kultur“ auf ein Zeichenrepertoire von Symbolen und Werten, das die Denkweise und das Handeln einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe orientiert. Es gilt in dieser Blickrichtung anzumerken, dass Kultur mit Angehörigkeits- und Anerkennungsgefühl zusammenhängt. Denn diese Symbole und Werte, die eine bestimmte Kultur festlegen, sollen von deren Mitgliedern anerkannt werden.

Kultur wird im Rahmen dieser Arbeit verstanden „als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen, Wertorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden.“ [35] Diese Bestimmung der Kultur hebt die Tatsache positiv hervor, dass Kultur sowohl die Handlungsweisen als auch die Denkweisen der Betroffenen bzw. Mitglieder einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe ausrichtet. Sie ist nicht immer eine einfache Wiederholung von Ritualen, Werten und festgelegten Normen. Beim näheren Hinsehen stellt sich eher heraus, dass Kultur nicht etwas Statisches ist, sondern wird von den Angehörigen in seinen Handlungsweisen, Weltanschauungen und Konstruktionen immer neu aktualisiert. Kultur wird somit von ihren Angehörigen aufgrund erlebter Erfahrungen immer erweitert und bereichert. Sie ist dementsprechend ein Konstrukt, das dem Einzelnen oder der Gruppe dazu dient, in jeder neuen Situation ein mehr oder weniger klares Bild über sich selbst zu machen. Dies lässt sich dadurch begründen, dass sie „die historische und kulturelle Spezifizität der Lebensweise von Kollektiven in den Mittelpunkt rückt.“ [36] Wohlgemerkt wird dabei nicht geleugnet werden, dass Kultur hier als Prozess sowie als System verstanden wird und gilt gleichzeitig als Fundament im Sinne von Zwischenwelt symbolischer Formen oder von sinntragendem System[37] und als Konstruktion. In diesem Sinne ist Kultur homogen, insofern als sie nicht nur die hervorstechenden Eigenschaften der Gruppe beinhaltet und die Identifikation deren Mitglieder erleichtert, sondern dient auch dazu, sich von den anderen sozialen Gruppen zu unterscheiden.

1.1.2. Identität

Das numerische Lexikon „Wahrig Digital“ definiert den Begriff „Identität“ als „das Bild, das man von sich selbst und der eigenen Persönlichkeit hat.“ [38] Aus dieser Definition wird die Tatsache unterstrichen, dass die Identität auf die Fähigkeit des Sich-Bestimmen, des Sich-Begreifen oder noch der Selbstbeherrschung verweist. Davon ausgehend wird zwischen zwei Arten von Identität unterschieden, nämlich die kollektive und individuelle bzw. persönliche Identität. Unter kollektiver Identität ist jene zu verstehen, die an die Ausbildung gruppenspezifischer Kulturformen gebunden ist.[39] Die kollektive Identität verweist auf das Bild, das die Spezifizität der ganzen Gruppe ausmacht und das der Identifikation von Mitgliedern zugrunde liegt. Was die persönliche Identität anbelangt, soll präzisiert werden, dass es ausgehend von der Heterogenität dieses Begriffs in verschiedenen Disziplinen und einer Menge von unterschiedlichen Identitätstheorien nicht leicht erscheint, diesem Letzteren eine einheitliche Definition zuzuschreiben. Trotzdem kann – Stefan Glomb zufolge – persönliche Identität verstanden werden als

de[r] von der oder dem Einzelnen immer wieder zu bewerkstelligende, am Schnittpunkt von gesellschaftlicher Interaktion und individueller Biographie stattfindende Prozess der Konstruktion und Revision von Selbstbildern. [40]

Im Anschluss an Peter Ulrich „ist sie die Summe der nicht nur kurzfristigen Wahrnehmungen des Ich, sondern auch das Gefühl der Konstanz der Person unter sich wandelnden Bedingungen.“ [41] Sowohl die Auffassung von Stefan Glomb als auch die von Peter Ulrich rückt die Tatsache in den Mittelpunkt, dass Identität hier für das persönlichkeitspsychologische Selbst steht. Hier geht es darum, dass das Individuum in der Lage sei, unter ständig wechselnden Situationen ein klares Bild über sich selbst zu haben. Hinzu kommen Anteile der Identität, die ebenso wie rollen-induzierte Prägungen sozialer Natur sind, aber auf „Zugehörigkeit zu Gruppen und Kollektiven beziehen.“ [42] In der Sozialpsychologie wird sie in Anlehnung an die Arbeiten von Tajfel und Turne „soziale Identität“ [43] genannt, also die verschiedenen Rollen, die das Einzelne in der Gesellschaft hat.

Im Rahmen dieser Arbeit wird auf die sozialpsychologische Auffassung der Identität gestützt werden, im Mittelpunkt derer nicht das Psychologische „Wer bin ich“ im Vordergrund steht, sondern vielmehr „zu wem gehöre ich“ sowie „wer sind wir.“ [44] Dies lässt sich dadurch begründen, dass die Identität hier aus einer sozialen Interaktion von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und mit Berücksichtigung des Blicks auf die historischen Erfahrungen resultiert. Damit wird die Ansicht vertreten, dass Identität nicht etwas Natürliches oder Statisches ist, sondern das Produkt eines Konstrukts, das das Bewusstsein des Einzelnen in bestimmten Umständen gewährleistet und für seine Kultur sinnstiftend ist.

1.1.3. Alterität

Aus dem lateinischen alter (anders) stammend, verweist dieses Konzept auf das „Anderssein, Fremdsein“. [45] Ausgehend von dieser Gleichbedeutung der Andersheit und Fremdheit unterscheidet Karlheinz Ohle zwischen einem „kognitiv Fremden“ – im Sinne vom Unbekannten, Unvertrauten, Unverständlichen oder Unerkannten – und dem „normativ Fremden“, der aufgrund bestimmter Normen als nicht zugehörig gilt.[46] Zwar kann diese Gleichbedeutung beider Begriffe von vornherein problematisch erscheinen, indem der Begriff ‚Fremd‘ im engsten Sinne bzw. grenzspezifisch oder geographisch betrachtet wird. Aber beim näheren Hinsehen wird festgestellt, dass die Fremdheit aufgrund der heterogenen Gesellschaft und den vielfältigen Lebensformen von Menschen durch die Unfähigkeit der Verständigung kulturspezifischer Symbole, Werten und Normen und deren Nicht-Zugehörigkeit ermessen werden könnte: „Der Begriff des ‚Fremden‘ trifft somit nicht nur auf Ausländer aus staatsbürgerlicher Sicht zu, sondern auch auf Menschen mit anderen Lebensformen, Traditionen, Gewohnheiten und anderem Aussehen.“ [47] Daher wird klar, dass der Fremde heute nicht mehr derjenige ist, der aus einem anderen Land oder Territorium stammt, sondern vielmehr derjenige, der nicht Teil der betroffenen Gruppe und deren historisch- und kulturspezifische Werte und Normen ist. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass der Begriff ‚kulturell Andere‘ im Rahmen dieser Arbeit deshalb vielmehr anstatt ‚Fremde‘ verwendet wird, der seinerseits im zweiten Kapitel der Arbeit kontextorientiert bestimmt wird.

1.1.4. Repräsentation

Das Konzept „Repräsentation“ stammt aus dem lateinischen répraesentatio und bedeutet Darstellung, Vertretung. Die Repräsentation lässt sich also definieren als „ein Prozess der Sinnkonstituierung, in dessen Verlauf die Komponente Referenz und Performanz insofern eine eminente Rolle spielen, als sie Ambiguität und Neues schaffen.“ [48] Im Prozess der Repräsentation wird das Repräsentierte zum Zwecke der Sinngebung nach einer Referenz oder einem äußerlichen Gegenstand gesucht, die durch ihre Kraft und ihre Unerlässlichkeit zur Stabilität des Einzelnen beiträgt. Aus einer psychologischen Perspektive verweist dieser Begriff auf eine „perception, image mentale, dont le contenu se rapporte à un objet, à une situation, à une scène du monde dans lequel vit le sujet.“ [49] Diese Bestimmung erwähnt also den Umstand, dass die Repräsentation ein mentaler Prozess ist, der von einer Wahrnehmung ausgeht, um deren Sachverhalte bzw. Referenzen in der umgebenden oder wirklichen Welt zu identifizieren. An dieser Stelle kann nicht geleugnet werden, dass die Repräsentation eine entscheidende Rolle beim Erhalt der psychischen Lage oder Identität des Einzelnen spielen kann.

1.1.5. Erinnerung

Im Rahmen der Gedächtnisforschung wird der Begriff „Erinnerung“ im Zusammenhang mit „Gedächtnis“ verwendet. Im Gegensatz zum Gedächtnis wird die Erinnerung bestimmt als „eine kognitiv-psychische Konstruktion, die bewusst werden muss und dann sprachlich formuliert werden kann.“ [50] Die Erinnerung ist also eine Tätigkeit, deren Ziel darin besteht, Zugang zu bestimmten vergangenen Ereignissen zu haben. Diese Erinnerungsfunktion lässt sich in dieser Bestimmung des Begriffs Erinnern durch Astrid Erll spüren: „Erinnern ist eine sich in der Gegenwart vollziehende Operation des Zusammenstellens (re-member) [Hervorhebung durch den Verfasser]verfügbarer Daten.“ [51] Davon ausgehend wird die Tatsache unterstrichen, dass Erinnern immer mit der Gegenwart zusammenhängt, denn die Gegenwart oder die gegenwärtige Situation ist für die zu erinnernden Teile der Erlebnisse entscheidend. Es handelt sich in diesem Kontext um grausame oder schreckliche Ereignisse, die von dem Individuum weder verdrängt noch vergessen werden können, etwa bei den Erfahrungen des Nationalsozialismus. Es soll nicht den Eindruck vermieden werden, dass es beim Erinnern nicht nur um schreckliche und grausame, sondern auch glückliche Erfahrungen geht. In derselben Blickrichtung mögen Rossberg und Lansen diesen Gedanken zu Eigen, wenn sie behaupten: „Zum Erinnern verurteilt jedoch sind die Verfolgten, denn sie können weder vergessen noch verdrängen, was sie an schrecklichem erlebt haben. Sie können ihrer Erinnerung nicht entfliehen.“ [52]

1.1.6. Gedächtnis

Das Konzept „Gedächtnis“ wird oft – wie bereits erwähnt – entweder im Zusammenhang oder im Begriffspaar mit Erinnerung verwendet. Dies bedeutet keineswegs, dass sie Synonyme sind. Während die Erinnerung eine kognitiv-psychische Konstruktion ist, verweist das Gedächtnis auf „eine neuronale Funktion.“ [53] Darum ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Gedächtnis kein exakter Speicher ist, sondern ein dynamisches Organ der Anpassung an eine sich wandelnde Gegenwart und kann sich so auf immer Neues einstellen.[54] Hier wird die Tatsache hervorgehoben, dass Gedächtnis mit Geschichte nicht gleichzusetzen ist, und dass Gedächtnis eine eminente Rolle im Prozess der Identitätskonstruktion in der Gegenwart spielen kann. Im nachstehenden Zitat lässt sich der Unterschied zwischen Gedächtnis und Geschichte klar machen:

Gedächtnis, Geschichte: keineswegs sind dies Synonyme, sondern, wie uns heute bewusst wird, in jeder Hinsicht Gegensätze. […] Das Gedächtnis ist ein stets aktuelles Phänomen, eine in ewiger Gegenwart erlebte Bindung, die Geschichte hingegen eine Repräsentation der Vergangenheit […] Das Gedächtnis rückt die Erinnerung ins Sakrale, die Geschichte vertreibt sie daraus, ihre Sache ist die Entzauberung. Das Gedächtnis entwächst einer Gruppe, deren Zusammenhang es stiftet […] Die Geschichte dagegen gehört allen und niemanden, so ist sie zum Universalen berufen. [55]

Was in diesem Zitat wichtig und auch für diese Arbeit bedeutungskräftig ist, ist nicht nur dieser klare Unterschied zwischen beiden Begriffen, sondern auch diese Art der Sakralisierung von der Erinnerung durch das Gedächtnis, die für die Identitätsbildung einer Gruppe und deren Selbstvergewisserung in der Gegenwart entscheidend ist. Es wird dabei von der Tatsache ausgegangen, dass „jeder Mensch und jedes Volk […] je nach seinen Zielen, Kräften und Nöthen eine gewisse Kenntnis der Vergangenheit braucht“ [56]. Durch das Gedächtnis wird diese gewisse Kenntnis gewährleistet, die im Prozess der Selbstwahrnehmung dieses Volkes von großer Bedeutung ist. Daher wird in diesem Blickwinkel zwischen „kommunikativem“ und „kulturellem“ Gedächtnis unterscheiden; das, was ich im vierten Kapitel dieser Arbeit besprechen werde.

1.1.7. Globalisierung

In Rassismus und kulturelle Identität wird der Begriff ‚Globalisierung‘ von Stuart Hall definiert als

solche Prozesse, die weltweit wirken, nationale Grenzen durchschneiden, Gemeinschaften und Organisationen in neuen Raum-Zeit-Verbindungen integrieren und miteinander in Beziehung setzen und die Welt real wie in der Erfahrung stärker miteinander verbinden. [57]

Die Globalisierung wird also als Zeit-Raum-Raffung aufgefasst, die durch elektronische Kommunikations- und durch Transporttechnologien ermöglicht wird.[58] Sie hat dazu geführt, dass sich auf demselben Territorium bzw. Ort Menschen mit unterschiedlichen historischen und kulturellen Hintergründen zusammentreffen. Davon ausgehend hängt das neue Kulturverständnis mit dem Prozess der Globalisierung zusammen. Neue Kategorien wie Offenheit, Vielfalt, Transnationalität, Vielschichtigkeit, Mehrdeutigkeit, Dynamisierung, Veränderlichkeit, Wahrnehmung der Pluralität, Transkulturalität, Polyglosie, Multikulturalität, und Synkretismus liegen dem neuen Kulturverständnis zugrunde.[59] Ein der grundlegenden Merkmale dieses Phänomen ist sowohl der Identitätsverlust als auch die ständige Suche nach sich selbst und dem Eigenen. Denn in verschiedenen neuen Umständen versucht vielmehr das Individuum, sich ein Bild von sich selbst zu machen. Daher entsteht – so Elisabeth Beck-Gernsheim – das gesellschaftliche Ordnungsproblem, das sich in folgender Fragestellung zusammenfasst: „Wo gehören sie hin, zu uns, zu den anderen, zu welchen anderen?“ [60] Dieser neue Lebensraum stellt eine natürliche Auffassung der Identität und Kultur ständig in Frage und fordert eine Berücksichtigung von Alterität in dem Prozess der Identitätskonstruktion und der kulturellen Bestimmung.

1.2. Subjekt und Identitätsbildung

Ziel dieses Teilkapitels von der Arbeit besteht nicht darin, dass ich mich mit dem Identitätsbegriff in allen Disziplinen bzw. Bereichen beschäftige, sondern dass ich das evolutionäre Merkmal dieses Letzteren hervorhebe. Des Weiteren wird auch untersucht, welche Rolle die Erinnerung in der Identitätsbildung des Einzelnen haben kann.

1.2.1. Identitätsformen

In seinem Buch Mind, Self, Society schreibt George Mead über die Natur von Identität:

The Self [hier die Identität] is something which has a development; it is not initially there, at birth, but arises in the process of social experience and activity, that is, develops in the given individual as a result of his relations to that processus as a whole and to other individuals within that process. [61]

In dieser Bestimmung ist George Mead der Meinung, dass die Identität bzw. the Self von der Geburt an keine natürliche Angabe ist, sondern vielmehr das Ergebnis sozialer Erfahrungen und Tätigkeiten. So gesehen wird Identität mit ständigem Prozess der Selbstkonstruktion gleichzusetzen. Daher wird in Anlehnung an Stuart Hall zwischen drei Konzepten bzw. Formen der Identität unterschieden, die hic et nunc besprochen werden sollen.

1.2.1.1. Identitätsauffassung der Aufklärung: klare Selbstwahrnehmung des Subjekts

Das Subjekt der Aufklärung ist jenes, das aufgrund der Vernunft über Denk- und Handlungsfähigkeiten verfügt. Dieses Subjekt – Stuart Hall zufolge – basierte auf einer Auffassung der menschlichen Person als vollkommen zentriertem und vereinheitlichtem Individuum.[62] Damit wird die Tatsache hervorgehoben, dass die Identität des Subjekts auf dessen Zentriertheit und Einheit verweisen. Es ist die Rede von einem Individuum, das sich durch seine Autonomie und eine klare und strukturelle Selbstbestimmung kennzeichnen lässt. Er betrachtet sich als Wesen bzw. Menschen, der verantwortlich für seine Handlungen ist. Wakounig V. macht sich diesem Gedanken zu Eigen, wenn er genau unterstreicht:

Aufklärung und Bewusstseinsänderung [[ist]… auch] Voraussetzung dafür, dass sich Menschen in abhängigen und minoritären Verhältnissen als handelnde Subjekte zu begreifen beginnen und die Selbstbestimmung zum Ziel ihrer Bildung und Handlung erklären. [63]

Nach der Auffassung der Aufklärung, wobei die Identität mit der Autonomie des Subjekts und dessen klarer Selbstwahrnehmung zusammenhängt, gehe ich jetzt auf die Auffassung der Identität aus soziologischer Hinsicht ein, die nämlich die zweite Auffassung der Identität bildet.

1.2.1.2. Identitätsauffassung aus soziologischer Hinsicht: Subjekt in Interaktion mit den Anderen

Aus der soziologischen Sicht wird die These verteidigt, dass das Subjekt nicht mehr als ein autonomes und vereinheitlichtes Wesen zu betrachten ist, sondern dass Identität „im Verhältnis zu ‚bedeutenden Anderen‘ geformt wurde, die dem Subjekt die Werte, die Bedeutungen und Symbole vermitteln.“ [64] Diese Symbole und Werte sind Schlüssel für seine Sozialisation und für seine Identifikation in einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. Dies lässt sich dadurch begründen, dass die Sozialisation des Individuums eine prägende Rolle im Prozess nicht nur der kulturellen Entwicklung und Entfaltung, sondern auch der Identitätsbildung spielt. Davon ausgehend wird Identität nicht mehr als etwas Gegebenes oder Statisches konzipiert, sondern vielmehr als das Produkt einer Interaktion zwischen dem Individuum und der Gesellschaft, in der es lebt. Identität ist vielmehr eine Art „Kluft zwischen dem ‚Innen‘ und dem ‚Außen‘ – zwischen der persönlichen und der öffentlichen Welt.“ [65] In derselben Blickrichtung gibt George Mead zu diesem Einfall seine Zustimmung, wenn er positiv ans Licht bringt:

There is, then, a process by means of which the individual in interaction with others inevitably becomes like others in doing the same thing, without that process appearing in what we term consciousness. We become conscious of the process when we do definitely take the attitude of the others. [66]

Was in diesem Zitat wichtig und auch für diese Arbeit relevant ist, ist die Tatsache, dass die Anderen einen erheblichen Einfluss auf die Identität oder die Selbstwahrnehmung des Einzelnen üben. Die Anderen öffnen also dem Individuum den Weg zur Selbstfindung. Das kulturelle Bewusstsein oder die kulturelle Identität wird dementsprechend mit Berücksichtigung der anderen Mitglieder und durch die Zugehörigkeit zu einer spezifisch kulturellen Gruppe bestimmt, woraus das Individuum seine Identität entnimmt. Identität stabilisiert daher sowohl die Subjekte als auch die kulturellen Welten, die sie bewohnen, und macht sie beide auf reziproke Weise einheitlicher und vorhersehbar.[67]

1.2.1.3. Identitätsauffassung der Postmoderne: ein zerstreutes Subjekt

Die postmoderne Gesellschaft ist – in Anlehnung an Stuart Hall – per definitionem Gesellschaft des beständigen, schnellen und permanenten Wandels. Sie ist darüber hinaus eine Gesellschaft von Differenzen. Damit wird auch die Konzeption der Nation als etwas Totales, Homogenes in Frage gestellt, und vielmehr als eine Gesamtheit von Individuen mit unterschiedlichen historischen und kulturellen Hintergründen wahrgenommen. Identität wird in diesem Rahmen „ein ‚bewegliches Fest‘. Sie wird im Verhältnis zu den verschiedenen Arten, in denen wir in den kulturellen Systemen, die uns umgeben, repräsentiert oder angerufen werden, kontinuierlich gebildet und verändert.“ [68] Die Identität ist das Ergebnis der verschiedenen Arten von Repräsentationen, die sich in Bezug auf bestimmte Umstände verändern. An dieser Stelle soll der von Ernesto Laclau (1990) verwendete Begriff „Zerstreuung“[69] eingeführt werden. Dabei geht Laclau von der Tatsache aus, dass die postmoderne Gesellschaft kein einheitliches und klar begrenztes Ganze ist und steht unter ständigen revolutionären Veränderungen. In dieser Sicht hat das Subjekt keine biologische bzw. natürliche Identität, sondern konstruiert seine Identität je nach Situationen, in denen es sich befindet:

Dieses Subjekt ist historisch, nicht biologisch definiert. Es nimmt zu verschiedenen Zeiten verschiedene Identitäten an, die nicht um ein kohärentes ‚Ich‘ herum vereinheitlicht worden sind. In uns wirken widersprüchliche Identitäten, die in verschiedenen Richtungen drängen, so dass unsere Identifikationen beständig wechseln. (Hall 1990)[70]

Relevant in diesem Zitat ist der Zusammenhang zwischen dem Individuum und der Geschichte bzw. Vergangenheit im Prozess der Identitätskonstruktion. Dabei wird klar, dass bestimmte historische Erlebnisse für diesen Prozess von großem Belang sind, und erst durch die Erinnerung erreichbar oder möglich sind. Dieser Beziehung zwischen Erinnerung und Identitätsbildung widme ich jetzt.

1.2.2. Erinnerung und Identität

Aufgrund der in dem 20. Jahrhundert erlebten katastrophalen Ereignisse hat die Forschung über Erinnerung, Gedächtnis und Geschichtsschreibung in unterschiedlichen Disziplinen an Boden gewonnen. Da diese Ereignisse zur psychischen Zerstörung des Menschen, das heißt zur Traumatisierung, geführt haben, sind die Interessen im Rahmen der Gedächtnis- bzw. Erinnerungsforschung inzwischen auf den Zusammenhang von Erinnerung und Identität gelenkt. Es geht darum zu zeigen, wie und mit welcher Intensität ein eigentlich in der Vergangenheit verursachtes Trauma in der Gegenwart fortwirken kann, indem es das gegenwärtige Erleben eines Individuums sehr stark beeinflusst, um nicht zu sagen, beeinträchtigt.[71] Der Akt des Erinnerns kann also nicht nur vergangene traumatische Ereignisse im gegenwärtigen Leben des Opfers hervorrufen, sondern auch einen Einfluss auf dessen Identitätskonzeption üben. Denn „die Unfähigkeit eines Traumaopfers, adäquat auf ein traumatisches Ereignis zu reagieren, kann sich derart manifestieren, dass sie auch für Dritte in der Form von Symptomen nach außen hin sichtbar wird.“ [72]

1.2.2.1. Erinnerung und Trauma

Aufgrund des Gewaltgrades können frühere oder vergangene Ereignisse nicht einfach vergessen oder noch verdrängt werden. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges bzw. des Holocausts im Besonderen waren zum Beispiel der Höhepunkt von den jüdischen Gewalttätigkeiten, die bis dahin mit dem Akt des Erinnerns traumatisch geblieben sind:

The experience of a trauma repeats itself, exactly, and unremittingly, through the unknowing acts of the survivor and against his very will. […] [This experience] emerges as the unwitting reenactment of an event that one cannot simply leave behind. [73]

Auf die Frage zu wissen, wann von Trauma gesprochen wird, wird von Michael First und Allan Tasman folgendes geantwortet: „To be qualify as traumatic, the event must have involved actual or threatened death or serious injury or a threat to the individual or others […].” [74] Die Schreckensdeportationen, die Verfolgungen, die Ermordungen, die Vernichtungen, um nur diese zu erwähnen, verweisen in dieser Hinsicht auf die historischen Grausamkeiten, die der Traumatisierung der Juden bis jetzt unterliegen. Diese Grausamkeiten sind nicht spurlos an ihnen vorübergegangen, sodass sie inzwischen Teil ihres Bewusstseins geworden sind. Sie sind zwar in der Vergangenheit geschehen, aber bleiben bei dem Individuum durch gezwungene Erinnerung merklich oder anwesend. Davon ausgehend wird mit Jean Bertrand Miguoué klar, „dass die jüdische Vergangenheit zumindest auf individueller Ebene noch nicht vergangen ist.“ [75] Wohlgemerkt wird dabei nicht geleugnet, dass es hier um Ereignisse geht, die überhaupt nicht so einfach beiseitegelegt werden. Denn sie sind Teile der jüdischen traumatischen Erfahrungen und dementsprechend des historisch kulturellen Bewusstseins, die durch die Erinnerung von Generation zu Generation weiter tradiert werden müssen. Das Ziel dieses Akts des Erinnerns besteht darin, nicht nur das Vergangene vor dem Vergessen zu retten, sondern auch in der Selbstrettung[76] von Beteiligten und deren (kulturelle) Identität zu gewährleisten.

1.2.2.2. Erinnerung und Selbstbild

Seit einigen Jahren hat sich die Gedächtnisforschung als Kernpunkt zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten konstituiert, wobei die Erinnerung sowie die Identität eine grundlegende Rolle spielen und der Akzent auf den Zusammenhang zwischen ihnen gelegt wird. So kann der Akt des Erinnerns für die Identitätsbildung des Subjekts entscheidend sein. Dabei ist von der Feststellung ausgegangen, dass vergangene Erlebnisse oder Erfahrungen auch Teile des Eigenen und für dessen Selbstwahrnehmung von großer Bedeutung sind. Diese Erfahrungen bestimmen in diesem Blickwinkel

die Art und Weise, wie sich [das Individuum] an das Vergangene erinnert, welche Situationen, Gegenstände, und Ort dieser Vergangenheit für [es] eine bestimmte symbolische und identitätsbildende Funktion haben kann. [77]

Erinnerung und Identität hängen dementsprechend zusammen, denn „ohne individuelle und soziale Selbstkonzepte und Geschichtsentwürfe können die ständig ablaufenden Prozesse der Selbstvergewisserung keine Stabilität bekommen.“ [78] Damit wird klar, dass die Frage nach dem Ursprung des Subjekts und dessen kulturellen Besonderheiten erst mithilfe der Erinnerung beantwortet werden. Daraus ergibt sich, dass die Identität dieses Letzteren im Bewusstsein von erinnerten Erlebnissen abhängt. Es gibt also bestimmte Aspekte, worauf er Akzent gelegt werden muss, und kleine Ausführlichkeiten, die einfach außer Acht gelassen werden. Dieser Prozess zielt also darauf ab, die Gegenwart richtig zu verstehen und einer besseren Zukunft den Weg zu ebnen. Im folgenden Zitat lässt sich dieser Gedanke spüren:

Die Konstruktion oder Rekonstruktion der Identität besteht oft darin, eine logische Kette zwischen Gegenwärtigem, Vergangenem und Zukünftigem herzustellen. In diesem Prozess der Stiftung einer individuellen oder kollektiven Identität sind nicht nur glückliche Erinnerungen an Ereignisse der Vergangenheit wichtig. Auch traumatische und traumatisierende Situationen können in diesem Fall identitätsstiftend sein. [79]

Am wichtigsten hier ist die Tatsache, dass sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen für die Bildung und den Erhalt der Identität des Individuums oder der Gruppe in den Vordergrund gerückt worden sind. Daher wird – Miguoué zufolge – klar, dass die Erinnerung ein Bestandteil des Prozesses der Identitätsbildung ist. Letzterer stützt sich auf die Tatsache, dass der Mensch ohne die Erinnerung oder ohne die Erinnerungsfähigkeit kein Selbst aufbauen kann.

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass im Rahmen der Gedächtnisforschung bestimmte Begriffe zu beachten sind, die deren theoretische Basis bildet. Es ist mir auch gelungen, den wandelbaren Charakter des Identitätsbegriffs ans Licht zu bringen, wobei es keine natürliche Identität des Einzelnen gibt, sondern dass Identität in verschiedenen Situationen und Kontexten neu konstruiert wird. Des Weiteren wird klar hervorgehoben, dass die Erinnerung an die Vergangenheit eine entscheidende Rolle bei diesem Prozess der Identitätsfindung spielen kann. Tatsache ist, dass historische bzw. vergangene Ereignisse – unabhängig von der Zeit ihrer Stattfindung – für die Wahrnehmung des Selbst entscheidend sind. In dieser Blickrichtung bin ich von der Feststellung ausgegangen, dass die Globalisierungsdynamik einen tiefgreifenden Wandel sozialer Realitäten bewirkt, der die Idee der Nation als essentialistische Raum- und Identitätskonzeption zunehmend in Frage stellt.[80] Um den Prozess der Identitätsbildung der jüdischen Figuren im Werk Heldenplatz des österreichischen Dramatikers Thomas Bernhard genau zu untersuchen, lohnt es sich auf den ersten Blick, die Interaktion zwischen kulturellen Gruppen im zu beschreiben, die mit vergangenem Blick gestützt ist. Diese Analyse kann ihrerseits erst glücken, wenn ein Exkurs über Vergangenheitsbewältigung und Identität in der österreichischen Gesellschaft gemacht wird.

Exkurs: Vergangenheitsbewältigung und Identität in der österreichischen Gesellschaft.

Ziel dieses Exkurses besteht darin zu zeigen, dass einerseits Österreich immer ein multikulturelles Land gewesen ist. Damit könnte die Ansicht vertreten werden, dass die Idee der (nationalen) Identität und der Staatszugehörigkeit bis dahin in öffentlichen Diskussionen steht. Andererseits wird der Versuch unternommen, einen Blick über die österreichische Gesellschaft der 80er Jahre zu werfen, in der die Frage nach der Vergangenheitsbewältigung Österreichs ihren Höhepunkt mit der Waldheim Affäre erreicht hatte. Denn diese hatte zur Trennung österreichischer Gesellschaft in zwei Gegensätze geführt, das heißt zwischen Opfer und Täter der Vergangenheit, wobei die Frage nach der Identität sich als notwendig stellt.

The Austrian First Republic, established in 1918, issued from the collapsing multiethnic and multicultural Habsburg Monarchy.[81] In dieser Aussage heben Martin Reisigl und Ruth Wodak die Erste Republik Österreichs hervor, die sich am Ende der österreichisch ungarischen Monarchie entstanden ist. In dieser Republik war es mit dem Ende der Monarchie die Rede, eine bestimmte nationale Identität Österreichs oder ein authentisches Bild des Österreichers zu rekonstruieren. Dies lässt sich dadurch begründen, dass diese Monarchie eine Zusammensetzung von verschiedenen geographischen und kulturellen Gebieten war. An dieser Stelle soll der Umstand ans Licht gebracht werden, dass das Problem der österreichischen Identität und Nationalität, das nach dem Ende dieser Monarchie in den Vordergrund gesetzt worden war, jedoch nicht seine Fruchte getragen hat. Denn „between 1938 and 1945, Austria was occupied by the Nazis and become a part of the Third Reich.“ [82] Es handelte sich um ein Reich mit festgelegten Ideologien und Zielen, das nochmals etwas Kosmopolitisches war, da Gruppen oder Gebiete verschiedener Herkunft und Werte ihm gehörten. Nach dem Ende des Reiches 1945 kreisen die Diskussionen in Österreich – wie auch im ganzen Europa – um die Klärung des Streits über „Opfer und Täter“ [83] des Krieges bzw. des Nationalsozialismus. Dies brachte einerseits das eminente Problem der nationalen Identität, und andererseits der Staatszugehörigkeit und der Selbstbestimmung des Einzelnen in der österreichischen Gesellschaft wieder in Gang. Dieser Frage der Opfer- oder Täteridentität gegenüber hat der österreichische Staat eine einzige Stellung über die Vergangenheit anerkannt, nämlich die ‚Opferthese‘, die mit der Moskauer Erklärung offenbart wird. Im folgenden Zitat lässt sich diese Erklärung zusammenfassen:

The most important aspect of postwar Austrian history has been the establishment of the myth of having been the first victim of the Hitlerite regime, and thus not being guilty for anything that happened during the Third Reich. The ‘Moscow declaration’, issued by the foreign ministers of the US, Great Britain and the Soviet Union in October 1943, included both the statement that Austria ‘was the first victim of Hitler’s typical policy of aggression.’ [84]

Aus diesem Zitat wird nicht nur diese Stellung des österreichischen Staats nachgewiesen, sondern auch die Tatsache, dass Österreich an den Verbrechen des Dritten Reiches bzw. des Nationalsozialismus überhaupt nicht schuldig ist. Die Vernichtung, die Verfolgung und die Ermordung zahlreicher Juden von den österreichischen Nazis waren erst als deutsche Verantwortungen und nicht als die der Österreicher angesehen. Diese im Zitat hervorgehobene Moskauer Erklärung hat also die Identität Österreichs als Opfer des Nazis für ein paar Jahre bestimmt und alle in dieser Gesellschaft müssen sich an diese Stellung gewöhnen. „Thus, the extermination of the Jews was projected as being the guilt of the Germans and not seen as an Austrian problem.“ [85] Die jüdische Minderheit, die in Österreich lebt, muss über ihre Lage schweigen und darf auch diese Stellung der Österreicher ihrer Vergangenheit gegenüber nicht in Frage stellen, obwohl sie inzwischen immer Opfer rassistischer und diskriminierender Handlungen war. Diese Lage hat einerseits zum Tabu, zum Schweigen in der österreichischen Vergangenheit und andererseits zum ‚Identitätsverlust‘ bei den Juden in Österreich bis in den 80er Jahren geführt. Mit der „Waldheim Affäre“[86] 1986 zum einen und dem Gedenken an den fünfzigsten Geburtstag des Anschlusses zum anderen wird dieses Problem in die öffentlichen Diskussionen gebracht.

Mit diesen Ereignissen wurde den Österreichern ihre Vergangenheit in Erinnerung gebracht. Davon war jetzt die Rede, dass sie ihre Vergangenheit erkennen, um sie r i c h t i g zu bewältigen. Sie sollten in diesem Sinne anerkennen, dass einige österreichische Bürger bewusst an der Judenverfolgung und –vernichtung im Dritten Reich teilgenommen, und von daher rassistische und diskriminierende Einstellungen gegenüber den Juden entwickelt haben, die bis dahin in der österreichischen Gesellschaft zu spüren sind: „Antisemitism was present in Austria immediately after 1945, before 1938, during the Second World War, and still present today.“ [87] Auffallend in diesem Zitat ist sowohl die Tatsache, dass Österreich – als ehemaliger Anhänger des Nationalsozialismus – sehr erheblich von dessen Ideologie beeinflusst war, als auch dass es bis dahin den Österreichern noch nicht gelungen ist, sich endgültig von dem rassistischen Geist des Dritten Reichs zu befreien. Dies war in diesem Blickwinkel implizit ein geeignetes Mittel für Österreich, seine Identität zu bilden, indem es diejenigen einfach als „Andere“ bezeichnet, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, nämlich die Juden. Faktoren der Zuschreibung dieser Andersheit sind Kultur, Ideologie, Religion und Rasse. Diese Faktoren sind Gewähr der Aus- oder der Einschließung des Individuums bzw. der Gruppe in der Gesellschaft. Indem er den Begriff „Rasse“ oder „Rassismus“ zielgerichtet bestimmt, lässt Philomena Essed diesen Gedanken klar wahrnehmen:

racism must be understood as ideology, structure and process in which inequalities inherent in the wider social structure are related, in a deterministic way, to biological and cultural factors attributed to those who are seen as a different ‚race‘ or ‚ethnic group‘. [88]

Von diesem Zitat aus wird klar, dass die Juden, die nicht zur „arischen“ Rasse gehören, und eigene kulturelle und religiöse Werte besitzen, nur einfach als (kulturell) Andere – also als Nicht-Österreicher – betrachtet sind, obwohl sie in dieser Gesellschaft geboren und erwachsen sind. Der Jude sei ein unerwünschtes Wesen, das das Böse oder das Schlimme verkörpert, und schon von der Geburt an zum Tode verurteilt ist. In diesem Auszug wird die sogenannte gefährliche Eigenschaft der Juden beschrieben:

Nein, der Jude besitzt keine irgendwie kulturbildende Kraft, da der Idealismus […] bei ihm nicht vorhanden ist […] Er ist und bleibt der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlichen Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt […] Wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab […] Er vergiftet das Blut der anderen, wahrt aber sein eigenes […] [89]

Davon ausgehend wird klar, dass fast immer ein deutliches Werturteil zugunsten der Arier gemacht wurde; und die Ideologen des Dritten Reiches taten nichts anderes, als diese Diskriminierung der Juden bzw. der Nicht-Arier maßlos zu erweitern.[90] Die österreichische Gesellschaft der 1988er Jahre lässt sich also durch eine Trennung verschiedener Gruppen aus ideologischen und historisch sozio-kulturellen Gründen kennzeichnen. Im folgenden Zitat lässt sich diese Trennung im Hinblick auf österreichische Vergangenheit zum Ausdruck bringen:

In engem Zusammenhang mit diesen spezifischen Diskursen über Österreichs Vergangenheit etablierte sich gleichzeitig eine spezifische österreichische Identität, die stark zwischen einer oder einigen bestimmten »Wir«-Gruppe(n) (den [anständigen] Österreichern) und »den anderen« (im In- und Ausland, den »Unruhestiftern«) usw. unterschied [91]

Diese gesellschaftliche Konstellation lässt sich genau im Werk „Heldenplatz“ (1988) von Thomas Bernhard entdecken, in dem Sinne, dass sie den Entstehungskontext des Werkes bildet. Die Juden, die dem obigen Zitierten zufolge als „Unruhestifter“ in der österreichischen Gesellschaft zu betrachten sind, sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität im Werk. Die Repräsentation von den Österreichern oder der Blick auf die österreichische Vergangenheit und die Erinnerung an bestimmte vergangene Ereignisse spielen eine wichtigere Rolle in diesem Prozess der Identitätsbildung. Die Auseinandersetzung mit diesem Prozess setzt zunächst die Analyse der Verhältnisse zwischen den verschiedenen kulturellen Gruppen und deren Eigenschaften im Werk – nämlich Juden und Österreichern im Besonderen – voraus, woraus diese Identität hervorgeht. Letztere bildet also den Kern des zweiten Kapitels dieser Arbeit.

KAPITEL 2: HELDENPLATZ ALS INSZENIERUNG HISTORISCH KULTURELLER UNTERSCHIEDE

In diesem Kapitel setze ich mich mit der Analyse von historisch kulturellen Unterschieden und Verhältnissen zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen im Werk auseinander, die exemplarisch von der gesellschaftlichen Konstellation seiner Entstehungszeit zeugen. Diese Analyse könnte nicht nur von einer Identitätskrise bei bestimmten Figuren im Drama zeugen, sondern auch von einer Notwendigkeit, sich von den anderen zu unterscheiden, die zu anderer Kultur gehören und andere Lebenserfahrungen im Hintergrund haben. Da Kultur eine identitätsstiftende Funktion hat, wird sie in diesem Prozess der Selbstbildung in Acht genommen.

2.1. Zum Autor und dessen Werk

2.1.1. Zum Autor

Nicolaas Thomas Bernhard, ein der bedeutendsten Vertreter der österreichischen Literatur[92], ist am 9. Februar 1931 in Heerlen (Holland) geboren und am Morgen des 12. Februar 1989 in seiner Gmundner Wohnung in Österreich gestorben. Seine Poetik lässt sich verstehen als „eine Art künstlerisch-theatralischer Apparat der Selbstreflexion, in dessen imaginären Raum eine lebenslange Analyse der (individuellen und überindividuellen) Bedingungen des eigenen Existierens stattfindet.“ [93] Literatur gilt also für den Autor als Mittel zur Selbstreflexion in dem gesellschaftlichen Umfeld. Thomas Bernhard hat viele Kunstwerke verfasst. In seinen autobiographischen Kunstwerken bzw. Erzählungen beschreibt er „seine Realitätserfahrungen mit gewollter Selbststilisierung und –inszenierung.“ [94] Darunter zählt man Die Ursache (1975), Der Keller (1975), Der Atem (1978), Die Kälte (1981) und Ein Kind (1982). Die bedeutenden Prosawerke Bernhards sind unter anderen Amras (1964), Verstörung (1967), Watten. Ein Nachlass (1969), Kalkwerk (1970), und Korrektur (1975). Unter belehrenden Theaterstücken Bernhards hat man Ein Fest für Boris (1967), Der Ignorant und der Wahnsinnige (1972), Die Jagdgesellschaft (1974), Die Macht der Gewohnheit (1974), Der Präsident (1975) und letzten Endes Heldenplatz (1988)[95], in dem an den 50 Jahre zurückliegenden Anschluss Österreichs ans Großdeutsche Reich erinnert werden sollte[96], und das im Zentrum meiner Untersuchung steht.

[...]


[1] Vgl. David Simo, Migration, Imagination und Literatur: Die Literatur der Migration als Ort und Mittel des Aushandelns von neuen kulturellen Paradigmen, in: Leo Kreutzer, David Simo (Hrsg.): Migrationen heute und gestern, 1.Auflage, Weltengarten, Wehrhan Verlag, Hannover, 2010, S.15.

[2] David Simo, a. a. O., S.14

[3] Vgl . Edward Said, Orientalism 1979; zitiert nach Birgit Neumann, Methoden postkolonialer Literaturkritik und anderer ideologiekritischer Ansätze, in: Vera Nünning und Ansgar Nünning (Hrsg.), Methoden der literatur- und kulturwissenschaftlichen Textanalyse, Stuttgart . Weimar, J.B. Metztler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag, 2010, S. 273

[4] Norbert Mecklenburg, Interkulturelle Literaturwissenschaft, in: Alois Wierlacher und Andreas Bogner (Hrsg.), Handbuch interkultureller Germanistik, J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 2003, S. 434

[5] Vgl. David Simo, Interkulturalität und ästhetische Erfahrung, Untersuchungen zum Werk Hubert Fichtes, JB. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH, Stuttgart, 1993, S. 164f

[6] Jean Bertrand Miguoué, Teaching Austria in Afrika: News Problems and Perspectives of Transnational German-Studies in sub-Saharan Africa, in: David Simo (Hrsg.), Pratiques hermeneutiques interculturelles, Editions CLE, Yaoundé, 2015, S. 27 – S. 57, hier S. 38

[7] Philomena Essed, Multikulturalismus und kultureller Rassismus in den Niederlanden, in: Rassismus und Migration in Europa, hrsg. von Institut für Migrations- und Rassismusforschung, Argument-Verlag, Hamburg, Berlin, 1992, S. 379

[8] Andrea Leskovec, Andere verstehen und sich selbst erkennen, in: Ernest W. B. Hess-Lüttich (Hrsg), Kommunikation und Konflikt: Kulturkonzepte in der interkulturellen Germanistik, Peter Lang GmbH internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2009, S. 164

[9] Andrea Leskovec, a. a. O., S. 166

[10] Jan Assmann und Dietrich Harth, Kultur und Konflikt, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1990, S. 21

[11] In seiner Dissertation vertritt Alioune Sow den Standpunkt, dass die Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur zur eigenen Entwicklung beitragen soll. Dabei stützt er sich auf eine interkulturell doppelblickende Betrachtungsweise, die ihm zufolge ein effizientes Mittel zur gegenseitigen Untersuchung und Anreichung ist. Alioune Sow, Germanistik als Entwicklungs-Wissenschaft? Germanistische Texte und Studien, Georg Olms Verlag, Hildesheim . Zürich . New York, 1986

[12] In derselben Perspektive bringt David Simo anhand eines Fichtes Werkes diese Heuristik der Interkulturalität ans Licht, wenn er zum Schluss kommt, dass durch die Auseinandersetzung mit dem Fremden ausgelösten Erinnerungen zur Selbstreflexion und Selbstbeobachtung beiträgt. Er geht von der Feststellung aus, dass das, was er in der fremden Kultur versteht, trägt zur Erhellung der eigenen Lebensgeschichte bei. David Simo, Interkulturalität und ästhetische Erfahrung, Untersuchungen zum Werk Hubert Fichtes, JB. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH, Stuttgart, 1993

[13] Mit der Analyse einer Erzählung von B. Travens hebt Norbert Ndong in seinem Aufsatz die Tatsache hervor, dass der afrikanische Literaturwissenschaftler seinem Publikum nicht nur eigene, sondern auch fremdkulturelle Literaturen vermitteln muss, wobei vielmehr auf die methodische Differenz bestanden wird, d.h., dass die Spezifizität jeder Gesellschaft und deren Kulturen und Werten im Prozess der Analyse deren Werke in Acht genommen wird. Darüber hinaus müssen sowohl fremde Kunstwerke als auch eigene Werke bei der Beschäftigung mit Werken in der interkulturellen Germanistik berücksichtigt werden. Dabei kann also ein egalitärer Dialog zwischen beiden Kulturen hergestellt werden. Norbert Ndong, Wenn zwei Fundamentalismen aufeinander stoßen: Eine Interpretation von B. Travens Erzählung: „Der Großindustrielle“, in: Leo Kreutzer (Hrsg.), Andere Blicke. Habilitationsvorträge afrikanischer Germanisten an der Universität Hannover, Revonnah Verlag, Hannover, 1996, S. 142-154

[14] In seiner Dissertation über Thomas Mann kommt Bertin Nyemb ausgehend von der Bedeutung des Motivs der Nord-Süd-Polarität in Manns Werken zur Feststellung, dass der Dichter für ein Neben- und Miteinander bzw. friedliches Zusammenleben von Menschen verschiedener ethnischer Herkunft und Kulturen eintritt. Bertin Nyemb, Interkulturalität im Werk Thomas Manns. Zum Spannungsverhältnisse zwischen Deutschem und Fremden, Ibidem Verlag, Bremen, 2006

[15] Jacqueline Summer, Gesellschaftskritik und Selbstmord im Werk Thomas Bernhards, mit besonderer Bezugnahme auf Heldenplatz und Beton http://digitool.library.mcgill.ca/R/?func=dbin-jump-full&object_id=61069, am 25. Juni 2014 um 12Uhr 14 nachgeforscht.

[16] Martin Rheinhardt Georg Kraus, Zwei Skandalstücke im Kontext von Antisemitismus: Thomas Bernhards Heldenplatz und Rainer Werner Fassbinders Der Müll, die Stadt und der Tod https://uwspace.uwaterloo.ca/bitstream/handle/10012/4608/kraus_martin.pdf, am 25. Juni 2014 um 12 Uhr 20 nachgeforscht.

[17] Martine Sforzin, « Thomas Bernhard: Heldenplatzou le testament d’un moraliste », Germanica, 1992, S. 2, http://germanica.revues.org/2102, am 15 Juli 2014 um 16 Uhr 21 zugegriffen.

[18] Catriona Firth, The Press Reception of Austrian Works of Vergangenheitsbewältigung, 2006, http: //www.etheses.dur.ac.uk/2370/, am 15 Januar 2015 um 14Uhr 06 zugegriffen.

[19] Tilman Köppe und Simone Winko, Neuere Literaturtheorien. Eine Einführung., Stuttgart/Weimar, 2008, S.1

[20] Manon Maren-Grisebach, Methoden der Literaturwissenschaft, zweite veränderte und erweiterte Auflage, A. Francke Verlag, München, 1972, S. 5

[21] Ansgar Nünning, kulturelles Gedächtnis, in: Ansgar Nünning (Hrsg.), Metztler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze – Personen – Grundbegriffe, vierte, aktualisierte und erweiterte Auflage, Stuttgart .Weimar, J.B. Metztler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag, 2008, S. 239

[22] Siegfried Schmidt, Grundriss der empirischen Literaturwissenschaft Bd. 1. der gesellschaftliche Handlungsbereich Literatur, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1991, zitiert nach Ansgar Nünning, a. a. O., S. 239

[23] Dabei ist es auch die Rede von Denkmälern, Riten, religiösen oder historischen Schriften. Astrid Erll, Literatur und kulturelles Gedächtnis. Zur Begriffs- und Forschungsgeschichte, zum Leistungsvermögen und zur literaturwissenschaftlichen Relevanz eines neuen Paradigmas der Kulturwissenschaft. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch Bd. 43, 2002, S. 249 - 276

[24] Rainer Baasner und Maria Zens, Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft, eine Einführung, 3. Überarbeitete und erweiterte Auflage, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin, 2005, S. 242

[25] Siegfried J. Schmidt, Gedächtnis und Gedächtnistheorien, in: Ansgar Nünning (Hrsg.), a. a. O., S. 238

[26] Ibrahima Diagne, Gedächtnis, Erinnerung und Identität, in: Ibrahima Diagne (Hrsg.), koloniale Vergangenheit und deutsch-afrikanische Erinnerungsorte, MONT CAMEROUN, Dschang, 2010, N° 7, S. 5 – S. 17, hier S. 7

[27] Jürgen Schutte, Einführung in die Literaturinterpretation, Metzler Verlag, Stuttgart, 1985, S. 44

[28] Vgl. Ebd.

[29] Vgl. Ebd.

[30] Vgl. Ebd.

[31] Rainer Baasner und Maria Zens, a. a. O., S. 202

[32] Vgl. Hans Norbert Fügen, Die Hauptrichtungen der Literatursoziologie und ihre Methoden, Bonn, 1964 [zitiert nach der 6. Aufl. 1974], zitiert nach Rainer Baasner und Maria Zens, a. a. O., S. 202

[33] Vgl. Rainer Baasner und Maria Zens, a. a. O., S. 206

[34] Gerhard Maletzke, Interkulturelle Kommunikation: Zur Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1996, S. 15. Zitiert nach Özlem Firtina, Kommunikation und Konflikte in der neuen Welt: Zum Kulturkonzept in Kafkas Amerika, in: Ernest W. B. Hess-Lüttich, a. a. O., S. 202

[35] Gerhard Maletzke, Interkulturelle Kommunikation, S. 16, ebd.

[36] Roy Sommer, Kulturbegriff; in: Ansgar Nünning (Hrsg.), Metztler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze – Personen – Grundbegriffe, S. 396

[37] Vgl. Alois Wierlacher und Andreas Bogner (Hrsg.), Interkulturelle Germanistik. Stuttgart, Weimer: Metzler Verlag, 2003, S. 564

[38] Wahrig Digital, Wissen Media Verlag GmbH, Gütersloh/München, 2007

[39] Annegreth Horatscheck, kollektive Identität; in: Ansgar Nünning (Hrsg.), Metztler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze – Personen – Grundbegriffe, S. 306

[40] Stefan Glomb, persönliche Identität; in: Ebd. S. 307

[41] Peter Ulrich, Integration ohne Identifikation? Identität und Framing einer globalisierungskritischen Protestmobilisierung, in: Hyacinthe Ondoa (Hrsg.), Identität und interkulturelle Beziehungen, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig, 2005, S.15-40, hier S.20.

[42] Ebd.

[43] Ebd.

[44] Vgl. Ebd.

[45] Vgl. Stefan Neuhaus, Grundriss der Literaturwissenschaft, 3. Auflage, A. Francke Verlag, Tübingen und Basel, 2009, S.233

[46] Vgl. Karlheinz Ohle, Das Ich und das Andere. Grundzüge einer Soziologie des Fremden, Stuttgart, 1978, zitiert nach Norbert Mecklenburg, Über kulturelle und poetische Alterität. Kultur- und literaturtheoretische Grundprobleme einer interkulturellen Germanistik, in: Alois Wierlacher (Hrsg.), Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik, Iudicium Verlag G m b H, München, 1987, S. 564

[47] Angelika Königseder und Birgit Müller, Türkische Minderheit in Deutschland, in: Vorurteile hrsg. von Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Bonn, 2009, S. 35

[48] Hans-Peter Wagner, Repräsentation; in: Ansgar Nünning (Hrsg.), Metztler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze – Personen – Grundbegriffe, S. 618

[49] Larousse (Hrsg.), Le Petit Larousse illustré, PARIS, S. 923

[50] Siegfried J. Schmidt, Gedächtnis und Gedächtnistheorien, in: Ansgar Nünning (Hrsg.), Metztler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze – Personen – Grundbegriffe, S. 238

[51] Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen – Eine Einführung, J. B. Metzler, Weimar, 2005, S. 7; zitiert nach Melanie Gleinser, Die Erinnerungskultur an die Shoah in der „Jüdischen Allgemeinen“ anhand der Berichterstattung über den Israel-Libanonkrieg, 2006, S. 27;

http://othes.univie.ac.at/8994/1/2009-07-13_0107706.pdf, Am 25 Juni 2014 um 12Uhr 45 nachgeforscht.

[52] Alexandra Rossberg und Johan Lansen (Hrsg.), Das Schweigen brechen – Berliner Lektionen zu Spätfolgen der Shoah, Peter Lang Verlang, Frankfurt am Main, 2003, S. 14; zitiert nach Melanie Gleinser, a. a. O., S. 108

[53] Siegfried J. Schmidt, Gedächtnis und Gedächtnistheorien, in: a.a.O., S. 238

[54] Vgl. Aleida Assmann, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München, 2006, S. 104; zitiert nach Ibrahima Diagne, Gedächtnis, Erinnerung und Identität, in: Ibrahima Diagne (Hrsg.), koloniale Vergangenheit und deutsch-afrikanische Erinnerungsorte, MONT CAMEROUN, Dschang, 2010, N° 7, S.7

[55] Pierre Nora, zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin, 1990, S. 12f; zitiert nach Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, C. H. Beck Verlag, München, 1999, S. 132

[56] Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, in: sämtliche Werke, Band 1, S. 271; zitiert nach ebd., S. 130

[57] Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität, Ausgewählte Schrifte 2, 1990, Hrsg. von Ulrich Mehlenn, Argument Verlag, 1994, S. 208; Hall_kulturelleidentitaet_1992.pdf, am 24. Juli 2014 um 13Uhr45 nachgeforscht.

[58] Vgl. David Simo, Migration, Imagination und Literatur: Die Literatur der Migration als Ort und Mittel des Aushandelns von neuen kulturellen Paradigmen, S. 16

[59] Vgl. Pierre Kodjio Nenguie, Interkulturalität im Werk von Alfred Döblin (1878-1957): Literatur als Dekonstruktion totalitärer Diskurse und Entwurf einer interkulturellen Anthropologie, ibidem-Verlag, Stuttgart, 2005, S. 19

[60] Elisabeth Beck-Gernsheim, Schwarze Juden und griechische Deutsche, in: Ulrich Beck (Hrsg.), Perspektiven der Weltgesellschaft, Edition Zweite Moderne, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1997; zitiert nach Ulrich Beck, Was ist Globalisierung, dritte Auflage, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1997, S. 90

[61] George H. Mead, Mind, Self, Society. From the standpoint of a social behaviorist. Edited and with an Introduction by Charles W. Morris. Chicago and London, 1967, S. 135; zitiert nach Constantin Sonkwe Tayim, Narrative der Emanzipation: Autobiographische Identitätsentwürfe deutschsprachiger Juden aus der Emanzipationszeit, Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, 2013, S. 77

[62] Vgl. Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 181

[63] V. Wakounig, Die Verlockung des interkulturellen Dialogs. Eine kritische Annäherung in interkultureller Dialog? Stimme von und für Minderheiten. Zeitschrift der Initiative Minderheiten, 2008, Nr. 67: 6-7; zitiert nach Yannik Porsché, kulturelle Identitäten in Zwischenräumen: Migration als Chance für Fremdverstehen und kritische Identitätsaushandlung? Bielefeld: COMCAD, 2008 S. 11 workingpaper_52_Porsch_1.pdf; Am 24. Juli 2014 um 13Uhr45 nachgeforscht

[64] Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 182

[65] Ebd.

[66] George H. Mead, Mind, Self, Society, S. 193; zitiert nach Constantin Sonkwe Tayim, a.a.O., S. 79

[67] Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 182

[68] Ebd. S. 282f

[69] Eine zerstreute Struktur ist eine, deren Zentrum verdrängt und nicht durch ein anderes, sondern durch eine Vielfalt von Machtzentren ersetzt werde. Ebd., S. 184

[70] Ebd., S. 183

[71] Vgl. Martina Hamidouche, Gedächtnis und Trauma im zeitgenössischen österreichischen Familienroman, S.39; https://www.ideals.illinois.edu/handle/2142/26276.pdf, Am 25 Juni 2014 um 12Uhr 45 nachgeforscht

[72] Ebd.

[73] Cathy Caruth, Unclaimed Experience: Trauma, Narrative and History. Baltimore: Johns Hopkins UP, 1996; zitiert nach Ebd., S. 42

[74] Michael B. First und Allan Tasman (Hg.), DSM IV-TR. Mental Disorders. Diagnosis, Etiology and treatment. Chichester, Wiley, 2004, S. 926, zitiert nach Christiane Weller, Trauma und Melancholie; in: Christine Magerski, et al. (Hrsg.), Moderne begreifen. Zur Paradoxie eines sozio-ästhetischen Deutungsmusters, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2007, S. 157 – S. 168, hier S. 158

[75] Jean Bertrand Miguoué, Jüdische Vergangenheitsbilder. Erinnerung und Geschichtsschreibung in drei Erzählungen aus Robert Menasses Ich kann jeder sagen, in: Arnulf Knafl (Hrsg.), Traum und Trauma, kulturelle Figuration in der österreichischen Literatur, Praesens Verlag, Wien, 2012, S.146 – S.171, hier S.147

[76] Vgl. Ebd.

[77] Ebd. S. 149

[78] Siegfried J. Schmidt, Gedächtnis und Gedächtnistheorien, a.a.O., S. 238

[79] Jean Bertrand Miguoué, Jüdische Vergangenheitsbilder, S. 150

[80] Vgl. Pierre Hecker, transnationale soziale Räume und kulturelle Identität. Death und Black Metal als deterritorialisierte Formen kollektiver Identität, in: Hyacinthe Ondoa (Hg.), Identität und interkulturelle Beziehungen, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig, 2005, S. 87-103, hier S, 87.

[81] Martin Reisigl und Ruth Wodak, Discourse and discrimination, Rhetorics of racism and antisemitism, Routledge Verlag, London and New York, 2001, S. 148

[82] Ebd.

[83] Ruth Wodak et al., Die Sprachen der Vergangenheiten: Öffentliches Gedenken in österreichischen und deutschen Medien, 1. Auflage, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1994, S. 9

[84] Martin Reisigl und Ruth Wodak, Discourse and discrimination, S. 92

[85] Ebd.

[86] Im Jahre 1986 kandidiert der ehemalige UN-Generalsekretär Kurt Waldheim für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten. In seinem Lebenslauf hat er Informationen über seine Kriegsvergangenheit als ehemaliger Angehörige des SA-Reiterkorps und des NS-Studentenbundes beiseitegelassen. Dies war ein zentrales Thema der politischen Auseinandersetzung in Österreich wie im Ausland. Dabei wurde der bis dahin weit vertretene «Opfermythos», nach dem Österreich das erste Opfer Hitler-Deutschlands gewesen sei, in einer breiten öffentlichen Debatte hinterfragt. Dadurch wurde der Weg für eine stärkere und systematische Aufarbeitung der eigenen Geschichte frei. Der Prozess der Aufarbeitung der NS-Geschichte in Österreich bzw. der Vergangenheit von österreichischen Persönlichkeiten ist bis heute nicht abgeschlossen und sorgt immer wieder für Kontroversen. Vgl. www.demokratiezentrum.org/wissen/waldheim/Affäre.at; am 30/11/14 um 16Uhr20. Nachgeforscht.

[87] Martin Reisigl und Ruth Wodak, Discourse and discrimination, S. 94

[88] Philomena Essed, Understanding Everyday Racism: An Interdisciplinary Theory, London: Sage, 1991, S.43 zitiert nacht Ebd., S. 6

[89] Adolf Hitler, Mein Kampf, München, 1943, S. 333f; zitiert nach Léon Poliakov, Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Junius Verlag GmbH, Hamburg, 2000, S. 15

[90] Léon Poliakov, Der arische Mythos, S. 17

[91] Ruth Wodek et al., Die Sprachen der Vergangenheiten, S. 10

[92] Die österreichische Literatur wurde lange Zeit von Kritikern und Kulturbeamten, von Germanisten und verschiedenen Instanzen des Literaturbetriebs gerne und immer wieder vor allem auf zwei Autoren konzentriert: auf Thomas Bernhard und Peter Handke. Klaus Zeyringer, Österreichische Literatur seit 1945, Überblicke, Einschnitte, Wegmarken, Haymon-Verlag, Innsbruck, 2001, S. 522

[93] Manfred Mittermayer, Thomas Bernhard, J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH, Stuttgart, 1995, S. 8

[94] Mathias Schmitz, Thomas Bernhard, in: Bernd Lutz und Benedict Jessing (Hrsg.), Metzler Autoren Lexikon, J. B. Metzler Verlag, Stuttgart/Weimar, 2004, S. 54

[95] Hiermit möchte ich nur einige vom Autor geschriebene Werke gattungsspezifisch nennen bzw. erwähnen.

[96] Vgl . Manfred Mittermayer, Thomas Bernhard; in: Alo Allkemper und Norbert Otto Eke (Hrsg.), Deutsche Dramatiker des 20. Jahrhunderts, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin, 2000, S. 558

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Erinnerung und Selbstauffassung. Untersuchung der Identität österreichischer Juden in Thomas Bernards "Heldenplatz"
Hochschule
École Normale Supérieure de Yaounde
Autor
Jahr
2018
Seiten
101
Katalognummer
V437665
ISBN (eBook)
9783668784918
ISBN (Buch)
9783668784925
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalsozialistische Vergangenheit - Erinnerung - Identität
Arbeit zitieren
Giresse Macaire Teikeu Takougang (Autor:in), 2018, Erinnerung und Selbstauffassung. Untersuchung der Identität österreichischer Juden in Thomas Bernards "Heldenplatz", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437665

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