Anwendungsmöglichkeiten spieltheoretischer und psychologischer Verhandlungsmethoden im strategischen Einkauf


Masterarbeit, 2017

89 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise und Untersuchungsansatz

2 Verhandlungsführung im Einkauf - Stand der Wissenschaft
2.1 Die strategische Beschaffung - Definition, Ziele, Aufgaben und Arbeitswerkzeuge
2.2 Psychologische Aspekte der Verhandlungsführung
2.3 Entscheidungstheoretische und spieltheoretische Grundlagen
2.3.1 Einführung zur Entscheidungstheorie
2.3.2 Die Spieltheorie

3 Anwendungsmöglichkeiten im strategischen Einkauf
3.1 Analyse und Strukturierung der Unternehmensbedarfe
3.2 Bestimmung der Machtverhältnisse und Lieferantenanalyse
3.3 Die Spieltheorie im Kontext von Verhandlungen
3.4 Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen aus taktischer, psychologischer und kultureller Perspektive

4 Handlungsempfehlungen

5 Literaturverzeichnis

6 Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verhandlungen im Fadenkreuz von Theorie und Praxis

Abbildung 2: Kommunikationselemente

Abbildung 3: Müller-Lyer-Täuschung

Abbildung 4: Eine hypothetische Wertfunktion

Abbildung 5: Entscheidungsbaum

Abbildung 6: Situationsabhängige Anwendung entscheidungstheoretischer Regeln

Abbildung 7: Modalitäten des Konfliktaustrags

Abbildung 8: Ergebnis einer Lieferantenbewertung

Abbildung 9: Interessenskonstellationen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Wirkungsebenen persuasiver Kommunikation

Tabelle 2: Arten von Entscheidungssituationen

Tabelle 3: Nutzenmatrix

Tabelle 4: Starke Dominanz

Tabelle 5: Schwache Dominanz

Tabelle 6: Szenario mit Eintrittswahrscheinlichkeiten

Tabelle 7: Entscheidungsregeln unter Ungewissheit

Tabelle 8: Bayes-Regel/µ-Kriterium

Tabelle 9: Vereinfachte Version des Cournot-Spiels

Tabelle 10: Gefangenendilemma

Tabelle 11: Das Fürstentumszenario

Tabelle 12: Auszahlungsübersicht von Strategien in Zusammenhang mit Korruption

Tabelle 13: Auswertung einer ABC-Analyse

Tabelle 14: Ableitung von Maßnahmen durch ABC-Kategorisierung von Materialien

Tabelle 15: Matrix des Versorgungsrisikoportfolios

Tabelle 16: Kombination von ABC- und XYZ-Analyse

Tabelle 17: Folgerungen aus der ABC-XYZ-Analyse

Tabelle 18: Ableitung von Strategieempfehlungen mit dem Marktmachtportfolio

Tabelle 19: Nettopreisvergleich zweier Anbieter

Tabelle 20: Abweichung des Preisniveaus zweier Anbieter gemessen am Einkaufsvolumen

Tabelle 21: Beispiel für das Bewertungsschema für das Preisniveau eines Lieferanten gegenüber dem Konkurrenzpreis

Tabelle 22: Preisentwicklung des Portfolios eines Lieferanten im Jahresvergleich

Tabelle 23: Verhandlungsziele und Argumente

Tabelle 24: Wahre Interessen zweier Verhandlungspartner am Beispiel eines Rahmenvertrages für IT-Projekte

Tabelle 25: Auktionsformen für Verhandlungen um ein Verhandlungsobjekt

Tabelle 26: Einstellungsrichtungen von Verhandlungspartnern

Tabelle 27: Mögliche Motivlagen

Tabelle 28: Profile von Berufskulturen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Globalisierung und der technische Fortschritt, speziell im Bereich der Informations-technologie, haben dazu geführt, dass sich Unternehmen zunehmend in transparentenKäufermärkten bewegen. Weltweite Angebotsvergleiche sind leicht umsetzbar und dieKosten für interkontinentale Transporte sind stark gesunken. Infolgedessen werdenlokale Märkte, die früher eher isoliert waren, für internationale Marktteilnehmer zu-gänglich. Abnehmer verfügen über größere Auswahlmöglichkeiten und sind anspruchs-voller geworden. Produkte werden schneller substituiert und die Produktlebenszyklenverkürzen sich. Unternehmen müssen flexibel und schnell auf solche Marktanforderun-gen reagieren können, ohne dabei ihre eigentlichen Kernkompetenzen aus den Augen zuverlieren. Der Wettbewerb macht die firmenübergreifende Kombination der grade benö-tigten Fähigkeiten und Ressourcen notwendig, was die Bedeutung der Beschaffung fürdas Überleben eines Unternehmens am Markt verdeutlicht. Dieser Funktionsbereichmuss über die Fähigkeit verfügen, Lieferanten anhand strategischer Anforderungenauszuwählen, zu messen und im Sinne des Kundennutzens zu entwickeln. Der Fokusliegt im Zuge dessen auf der optimalen Versorgung des Unternehmens in Bezug aufPreis, Qualität, Lieferzeit, Lieferort und Liefermenge. Die damit verbundenen Anforde-rungen müssen objektiv definiert und an die Lieferanten kommuniziert werden. Damitwird im Laufe der Zusammenarbeit der jeweilige Zielerreichungsgrad transparent ge-macht. Die optimale Einbringung der externen Ressourcen ist hiermit jedoch noch nichtsichergestellt, denn zwischen Abnehmer und Lieferant besteht ein natürlicher Interes-senskonflikt: Beide Parteien streben ein für sie jeweils möglichst günstiges Verhältniszwischen der zu erbringenden Leistung und des zu zahlenden Preises an. So verhandelnsie miteinander, um dieses Ziel zu erreichen. Das jeweilige Ergebnis variiert in Abhän-gigkeit von den Machtverhältnissen zwischen den Parteien. Aber auch die mehr oderweniger ausgeprägte Verhandlungskunst spielt hierfür eine wichtige Rolle. Aus Sichtdes strategischen Einkaufs ist folglich zu ermitteln, welche Bedarfe es zu erfüllen giltund welche Ressourcen dabei Priorität haben, wer die benötigte Versorgung optimalerbringen kann und wie es um das jeweilige Kräfteverhältnis bestellt ist. Zusätzlich sindim Sinne eines kontrollierten Ablaufs die Spielregeln der Verhandlung zu definierenund zur Anwendung zu bringen. Zusätzlich stellt sich die Frage, nach welchen Prinzi-pien eine wirkungsvoll sowie auf das jeweilige Gegenüber angepasste Argumentation entwickelt und effektiv durchgeführt werden kann.

1.2 Zielsetzung

Diese Arbeit beschreibt die Vorbereitung und die Durchführung von Verhandlungen imstrategischen Einkauf. Dabei werden verschiedene Methoden aus den Bereichen Strate-gie, Spieltheorie und Psychologie auf ihre praktische Anwendbarkeit hin untersucht undbewertet.

1.3 Vorgehensweise und Untersuchungsansatz

Im theoretischen Teil wird zunächst eine Vorstellung des aktuellen wissenschaftlichenStandes zum Thema der Verhandlungsführung im Einkauf vorgenommen. Danach er-folgen eine Beschreibung der strategischen Beschaffung inklusive ihrer Ziele, Aufgabenund Arbeitswerkzeuge sowie eine Übersicht praktischer und theoretischer Faktoren desVerhandlungsbegriffes. Eine Vorstellung der psychologischen Aspekte der Verhand-lungsführung schließt daran an. Vom Vertrieb genutzte wirtschaftspsychologische Kon-zepte sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Beschaffung werdenverdeutlicht. Erklärt wird außerdem die beschränkte Fähigkeit des Menschen zur Infor-mationsverarbeitung. An dieser Stelle wird die in diesem Kontext bestehende Relevanzvon Heuristiken aufgezeigt. Daran schließt sich die Vermittlung entscheidungstheoreti-scher und spieltheoretischer Grundlagen an.

Im darauf folgenden anwendungsbezogenen Teil geht es um die tatsächliche Vorberei-tung und Durchführung von Verhandlungen mithilfe der für die strategische Beschaf-fung verfügbaren Werkzeuge. Außerdem soll die Frage geklärt werden, wie die Spiel-theorie und die Psychologie bei der erfolgreichen Gestaltung von Verhandlungen unter-stützend wirken können. Um einen systematischen Ansatz zu verfolgen, wird zunächsteine Analyse der Ist-Situation vorgenommen. Dazu werden die Unternehmensbedarfeanalysiert. Dies geschieht durch eine Kategorisierung mithilfe der ABC-Analyse, dieden jeweiligen monetären Anteil aller Artikel am Einkaufsvolumen fokussiert, und mitder XYZ-Analyse, die die Bedarfsschwankungen des zu beschaffenden Artikelkorbestransparent macht.

Dadurch kann der Artikelstamm wertmäßig und mit Bezug auf die Bedarfsentwicklungin Kategorien eingeteilt werden. Dies ermöglicht wiederum die Ableitung strategischer Einkaufsmaßnahmen für die jeweiligen Artikelgruppen. Im Anschluss wird hinführenddie Rolle von Verhandlungen in Konflikten erläutert, die eine kooperative Lösung zurKonfliktbewältigung darstellt. Die Bereitschaft zur Kooperation ist von den Machtver-hältnissen abhängig. Deswegen wird nun beschrieben, wie relevante Einkaufsmärkteanalysiert werden können, um die Stärke von Lieferanten in Relation zum eigenen Un-ternehmen zu ermitteln. Ist diese bekannt, können entsprechende Beschaffungsstrate-gien definiert werden, welche für die Art der Verhandlungsführung relevant sind. Esschließt sich eine Vorstellung der Lieferantenbewertung an. Diese dient der objektivenKommunikation der Unternehmensbedarfe an den Lieferanten sowie der Messung derdahin gehend vom Lieferanten eingebrachten Leistung. Es folgt die Einbindung derSpieltheorie sowie deren Wirkungsprinzipien, die teils am Beispiel von Spielvariantenim Kontext von Verhandlungen erläutert werden. Daraus ableitbare Verhandlungsstra-tegien werden ebenso vorgestellt wie verschiedene Arten von Auktionen und derenEinsetzbarkeit in der Beschaffung.

Schließlich wird ein Leitfaden für die Vorbereitung, die Durchführung und die Nachbereitung von Verhandlungen abgeleitet. Hier werden taktische Hilfsmittel und Verhaltensrichtlinien für schwierige Gespräche vorgestellt. Es wird außerdem auf die Persönlichkeit des Gegenübers eingegangen. Anhand von verschiedenen Kategorisierungen soll auf diese Weise der bestmögliche Umgang mit den jeweiligen Gesprächspartnern ermittelt werden. Dazu werden konkrete Vorschläge präsentiert. Die Betrachtung von kulturellen Aspekten schließt dieses Kapitel ab. In den Handlungsempfehlungen wird dann ein Überblick über die gewonnenen Erkenntnisse gegeben.

2 Verhandlungsführung im Einkauf - Stand der Wissenschaft

Der Verhandlungsbegriff ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. So wird im Eng-lischen von ‚bargaining‘ und ‚negotiation‘ gesprochen. Diese Begriffe werden teils alsSynonyme angesehen, teils werden sie abgegrenzt.1 Allerdings wird ‚bargaining‘ ehermit Feilschen verbunden, während ‚negotiation‘ vornehmlich den Prozess des Problem-lösens beschreibt.2 Allerdings haben sich in den Veröffentlichungen zum Thema Ver-handlungsforschung im Laufe der Zeit konstitutive Merkmale herausgebildet, die denVerhandlungsbegriff anhand von fünf Aspekten abgrenzen und definieren:3

- Eine Verhandlung stellt einen Entscheidungsfindungsprozess zwischen zweioder mehr Personen oder Parteien dar.
- Alle Verhandlungsteilnehmer haben ein gemeinsames Interesse daran, eine Ei-nigung über mindestens ein Verhandlungsziel bei einem Verhandlungsobjekt zuerreichen.
- Die Parteien haben Verhandlungsziele, die stark oder weniger stark voneinanderabweichen. Es besteht ein Interessenkonflikt.
- Im Gegensatz zum Verzicht auf eine Übereinkunft bietet die Verhandlung eineChance zur Herbeiführung der Besserstellung aller Beteiligten.
- Eine Einigung ist das Ergebnis einer Interaktion der Parteien, die durch Versu-che gegenseitiger Manipulation zum Zweck der Interessensdurchsetzung geprägtist.

Eine Verhandlung liegt demnach vor, wenn die genannten Aspekte zutreffen. Es handeltsich bei Verhandlungen infolgedessen um einen Einigungsprozess, den mindestens zweiParteien mit wenigstens teilweise abweichenden Verhandlungszielen durchlaufen unddie dabei versuchen, den Ausgang im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen.Dadurch entsteht außerdem ein Entscheidungsprozess, an dem alle verhandelnden Par-teien beteiligt sind.4

Verhandlungen werden auf politischer, gesellschaftlicher oder privater Ebene geführt.Dabei gelten jeweils eigene Rahmenbedingungen. Um fokussiert vorzugehen, wird imweiteren Verlauf der geschäftliche Bereich isoliert betrachten. Ergänzend werden Be-trachtungen der politischen bzw. der diplomatischen Verhandlungsführung einfließen,da die diplomatische Verhandlungskunst psychologische Elemente beinhaltet, welcherder Optimierung von Verhandlungsmethoden im strategischen Einkauf dienen und so-mit das Ziel dieser Arbeit unterstützen können. Vorwiegend geht es aber nachfolgendum Verhandlungen im Unternehmensauftrag. Diese lassen sich weiter differenzieren.Als Unterscheidungskriterien können folgende Punkte herangezogen werden:5 DerFormalitätsgrad unterscheidet informelle von formellen Verhandlungen. Der Latenzgradgibt Auskunft darüber, wie bewusst sich die Beteiligten darüber sind, dass sie sich inVerhandlungen befinden. Informelle Vorgänge sind als tendenziell eher unbewussteinzustufen, offene bzw. formelle Verhandlungsprozesse werden bewusst als solchewahrgenommen. Die Organisationszugehörigkeit unterteilt organisationsinterne, organi-sationsübergreifende und politisch-gesellschaftlich geprägte Verhandlungen. DieseArbeit wird sich auf die interorganisationale Perspektive stützen. Der Funktionsbezugdifferenziert die Zuständigkeiten der verschiedenen Unternehmensbereiche, im Falledieser Arbeit wird so die strategische Beschaffung abgegrenzt. Die Anzahl der Parteienkann ebenso zur Differenzierung genutzt werden. Mit zunehmender Anzahl der Akteureerhöht sich aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen die Komplexität. Die Ab-wicklungsform unterscheidet zwischen Face-to-Face-Verhandlungen, telefonischen,schriftlichen und elektronischen Verhandlungen. Speziell der Prozess in elektronischenMärkten nimmt stark an Bedeutung zu und es wird im Rahmen von Multi-Agenten-Systemen (abgekürzt: MAS) an der Bereitstellung automatisierter Verhandlungsabläufegearbeitet.6 Für diese Automatisierung stellt die Spieltheorie grundlegende Werkzeugeund Modelle bereit. Derzeit im Einsatz befindliche, auf der Spieltheorie basierendeAuktionen werden im Verlauf dieser Arbeit ebenso vorgestellt werden, wie die spielthe-oretischen Grundlagen. Zunächst wird in Kapitel 2.1 einleitend der Funktionsbereichder strategischen Beschaffung erläutert.

2.1 Die strategische Beschaffung - Definition, Ziele, Aufgaben und Arbeitswerkzeuge

Die Beschaffung stellt Produktionsfaktoren mit dem richtigen Preis in der benötigtenArt, Qualität und Menge zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bereit. Dabei handeltes sich in der Regel um Handelswaren sowie um Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe.7 Dieswird durch die Abwicklung und die Gestaltung von materiellen, finanziellen, informati-onellen, räumlichen und rechtlichen Transaktionsprozessen erreicht.8 Die Beschaffungverbindet und koordiniert die Bedürfnisse unternehmensinterner Kunden und externerLieferanten. Die definierten Bedarfe und die am Beschaffungsmarkt vorhandenen Fä-higkeiten werden auf diese Weise Bedürfnisbefriedigung durch die dafür bestmöglichgeeigneten Lieferanten abgeglichen.9 Neben dieser eher technischen Funktion verbindetdie Beschaffung interne Mitarbeiter der relevanten Abteilungen und externe Unterneh-mensvertreter auf sozialer Ebene. Dies geschieht durch die Pflege der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung. Dabei steht die Förderung einer firmenübergreifenden undvertrauensvollen Arbeitsatmosphäre im Mittelpunkt, um die Kooperation möglichstreibungslos zu gestalten.10 Durch diese Herangehensweise soll eine offene Kommunika-tion gewährleistet werden, die einen optimalen Informationsaustausch mit den Zielender Gewinnung und der Einbindung externen Wissens sicherstellt. Das verfügbare in-terne Wissen wird durch die Einbindung von Kollegen aus den Fachabteilungen in dieBeschaffungsprozesse integriert.11 Gegenüber den operativen, den also eher abwick-lungsorientierten und verwaltenden Tätigkeiten, hat in der jüngeren Vergangenheit eineEntwicklung hin zu gestaltenden und strategischen Aufgaben stattgefunden. Es wirdnicht mehr ausschließlich auf die Anforderungen des Unternehmens geachtet, sondernebenso auf das Unternehmensumfeld. Es wird versucht, Versorgungsrisiken frühzeitigzu erkennen. Die Struktur und die Entwicklung des jeweiligen Beschaffungsmarktessowie Leistungspotenziale und Macht von Lieferanten werden systematisch untersuchtund planerisch berücksichtigt.12

Die strategische Beschaffung leitet ihre Ziele von den strategischen Unternehmenszie-len ab und fokussiert auf dieser Basis die Qualität, die Kosten und die Versorgungssi-cherheit der jeweiligen Beschaffungsobjekte.13 Für die Erarbeitung und die Sicherungvon Wettbewerbsvorteilen wird eine globale Beschaffungsmarktforschung betrieben.Auch die Gestaltung der Aufbau- und der Ablauforganisation des Funktionsbereichesgehört zum Aufgabenspektrum. Hinzu kommen die Analyse, die Bewertung und dieAuswahl von Lieferanten.14 Die SCOPE-Methode beinhaltet die systematische Samm-lung und Analyse von Lieferanteninformationen bezüglich strategischer Eignung, demKundenstamm, operativen Fertigkeiten, Kontinuität und Effektivität von Prozess- undProduktverbesserungen sowie der finanziellen Stabilität.15 Sie bildet die Grundlage fürdie Entwicklung und den Aufbau und für die Pflege von strategischen Kooperationenmit Lieferanten. Diese werden mithilfe von Rahmenvertragsverhandlungen definiert.Weitere Aufgaben des Funktionsbereiches bestehen in der Optimierung des Kommuni-kations- und Informationsflusses, der Durchführung von Objekt- und Potenzialanalysensowie der Erstellung von Produktportfolios. Deren Verfügbarkeit muss durch das Risi-komanagement abgesichert werden. Gleichzeitig soll eine unnötige Kapitalbindungdurch zu hohe Lagerbestände vermieden werden. Hinzu kommen Make-or-Buy-Entscheidungen und die Planung der personellen Ressourcen sowie der Logistik.16 Diestrategische Beschaffung sollte möglichst effektiv funktionieren.17

Die ausführende Abwicklung von Beschaffungsprozessen obliegt der operativen Ebene.In diesem Rahmen verantwortet sie die Reduzierung der Beschaffungskosten. Diesesetzen sich aus den Einkaufspreisen sowie den Bezugs-, den Bereitstellungs- und denBeschaffungsverwaltungskosten zusammen. Zusätzlich werden Materialqualität, Liqui-dität und Lieferbereitschaft sichergestellt.18 Die Auswahl von Lieferanten erfolgt nachder Lagerbestandskontrolle, der Bedarfsermittlung und der Festlegung der Bestellmen-ge. Dabei werden eventuell gegebene strategische Richtlinien berücksichtigt und Bud-getfreigaben eingeholt. Nach dem Auslösen der Bestellung wird der Lieferfortschrittüberwacht und im Bedarfsfall durch logistische Maßnahmen ergänzt. Ist die Anliefe- Verhandlungsführung imrung erfolgt, so kann die Zahlungsabwicklung erfolgen.19 Für deren Unterstützung sindelektronische Tools notwendig. Hauptsächlich sollten Warenwirtschaftssysteme zurRessourcenallokation zum Einsatz kommen. Diese werden in der Praxis als Systeme fürEnterprise Ressource Planning (abgekürzt: ERP) bezeichnet. Solche Softwaresystemeerhöhen die Geschwindigkeit des Informationsflusses und ermöglichen so den optima-len Einsatz der Unternehmensressourcen. Es besteht zudem die Möglichkeit, Geschäfts-prozesse zu optimieren und die organisatorische Struktur zu verbessern. ERP-Systemekönnen die Geschäftsprozesse vom Einkaufsmarkt über die Beschaffung bis hin zurVertriebsdistribution entlang der gesamten Wertschöpfungskette begleiten.20 Dies ge-schieht mit Softwaremodulen wie z. B. für die Funktionsbereiche: Buchhaltung, Wa-renwirtschaft oder Produktion. Durch die Verbindung dieser Bausteine über Schnittstel-leneinrichtung entsteht ein ERP-System. Mit dieser Kupplung der Module können dop-pelt angelegte Stammdatensätze innerhalb des Unternehmens vermieden werden. Diesfunktioniert beispielsweise durch die Anlage eines Neukunden im Vertrieb, dessenAuftrag direkt in ein Programm zur Produktionsplanung übermittelt wird. In der Folgewerden (beispielsweise über Stücklisten) die für die Produktion benötigten Materialienper Bedarfsmeldung automatisch an das Warenwirtschaftssystem übermittelt. Auch dieFakturierung über das Modul der Buchhaltung kann unter Zuhilfenahme der zuvor er-fassten Kundendaten erfolgen.21 Hervorzuheben ist im Kontext dieser Arbeit die Mög-lichkeit einer externen Anbindung von Lieferanten an das ERP-System des Unterneh-mens. Dies findet unter Nutzung von Electronic Data Interchange (abgekürzt: EDI)statt. Hierbei handelt es sich um eine Schnittstelle für den unternehmensübergreifendenInformationsaustausch. Die zu übermittelnden Daten müssen durch standardisierte No-tationen in eine gemeinsame Sprache übersetzt werden.22 Mit diesen Ausführungen endet sowohl die Definition als auch die Aufgabenbeschrei-bung der Beschaffung. Die sich aus diesen Aufgaben ergebenden Ziele für die in dieserArbeit fokussierten Verhandlungen wurden grob skizziert und können auf dieser Basisfür Einzelverhandlungen unter der Beachtung technischer Notwendigkeiten für derenVorbereitung operationalisiert werden. Nachdem diese Zusammenhänge vorliegen, kann anhand der nachfolgend gewählten Struktur ein detaillierter Einstieg in die Themenbereiche erfolgen, die im Kontext von Verhandlungen eine Rolle spielen. Abbildung 1 stellt dafür einen visuellen Überblick bereit:

Abbildung 1: Verhandlungen im Fadenkreuz von Theorie und Praxis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Quelle: Pfetsch, Verhandeln in Konflikten, 2006, S. 45

Diese Themen werden im Verlauf dieser Arbeit behandelt, wobei die Anwendbarkeit in der Praxis im Mittelpunkt steht. Zunächst folgt in Kapitel 2.2 eine Untersuchung relevanter psychologischer Themen.

2.2 Psychologische Aspekte der Verhandlungsführung

Psychologie im wirtschaftlichen Zusammenhang umfasst die Arbeits- und die Organisationspsychologie, welche die Produktionsseite abdecken. Außerdem befasst sich die Wirtschaftspsychologie mit Fragen des Konsumentenverhaltens.23 Als interdisziplinäres Forschungsfeld zwischen Psychologie und Wirtschaftswissenschaften soll sie die Anwendbarkeit theoretischen Wissens auf praktische wirtschaftliche Fragestellungen ermöglichen. Sie untersucht das Verhalten von Individuen und Gruppen in Organisationen, am Arbeitsplatz und am Markt sowie deren gesamtwirtschaftliches Verständnis und den davon abgeleiteten Handlungen.24 Verhandlungsführung im Dabei sind Werbung und ihre Auswirkungen Themengebiete, die für Vertrieb und Marketing besonders interessant sind. Es wird nicht davon ausgegangen, dass Werbung unmittelbar zu Kaufentscheidungen führt, aber es wird von den Wirkungsebenen persuasiver Kommunikation gesprochen, die in Tabelle 1 dargestellt werden:

Tabelle 1: Wirkungsebenen persuasiver Kommunikation

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an McGuire, Sozialpsychologie, 1985, S. 295

Es erscheint für Unternehmen infolgedessen sinnvoll zu sein, die Kommunikation inRichtung Kunde in einer Weise zu gestalten, die den beschriebenen Prozess bestmög-lich unterstützt. Durch entsprechend gestaltetes Marketing kann so der Gesamtmarkt,aber auch der einzelne Kunde, bspw. durch Kaltakquise, angesprochen werden. Es gehtdabei um die Begleitung des Kunden bei der Kaufentscheidung. Diese kann auf unter-schiedliche Weise zustande kommen. Der Prozess der Entscheidungsfindung beginntmit der Suche und der Integration von Informationen. Ein Käufer - aus der Sichtweisedes Einkaufes ein interner Kunde bzw. ein Bedarfsanforderer - möchte akkurate Ent-scheidungen treffen. Es soll das für die individuellen Bedürfnisse optimale Produktidentifiziert werden. Optimaler weise geschieht dies mit einer Liste der Produkteigen-schaften und einer Gewichtung der jeweiligen Präferenzen, sodass sich das beste Ergeb-nis berechnen lässt. Allerdings läuft der Prozess meist nicht auf diese Weise ab.25 Ge-stört wird er typischerweise durch die Vermeidung von Anstrengungen. Komplexität,Informationsdefizite oder Zeitdruck wirken sich förderlich auf diesen Effekt aus.26 Kunden können keine unbegrenzte Anzahl an Optionen vergleichen. Komplexe Produk-te erschweren die Auswahl ebenso und Kunden neigen dann zur Vereinfachung. Wirddie Materie als zu kompliziert empfunden, so können vermutete Zusammenhänge zur Entscheidungsfindung beitragen. Bei teuren Produkten wird beispielsweise oft einehöhere Qualität vermutet. Zeitdruck führt ebenso dazu, dass Kunden die Kaufentschei-dung tendenziell kurz entschlossen und ohne tiefer gehende Prüfung treffen. Dies lässtsich verkaufsseitig durch Maßnahmen wie zeitlich begrenzte Rabattaktionen unterstüt-zen.27 Die Vermeidung negativer Emotionen ist ein weiter Störfaktor im Entschei-dungsprozess. Sogenannte Trade-offs beschreiben Interessenskonflikte, die durch von-einander gegenläufig abhängige Ziele entstehen. Beispielsweise bewirkt die zunehmen-de Hochwertigkeit eines Materials gleichzeitig einen immer schlechteren, da höherwerdenden Preis. Die Entscheidung wird so immer schwieriger. Aufgelöst werden kanndie Situation durch mehr Recherche, Kaufverzicht, Aufschieben des Kaufs, Übertragungder Verantwortung auf andere oder die Reduzierung der Optionen.28 Der Einkauf kannhier auf verschiedenen Ebenen unterstützend wirken. Die Definition des Bedarfes liegtzwar beim internen Kunden, kann allerdings durch Einkaufsfachleute unterstützt wer-den, da hier viel Expertise im systematischen Auswerten von Angeboten besteht. DieAufgabenteilung zwischen Definition und Preiskalkulation führt ebenso zu einer Vertei-lung der Verantwortlichkeiten und somit zu einer Entlastung aufseiten des Entscheiders.Dadurch kann sich dieser voll auf die wichtige Recherche konzentrieren und seine Stra-tegie zur Rechtfertigung der Entscheidung verfeinern. Diese ist grade im geschäftlichenUmfeld notwendig, um das Budget genehmigt zu bekommen. Im Kaufprozess sind,speziell bei höheren Werten, typischerweise mehrere Freigebende zu integrieren. DieseNotwendigkeit führt in aller Regel auch zu einer Intensivierung der Bemühungen sei-tens des Bedarfsanforderers und wirkt somit der Anstrengungsvermeidung positiv ent-gegen. Tendenziell kommt es auf diesem Weg zu besseren Resultaten bzw. Kaufent-scheidungen.29 Nachfolgend soll dies am Beispiel von Verkaufsmethoden dargestelltwerden. Im direkten Kundenkontakt bekommt die Vertriebspsychologie Gewicht. Derpersönliche Rahmen bietet die Möglichkeit, diverse Methoden und Werkzeuge zur An-wendung zu bringen, weil der Kunde mit all seinen Sinnen der Kommunikation desVerkäufers ausgesetzt ist. Abbildung 2 zeigt die Vielfalt der Instrumente auf:

Abbildung 2: Kommunikationselemente

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bänsch, A., Verkaufspsychologie, 2013, S. 4

Die Kommunikation soll in anregender, interessanter, abwechslungsreicher und persön-licher Weise vorgebracht werden, um zusätzlich zu stimulieren. Eine große Sprachmen-ge in Interaktionen führt zu einer Aufwertung des sozialen Status und rückt den Ver-handelnden in eine führende Rolle. Deswegen sollen Verkäufer ihre Kunden mehrSprachanteile überlassen, um Gefühle des Herrschens und der Überlegenheit zu vermit-teln. Dieser Effekt kann durch den gezielten Einsatz der Stimmtonalität unterstützt wer-den. Ein sanfter Tonfall begünstigt das Dominanzgefühl.30 Auch die Bekundung, dassder nun ausgehandelte Preis wirklich die letzte, grade noch akzeptable Lösung sei, un- Verhandlungsführung im termauert den großen Einkaufserfolg und kann (in der Regel) als Beeinflussung gewertet werden. Diese Beschreibungen machen deutlich, dass Manipulation ein wesentlicher Teil der Vertriebsarbeit ist. Dieser Ansatz nutzt die limitierte Befähigung des Menschen, Informationen zu verarbeiten, und die Tatsache, dass Wirklichkeit stets subjektiv interpretiert wird. Optische Täuschungen zeigen dies auf. Ein Beispiel dafür ist die Müller-Lyer-Täuschung, die in Abbildung 3 gezeigt wird:

[...]


1 Vgl. Stephenson, G., Verhandlungen, 1981, S. 168 ff.

2 Vgl. Lewicki, R. R., Robinson, R. R., Bargaining 1998, S. 665 ff

3 Vgl. Voeth, M., Herbst, U., Verhandlungsmanagement, 2015, S. 3 ff.

4 Vgl. Voeth, M., Herbst, U., Verhandlungsmanagement, 2015, S. 5.

5 Vgl. Voeth, M., Herbst, U., Verhandlungsmanagement, 2015, S. 6 ff.

6 Vgl. Büttner, R., automatisierte Verhandlungen, 2009, Geleitwort.

7 Vgl. Meyer, C., Kennzahlen, 2007, S. 89.

8 Vgl. Reinschmidt, J., Beschaffungs-Controlling, 1989, S. 66.

9 Vgl. Boutellier, R., Wagner, M., Wehrli, H. P., Handbuch Beschaffung, 2003, S. 161.

10 Vgl. Büsch, M., Strategischer Einkauf, 2012, S. 3 f.

11 Vgl. Büsch, M., Strategischer Einkauf, 2012, S. 6 f.

12 Vgl. Arnolds, H., et al., Materialwirtschaft, 2016, S. 2 f.

13 Vgl. Grochla, E., Schönbohm, P., Beschaffungslehre, 1980, S. 34 f.

14 Vgl. Bogaschewsky, R., Beschaffung, 1999, S. 56 f.

15 Vgl. Büsch, M., Strategischer Einkauf, 2012, S. 7.

16 Vgl. Bogaschewsky, R., Beschaffung, 1999, S. 56 f.

17 Vgl. Büsch, M., Strategischer Einkauf, 2012, S. 311.

18 Vgl. Piontek, J., Beschaffungscontrolling, 2004, S. 11.

19 Vgl. Bogaschewsky, R., Beschaffung, 1999, S. 57 f.

20 Vgl. Martin, H., Logistik, 2014, S. 521 f.

21 Vgl. Wannenwetsch, H., Materialbeschaffung, 2014, S. 458.

22 Vgl. Meier, A., Stormer, H., eBusiness & eCommerce, 2012, S. 2.

23 Vgl. Schütz, A., Brand, M., Selg, H., Psychologie, 2011, S. 439.

24 Vgl. Kirchler, E., Wirtschaftspsychologie, 2011, S. 2.

25 Vgl. Schütz, A., Brand, M., Selg, H., Psychologie, 2011, S. 443 f.

26 Vgl. Schütz, A., Brand, M., Selg, H., Psychologie, 2011, S. 444 f.

27 Vgl. Schütz, A., Brand, M., Selg, H., Psychologie, 2011, S. 444.

28 Vgl. Luce, M. F., Bettman, J. R., Payne, J. W., Emotional Decisions, 2001.

29 Vgl. Lee, H., et al., Motivated Search, 1999, S. 75 ff.

30 Vgl. Bänsch, A., Verkaufspsychologie, 2013, S. 7 f.

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Anwendungsmöglichkeiten spieltheoretischer und psychologischer Verhandlungsmethoden im strategischen Einkauf
Autor
Jahr
2017
Seiten
89
Katalognummer
V443954
ISBN (eBook)
9783668812512
ISBN (Buch)
9783668812529
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anwendungsmöglichkeiten, verhandlungsmethoden, einkauf, Spieltheorie, Psychologische Verhandlungen, Psychologie, Verhandlungstaktik, Negotiations, Game Theory, Harvard-Methode, strategischer einkauf
Arbeit zitieren
Bernd Ruhle (Autor:in), 2017, Anwendungsmöglichkeiten spieltheoretischer und psychologischer Verhandlungsmethoden im strategischen Einkauf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/443954

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