Spätestens nach dem 1. Mai 2004, dem Datum des Beitritts der acht ehemaligen Ostblockstaaten sowie Zypern und Malta, ist die Teilung Europas in Ost und West ein für allemal vorbei. Die Erweiterung der EU auf nunmehr 25 Mitgliedstaaten ist damit keinesfalls beendet. Rumänien und Bulgarien werden höchstwahrscheinlich im Jahr 2007 beitreten, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind nach der Regierungskonferenz im Dezember 2004 eröffnet worden und die Demokratisierung in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien macht zwar kleine, aber dennoch beständige Fortschritte, so dass ein Beitritt dieser Länder keinesfalls utopisch ist. Diese Ausdehnung der EU verspricht nicht nur wirtschaftliche Vorteile für die Teilnehmerstaaten, sondern wird auch dazu Beitragen, dass knapp 60 Jahre nachdem halb Europa in Trümmern lag und viele Nationen verfeindet waren, nie wieder eine solche Situation auf diesem Kontinent entstehen kann. Allerdings verschärft diese Erweiterung die Probleme bezüglich der Handlungsfähigkeit der EU, die auch der Vertrag von Nizza nicht lösen konnte und mit dessen Kompromiss bereits die EU-15 zu kämpfen hatten. Um diese Probleme zu lösen wurde die erste Verfassung für Europa ausgearbeitet und schließlich auch verabschiedet. Zwar muss diese noch einige Referenden überstehen aber der deutsche Außenminister Joschka Fischer zeigte sich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 25.06.2004 optimistisch: „Die Verfassung muss jetzt noch ratifiziert werden. Da wird es einige Aufregung geben, aber am Schluss tritt sie in Kraft.“ Diese Ansicht mag nicht unbegründet sein, allerdings ist sie sicherlich auch mit dem Bewusstsein verbunden, dass eine eventuelle Ablehnung die EU auf Jahre stagnieren lassen würde. Der ständig wachsende Reformbedarf der Europäischen Union wird durch die Häufigkeit der kleineren und größeren Vertragsrevisionen innerhalb von 17 Jahren, angefangen mit Maastricht 1992, über Amsterdam und Nizza 1997 bzw. 2003, bestätigt, wenn man davon ausgeht, dass die Verfassung 2009 in Kraft tritt. Doch welche Entwicklung haben diese Verträge innerhalb der EU angestoßen? Diese Frage wird anhand eines der wichtigsten Entscheidungsorgane der Europäischen Union, dem Ministerrat, veranschaulicht.
INHALTSVERZEICHNIS
I. Einleitung
II. Der Ministerrat der EU
1. Historische Entwicklung
2. Zusammensetzung
3. Aufgaben
3.1. Allgemein
3.2. Gesetzgebung
4. Der Vertrag von Amsterdam
5. Der Vertrag von Nizza
6. Problematik
7. Die Verfassung für Europa
7.1. Der Außenminister der Union
7.2. Die Zusammensetzung des Ministerrats
7.3 Die Qualifizierte Mehrheit
III. Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Einleitung
Im Lauf der letzten 50 Jahre hat sich die Europäische Union von einer einfachen, wirtschaftlichen Kooperation zu einer Staatengemeinschaft mit dem größten Binnenmarkt der Welt entwickelt. Spätestens nach dem 1. Mai 2004, dem Datum des Beitritts der acht ehemaligen Ostblockstaaten sowie Zypern und Malta, ist die Teilung Europas in Ost und West ein für allemal vorbei. Die Erweiterung der EU auf nunmehr 25 Mitgliedstaaten ist damit keinesfalls beendet. Rumänien und Bulgarien werden höchstwahrscheinlich im Jahr 2007 beitreten, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind nach der Regierungskonferenz im Dezember 2004 eröffnet worden und die Demokratisierung in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien macht zwar kleine, aber dennoch beständige Fortschritte, so dass ein Beitritt dieser Länder keinesfalls utopisch ist. Diese Ausdehnung der EU verspricht nicht nur wirtschaftliche Vorteile für die Teilnehmerstaaten, sondern wird auch dazu Beitragen, dass knapp 60 Jahre nachdem halb Europa in Trümmern lag und viele Nationen verfeindet waren, nie wieder eine solche Situation auf diesem Kontinent entstehen kann. Allerdings verschärft diese Erweiterung die Probleme bezüglich der Handlungsfähigkeit der EU, die auch der Vertrag von Nizza nicht lösen konnte und mit dessen Kompromiss bereits die EU-15 zu kämpfen hatten. Um diese Probleme zu lösen wurde die erste Verfassung für Europa ausgearbeitet und schließlich auch verabschiedet. Zwar muss diese noch einige Referenden überstehen aber der deutsche Außenminister Joschkar Fischer zeigte sich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 25.06.2004 optimistisch: „Die Verfassung muss jetzt noch ratifiziert werden. Da wird es einige Aufregung geben, aber am Schluss tritt sie in Kraft.“[1] Diese Ansicht mag nicht unbegründet sein, allerdings ist sie sicherlich auch mit dem Bewusstsein verbunden, dass eine eventuelle Ablehnung die EU auf Jahre stagnieren lassen würde. Der ständig wachsende Reformbedarf der Europäischen Union wird durch die Häufigkeit der kleineren und größeren Vertragsrevisionen innerhalb von 17 Jahren, angefangen mit Maastricht 1992, über Amsterdam und Nizza 1997 bzw. 2003, bestätigt, wenn man davon ausgeht, dass die Verfassung 2009 in Kraft tritt. Doch welche Entwicklung haben diese Verträge innerhalb der EU angestoßen? Diese Frage wird anhand eines der wichtigsten Entscheidungsorgane der Europäischen Union, dem Ministerrat, veranschaulicht. Dazu wird zunächst die historische Entwicklung seit den Römischen Verträgen von 1957 betrachtet, danach die Zusammensetzung und die Aufgaben des Rates erläutert und schließlich die durchgeführten und anstehenden Reformen im Ministerrat mit Hilfe der Verträge von Amsterdam und Nizza bzw. der Verfassung für Europa dargestellt, wobei auf die durch diese Verträge entstandene bzw. entstehende Problematik innerhalb des Institutionengefüges der EU genauer eingegangen wird.
II. Der Ministerrat der EU
Der Ministerrat wird offiziell als Rat der Europäischen Union bezeichnet oder einfach nur als Rat. Er wurde erstmals mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als eines deren Organe durch die Römischen Verträge eingesetzt. Der Rat hat vor allem legislative Aufgaben und ist nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat, das oberste Entscheidungsgremium der Europäischen Union, in dem die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten unter anderem die Leitlinien der Politik vorgeben, sowie dem Europarat, der nicht zu den Organen der EU zählt, sondern eine internationale Organisation ist, deren Mitglieder weit mehr als nur die 25 Staaten der Union umfassen und die sich mit Themen wie Demokratiesicherung und Einhaltung der Menschenrechte in ganz Europa beschäftigen.
1. Historische Entwicklung
Durch die Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 wurde die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) erweitert. Während sich ein Fortschritt der Integration vor allem in der Euratom als schwierig gestaltete, konnte man innerhalb der EWG Fortschritte erzielen. So einigte man sich auf die Bildung einer Zollunion, die innerhalb von zwölf bis fünfzehn Jahren die Binnenzölle der sechs Mitgliedstaaten abschaffen und einen gemeinsamen Außenzoll einführen sollte. Zwei Jahre zuvor waren solche Überlegungen noch am Widerstand Frankreichs gescheitert.[2] Diese Änderung bewirkte neben dem Vorteil des gemeinsamen Agrarmarktes vor allem die Aussicht auf die Möglichkeit der besseren Kontrolle der anderen Länder in einer Atomgemeinschaft und die Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen nach dem Beitritt des Saarlandes zum Bundesgebiet. Dehnten sich die Aufgabenbereiche des Ministerrats in den Jahren danach weiter aus („spill-over“)[3] kam es 1965 erneut zu Problemen mit Frankreich, die wegen Uneinigkeit über „(...)die Agrarpolitik und den Haushaltsprozeß“[4] den Ministerrat verließen und die Gemeinschaften somit aufgrund des ausschließlich geltenden Einstimmigkeitsprinzips Handlungsunfähig machten. Erst 1966 konnte dieser Konflikt durch den sogenannten Luxemburger-Kompromiss beigelegt werden. Dieser beinhaltete, dass „die Eröterung fortgesetzt werden muss, bis ein einstimmiges Einvernehmen erzielt worden ist“, wenn ein Staat „sehr wichtige Interessen“ hat[5] und hatte zur Folge, dass die Umstellung des Abstimmungsmodus auf Mehrheitsbeschlüsse nicht durchgeführt und somit Entscheidungen in der nächsten Zukunft wenn überhaupt nur sehr langsam und auf Kompromissen aller Mitglieder basierenden gefasst werden konnten. Die Erweiterung der Sechsergemeinschaft um weitere sechs europäische Staaten bis 1986 verschärfte dieses Problem. Ein Lösungsversuch war der bereits 1981 Verfasste Genscher-Clombo-Plan, benannt nach dem deutschen und italienischen Außenministern, der 1987 in abgewandelter Form unter dem Ergebnis Einheitliche Europäische Akte (EEA) in Kraft trat. Wichtigstes Ergebnis im Hinblick auf den Ministerrat war sicherlich die Revision des Luxemburger-Kompromisses. Die EEA sah folgendes vor: „Die ‚Organe der Europäischen Gemeinschaften üben ihre Befugnisse und Zuständigkeiten unter den Bedingungen und im Hinblick auf die Ziele aus’, die in den Gründungsverträgen vorgesehen waren.“[6] Also auch Mehrheitsentscheidungen, die eben dort schon für das Jahr 1966 angestrebt worden waren. Eine Neuerung im Hinblick auf die Gesetzgebung war das „Verfahren zur Zusammenarbeit“[7] zwischen Rat und Parlament, eine Vorstufe zum heutigen Mitentscheidungsverfahren. Wichtig für die Gemeinschaft an sich war das Ziel der schrittweisen Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes bis zum 31.12.1992. Somit war der Ministerrat seit seiner Gründung, wie auch die gesamte Europäische Union, immer schon Gegenstand von Reformen. Bevor nun aber die drei großen vertraglichen Reformen des letzten Jahrzehnts genauer betrachtet werden, soll kurz die Zusammensetzung und die Aufgaben des Rates erläutert werden.
2. Zusammensetzung
Der Ministerrat hat neun Bereiche von denen der Bereich Allgemeiner Rat und auswärtige Beziehungen am meisten Beachtung findet. Er setzt sich, wie alle anderen Bereiche, aus dem zuständigen Fachminister der Mitgliedsstaaten, in diesem Fall also den Außenministern, zusammen. Aus Kosten- und Effizienzgründen wurden die einzelnen Bereiche 2002 gestrafft, so dass es bei manchen Bereichen nötig sein kann die Anzahl der teilnehmenden Minister auf zwei bis maximal vier zu erhöhen. Solche Bereiche sind zum Beispiel: Justiz und Inneres oder Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherfragen und natürlich Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN). Die restlichen fünf Bereiche unterteilen sich wie folgt: Landwirtschaft und Fischerei; Wettbewerb (Binnenmarkt, Industrie und Forschung); Erziehung Jugend und Kultur; Transport, Telekommunikation und Energie sowie Umwelt. Auf einen Bereich Verteidigung wurde bewusst verzichtet, unter anderem aus Rücksicht auf Dänemark, die sich aus Verteidigungsfragen der EU generell heraushalten und wegen des Scheiterns der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Jahre 1954. Ein Treffen der Minister findet in der Regel 2-6 mal im Jahr statt, die Außen-, Wirtschafts- bzw. Finanz- und Landwirtschaftsminister hingegen treffen sich monatlich. Neben diesen offiziellen Treffen, an denen Gesetze beschlossen werden gibt es noch zahlreiche weitere informelle Treffen, die oftmals ergiebiger sind als ein offizieller Termin. Zur Bewältigung des enormen Arbeitsaufwandes stehen dem Ministerrat ein Generalsekretariat, das einem Generalsekretär und Hohem Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik untersteht [Art. 207(2) EGV], sowie ein Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV oder COREPER) zur Seite. Dieser Ausschuss kann als eine Art Botschaft der Länder in der EU gesehen werden. In ihm werden die Arbeiten des Rates vorbereitet und die ihm übertragenen Aufgaben ausgeführt [Art. 207 EGV].[8] Ein solches Koordinationskomitee wurde bereits 1953 von den Ministern eingerichtet. COREPER selbst ist noch einmal in zwei Bereiche aufgeteilt, wobei der erste sich mit den Außenministern und dem EcoFin beschäftigt, sowie besonders sensible oder kontroverse Themen vorbereitet („...deals with issues for other Council meetings that are particularly sensitive or controversial“).[9] Der andere Bereich kümmert sich um die restlichen Ratsformationen, wobei der Bereich Agrarpolitik eine eigenes Komitee hat (Special committee on Agriculture, SCA).[10] Den Vorsitz im Rat übernimmt die im halbjährlichen Turnus wechselnde, zuvor einstimmig beschlossene Ratspräsidentschaft. Diese hat vor allem Koordinationsaufgaben, kann aber durch Eigeninitiative ihr wichtige Themen vorantreiben. Darüber hinaus ist der jeweilige Ratspräsident oft Sprecher der Union nach Außen. Zusammen mit den Ländern, die zuvor und danach die Präsidentschaft innehat bzw. hatte, bildet sie die sogenannte Troika. Die Ratspräsidentschaft wird in jedem der neun Bereiche separat von dem Minister des Landes ausgeführt, welches sie gerade inne hat[11] [Art. 203 EGV].
[...]
[1] Fried, Nico/Stefan Ulrich: Interview mit Joschkar Fischer. „In der Geschichte geht es nicht zu wie im Gesangsverein“.24.06.2004. Online im Internet: ULR:http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/84/34050/ [Stand 06.01.2005]
[2] Herz, Dietmar: Die Europäische Union, 2002, S.32ff
[3] ebd., S.43
[4] Herz, Dietmar: Die Europäische Union, 2002, S.45
[5] Weidenfeld, Werner/ Wolfgang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z, 8. Auflage 2002, S.409
[6] Herz, Dietmar: Die Europäische Union, 2002, S.57
[7] ebd.
[8] Alle Artikel bezüglich EGV entnommen aus: Beck Texte: EU-Vertrag. EG-Vertrag in den Fassungen von Amsterdam und Nizza mit Protokollen, Schlussakten und Erläuterungen, 5.Auflage 2001
[9] Nugent, Neill: The government and politics of the European Community, 1991, S.106
[10] ebd.
[11] Vgl.: Thiel, Elke: Die Europäische Union, 2001, S.72-75
- Arbeit zitieren
- M.A. Sebastian Schäffer (Autor:in), 2005, Der Ministerrat der EU - Aufgabe, Funktion und Zukunft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44874
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