Die Abtreibungsdebatte und die Schwierigkeit eines Konsenses


Hausarbeit, 2004

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

A. Einleitung

B. Ausführung
I. Die verschiedenen Betrachtungsweisen für eine Argumentation
1. Der deduktiv-abstrakte Ansatz
2. Der induktiv-situationsspezifische Ansatz
3. Die Problematik einer ganzheitlichen Betrachtungsweise
II. Die verschiedenen Positionen zur Abtreibung und ihre Argumentationsstruktur
1. Die konservative Position
2. Die feministische Position
3. Die liberale Position
III. Die wesentlichen Reibungspunkte

C Ausblick

Literaturangaben

A. Einleitung

Kaum eine Debatte wird so emotional geführt wie die Abtreibungsfrage, geht es dabei doch in erster Linie nicht um rein rationale Sachfragen, sondern um grundlegende Wertvorstellungen, Moral und die Frage einer Güterabwägung.

Unter diesen Vorzeichen einen Konsens zu finden, eine Lösung, die allen Positionen gerecht wird, erscheint äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Zwar hat sich die Diskussion hierzulande nach der Neuregelung des § 218 beruhigt und andere Themen haben die Frage, ob und wenn ja, wann Abtreibung erlaubt sein soll, von der politischen Tagesagenda verdrängt.

Die Frage scheint trotzdem nach wie vor interessant, warum es ausgerechnet bei der Abtreibungsdebatte so schwierig ist, einen „gemeinsamen Nenner“ zu finden. Dabei sollen hier nicht nur die verschiedenen gängigen Positionen vorgestellt und diskutiert werden.

Die Fragestellung soll vielmehr von einem interessanten Ansatz ausgehen, den die deutsche Professorin Monika Frommel in einem Aufsatz zur Frage nach einer „geschlechtsspezifischen Moral“ verwendet[1]: Sie unterscheidet darin die Struktur der Argumente. So kann ein Argument entweder in einer deduktiv-abstrakten, oder aber in einer induktiv-situationsspezifischen Herangehensweise aufgebaut werden.

Beide Herangehensweisen implizieren eine eigene Logik, wodurch im Prinzip eine schlüssige Argumentationskette entsteht.

Untersucht man die gängigen Argumente in der Abtreibungsdebatte nach ihrer Struktur, erkennt man, dass die Argumente jeweils nach dem einen oder anderen Prinzip aufgebaut sind. Es geht dabei in dieser Arbeit nicht um die Frage, ob diese oder jene Argumentstruktur geschlechtsspezifisch ist.

Vielmehr soll analysiert werden, warum in den verschiedenen Herangehensweisen an die Argumentation ein Grund für die schwierige Konsensfindung zu sehen ist.

Zu Beginn sollen deshalb die beiden verschiedenen Argumentationsstrukturen und ihre wesentlichen Merkmale vorgestellt werden. Dabei soll auch die Problematik angesprochen werden, dass zwar beide Ansätze für sich alleine logisch erscheinen, jedoch immer einen Bereich ausklammern, der zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise fehlt. Andererseits heben sich die beiden konträren Betrachtungsweisen bei einem Zusammenführen teilweise gegenseitig auf und es kommt zwangsläufig zu einem Konflikt.

Nach der Erarbeitung und Erklärung der beiden Argumentationsansätze folgt eine Analyse der gängigen Positionen in der Abtreibungsdebatte unter strukturellen Gesichtspunkten.

Abschließend sollen die wesentlichen Punkte in den Argumentationsstrukturen herausgearbeitet werden, die einer Konsensfindung im Wege stehen.

B. Ausführung

I. Die verschiedenen Betrachtungsweisen für eine Argumentation

1. Der deduktiv-abstrakte Ansatz

Dieser Ansatz geht von sehr weit gefassten, normativen Werten und Handlungsmaximen aus, die eine allgemein verbindliche Gültigkeit besitzen. Der Blickwinkel auf eine Situation erfolgt also über diese Normen und die Situation wird dementsprechend beurteilt. Anhand von universalen Normen wird dadurch festgelegt, ob eine Situation oder Handlungsweise richtig oder falsch ist. Diese universalen Normen erfüllen die Funktion, Ordnung und Orientierung zu geben.

Um dies an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen:

Es ist verboten, über eine rote Ampel zu fahren. Gäbe es diese Handlungsmaxime nicht, würde im Straßenverkehr Chaos herrschen und es würde zu einem erhöhten Unfallaufkommen kommen. Darum ist eine allgemeingültige Handlungsweise wichtig und richtig.

Hier zeigen sich aber auch der Nachteil und die Unvollständigkeit dieses deduktiven Argumentationsansatzes:

Es kann in manchen Situationen notwendig sein, eine rote Ampel zu überfahren, zum Beispiel dann, wenn eine Person dringende medizinische Hilfe braucht.

Mit einer rein deduktiv- abstrakten Betrachtungsweise lässt sich diese Situation schon nicht mehr lösen. Denn danach dürfte die Ampel in keinem Fall überfahren werden.

Nun ist es aber ebenfalls ein allgemein anerkanntes Gebot, einer gefährdeten Person Hilfe zu leisten.

Es ist daher unabdingbar, in diesem Fall auch die spezifische Situation zu berücksichtigen, nämlich, dass ein Menschenleben in Gefahr ist, die nur durch das Überfahren der roten Ampel abgewendet werden kann.

Beim Betrachten der Situation findet dann eine Güterabwägung zwischen den beiden Handlungsmaximen statt.

Es kann vorausgesetzt werden, dass das Gut, ein Menschenleben zu retten, dabei schwerer wiegt als die Straßenverkehrsordnung.

Nach dieser Güterabwägung muss das Ergebnis aber wieder auf eine allgemeine Ebene transportiert werden; Die spezielle Situation muss klar erkennbar und damit eindeutig allgemein einordbar sein. Auf das Beispiel mit der roten Ampel übertragen heißt das, dass nur Krankenwagen mit Blaulicht eine rote Ampel überfahren dürfen. Damit wird gewährleistet, dass die Straßenverkehrsordnung trotz der Ausnahmesituation nicht ausgehebelt wird und damit keine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer besteht.

2. Der induktiv-situationsspezifische Ansatz

Wird mit dem induktiv-situationsspezifischen Ansatz argumentiert, steht eine konkrete, individuelle Situation im Mittelpunkt. Ausgehend von dieser Situation wird das „Richtig“ oder „Falsch“ eines Handelns abgewogen.

Auf diese Weise kann natürlich sehr differenziert bewertet werden, welche verschiedenen Motive zusammengenommen zu einem bestimmten Handeln führen. Aus den jeweils vorhandenen Motiven wird sodann die Begründbarkeit einer Handlung abgeleitet.

Um bei dem Beispiel der roten Ampel zu bleiben:

Überfährt eine Person mit einem privaten PKW (also keinem Krankenwagen) eine rote Ampel, fragt der induktive Ansatz zuerst einmal nach dem Grund.

Es könnte jetzt beispielsweise sein, dass die betreffende Person unter Zeitdruck stand und nicht zu spät zur Arbeit kommen wollte.

Es könnte aber auch eine völlig andere Motivlage dahinter stehen. Vielleicht ist der Person auch eingefallen, dass sie vergessen hat, den Herd zuhause abzuschalten. In diesem Fall würde die Person also aus einer akuten Gefahrlage heraus handeln, die nicht nur materiellen Schaden anrichten, sondern auch andere Menschen gefährden könnte.

Es ist zu erwarten, dass die beiden Motivlagen nach dem induktiven Ansatz unterschiedlich bewertet werden würden.

Allerdings fehlt hier eine allgemein verbindliche Richtlinie, nach welchen Kriterien beurteilt werden soll. Dies führt zu einer sehr unklaren Beurteilungslage, weil das Ergebnis nicht verallgemeinerbar ist.

3. Die Problematik einer ganzheitlichen Betrachtungsweise

Die Problematik ergibt sich also im Wesentlichen daraus, dass sich die deduktive und induktive Betrachtungsweise gegenseitig sowohl ergänzen als auch relativieren[2]. Eine Beschränkung auf eine Betrachtungsweise reicht nicht aus, um zu einer umfassenden Beurteilung zu kommen, die sowohl die konkrete Situation als auch die Verallgemeinerbarkeit berücksichtigt.

Gerade bei solch komplexen Themen wie der Abtreibungsfrage entsteht aber schnell ein Widerspruch zwischen dem, was aus deduktiver, bzw. induktiver Sichtweise gefolgert wird.

Auflösen lässt sich dieser Widerspruch nur dadurch, dass eine Güterabwägung vorgenommen wird. Es wird also entweder die konkrete Situation oder aber die allgemeinen Normen und Werte als ausschlaggebend für die Beurteilung höher bewertet.

Dadurch werden zwar beide Betrachtungsweisen in die Argumentation mit einbezogen, sie werden jedoch unterschiedlich gewichtet. Das wiederum macht es sehr schwer, wenn nicht unmöglich, einen Konsens zu erzielen, insbesondere, wenn es um solch komplexe Themen wie Abtreibung geht.

Untersucht man die gängigen Positionen in der Abtreibungsdebatte, wie es im Folgenden geschehen soll, erkennt man bei allen Standpunkten eine Gewichtung entweder auf die induktive oder die deduktive Betrachtungsweise. Ein Konsens scheint deshalb, wenn überhaupt, nur in Teilbereichen der Problematik möglich zu sein, so beispielsweise dann, wenn die Gesundheit oder das Leben der Mutter gefährdet ist, wenn sie das Kind austrägt.

[...]


[1] Frommel, Monika: „ Männliche Gerechtigkeitsmathematik versus weiblichen Kontextualismus; Rechtsphilosophische Anmerkungen zur Frage nach einer „Geschlechtsspezifischen Moral“, Ethik und Unterricht 2/1998

[2] Frommel, Monika: „ Männliche Gerechtigkeitsmathematik versus weiblichen Kontextualismus; Rechtsphilosophische Anmerkungen zur Frage nach einer „Geschlechtsspezifischen Moral“, Ethik und Unterricht, Heft 2/1998, S 18

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Abtreibungsdebatte und die Schwierigkeit eines Konsenses
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V44924
ISBN (eBook)
9783638424264
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Abtreibungsdebatte, Schwierigkeit, Konsenses, Proseminar
Arbeit zitieren
Katrin Möbius (Autor:in), 2004, Die Abtreibungsdebatte und die Schwierigkeit eines Konsenses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44924

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