Nationalismus in Deutschland - seit wann tritt er in Erscheinung?


Seminararbeit, 2002

16 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1.Probleme der Nationalismusforschung
2. Späte Datierung
3. Frühe Datierung
4. Vergleichende Analyse

III. Schluss

I. Einleitung

In dieser Arbeit werde ich mich mit dem Thema ‚Nationalismus’ beschäftigen. Dabei stehen verschiedene Fragen im Focus meiner Arbeit: Gibt es einen Zeitpunkt, auf den der Beginn des Nationalismus festgelegt werden kann? Ist eine Unterscheidung in einen modernen bzw. nicht – modernen Nationalismus nötig und worin bestehen die Differenzen? Welche Elemente sind modern und welche sind auch im frühen enthalten? Oder sollte für den frühen Nationalismus ein anderer Begriff verwendet und gar nicht von Nationalismus gesprochen werden?

Die Überzeugungen der Historikerinnen und Historiker gehen bei diesen Problemen weit auseinander. Besondere Divergenzen bestehen zwischen den Ansichten der frühneuzeitlichen und mediävistischen Forschung und der neueren Forschung. Ich habe deshalb die Meinungen von vier Historikern herausgegriffen, die jeweils unterschiedliche Zeitpunkte für die Entstehung des Nationalismus festlegen. Ich werde versuchen, diese verschiedenen Ansichten darzustellen und am Ende zu vergleichen.

Im ersten Kapitel werde ich zunächst grundlegende Schwierigkeiten der Nationalismusforschung dokumentieren (die verschiedenen inhaltlichen Definitionen des Begriffs ‚Nationalismus’, die Probleme der zeitlichen Verortung und den unterschiedlichen methodischen Zugang an dieses Thema). Im folgenden Kapitel lege ich die Thesen von Peter Alter und Dieter Langewiesche dar, die den ;modernen Nationalismus’ erst nach den großen Revolutionen entstehen sehen. Im dritten Kapitel stelle ich die Auffassungen von Wolfgang Hardtwig und Joachim Ehlers vor, die dagegen für eine frühe Datierung des Beginns von Nationalismus plädieren. Im letzten Kapitel werde ich versuchen, die divergierenden Meinungen zu vergleichen und die Vor- und Nachteile der jeweiligen Sichtweisen herauszuarbeiten.

Auf viele interessante Aspekte, die mit der Geschichte des Nationalismus zusammenhängen, werde ich in dieser Arbeit nicht näher eingehen können, wie z.B. die verschiedenen Ausprägungen, die der Nationalismus alleine in Deutschland erfuhr, die Hoffnungen und Befürchtungen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem Nationalismus verbunden waren etc. Ebenso wenig werde ich auf die Trägerschichten des Nationalismus eingehen, sondern mich mehr mit den unterschiedlichen Thesen über die Entstehungsbedingungen und –zeitpunkte befassen.

II. Hauptteil

1.Probleme der Nationalismusforschung

Zunächst die Frage: Was ist Nationalismus? Es stellt sich schnell heraus, dass es auf diese scheinbar einfache Frage keine (einfache) Antwort gibt. Zu verschieden sind die Definitionen, die diesen Begriff zu erklären suchen.

Zwei davon stelle ich exemplarisch vor:

„Der Nationalismus – eine Ideologie, die auf der Grundlage eines bestimmten Nationalbewusstseins den Gedanken der Nation und des Nationalstaates militant nach innen und außen vertritt. Sie sucht durch nat. Identifikation, aber auch durch Assimilation oder gewalttätige Gleichschaltung soziale Großgruppen zu einer inneren Einheit zu verbinden und gegen eine anders empfundene Umwelt abzugrenzen. In seinen vielfältigen Erscheinungsformen ist der N. an keine bestimmte Gesellschafts- oder Staatsform gebunden..

Das Bewusstsein eines Anders- und Besondersseins verbindet sich im N. oft mit einem starken Sendungsbewusstsein. Die Hochschätzung der Nation geht häufig einher mit der Geringschätzung, gar Verachtung anderer Völker oder nat. Minderheiten. Das nat. Interesse [...] wird zum alleinigen Maßstab des polit. Handelns.“[1]

Nach Wolfgang Hardtwig ist die internationale Forschung dazu übergegangen, „unter ‚Nationalismus’ ganz neutral eine Ideologie oder besser einen Wertbezug zu verstehen, der große Gruppen zu integrieren vermag, sich auf einen bestimmten Staat, eben den nationalen Staat bezieht und seinen Mitgliedern Selbstbestimmung ermöglicht.“[2]

Die Liste der Definitionen ließe sich fortsetzen, denn es ist – wie Peter Alter hinweist – in der Nationalismusforschung immer noch umstritten, „was unter Nationalismus genau zu verstehen ist.“[3]

Ein weiteres Problem taucht auf, wenn man sich mit den Erscheinungen befasst, die mit dem Begriff Nationalismus erklärt werden. Diese sind sehr verschieden und widersprechen sich teilweise.

So wird dieser Begriff Alter zufolge u.a. für Aufstands- und Emanzipationsbewegungen als auch für die Unterdrückung eines Volkes, für imperialistische wie anti-imperialistische Bestrebungen verwendet. Des weiteren seien im Namen des Nationalismus multinationale Großstaaten (er verweist dabei auf das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie) in eine Vielzahl kleiner Staaten zerschlagen und andererseits neue Staaten geschaffen worden wie beispielsweise das Deutsche Reich. Außerdem sei die koloniale Expansion der europäischen Mächte in Asien, Afrika etc. im Zeichen nationalistischer Interessen gestanden. Im Namen des Nationalismus wurden Kriege geführt und furchtbare Verbrechen begangen. Andererseits verbanden sich nach Alter mit dem Begriff Nationalismus demokratische Bestrebungen mit dem Ziel einer egalitären, freien Gesellschaftsordnung, z.B. in ‚Deutschland’ Anfang des 19. Jahrhunderts.[4]

Der Begriff Nationalismus stehe sowohl für die Befreiung als auch die Gefährdung, sogar die Vernichtung von Völkern. Für Alter ist zu hinterfragen, ob es sich bei der Verwendung dieses Begriffes jeweils um dasselbe Phänomen handeln kann. Er hält es daher für angemessen, von „Nationalismen“ anstatt von dem Nationalismus zu sprechen, da es den Nationalismus nicht in dieser eindeutigen Form gebe.[5]

Ein weiteres Problem zeigt sich bei der zeitlichen Verortung des Begriffs, auf das ich in den Kapiteln zwei und drei eingehen werde.

Reinhard Stauber verweist noch auf eine andere Schwierigkeit der Nationalismusforschung: die verschiedenartigen methodischen Herangehensweisen an dieses Thema. So gebe es die Theorie, den Nationalismus als „anthropologisch-psychologisches Grunddatum zu erklären, der seine ideologischen Konstruktionen auf eine seelische „Grundkraft“ des Menschen aufsetze, nämlich die Sehnsucht nach Selbstbehauptung und Selbsterhöhung durch Teilhabe an einer transzendenten Gemeinschaftsidee“.[6] Die politikwissenschaftliche Forschung habe sich besonders mit dem Zusammenhang von Nationalismus und der Formierung moderner Staaten beschäftigt, wobei ein Teil der Forschenden den sich ausweitenden Staat als grundlegend für die Bildung einer Nation und von Nationalismus erachteten, andere dagegen den Nationalismus geradezu als Strömung gegen die Erweiterung der Staatsmacht sehen würden. Ein anderer Zugang zu diesem Thema sei die sozialwissenschaftliche Forschung. Für bedeutend hält Stauber dabei die Studie von Karl W. Deutsch aus dem Jahr 1953, die die Notwendigkeit der Massenmobilisierung und den großen Einfluss einer Gruppe intellektueller Wortführer betone. Die Geschichtswissenschaften hätten sich auf die Bildung typisierender Modelle konzentriert. Stauber nennt unter anderen Friedrich Meineckes oft zitierte Unterscheidung zwischen „Staats- und Kulturnation“. Eine weitere Unterscheidung sei die zwischen Stände-/ Adelsnation und Volksnation.[7]

2. Späte Datierung

Für Dieter Langewiesche ist der Nationalismus „ein Geschöpf der Moderne“.[8] Er betont den Einschnitt, den die Französische Revolution ausgelöst habe. Seit dem späten 18. Jahrhundert sei es zu einer „Nationalisierung von Werten und Lebensformen“ gekommen, Emanzipationsforderungen jeglicher Art, territoriale Ansprüche etc. seien mit der Nation als „oberstem Richtstuhl“ begründet worden.[9] Nach Langewiesche ist Nationalismus eine Ideologie, die Neues schaffen will.[10] Diese habe sich erst massenwirksam durchsetzen können, als bestimmte gesellschaftliche Voraussetzungen gegeben waren. Dazu zähle die „Kommunikationsrevolution“, wodurch die Gesellschaft zu großräumiger Kommunikation fähig geworden sei, die Entstehung großer Wirtschaftsräume, die Industrialisierung etc. Des weiteren sei eine Staatsbürgergesellschaft gefordert worden, in der allen Männern die selben Rechte zugestanden werden sollten. Darüber hinaus habe die Kirche in dieser Zeit an Bedeutung verloren, sie stellte sich nach Langewiesche vollkommen in den Dienst der Nation. Das sei zwar vorher auch schon vorgekommen, aber der Glaube habe dennoch seinen zentralen Stellenwert behalten. Seit dem 18. Jahrhundert habe gegolten: „Du sollst keinen anderen Gott haben neben deiner Nation“.[11]

Langewiesche sieht aber auch Traditionslinien, die den modernen Nationalismus mit älteren Formen verbinden. Vier dieser Kontinuitätslinien führt er näher aus, betont aber jeweils dennoch die Elemente, die moderne Ausprägungen erkennen lassen.

So nennt er das Territorium, das im Mittelalter ausschlaggebend für die Nationsbildung geworden sei. Dies gelte auch für die Bildung der modernen Nation, aber es gebe dennoch einen gravierenden Unterschied: In der vornationalen Zeit gab es nach Langewiesche keinen ideologischen Rechtfertigungszwang für territoriale Erweiterungen, sondern es wurden ohne Rücksicht auf die Nation Koalitionen mit europäischen Partnern geschlossen. Seit dem 19. Jahrhundert habe jede territoriale Erweiterung unter nationalem Rechtfertigungszwang gestanden.[12]

Als weitere Traditionslinie führt Langewiesche die Tatsache an, dass immer der politisch-staatliche Verband und nicht das Volk Ausgangspunkt für die Nationsbildung gewesen sei. Für den modernen Nationalismus sei jedoch neu und charakteristisch, dass er selbst zum Urheber von nationalen Institutionen (Vereine etc.) geworden sei. Es habe zwar schon Vorformen gegeben, angefangen im Humanismus, dennoch zeige sich in der Moderne eine völlig neue Beschaffenheit.[13]

Die deutlichste Kontinuität zeige sich im Glauben an nationale Mythen: „auch im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit konnte von nationalen Ursprungsmythologien eine erhebliche Massenwirkung ausgehen.“ Diese Verbindung genüge jedoch nicht, um die Kontinuitätsthese aufrecht zu erhalten, da Nationen und Nationalismus nicht alleine auf „Mythenkonstruktion“ beruhten.[14]

Eine weitere Verbindung konstatiert Langewiesche in der Funktion des „Krieges als Nationsbildner“. Von jeher sei die Abgrenzung nach außen, Fremdbilder, Xenophobie zentrales Element der Nationsbildung: Feindbilder nach außen, Integration nach innnen[15].

[...]


[1] Brockhaus – Die Enzyklopädie: in 24 Bänden20.überarbeitete und aktualisierte Auflage, 15. Band, Leipzig – Mannheim 1998, S.394.

[2] Hardtwig, Wolfgang: Nationalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500-1914. Ausgewählte Aufsätze, Göttingen 1994, S.35. Im Folgenden abgekürzt als Hardtwig, Nationalismus.

[3] Alter, Peter: Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S.13. Im Folgenden abgekürzt als Alter, Nationalismus. Ebebso vielfältig sind die Definitionen für den Begriff „Nation“, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen wird.

[4] Der Einfachheit wegen werde ich in dieser Arbeit den Begriff ‚Deutschland’ auch für das 18. und 19. Jahrhundert benutzen, wohl wissend, dass ‚Deutschland’ im heutigen Sinne zu dieser Zeit noch nicht bestand.

[5] Alter, Nationalismus, S.11, 13. s.a.:Graus, Frantisek: Die Nationenbildung der Westslawen im Mittelalter, Sigmaringen 1980, S.11 f.

Auf die Problematik der verschiedenen Definitionen von Volk, Nation und Nationalismus geht auch Graus ein; schon in mittelalterlichen Quellen seien diese Begriffe uneinheitlich verwendet worden; s.a. Hardtwig, Nationalismus, S.35.

[6] Stauber, Reinhard: Nationalismus vor dem Nationalismus? Eine Bestandsaufnahme der Forschung zu „Nation“ und „Nationalismus“ in der Frühen Neuzeit, in: Bookmann, H., Rohlfes, B., Schulze, W. (Hrsg.): Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. Zeitschrift des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands, Jg. 47, 3/96, S.154.

[7] ebd., S.153 – 157.

[8] Langewiesche, Dieter: Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000, S.35. Im Folgenden abgekürzt als Langewiesche, Nation.

[9] ebd., S.41.

[10] ebd., S.43.

[11] ebd., S.31-34, Zitat S.33.

[12] ebd., S.23/24.

[13] ebd., S.24/25.

[14] ebd., S.25/26, Zitat S.25.

[15] Diese Abgrenzung könne sich auch nach innen richten, wenn eine Gruppe als nicht integrationsfähig oder als innere Feinde gesehen werde. Das sei beispielsweise im Vormärz gegen die Vertreter der Reaktion und nach 1871 gegen sogenannte Reichsfeinde praktiziert worden. (ebd., S.52/53). Langewiesche weist darauf hin, dass Nationalismus immer zwischen den Polen Partizipation und Aggression entsteht. Für ihn ist wichtig, dass der Nationalismus nicht als das Böse und die Nation, Patriotismus, das Vaterland als das Gute gesehen werden (ebd., S.39-41, 44, 49)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Nationalismus in Deutschland - seit wann tritt er in Erscheinung?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V45030
ISBN (eBook)
9783638425070
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalismus, Deutschland, Erscheinung
Arbeit zitieren
Friederike Stoller (Autor:in), 2002, Nationalismus in Deutschland - seit wann tritt er in Erscheinung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45030

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