Ein Exzerpt über "Das politische System der Schweiz" von Linder, Dr. Wolf (2009)
In seinem Beitrag möchte Wolf Linder die Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz näher beschreiben, sowie Ähnlichkeiten zu anderen Regierungssystemen aufzeigen.
Prof. Dr. Wolf Linder ist ein Schweizer Jurist und Politologe. Er war als ordentlicher Professor u.a. an der Uni Genf und der Uni Bern tätig, wo er auch das Amt des Direktors des Instituts für Politikwissenschaft bekleidete. Prof. Dr. Linder hat an einigen Büchern mitgewirkt, die sich mit dem politischen System der Schweiz beschäftigen, zu dem wurden seine zahlreich verfassten Arbeiten in Politikwissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht (vgl. http://www.wolf-linder.ch).
In seinem Beitrag möchte Wolf Linder die Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz näher beschreiben, sowie Ähnlichkeiten zu anderen Regierungssystemen aufzeigen (vgl. Linder 2009:1).
1.Verfassungssystem
Linder (vgl. ebd.) zu Folge seien die Durchführung der direkten Demokratie, die Kollegialführung, das Fehlen eines Staatsoberhauptes und der föderalistische Staatsaufbau die kennzeichnenden Elemente des schweizerischen Politiksystems.
Schon vor der französischen Revolution einigten sich die gegründeten, unabhängigen Kleinstaaten [die heutigen Gemeinden] der Kantone auf formale Unabhängigkeit und gegenseitige Hilfestellung. Der Wunsch zur Gründung eines Bundesstaates entstand einerseits aus dem Gedanken der Vereinfachung des Handels über die Kantonsgrenzen hinaus und andererseits aus der voranschreitenden Nationalstaatenbildung der umliegenden Nachbarländer. Die Schweiz hob sich mit dem Ziel einer kulturell gemischten Staatsgründung von den damaligen restlichen Staatsgründungsmodellen ab, die das Volk mit einer Sprache und Kultur vereinen wollten. Trotz Reformversuchen und Abänderungen im Laufe der Zeit, behält die seit dem 18. Jahrhundert bestehende Verfassung auch heute noch weitgehend ihre Gültigkeit (vgl. Linder 2009:1ff.).
Der Bund und die 26 Kantone haben jeweils eine eigene Verfassung, die ca. 3000 Gemeinden organisieren sich selbstständig und verfügen über höchstmögliche Autonomie in ihrem Handeln. Legislative, Exekutive und Judikative sind sowohl beim Bund, bei den Kantonen und den Gemeinden vorhanden. Die De-Zentralisierung der Macht und das Zugestehen der Handlungsautonomie haben, dem Autor zu Folge, das Bestehen der multikulturellen Gesellschaft und das friedliche Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen erhalten und gefördert (vgl. Linder, 2009:3f.).
Sobald neue Aufgaben anfallen, werden diese zunächst auf der Gemeinde-Ebene versucht zu bewältigen, falls dies nicht möglich ist, schaltet sich der Kanton ein. Für eine Aufgabenübertragung an den Bund ist die Zustimmung des Volkes und der Kantone notwendig, diese Gewaltenteilung wird auch als Subsidiaritätsprinzip bezeichnet (vgl. Linder 2009:4).
2. Staatsoberhaupt und Regierung: Der Bundesrat
Der schweizerische Bundesrat, als exekutives Element, stellt die oberste leitende Instanz dar und besteht aus sieben Mitgliedern, die von der Bundesversammlung [= Parlament] für die Dauer von vier Jahren gewählt werden. Da die Möglichkeit einer Abwahl oder eines Misstrauensvotums durch das Parlament nicht vorgesehen ist, führt Linder (vgl. 2009:5) weiter an, dass der Austrittszeitpunkt eines Bundesratsmitglied von jenem selber festgelegt wird. Von der Option, eine personelle oder parteipolitische Veränderung zu Beginn einer Regierungsperiode vorzunehmen, nimmt das Parlament aus Gründen politischer Tradition und Konkordanzgedanken keinen Gebrauch (vgl. ebd.).
Als Staatsoberhaupt fungiert der Bundesrat als Ganzes oder eines der sieben Bundesräte wird für die Dauer eines Jahres zum Staatsoberhaupt ernannt, ist jedoch dem Bundesrat nicht übergeordnet. Der Aufbau der Regierung wird als Kollegialbehörde bezeichnet, in welcher die sieben Bundesräte einander gleichgestellt sind. Jedes der sieben Bundesratsmitglieder hat den Vorstand eines der sieben Departements inne, zur Entscheidungsfindung bei wichtigen Fragestellungen bedarf es der einfachen Mehrheit des Gesamtbundesrats. Die Bundesräte werden seit 1959 von den gleichen vier Parteien gestellt: den Freisinnigen (FDP), den Christlich-Demokraten (CVP), den Sozialdemokraten (SPS) und der Volkspartei (SVP) (vgl. Linder 2009:5ff.).
3. Parlament: Nationalrat und Ständerat
Das Parlament ist die gesetzgebende Instanz, zu dessen Aufgaben unter anderem die Budgetplanung, die Wahl der Bundesratsmitglieder und des Bundesgerichts sowie die Kontrolle von Regierung und Verwaltung gehören. Das Parlament besteht aus zwei gleichgestellten Kammern, dem Nationalrat oder große Kammer, welcher die Anliegen der Bevölkerung wahrnimmt, während der Ständerat oder kleine Kammer, für die Interessen der Kantone zuständig ist [Interessant wäre hier die Durchführung in der Praxis, denn für mich ist unklar, ob nicht die Bewohner der einzelnen Kantone als „Bevölkerung“ anzusehen sind, was die Frage aufwirft, wessen Anliegen der Nationalrat genau vertritt]. 200 Nationalratssitze werden entsprechend der Bevölkerungsdichte auf die Kantone verteilt, die 46 Sitze des Ständerats teilen sich auf die 20 Vollkantone mit jeweils zwei Sitzen und jeweils einem Sitz für die sechs Halbkantone auf (vgl. Linder 2009:7f.). Linder (2009:8) zu Folge, führe das Proporzsystem bei der Nationalratswahl dazu, dass auch kleine Parteien mit geringer Wählerstärke in den Nationalrat einziehen können, während auf Grund des Majorzsystems bei der Ständeratswahl nur die drei dominierenden Parteien Einzug ins Parlament halten können.
Da beide Kammern gleichgestellt sind, werden alle Vorlagen jeweilig in beiden Kammern bearbeitet, die beiden Ratsbüros kommunizieren über die Koordinationskonferenzen. Damit eine Vorlage umgesetzt werden kann, ist das Einverständnis beider Kammern notwendig. Sollten Uneinigkeiten entstehen, wird ein Differenzbereinigungsverfahren beider Räte abgehalten, folgt daraufhin erneut keine Einigung, kommt der Vorschlag nicht zu Stande (vgl. Linder 2009:8f.).
Das Parlament kann die Regierung nicht verabschieden und die Parlamentsmehrheit ist nicht zur Machtsicherung der Regierung notwendig, was bedeutet, dass beide Größen praktisch unabhängig voneinander sind (vgl. Linder 2009:6).
Eingeschränkt wird die Handlungsweite des Parlaments durch die enormen Einflüsse der Verbände [hier sind die Interessenverbände wie Wirtschafts- und Berufsverbände gemeint, deren Einfluss im weiteren Verlauf des Beitrags vom Autor thematisiert wird, jedoch auf Grund des Umfangs dieser Arbeit nicht näher ausgeführt werden] und durch die Durchführung der direkten Demokratie (vgl. Linder 2009:9).
4. Direkte Demokratie
Linder formuliert: „...sind die schweizerischen Volksrechte aus einer basisdemokratischen Bewegung entstanden, die dem Repräsentativsystem misstrauisch gegenüberstand und der es um die Begrenzung parlamentarischer Macht und um die Kontrolle der wichtigsten Entscheidungen ging“ (Linder 2009:10).
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- Quote paper
- Emilie Rechberger (Author), 2015, Ein Exzerpt über "Das politische System in der Schweiz" von Wolf Linder, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452770