„Lasst uns jetzt ein paar genmanipulierte Nahrungsmittel essen!“ ([1])
„Die Welt hungert nicht nach Gentechnik, sondern nach Gerechtigkeit und Anstand.“ ([2]) Zwei Aussagen, wie sie gegensätzlicher wohl nicht sein können. Besonders interessant erscheint deshalb, von wem diese Aussagen stammen. Die erste ist eine Aufforderung, die US-Präsident George W. Bush im Rahmen eines amerikanisch-europäischen Gipfeltreffens aussprach, um seine Gäste zum Mittagstisch zu bitten. Die zweite Aussage wurde einem Artikel des Greenpeace-Magazins entnommen, der den Titel „Die faulen Versprechen der Genlobby“ trägt. Ausgewählt wurden diese beiden Statements, weil durch sie bereits schemenhaft die Problematik deutlich wird, die die nachfolgende Arbeit näher beleuchten will. Dabei geht es nicht vorrangig um die Frage, inwieweit Gentechnik unsere Lebensmittel aus biologischer und medizinischer Sicht positiv bzw. negativ beeinflusst. Beleuchtet werden sollen vielmehr die Prozesse und Systeme, die letztendlich darüber entscheiden, was der Endverbraucher konsumieren muss bzw. konsumieren darf. Offensichtlich vertreten nämlich die einzelnen Systeme unserer Gesellschaft verschiedene Interessen, wenn es um die Frage geht, wie unser Nahrungs- und Genussmittelangebot auszusehen hat bzw. was überhaupt als Nahrungs- oder Genussmittel bezeichnet werden darf. Während der Recherche für diese Arbeit fiel auf, dass das ausgewählte Thema in der vorhandenen Literatur vornehmlich unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes behandelt wird. Ratgeber und Sachbücher informieren über die Bestandteile unserer Nahrung, über Risiken und Nebenwirkungen von legalen und illegalen Drogen, und die Medien berichten über Lebensmittelskandale, die trotz politischer und rechtlicher Vorgaben immer noch an der Tagesordnung sind. Nahezu unbeachtet bleibt dabei aber die Frage, wie groß der Einfluss von Politik und Recht auf unser Nahrungs- und Genussmittelangebot tatsächlich ist. In diesem Zusammenhang sollen anhand der legalen Droge Tabak und der illegalen Droge Cannabis Verbindungen und Abhängigkeiten zwischen die sen beiden Systeme und dem Wirtschaftssystem dargestellt werden. Dazu folgt unter Kapitel 1 zunächst ein Überblick, der die systemtheoretischen Aspekte von Recht, Politik und Wirtschaft aufzeigt. Anschließend daran folgt in Kapitel 2 ein Überblick über die Fülle der existierenden Drogen und deren Einstufung nach dem Betäubungsmittelgesetz.
Inhaltsverzeichnis
Problemstellung
1. Kulinarisches unter systemtheoretischen Aspekten
1.1 Rechtliche Aspekte
1.2 Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten der EU
1.3 Nahrung und Politik
1.3.1 Gesetzgebung
1.3.2 Institutionalisierung der Ernährungspolitik
1.4 Wirtschaftliche Aspekte
2. Definitionen – Drogen
2.1 Illegale Drogen
2.2 Legale Drogen
3. Tabak und Cannabis – ein Vergleich unter Berücksichtigung rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Interessen
3.1 Tabak – ein Überblick
3.2 Tabak – (gesundheits-)politische vs. wirtschaftliche Aspekte
3.3 Cannabis – ein Überblick
3.4 Cannabis – gesundheits- und rechtspolitische vs wirtschaftliche Aspekte
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Problemstellung
„Lasst uns jetzt ein paar genmanipulierte Nahrungsmittel essen!“ ([1])
„Die Welt hungert nicht nach Gentechnik, sondern nach Gerechtigkeit und Anstand.“ ([2]) Zwei Aussagen, wie sie gegensätzlicher wohl nicht sein können. Besonders interessant erscheint deshalb, von wem diese Aussagen stammen. Die erste ist eine Aufforderung, die US-Präsident George W. Bush im Rahmen eines amerikanisch-europäischen Gipfeltreffens aussprach, um seine Gäste zum Mittagstisch zu bitten. Die zweite Aussage wurde einem Artikel des Greenpeace-Magazins entnommen, der den Titel „Die faulen Versprechen der Genlobby“ trägt. Ausgewählt wurden diese beiden Statements, weil durch sie bereits schemenhaft die Problematik deutlich wird, die die nachfolgende Arbeit näher beleuchten will. Dabei geht es nicht vorrangig um die Frage, inwieweit Gentechnik unsere Lebensmittel aus biologischer und medizinischer Sicht positiv bzw. negativ beeinflusst. Beleuchtet werden sollen vielmehr die Prozesse und Systeme, die letztendlich darüber entscheiden, was der Endverbraucher konsumieren muss bzw. konsumieren darf. Offensichtlich vertreten nämlich die einzelnen Systeme unserer Gesellschaft verschiedene Interessen, wenn es um die Frage geht, wie unser Nahrungs- und Genussmittelangebot auszusehen hat bzw. was überhaupt als Nahrungs- oder Genussmittel bezeichnet werden darf. Während der Recherche für diese Arbeit fiel auf, dass das ausgewählte Thema in der vorhandenen Literatur vornehmlich unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes behandelt wird. Ratgeber und Sachbücher informieren über die Bestandteile unserer Nahrung, über Risiken und Nebenwirkungen von legalen und illegalen Drogen, und die Medien berichten über Lebensmittelskandale, die trotz politischer und rechtlicher Vorgaben immer noch an der Tagesordnung sind. Nahezu unbeachtet bleibt dabei aber die Frage, wie groß der Einfluss von Politik und Recht auf unser Nahrungs- und Genussmittelangebot tatsächlich ist.[1] In diesem Zusammenhang sollen anhand der legalen Droge Tabak und der illegalen Droge Cannabis Verbindungen und Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Systeme und dem Wirtschaftssystem dargestellt werden.
Dazu folgt unter Kapitel 1 zunächst ein Überblick, der die systemtheoretischen Aspekte von Recht, Politik und Wirtschaft aufzeigt. Anschließend daran folgt in Kapitel 2 ein Überblick über die Fülle der existierenden Drogen und deren Einstufung nach dem Betäubungsmittelgesetz.
Kapitel 3 vergleicht darauf aufbauend, unter Berücksichtigung rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Interessen, eine legale (Tabak) mit einer illegalen Droge (Cannabis). Das abschließende Fazit zeigt noch einmal auf, in welchem Zusammenhang die o.g. Systeme stehen und welche Abhängigkeiten den gesellschaftlichen Diskurs um die Frage, wer über unser Nahrungs- und Genussmittelangebot bestimmt, dominieren.
1. Kulinarisches unter systemtheoretischen Aspekten
1.1 Rechtliche Aspekte
Zunächst soll ein Blick auf die Normen geworfen werden, die das deutsche Nahrungsmittelrecht bestimmen.
Maßgeblich beeinflusst wird dieses durch das europäische Lebensmittelrecht, denn wie in allen Rechtsbereichen gilt auch hier das Prinzip: Europarecht verdrängt nationales Recht. Wichtigste gesetzliche Grundlage ist die Verordnung Nr. 178 (EG-Basisverordnung), die das Europäische Parlament und der Rat im Jahre 2002 verabschiedet haben. Durch diese Verordnung sind sowohl allgemeine Grundsätze und Anforderungen an das Lebensmittelrecht geregelt, als auch die Verfahren zur Lebensmittelsicherheit festgelegt. (Vgl. [3])
Das deutsche Nahrungsmittelrecht muss sich also den europäischen Vorgaben unterordnen. Zentrales deutsches Rahmengesetz ist das Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen oder kurz das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG).
Unterteilt ist das LMBG in zehn Abschnitte. Geregelt werden zum Beispiel der Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen und kosmetischen Mitteln, die Überwachung und die Ein- und Ausfuhr von Lebensmitteln (vgl. [4]).
Durchgeführt wird das LMBG mit Hilfe von verschiedenen Rechtsverordnungen, die unter anderem folgende Bereiche regeln:
- Lebensmittelhygiene (z. B. Lebensmittelhygieneverordnung)
- Höchstmengen für Rückstände (z. B. die Rückständehöchstmengenverordnung)
- Fragen zur Kennzeichnung und zur Werbung (z.B. Lebensmittelkennzeichnungsverordnung)
- Lebensmittelzusatzstoffe (z. B. Zusatzstoff-Zulassungsverordnung) (Vgl. [5])
Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um eine abschließende Aufzählung. Die aufgezeigten Normen sollen lediglich die bestehenden Hierarchien innerhalb des Rechtssystems in Bezug auf das Nahrungsmittelrecht aufzeigen und als Orientierungshilfe dienen.
1.2 Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten der EU
Wie unter Punkt 2.1 aufgezeigt wurde, sind die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU im Bereich des Nahrungsmittelrechts verpflichtet, sich nach der EG-Basisverordnung zu richten. Da die einzelnen Mitgliedsstaaten aber unterschiedliche Rechtssysteme haben, gestaltet es sich äußerst schwierig, Verstöße gegen diese Richtlinie zu ahnden.
„Die Engländer zum Beispiel berufen sich auf ihre jahrhundertealte Tradition des Gewohnheitsrechts, weite Teile des europäischen Kontinents dagegen stützen sich auf die von den Römern überlieferte Rechtsordnung. […] Verfahren zur Beweisaufnahme werden je nach Land unterschiedlich durchgeführt und vor Gericht dann oft als unzulänglich abgelehnt. Die Zuständigkeiten innerhalb der nationalen Behörden sind von Land zu Land anders geregelt.“ (Reinecke/Thorbrietz 1998: 50)
Die Mitglieder der EU sind sich zwar darüber einig, dass jegliche Form von Kriminalität bekämpft werden muss, viele sprechen sich aber dennoch gegen Eingriffe in ihre Rechtssouveränität aus. Insbesondere größere Länder wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die skandinavischen Staaten wollen ihre Eigenständigkeit in diesem Bereich bewahren (vgl. Reinecke/Thorbrietz 1998: 50).
Da dieser Diskurs zu keiner abschließenden Einigung geführt hat, wurde im Jahre 1999 das europäische Amt für Betrugsbekämpfung, welches der Europäischen Kommission angehört, gegründet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: ([9])[2]
Aufgabe dieses Amtes ist es, die finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu wahren und so den Gemeinschaftshaushalt zu schützen. Durchgeführt wird diese Aufgabe unter anderem mittels „Koordination der Aktivitäten der Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung von Betrug zu Lasten der EU.“ ([10])
OLAF stellt also unter anderem ein Kommunikationsmittel dar, welches die Verständigung zwischen den Ländern der EU in Bezug auf eine gemeinsame Strafverfolgung fördern und der Öffentlichkeit zeigen soll, dass mit den Steuergeldern der EU-Bürger gewissenhaft und mit wirtschaftlicher Effizienz gearbeitet wird. Eigens dazu wurde das Olaf Anti-Fraud Communicators Network (OAFCN) eingerichtet.
„Das OLAF-Netz von Kommunikationsbeauftragten im Bereich der Betrugsbekämpfung (OAFCN) setzt sich zusammen aus dem Sprecher des OLAF und den mit der Öffentlichkeitsarbeit befassten Sprechern und Informationsbeauftragten der nationalen Ermittlungsdienste, mit denen das OLAF in den Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Es ist Teil der unabhängigen externen Kommunikationsstrategie des OLAF.“ ([11])
1.3 Nahrung und Politik
1.3.1 Gesetzgebung
Da die unter 2.1 genannten Gesetze und Rechtsverordnungen unter Beachtung der Vorgaben der Europäischen Union vom Bundestag und Bundesrat[3] eingebracht und verabschiedet werden, besteht eine direkte Verbindung zwischen den Systemen Politik und Recht.
Die Kompetenzverteilung auf europäischer Ebene lässt sich mit der ausschließlichen, der konkurrierenden, der parallelen und der vertikalen Kompetenz in vier Bereiche einteilen. Besteht in einem Bereich die ausschließliche Zuständigkeit, haben die Mitgliedsstaaten keine separate Entscheidungsbefugnis und die Gesetzgebung ist vollständig auf die Europäische Union (EU) übergegangen. Ein Bereich, über den ausnahmslos die EU entscheiden darf und der insbesondere im Bereich des Nahrungsmittelrechts von enormer Bedeutung ist, ist die Zoll- und Handelspolitik. Kritische Stimmen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass viele Entscheidungen der EU nicht zum Wohle des Verbrauchers, sondern zum Wohle der multinationalen Konzerne getroffen werden:
„Essen ist Politik und Politik ist die Durchsetzung von Interessen. […]. Sie [die EU; Anm. d. Verf.] ´harmonisiert´ den Nahrungsmittelmarkt, indem sie nationale Vorschriften vereinheitlicht, Standards schafft und damit den breiten Absatz von Gütern sichert. Sie liberalisiert den Warenverkehr, so dass es billiger ist, Rohstoffe über weite Strecken hin- und herzutransportieren, als sie vor Ort zu verarbeiten. Sie fördert die Industrialisierung des Essens, indem sie gentechnische Produkte und andere ´neuartige´ Lebensmittel (Novel Food) zulässt, die nur unter Einsatz von High-Technic und viel Energie produziert werden können. Und sie entmündigt Bauern, indem sie sie zu Sozialhilfeempfängern macht.“ (Reinecke/Thorbrietz 1998 10f)
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip[4] bleiben die Mitgliedsstaaten innerhalb der konkurrierenden Kompetenz so lange gesetzgeberisch tätig, wie die EU keine eigene Entscheidung für das jeweilige Sachgebiet getroffen hat.
Parallele Kompetenz ist dann gegeben, wenn sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten Gesetze erlassen dürfen.
Der Begriff vertikale Kompetenz umfasst die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Diese ist immer dann gegeben, wenn die EU nicht zuständig ist. (Vgl. Zimmermann 2000: 258f)
National besteht gemäß Artikel 70 ff. des Grundgesetzes (GG) eine ähnliche Einteilung der Kompetenzen: Die Bundesländer haben dann das Recht zur Gesetzgebung, wenn dieses nicht ausdrücklich dem Bund zugeschrieben wird. Art. 71 ff. GG regelt, wann dieser Fall gegeben ist. Unterschieden wird zwischen der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit, der konkurrierenden Zuständigkeit und der Rahmenkompetenz.
Die ausschließliche Zuständigkeit ist immer dann gegeben, wenn es sich bei den zu regelnden Sachgebieten um Angelegenheiten handelt, die das gesamte Staatsvolk bzw. das gesamte Staatsgebiet betreffen. Bei solchen handelt es sich zum Beispiel um auswärtige Angelegenheiten oder um das Währungs- und Geldwesen.
Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet hingegen, dass die Befugnis solange den Ländern zusteht, wie der Bund dieses Recht nicht genutzt hat. Sobald allerdings der Bund in gleicher Sache eine Entscheidung trifft, verliert die des Landes ihre Wirksamkeit. Bereiche, die von der konkurrierenden Gesetzgebung betroffen sind, sind zum Beispiel das Wirtschafts- und das Arbeitsrecht.
Durch die Rahmenkompetenz gibt der Bund den Ländern bezüglich der Gesetzgebung einen groben Entwurf vor, der dann von den Ländern rechtlich mit Leben gefüllt wird. Beispiele sind das Beamtenrechtsrahmengesetz oder das Hochschulrahmengesetz. (Vgl. Kock 2000: 105ff)
[...]
[1] An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen dieser Arbeit nicht allen gesellschaftlichen Gruppen, die in diesen kulinarischen Diskurs involviert sind, Beachtung geschenkt werden kann. Die Autorin konzentriert sich deshalb, angelehnt an die eigenen Rechercheergebnisse und aufgrund der ihrer Meinung nach relevantesten, auf die Systeme Recht, Politik und Wirtschaft.
[2] „Da die Abkürzung OLAF (die in manchen Mitgliedstaaten mit einem Vornamen identisch ist) unter Umständen missverstanden werden kann, war es besonders wichtig, ein aussagekräftiges Emblem zu finden und auf grafische Abstraktionen zu verzichten.“ ([9])
[3] In Fällen von Einspruch- oder Zustimmungsgesetzen unter Mitwirkung des Bundesrates. Bei Zustimmungsgesetzen kommt das Gesetz nur mit Zustimmung des Bundesrates zustande. Bei Einspruchsgesetzen kommt das Gesetz nur dann nicht zustande, wenn der Bundesrat innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt hat (vgl. Kock 2000: 114f).
Außerdem ist der Bundesrat (der aus Mitgliedern der Länderregierungen besteht) berechtigt, Gesetzesvorlagen in den Bundestag einzubringen (vgl. Kock 2000: 71).
[4] Prinzip der Nachrangigkeit
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