Ein jüdischer Wanderbund zwischen Jugendbewegung und Zionismus


Hausarbeit, 2018

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Die Jüdische Jugendbewegung am Beispiel des Wanderbundes Blau-Weiß
2.1 Einordnung der Quelle
2.2 Entstehung der jüdischen Jugendbewegung
2.3 Entstehung und Bewegungsgründe des Wanderbundes Blau-Weiß
2.4 Publikationen – Inhalt der Blau-Weiß-Blätter
2.5 Alltag und Mitglieder im Wanderbund Blau-Weiß

3. Fazit

4. Quellen / Literatur

5. Anhang – Quelle von Moses Calvary

1. Einleitung

Die jüdische Jugendbewegung ist ein Phänomen, das im 20. Jahrhundert ganz Deutschland ergriffen hatte. Es kam zu einem sprunghaften Anstieg von jüdischen Wandergruppen nach der ersten Etablierung des jüdischen Blau-Weiß Bundes 1913, der sich ein Jahr später „Blau-Weiß Bund für jüdisches Jugendwandern“ in Deutschland nannte.1 Dies wird Hauptbestandteil der vorliegenden Arbeit sein in der ich die Bedingungen für das Entstehen dieser Jugendbewegung genauer erläu- tere und ihre Absichten genauer beschreibe.

Das erste Kapitel gibt einen Einblick in die Entstehung der Jüdischen Jugendbe- wegung. Was war der Anlass für einen eigenen jüdischen Jugendbund und nach welchem Vorbild wurde er gegründet? Hierbei wird eine Quelle vom ehemaligen Gründungsmitglied der Bewegung, Moses Calvary, verwendet. Was wird in der Quelle zum Ausdruck gebracht und woher stammt diese? Wie wurde Calvarys Rede an die Mitglieder und der jüdischen Bevölkerung herangebracht und wie machte sie ihren Umlauf? Fortlaufend wird auf die Entstehung und Bewegungs- gründe genauer eingegangen. Wie wurde der Alltag gestaltet und welche Mitglie- der brachte dieser Wanderbund mit sich?

Mein Schwerpunkt befasst sich mit dem Quellenauszug von Moses Calvary, der in seiner Rede die Absichten des zukünftigen jüdischen Jugendwanderns im Blau- Weiß Bund beschreibt. Doch welche Vorstellungen vermittelt er und an wen sind sie gerichtet? Welche Art von Wanderbund wird beschrieben und welche Ziele will dieser verfolgen? Worauf wird besonders geachtet und besagt dieser Bund von Anfang an ein zionistisch orientierter Wanderbund zu sein? All diese Fragen sollen im fortlaufenden geklärt und detailliert erwiesen werden.

2. Die Jüdische Jugendbewegung am Beispiel des Wanderbundes Blau-Weiß

2.1 Einordnung der Quelle

Die Quelle von Moses Calvary, Gründungsmitglied und führende Persönlichkeit im frühen Blau-Weiß, entstand in Lockwitz bei Dresden am 12.Juni 1916 auf dem Blau-Weiß Tag.2

Calvary hielt zu diesem Bundestag des Wanderbundes ein Referat über die Erzie- hungsprobleme des jüdischen Jugendwanderns zu dieser Zeit, welches an die Mit- glieder und Besucher des Blau-Weiß Tages gerichtet war.3

Am 1. Februar 1874 wurde Moses Calvary in Messingwerk im Eberswalder Orts- teil Finow geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Gotthard Calvary und seine Frau Esther, beide gebürtige Hildesheimer. Sein Großvater Esriel Hildesheimer und sein Schwiegersohn Gustav Hirsch waren Gründungsmitglieder der jüdischen Reformgemeinde Adass Jisroel in Berlin, die im Jahre 1885 vom preußischen Kö- nig die Rechte einer Synagoge verliehen wurde.

Calvery ging in Eberswalde (Brandenburg) und Halberstadt (Sachsen-Anhalt) zur Schule. Nach seinem Abschluss studierte er an der Universität in Berlin klassische Philologie mit den Schwerpunkten Latein und Griechisch. Im Jahre 1907/08, mit 33 Jahren, kam er als Hilfslehrer nach Crossen und wurde schon im Mai 1918 als Oberlehrer fest angestellt.

Wie in einem Artikel der „Crossener Heimatgrüße“ herauszulesen ist, ließ sich Calvary im Sommerhalbjahr 1914 beurlauben und besuchte bzw. erkundete als überzeugter Zionist Palästina. Er kehrte jedoch an die Oder zurück und lehrte hier weitere fünf Jahre als wissenschaftlicher Assessor. Mit Zustimmung der Leitung des Crossener Gymnasiums engagierte sich Moses sehr für die damalige Jugend- bewegung, unter anderem war er an der Gründung des Wanderbundes „Blau- Weiß“ beteiligt und spielte nach Angaben der „Crossener Heimatgrüße“ bei der Schaffung von Jugendsiedlungen in Palästina eine Rolle.

Mit über 40 Jahren heiratete er Esther Perlmann, die ansehnliche Tochter eines Zionistenführers. Mit dieser lebte er einige Jahre in Crossen und verließ schließ- lich 1919 gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn Gideon die Stadt. In den folgenden drei Jahren arbeitete er als Pädagoge und Schriftsteller am hebräischen Gymnasium Ponercz (Litauen) und wanderte letztlich 1922 mit seiner Familie nach Palästina aus. 4

Er berichtete aus seinen eigenen Unterlagen und erweckte Interesse und Ansehen bei den Besuchern in Lockwitz, sodass Calvary‘s Rede ein Jahr später als Zei- tungsartikel in der ersten Ausgabe der Führerzeitung im Juni 1917 erschien. Die Blau-Weiß Führerzeitung dient der Erörterung streitiger Fragen der Blau-Weiß- Bewegung, wobei ihre Beiträge von Herausgebern der Bundesleitung für jüdi- sches Jugendwandern in Deutschland entstanden. Sie drücken lediglich die per- sönliche Meinung der Verfasser aus und bezeichneten sich mit dem anonymen Namen „der Jude“ als konkreter Schreiber des Artikels.5 Somit hat der Überliefe- rungsweg seinen Ursprung am 12. Juni 1916. Der Jude hielt auf dem sogenannten „Blau-Weiß-Tag“ Mitschrift und verfasste seine Aufzeichnungen in einen litera- risch geformten Text. Daraufhin erschien sein Artikel über Moses Calvary, ein Jahr später in der ersten Monatsschrift der Führerzeitung.

Dies ist durchaus eine Traditions-Quelle, da sie aus eigenen Aufzeichnungen, Er- innerungen und Notizen stammt und somit nur zu einem literarischen Text ge- formt wurde.

Die Führerzeitung liegt in Frakturschrift vor und bringt in zahlreichen Heften ihr konkretes Ziel: „Palästina, das Jüdische Nationalheim“ stark zum Ausdruck.6

Calvary setzte beabsichtigt seinen Schwerpunkt auf die Erziehung und verbesserte Entwicklung für jeden einzelnen Juden. Er spricht mit großer Zuversicht für das zukünftige gute Leben im Blau-Weiß Bund und motiviert seine Zuhörer dem Wanderbund als überzeugter Jude beizutreten, wobei er gezielt attraktive Erlebnisse schildert („[…]die Ungebundenheit des Wanderns, die sich in freier Lust der Schönheit der Natur ergibt, die im Umher- streifen im Wald und Feld reine Jugendfreude erzielt.“).

Weitergehend will er dazu animieren und auffordern, dass wie zu Beginn der Quelle von Calvary beschrieben wird, die „Zweckbestimmtheit und das überwie- gende geistig theoretische Interesse“ gemeinsam im Wanderbund überwunden werden kann. Es soll die ehrliche und freudige Lebensauffassung gestärkt oder gar neu gelehrt werden, da zu viele Gläubige es vertuschen oder leugnen ein Jude zu sein.7 Hierauf werde ich noch genauer im weiteren Verlauf eingehen.

Im Allgemeinen will er das jüdische Volk zum Beitritt in den Wanderbund Blau- Weiß mit unterschiedlichsten Argumenten ermutigen. Er verfolgt das Ziel, den Glauben an das Judentum in einem selbst zu manifestieren. Der Bund sieht sich ganz klar als einen Erziehungsbund, der die Entwicklung und Verbesserung des einzelnen sowie der Judenheit im Ganzen zum Ziel hatte.

2.2 Entstehungen der jüdischen Jugendbewegung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte sich auch im Alltag bemerkbar, wie tief die antisemitistischen Vorstellungen eingegraben waren und jüdischen Mitbürgern eine hohe Missachtung entgegen gebracht wurde, zog sich der Antisemitismus auch durch die Jugendgruppen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Juden, je nach Einstellung und Auffassung der jeweiligen Gruppe, als Mitglieder aufgenommen und akzeptiert oder auch abgelehnt und verstoßen. Ab diesen Zeitpunkt wurde der Beitritt der Juden immer mehr verwehrt, denn wie oft in der Geschichte wurden sie zu Sündenböcken diffamiert.8

Die Notwendigkeit einer eigenen jüdischen Jugendbewegung machte sich be- merkbar, als 1913 durch den sogenannten „Zittauer Fall“ einem jüdischen Mäd- chen die Aufnahme in die Zittauer Mädchengruppe des Wandervogels verweigert wurde, obwohl sie die Prüfung als „Anwärterin“ bereits erfolgreich abgelegt hatte. Die Begründung lautete, dass der Wandervogel eine deutsche Bewegung sei und folglich keinen Platz für sie als Jüdin biete.9

In den folgenden Jahren orientierte sich die Wandervogelbewegung in weiten Tei- len immer stärker an der völkischen Bewegung, eine Bewegung, die deutschnati- onale und antisemitisch-rassistische Vereine, Parteien, Publikationen umfasste.10 Daraufhin setzte im Wandervogel eine kontroverse Diskussion ein. Einige Grup- pen schlossen Juden vollkommen aus, andere hingegen protestierten und lehnten diesen Antisemitismus ab.11

Von dieser Erfahrung des Unerwünscht seins, entstanden in der Wandervogelbe- wegung im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erste lokale jüdische Wander- gruppen. Die erste Gruppe ging in Breslau hervor. Dort hatte Joseph Marcus sich für jüdische Jugendwanderer bereits 1912 eingesetzt und somit entstand im April der „Wanderverein 1907“. Im gleichen Jahr entstanden an mehreren Orten unter der Führung von Adalbert Sachs und Dr. Weißenberg der jüdische Wanderbund „Blau-Weiß“ , der sich im darauffolgendem Jahr 1913 mit dem Wanderverein 1907 zu „Blau-Weiß, Bund für jüdisches Jugendwandern in Deutschland“ zu- sammenschloss.12

Der erste jüdische Jugendbund Blau-Weiß sah sich infolgedessen ihrer Grün- dungsabsicht bestätigt und nutzte die antisemitischen Vorfälle um für den jüdi- schen Jugendbund zu werben.13

Seine eigenen Vermutungen, dass wahrscheinlich genau aus diesem Grund dieser Wanderbund entstanden ist, unterstreicht Calvary im ersten Satz meiner vorlie- genden Quelle. Er bringt hier zum Ausdruck, dass dem Judentum zum Beginn des 20. Jahrhunderts zwei seelische Schäden anhaften. Die „Zweckbestimmtheit und überwiegendes geistig theoretisches Interesse“. Dies deutet darauf hin, dass er mit der Zweckbestimmtheit den gläubigen Juden charakterisiert, dem aus der Historie heraus eine Trotzreaktion anzusehen ist.

[...]


1 Botch, Gideon; Josef, Haverkamp: Jugendbewegung, Antisemitismus und rechtsradikale Politik. Vom „Freideutschen Judentag“ bis zur Gegenwart, Berlin/ Boston 2014, S. 104.

2 Döpp, Suska: Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906-1938, Münster 1997, S. 111.

3 Calvary, Moses: Erziehungsprobleme des jüdischen Jungwanderers. In: Blau- Weiss Blätter, Führernummer, 1917, Heft 1, S. 3.

4 Heuer, Renate: Lexikon deutsch- jüdischer Autoren, Bd. 4, 406-409, München 1996, S. 408f.

5 Moses 1917, S. 3.

6 Köster, Markus; Stambolis, Barbara: Jugend im Fokus von Film und Fotografie, Göttingen 2016, S. 157f.

7 Köster 2016, S. 146.

8 Budde, Gunilla: Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert. Darmstadt 2009, S. 115f.

9 Reulecke, Jürgen: 50 Jahre danach- 50 Jahre davor. Der Meißnertag 1963 und seine Folgen, Göttingen 2014, S. 63.

10 Winnecken, Andreas: Ein Fall von Antisemitismus. Zur Geschichte und Pathogenese der deut- schen Jugendbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, Köln 1991, S. 45 – 49.

11 Botsch 2014, S. 98.

12 Reinharz, Jehuda: Dokumente zur Geschichte des deutschen Zionismus 1882-1922, Tübingen 1981, S. 114.

13 Bund für jüdisches Jugendwandern (Hg.): Blau-Weiß-Blätter, Alte Folge, 1913 – 1919, S. 1.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Ein jüdischer Wanderbund zwischen Jugendbewegung und Zionismus
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
20
Katalognummer
V459729
ISBN (eBook)
9783668894808
ISBN (Buch)
9783668894815
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zionismus, Jugendbewegung, Juden, Wanderbund
Arbeit zitieren
Maxi Pink (Autor:in), 2018, Ein jüdischer Wanderbund zwischen Jugendbewegung und Zionismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459729

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