Der Niedergang des sowjetischen Systems bis 1991 rückte eine Region in den Blick der Weltöffentlichkeit, die zuvor als Peripherie des sowjetischen Einflussgebietes weitgehend in Vergessenheit geraten war. Die zentralasiatische Region um das Kaspische Meer rief in der Folgezeit ihre ethnischen Probleme, wirtschaftlichen Mangellagen, lokalen Kriege und Umweltkatastrophen aber auch zunehmend ihren Rohstoffreichtum in Erinnerung.
Wie im historischen Teil dieser Arbeit gezeigt wird, existieren mehrere Phasen des Rohstoffbooms, deren kritische Verknüpfungen (Critical Junctures) die heutige Situation der Region nachhaltig prägen. Dennoch haben sich auch durch die lange zarische und sowjetische Zugehörigkeit gemeinsame Identitäten entwickelt. Die gemeinsamen Ausgangsbedingungen der Länder nach dem Ende der Sowjetära - wenn auch gewiss nicht hundertprozentig deckungsgleich - werden in dieser Untersuchung als näherungsweise vergleichbare Laborbedingungen für die danach folgenden souveränen Staaten betrachtet.
Unter dieser Voraussetzung werden im vierten Teil die dort liegenden Länder verglichen. Die Analyse soll klären, ob im Regionalraum des Kaspischen Meeres ein politischer Ressourcen-Fluch erkennbar ist. Der Begriff des Ressource Curse beschreibt den empirischen Befund, dass sich Länder, die von ihren natürlichen Bodenschätzen her wohlhabend sein müssten, staatlich-politisch viel schlechter entwickeln, als rohstoffärmere Staaten.
Andererseits könnten im Kaspischen Fall eventuell die Auswirkungen des sowjetischen Niederganges alles andere überlagern. Überprüft werden soll also die Belastbarkeit von politikwissenschaftlichen Theorien, um einen Ressourcen-Fluch bezüglich des politischen Systems und der politischen Kultur eines Staates zu erklären, in dessen Hoheitsgebiet sich ein hoher Reichtum natürlicher Vorkommen findet. Durch den Vergleich rohstoffarmer und rohstoffreicher Staaten entlang des Kaspischen Meeres soll die Belastbarkeit der Theorie anhand verlässlicher Daten überprüft werden.
Die dafür zum Tragen kommenden Kriterien werden im dritten Teil dieser Arbeit diskutiert, lassen sich aber in drei Komplexe zusammenfassen: 1) Fiskalische Indizien, 2) Repressionsgrade, 3) Modernisierung und soziale Kräfte. Als Urheber dieses Grundgerüst ist der Autor Michael L. Ross hervorzuheben, der die Kriteriengruppen aufstellte, um die Neigung von Erdölförderstaaten zu autoritären Staatssystemen zu erklären.
Inhaltsverzeichnis
- Ressourcenfluch unter Laborbedingungen?
- Phasen des Rohstoffbooms - Historische Pfadabhängigkeit und Critical Junctures
- Das Zarenreich: 1806-1920/21
- Die sowjetische Ära: 1920/21-1989/91
- Postsowjetische Phase: seit 1991
- Bedeutung für die Region
- Der politische Ressourcenfluch und seine Kriterien nach Michael L. Ross
- Fiskalisches Indiz – rentier effect: taxation effect, spending effect, group formation effect
- Gewalteinsatz - repression effect
- Soziale Kräfte - modernization effect
- Indikatoren für den Ressourcen-Fluch
- Der Grad der Freiheit nach Freedom House
- Fiskalisches Indiz: Staatshaushalt, Gesundheitswesen
- Gewalteinsatz: Inhaftierungen, Miltiärangehörige
- Soziale Kräfte: Kommunikation, Bildungsgrad
- Depression oder Fluch?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert die Auswirkungen des Ressourcenreichtums auf die politische Entwicklung der Staaten im Umfeld des Kaspischen Meeres im Kontext des post-sowjetischen Umbruchs. Sie untersucht, ob die Region durch einen "Ressourcenfluch" geprägt ist, oder ob die gemeinsamen Herausforderungen des sowjetischen Niedergangs dominierend sind.
- Historische Entwicklung des Rohstoffbooms und die Entstehung von Pfadabhängigkeiten
- Die Relevanz von Critical Junctures für die politische Entwicklung der Region
- Anwendung von Michael L. Ross' Kriterien für den politischen Ressourcenfluch auf die Region
- Analyse der politischen und sozialen Indikatoren im Hinblick auf den Ressourcenfluch
- Bewertung der Rolle des Ressourcenreichtums im Vergleich zu den Folgen des sowjetischen Niedergangs
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Region um das Kaspische Meer als "Labor" für die Analyse des Ressourcenfluchs im Kontext des post-sowjetischen Umbruchs. Es zeigt auf, dass die gemeinsame Geschichte und der gemeinsame Ausgangspunkt der Staaten nach dem Zerfall der Sowjetunion die Analyse der Region als "Labor" für die Untersuchung des Ressourcenfluchs ermöglichen. Die Analyse soll klären, ob der politische Ressourcenfluch in der Region erkennbar ist, oder ob die gemeinsame Lage infolge des sowjetischen Niedergangs alles andere überlagert. Dabei wird sich auf den politischen Ressourcenfluch konzentriert, nicht auf den ökonomischen, der bereits in der Wirtschaftswissenschaft untersucht wurde.
Kapitel zwei beleuchtet den historischen Kontext der Region und betrachtet den Rohstoffboom in drei Phasen: Die Zarische Ära, die Sowjetische Ära und die Postsowjetische Phase. Es wird das Konzept der historischen Pfadabhängigkeit und der Critical Junctures eingeführt, um den Einfluss der Geschichte auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Region zu erklären. Diese Analyse zeigt, wie historische Ereignisse und Strukturen die heutige Situation der Staaten im Umfeld des Kaspischen Meeres geprägt haben.
Kapitel drei stellt die Kriterien für den politischen Ressourcenfluch nach Michael L. Ross vor. Ross argumentiert, dass Erdölförderstaaten eher zu autoritären Staatssystemen neigen. Die Kriterien beinhalten den "rentier effect" (Fiskalisches Indiz), den "repression effect" (Gewalteinsatz) und den "modernization effect" (Soziale Kräfte). Diese Kriterien werden im nächsten Kapitel auf die Region am Kaspischen Meer angewendet, um den Einfluss des Ressourcenreichtums auf die politische Entwicklung zu analysieren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Thema des Ressourcenfluchs im Kontext der politischen Entwicklung der Staaten im Umfeld des Kaspischen Meeres. Wichtige Schlüsselbegriffe sind dabei: Ressourcenreichtum, politischer Ressourcenfluch, historische Pfadabhängigkeit, Critical Junctures, Post-Sowjetisches Umfeld, Rentierstaat, autoritäre Systeme, Freedom House, Fiskalisches Indiz, Gewalteinsatz, soziale Kräfte, Modernisierung, Kaspische Region, Zentralasien, Sowjetunion, Zarenreich.
- Quote paper
- Nico Nolden (Author), 2005, Die Staaten im Umfeld des Kaspischen Meeres und ihr Ressourcenreichtum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46313