Die FIFA im Strudel der Korruption. Ein Reformversuch als nachhaltige Lösungsmaßnahme?


Bachelorarbeit, 2017

55 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA)
2.1 Entstehung eines Weltverbandes
2.2 Organisation der FIFA
2.2.1 Die Statuten
2.2.2 Der Kongress
2.2.3 Der Rat

3. Korruption – ein weltweites Problem
3.1 Begriffsbestimmung von Korruption
3.2 Wie kommt es zu korruptem Handeln?
3.3 Korruptionsbekämpfung

4. Korruption im Sport
4.1 Strukturen und Formen der Korruption im Sport
4.2 Korruptionsbeispiele in anderen Sportarten
4.3 Korruption im Fußball und der FIFA
4.3.1 Horst Dassler und die ISL
4.3.2 Blatter und die Fortführung des Korruptionsnetzwerkes
4.3.3 Die WM-Vergaben nach Katar und Russland
4.3.4 Spielmanipulationen

5. Das Konzept der Nachhaltigkeit
5.1 Begriffsbestimmung von Nachhaltigkeit
5.2 Die drei Säulen der Nachhaltigkeit
5.3 Nachhaltigkeit in Sportinstitutionen

6. Die FIFA-Reformen
6.1 Das Reformprojekt
6.2 Das Independent Governance Committee
6.3 Die wichtigsten FIFA-Reformen bezüglich nachhaltiger Korruptionsbekämpfung
6.3.1 Klare Trennung zwischen „politischen“ und geschäftsführenden Aufgaben der FIFA
6.3.2 Mehr finanzielle Transparenz und Kontrollen
6.3.3 Wahl und Amtszeit des FIFA-Rats und des FIFA-Präsidenten
6.4 Wo hat die FIFA weiteren Handlungsbedarf?
6.5 Prüfung der Reformen auf den Ansatz für Nachhaltigkeitsprozesse in Sportinstitutionen

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zusammensetzung des FIFA-Rats

Quelle: Eigene Darstellung, Anlehung an http://de.fifa.com/about-fifa/fifa- council/how-the-fifa-council-works.html#, zuletzt geprüft am 29.03.2017

Abbildung 2: Unterteilung der Korruption im Sport

Quelle: Eigene Darstellung, Anlehnung an Weinreich et al (2006), S. 30.

Abbildung 3: Korruption im Fußball

Quelle: Eigene Darstellung, Anlehnung an Weinreich et al (2006), S. 30.

Abbildung 4: Ansatz für Nachhaltigkeitsprozesse in Sportinstitutionen

Quelle: Eigene Darstellung, Anlehnung an Brellochs, Annette (Red.) (2013): S. 6.

1. Einleitung

„Die FIFA ist durch die positiven Emotionen, die der Fußball auslöst, ein- flussreicher als jedes Land der Erde und jede Religion“1

Auch wenn Joseph Blatter mit diesen Worten den Bogen vielleicht etwas über- spannt, ist die große Bedeutung des Weltfußballs und dadurch auch der FIFA in der Weltbevölkerung definitiv nicht zu verkennen. Kein Sport elektrisiert weltweit in solch einer Art die Massen und bringt so viele Menschen dazu, selbst auf dem Platz zu stehen oder sich vor dem Fernsehgerät die Spiele der professionellen Fußballmillionäre anzusehen. Doch trotz der großen Strahlkraft des Fußballs steht die FIFA in der internationalen Wertschätzung im Vergleich zu anderen großen Sportverbänden alles andere als positiv da. Eine Anhäufung an Korruptionsskan- dalen und weiteren illegitimen Machenschaften in der näheren Vergangenheit innerhalb der Organisation haben die Reputation der FIFA immens leiden lassen. Erst nach einem jahrelangen Anlauf zeigte sich die FIFA mitsamt ihrer Führungs- persönlichkeiten schließlich bereit, den Wandel einzuleiten und ein längst not- wendiges Reformpaket zu verabschieden.

In der folgenden Arbeit werden ebendiese Reformen auf ihre Wirksamkeit und ihr Potenzial, auch nachhaltig Veränderungen herbeizuführen, überprüft. Dabei soll auch untersucht werden, welche Schritte mit Blick auf die Vergangenheit zwin- gend erforderlich waren und in welchen Bereichen auch weiterhin Reformbedarf besteht. Der Fokus dieser Betrachtungen liegt dabei auf dem Gesichtspunkt der Korruption, da er als die schwerwiegendste Problematik innerhalb der FIFA ein- zuschätzen ist.

Einige wenige Journalisten haben sich bereits in der Vergangenheit intensiv mit der FIFA und ihren Korruptionsskandalen beschäftigt. Dabei waren sie auch wei- testgehend erfolgreich, viele der Abgründe in der FIFA zu benennen und aufzude- cken. Die Dokumentation „FIFA-Mafia“ von Thomas Kistner beispielsweise zählt viele dieser Vorkommnisse auf und findet in dieser Arbeit auch immer wie- der Verwendung. Allerdings existiert kaum verwendbare Literatur, die sich spezifisch mit den FIFA-Reformen von 2016 beschäftigt. Dies bekräftigt die Relevanz dieser Arbeit, die eben nicht nur die negative Vergangenheit der FIFA analysiert, sondern auch eine objektive und wissenschaftliche Betrachtung der Reformversu- che inkludiert. Neueste Entwicklungen, wie die Kündigung der beiden Chefethi- ker der FIFA, unterstreichen, dass die Untersuchung des Reformpakets von höchs- ter Aktualität und durchaus auch von dringender Notwendigkeit ist.

Zur Beantwortung der formulierten Forschungsfrage wird zum besseren Ver- ständnis zuerst ein kurzer Überblick über die Struktur der FIFA verschafft. Da- nach wird der komplexe Themenbereich der Korruption wissenschaftlich erarbei- tet. Nach einer kurzen Einführung zur Korruption wird diese erst im allgemeinen Bereich des Sports und nachfolgend vergleichsweise spezifisch für den Fußball betrachtet. Dazu wird das Konzept der Nachhaltigkeit erläutert und ein eigener Ansatz für Nachhaltigkeitsprozesse im Sport erarbeitet. Abschließend werden die wichtigsten Reformen benannt und anhand der zuvor gewonnen Erkenntnisse auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit überprüft.

2. Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

2.1 Entstehung eines Weltverbandes

Am 21. Mai 1904 traten die damalige Fußballverbände der Schweiz, Spaniens, Dänemarks, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Schwedens zusammen um den ersten Statutenentwurf der FIFA zu unterzeichnen. Dieses Vorhaben hatte sich in den vorherigen Jahren durch den gemeinsamen Wunsch einer geschlosse- nen Organisation des internationalen (zu dem Zeitpunkt größtenteils nur des euro- päischen) Fußballs und einer gemeinsamen Festlegung auf ein einheitliches Re- gelwerk gefestigt.2 Die FIFA hatte in seinen Anfangsjahren mit einigen Proble- men zu kämpfen, wie beispielsweise der Anerkennung durch die englische Foot- ball Association (FA), die damals eine tragende Rolle im noch jungen Weltfußball spielte und auch der großen Zersplitterung der Verbände innerhalb der einzelnen Länder. Doch trotz dieser Hindernisse und dem aufkommenden 1. Weltkrieg, konnte sich die FIFA stetig erweitern und vergrößern. 1919 hatte sich das Vermögen der FIFA bereits von 491 Gulden (1908) auf 3.540 Gulden vermehrt und auch die Mitgliederanzahl war mittlerweile auf 27 Mitgliedsstaaten angewachsen.3 Zu- sätzlich entwickelten sich unter Präsident Jules Rimet erste Gedanken über die völkerverbindende Wirkung und die daraus resultierenden Möglichkeiten des Fußballs.4 Diese Werte spielen auch heute noch eine wichtige Rolle innerhalb der FIFA. 1930 kam es schließlich zur ersten offiziellen Weltmeisterschaft (WM) der FIFA in Uruguay. Auch wenn dieses Turnier auf Grund der schwierigen Anreise für die Europäer und der sich daraus ergebenden vielen Absagen noch kein voller Erfolg wurde, war der Grundstein für einen der erfolgreichsten internationalen Sportwettbewerbe gelegt.

2.2 Organisation der FIFA

2.2.1 Die Statuten

Die Statuten der FIFA gelten als ihre „Verfassung“ und legen die Leitregeln für den organisierten Weltfußball fest. Sie definieren ihre Handlungsgrundlagen und sollten bei jeder Entscheidung weitreichend befolgt werden. Laut ihrer Statuten hat die FIFA folgenden Zweck:

- „ den Fußball fortlaufend zu verbessern und weltweit zu verbreiten, wobei der völkerverbindende, erzieherische, kulturelle und huma- nitäre Stellenwert des Fußballs berücksichtigt werden soll, und zwar im Einzelnen durch die Förderung des Fußballs durch Ju- gend- und Entwicklungsprogramme
- Das Organisieren eigener internationaler Wettbewerbe
- Das Festlegen von Regeln und Bestimmungen sowie die Sicherstel- lung ihrer Durchsetzung
- Die Kontrolle des Association Football in all seinen Formen, indem alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, die die Verletzung der Statuten, Reglemente und Entscheide der FIFA sowie der Spielregeln verhindern - Zu verhindern, dass Methoden oder Praktiken vorkommen, die die Integrität der Spiele oder Wettbewerbe gefährden oder zu Miss- bräuchen des Association Football führen könnten.“ 5

2.2.2 Der Kongress

Der Fifa-Kongress ist das mächtigste Organ der FIFA. Er wird als gesetzgebende Geschäftsstelle oder auch als „Fußballparlament“6 bezeichnet. Hauptaufgabe des FIFA-Kongresses ist es den Fußball stetig weiter zu fördern und mit der rasanten Entwicklung des internationalen Fußballsports Schritt zu halten. Um absolute Fairness und Demokratie zu gewähren, hat jeder Mitgliedsverband exakt eine Stimme. Ein Punkt, der von verschiedenen „großen“ Fußballnationen immer wie- der zur Disposition gestellt wird, auf den die FIFA aber unter anderem mit Ver- merk auf ihre Statuten weiterhin beharrt. Änderungen der FIFA-Statuten können allerdings nur mit einer Dreiviertelmehrheit durchgesetzt werden, was die Durch- dringung streitbarer Themen (wie zum Beispiel das einfache Stimmrecht für alle Mitgliedsstaaten) des Öfteren als schwierig gestaltet. Die wichtigsten Beschlüsse, die der FIFA-Kongress zu treffen hat lauten wie folgt:

„Der Kongress…

- Entscheidet über die Aufnahme, Suspendierung oder den
Ausschuss eines Mitglieds
- Bestimmt den Sitz der FIFA (seit 1932 Zürich)
- Verleiht den Titel eines Ehrenpräsidenten, Ehrenvizepräsi- denten oder Ehrenmitglieds
- Ist für die Änderung der Statuten, der Ausführungsbestim- mungen zu den Statuten und der Geschäftsordnung des Kongresses zuständig
- Kann ein Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees seines Am- tes entheben
- Genehmigt die Bilanz und die Erfolgsrechnung
- Genehmigt den Tätigkeitsbereich
- Wählt den Präsidenten für vier Jahre“7

Hierbei ist zu erwähnen, dass das FIFA-Exekutivkomitee mittlerweile durch den FIFA-Rat ersetzt wurde.

2.2.3 Der Rat

Eine der großen Reformveränderungen der FIFA war das Ersetzen des FIFA- Exekutivkomitees durch den FIFA-Rat. Die Neugründung des FIFA-Rats und somit erfolgende Umstrukturierung der Geschäftsebene sollte eine klarere Grenze zwischen den Strategie- und Aufsichtsaufgaben, sowie den exekutiven, operativen und administrativen Aufgaben ziehen.8 In den FIFA-Statuten sind die Aufgaben des FIFA-Rats ebenfalls verankert. Er „definiert […] die Mission, die strategische Ausrichtung, die Politik und die Werte der FIFA, insbesondere hinsichtlich der weltweiten Organisation und Entwicklung des Fußballs sowie aller damit verbun- denen Angelegenheiten“.9 Die exekutiven Tätigkeiten werden mittlerweile durch das Generalsekreteriat ausgeübt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Zusammensetzung des FIFA-Rats

In Abbildung 1 ist der Aufbau des FIFA-Rats anschaulich dargestellt. Er besteht aus 8 Vizepräsidenten und 28 weiteren Mitgliedern, die von ihren jeweiligen Mit- gliedsverbänden für vier Jahre gewählt werden. Das 37. Mitglied und Vorsitz des FIFA-Rats ist schließlich der FIFA-Präsident.

Eine ebenfalls wichtige Rolle innerhalb der FIFA haben die ständigen Kommissi- onen inne. Es gibt neun Kommissionen mit verschiedenen Aufgaben, deren ein- heitliches Ziel aber die Unterstützung und Beratung des FIFA-Rats zu ihren je- weiligen, spezifischen Fachgebieten ist. Die Governance Kommission beschäftigt sich unter anderem mit Aufgaben wie der „Überwachung materieller Änderungen am Governance-Reglement und damit verbundenen Bestimmungen der FIFA, Beantragung materieller Änderungen an FIFA-Reglementen und des Erlasses neuer materieller Reglemente sowie Beratung bei Fragen der sozialen Verantwor- tung, der Menschenrechte, des Umweltschutzes und der Gleichstellung von Frau und Mann.“10 Zusätzlich enthält die Governance Kommission noch eine eigene Sektion zur Durchführung von Wählbarkeits- und Unabhängigkeitsprüfungen (Prüfungskommission).11 Zu allen wichtigen finanziellen Fragen der FIFA berät sie die Finanzkommission. Sie kümmert sich unter anderem um die finanzielle strategische Ausrichtung, erstellt Budgets für die einzelnen Teilbereiche und überprüft die Jahresrechnung.12 Um die vielen weltweit ansässigen Entwicklungs- programme der FIFA gerecht und wohlerwogen zu fördern und ihre standesgemä- ße Durchführung zu überprüfen wurde die Entwicklungskommission kreiert.13 Sie entscheidet größtenteils über die Mittelvergabe für ebendiese Entwicklungspro- gramme. Die Organisationskommission für FIFA-Wettbewerbe beschäftigt sich mit sämtlichen von der FIFA ausgerichteten Turnieren. Sie ist dafür zuständig, dass alles in geregelten Bahnen, und gemäß der FIFA-Statuten für Turniere, ab- läuft. Die Kommission der Interessengruppen des Fußballs agiert vor allem mit dem Fußball an sich. Sie versucht zwischen den einzelnen Interessengruppen des Weltfußballs, also Vereinen, Spielern, Ligen, Verbänden, Konföderationen und natürlich auch der FIFA selbst zu vermitteln und für ein gutes und faires Verhält- nis zu sorgen.14 Für die etwas spezifischere Beziehung zwischen der FIFA und seinen Mitgliedern wurde zusätzlich die Kommission der Verbände ins Leben gerufen. Vorschläge für eine bestmögliche Zusammenarbeit, wie auch Entwick- lung von neuen zeitgemäßen Statuten und Reglementen für die FIFA und ihre Mitglieder gehören zum Aufgabenfeld der Kommission der Verbände.15 Um eines der schwierigen Themen des modernen Vereinsfußballs, den Transfers zwischen den Vereinen (unerlaubte Jugendspielertransfers oder auch die Einhaltung des Financial Fair Plays) kümmert sich die Kommission für den Status von Spielern. Ihre Rechtsprechungskompetenz ist natürlich in festen Regelwerken festgehal- ten.16 Für die „Durchsetzung und Auslegung der Spielregeln“17 ist die Schieds- richterkommission zuständig. Sie ernennt zusätzlich die Schiedsrichter und ihre Assistenten für die jeweiligen FIFA-Wettbewerbe. Alle medizinischen Belange des Fußballs werden durch die medizinische Kommission abgedeckt. Auch das im Fußball zumindest noch eher untergeordnete Thema Doping wird hier diskutiert und versucht mit Präventionsmaßnahmen zu bekämpfen.

3. Korruption – ein weltweites Problem

3.1 Begriffsbestimmung von Korruption

Korruption, früher oftmals noch als Kavaliersdelikt abgetan, ist heutzutage zu einem der größten Probleme innerhalb der Wirtschaft, aber auch der Politik ge- worden. Viele renommierte Unternehmen oder sogar ganze Staaten haben oder hatten in der Vergangenheit bereits mit Korruptionsvorfällen zu kämpfen. Doch auch wenn die Begrifflichkeit „Korruption“ im heutigen Sprachgebrauch sehr häufig aufzufinden ist, ist eine exakte Bedeutung dieses Wortes gar nicht so leicht zu definieren. Eine in der Literatur über Korruption häufig zitierte Definition geht auf Joseph S. Nye zurück:

„Corruption is behavior which deviates from the formal duties of a public role because of private-regarding (personal, close family, private clique) pecuniary or status gains; or violates rules against the exercise of certain types of private regarding influence.“18

Korruption ist demnach ein Verhalten, dass von den formalen Pflichten einer öf- fentlichen Rolle abweicht, um sich einen persönlichen (oder für andere Personen, die einem nahe stehen) finanziellen- oder Statusgewinn zu verschaffen; oder das Regeln gegen die privat orientierte Einflussnahme verletzt. Diese Definition be- achtet besonders die klare Dichotomie von privater und öffentlicher Sphäre.19 Korruption wird dabei als die Missachtung dieser klaren Trennung angesehen.20 Allgemein wird der Machtmissbrauch in Nye’s Definition explizit festgehalten und der „Grundgedanke“ hinter Korruption relativ anschaulich dargestellt. Etwas ausführlicher hätte möglicherweise auf die unterschiedlichen Standards in den einzelnen Ländern eingegangen werden können. Denn was beispielsweise nach „westlichem Standard“ als moralisch bedenklich oder sogar illegal angesehen wird, ist oftmals nicht gleichzusetzen mit der Betrachtungsweise in einem Ent- wicklungs- oder Schwellenland. Die Maßstäbe für Korruption unterscheiden sich hier also oftmals von Land zu Land. Einen guten Vergleich dazu liefert Alemann, der Korruption mit einem Chamäleon, dass die Farben zwecks Anpassung an die Umwelt wechseln kann und somit in vielen verschiedenen Formen erscheint, ver- gleicht.21 So ist es ein sehr schwieriges Unterfangen, Korruption eindeutig oder einheitlich zu definieren. Nichtsdestotrotz basieren die meisten Definitionen auf vergleichbaren Aussagen und zeigen somit alle eine gewisse Ähnlichkeit auf. Eine etwas komplexere, aber vielleicht die meisten Faktoren einschließende Definition wurde von Rabl verfasst:

„Korruption ist von der Norm abweichendes Verhalten, das sich im Miss- brauch einer Funktion in Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft zugunsten einer anderen Person oder Institution äußert. Dieser Funktionsmissbrauch erfolgt auf Initiative eines anderen oder aus Eigeninitiative, um einen Vorteil für sich oder einen Dritten zu erlangen. Zwischen den Partnern in der Korruptionsbeziehung wird dabei ein Tausch von Leistung und Gegenleis- tung vollzogen. Als Ergebnis wird ein Schaden oder Nachteil für Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft erwartet oder tritt tatsächlich ein. Die korrup- ten Handlungen werden geheim gehalten.“22

Als wichtigste Faktoren für Korruption lassen sich schlussendlich das von der Norm abweichende Verhalten, die Vorteilssuche für sich selbst, wie auch die dar- aus resultierende Inkaufnahme eines Nachteils für jemand anderes und letztlich die Verschwiegenheit der ganzen Angelegenheit, benennen.

3.2 Wie kommt es zu korruptem Handeln?

Nachdem nun der Begriff der Korruption etwas verständlicher gemacht wurde, ist immer noch nicht eingehender geklärt aus welchen Gründen es zu korruptem Verhalten kommt. Denn es gibt auch weiterhin rechtschaffene Persönlichkeiten sowie Organisationen, für die Integrität und Gerechtigkeit eine große Rolle spielt. Doch was bewegt ein Individuum bzw. eine Gruppe dazu, sich abweichend der Norm zu verhalten und dabei oftmals auch eine empfindliche Strafe zu riskieren? Warum kommt dieses Verhalten in einigen Ländern oder Organisationen öfter vor als in anderen? Einen interessanten Ansatz dazu liefert hierfür Rabl.23 Es ist zu bemerken, dass dieses Konzept aus der Privatwirtschaft stammt. Nichtsdestotrotz besitzen die meisten ihrer Aussagen auch für andere Bereiche eine hohe Allge- meingültigkeit. Außerdem ist die FIFA trotz ihrer Rechtsform als gemeinnütziger Verein in Sachen Wirtschaftskraft und ihrer allgemeinen Grundstruktur durchaus mit anderen großen Wirtschaftsunternehmen zu vergleichen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird dieser Ansatz zu Grunde gelegt. Korruption wird dabei durch eine Wechselwirkung drei verschiedener Faktoren hervorgerufen:

- „Personenbezogene Faktoren, d.h. Faktoren, die sich auf den Ak- teur selbst beziehen
- Organisationale Faktoren, d.h. Faktoren, die sich auf die Organisation beziehen, innerhalb der der Akteur handelt
- Umweltbezogene Faktoren, d.h. Faktoren die sich auf die Umwelt beziehen, in der die Organisation und der Akteur handeln.“24

Die Umweltfaktoren beziehen sich auf Aspekte wie Kultur, Gesetzgebung, Ge- sellschaft und Wirtschaft eines Landes. Korruption wird hierbei als besonders wahrscheinlich angesehen, wenn die Umwelt der Person allgemein anfälliger für Korruption ist. Hier spielen beispielsweise die in 3.1 bereits angesprochenen ver- schiedenen kulturellen Wertesysteme eine große Rolle. Auch ineffiziente Rechts- systeme und fehlende Transparenz erhöhen die Empfänglichkeit für korrupte Handlungen.25 Zusätzlich kommt es nach „erfolgreich durchgeführter Korruption“ oftmals zu Nachahmungseffekten.26 Wenn sich beispielsweise eine konkurrieren- de Organisation oder Person durch korrupte Handlungen einen Vorteil verschaf- fen konnte, ist die Hemmschwelle sich durch gleiche Methoden wenigstens wie- der einen Chancenausgleich herzustellen merklich geringer.

Die organisationalen Faktoren umfassen organisationale Charakteristika, Struktu- ren und Mechanismen sowie die Organisationskultur. Bei den organisationalen Charakteristika ist kein eindeutiges Bild zu erkennen, da einerseits Theorien exis- tieren, die besagen, dass eine größere Organisation mehr Anonymität bietet und somit die Kontrolle gegenüber korrupten Handlungen bedeutend erschwert wird.27 Andere Befunde argumentieren, dass kleineren Unternehmen die professionelle Erfahrung fehlt, Regulationen mit anderen Mitteln zu umgehen. Sie laufen eher Gefahr in finanziellen Notstand zu geraten und sind dann notgedrungen auf Alter- nativmöglichkeiten angewiesen.28 Organisationale Strukturen und Mechanismen wie Machtverteilung innerhalb einer Unternehmung spielen ebenfalls eine große Rolle. Haben einige Mitarbeiter einen hohen, vielleicht sogar zu hohen Entschei- dungsspielraum, begünstigt dies ebenfalls korruptes Verhalten.29 Des Öfteren un- terliegen auch genau diese einflussreichen Mitarbeiter wenig bis gar keinen Kon- trollmechanismen, die ein solch kriminelles Verhalten eindämmen könnten. Als letzter Aspekt ist die Organisationskultur zu nennen. Unternehmen mit einer klaren Gewinnmaximierung als Leitbild bekräftigen ihre Mitarbeiter insgeheim, dieses finanzielle Denken auch mit allen, eben auch illegalen, Mitteln zu befördern. Dabei haben die Mitarbeiter nach korrupten Handlungen teilweise sogar das Ge- fühl, das Richtige getan zu haben, da es ihnen von ihrem Organisationsleitbild gleichsam so vorgegeben wurde.

Die wichtigste Ursache für korruptes Verhalten ist jedoch in den meisten Fällen immer noch beim Menschen selbst zu suchen. Auch wenn ein äußerst korruptes Umfeld vorliegt, ist es am Ende immer noch eine einzelne Person, die für sich selbst entscheidet korrupt zu handeln. Soziodemographisch gesehen ist davon auszugehen, dass die meisten Täter berufliche Aufsteiger mit einem hohen Macht- und Entscheidungsspielraum sind. Sie haben einen hohen Bildungsgrad und sind überwiegend männlich, was allerdings dem Fakt zugeschrieben wird, dass die hohen Managementpositionen immer noch größtenteils durch Männer besetzt werden. Psychologisch betrachtet sagt man korrupten Akteuren eine externale Kontrollüberzeugung, sowie eine hohe Manipulations- und Risikobereitschaft zu. Die bei den organisationalen Faktoren bereits angesprochene Neigung des Um- felds zu korruptem Verhalten, beeinflusst natürlich auch den Akteur. So steigt die Korruptionsneigung, wenn das Umfeld Korruption befürwortet oder zumindest nicht vollständig ablehnt. Eine der interessantesten Fragen im Bezug auf korrupte Akteure ist sicherlich die des Motives. Nur äußert selten ist eine finanzielle Not- lage das Motiv. Vielmehr ist es die Möglichkeit sich mit einem bescheidenen Aufwand und überschaubarem Risiko persönlich zu bereichern. Britta Bannen- berg fasst es folgendermaßen zusammen:

„Neben beruflichem Ehrgeiz, der schieren Lust an Machtausübung, der Überforderung am Arbeitsplatz oder auch der Enttäuschung über verpasste Karrierechancen ist es vor allem die Aussicht auf risikolose Bereicherung, die die Korrupten zu ihrem kriminellen Tun antreibt.“30

Doch auch die Vorteilsschaffung für das eigene Unternehmen kann ein gewichti- ges Motiv sein. Die Gewinnung von Aufträgen oder der Erwerb von Insiderinformationen sind dafür gute Beispiele.

Alles in allem zeigt sich, dass es vor allem ein Zusammenspiel aus diesen drei Faktoren ist, das Korruption auslöst. Je stärker die drei Faktoren Korruption be- günstigen, desto eher ist am Ende auch mit einer korrupten Handlung zu rechnen.

3.3 Korruptionsbekämpfung

Der Kampf gegen Korruption ist ein sehr schleppend vorangehender Prozess. Nachdem das Thema über viele Jahre größtenteils verschwiegen wurde, hat sich unter anderem durch die höhere mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf Grund aufgedeckter Korruptionsfälle, langsam ein Umdenken eingestellt. Vie- le Unternehmen bieten mittlerweile ein sogenanntes Anti-Fraud-Management (teilweise auch nur Fraud-Management genannt) auf, mit dem korrupte Tätigkei- ten möglichst weit eingedämmt werden sollen. Das Anti-Fraud-Management ist ein Risikomanagementsystem, mit dem durch präventive und reaktive Maßnah- men, die Verhinderung bzw. Minimierung von Schädigungen aus korrupten bzw. wirtschaftskriminellen Handlungen gegen das Unternehmen, gewährleistet wer- den soll.31

Die drei zentralen Strategien zur Bekämpfung von Korruption sind Früherken- nung, Aufdeckung und Prävention.32 Der Prävention kommt dabei die größte Be- deutung zu. Auch wenn der Nutzen von Präventionsarbeit erst einmal sehr schwer messbar ist, ist die Erschwerung oder Verhinderung von zukünftigen Tatbegehun- gen das wichtigste und erstrebenswerteste Ziel für ein Unternehmen. Da eine per- fekte Prävention, also eine komplette Verhinderung neuer Korruptionsfälle aber überaus unwahrscheinlich ist, muss zusätzlich ein funktionierendes Früherken- nungssystem installiert werden. Die Früherkennung ist die Basis für eine spätere, bestenfalls vollständige Aufdeckung der kriminellen Machenschaften. Die Aufde- ckung wiederum beschäftigt sich überwiegend mit den W-Fragen: „Wer hat wann was wo mit wem wie und warum gemacht?“33 Diese Fragen müssen möglichst klar und nachweisbar beantwortet werden können, um die Täter schlussendlich auch wirklich zur Rechenschaft ziehen zu können. Natürlich haben die drei Strategien auch Schnittstellen miteinander und müssen somit nicht vollkommen voneinander abgegrenzt bewertet werden. Durch Früherkennung und Aufdeckung entlarvte und danach auch bestrafte Korruptionsvorfälle innerhalb einer Unter- nehmung haben im Normalfall beispielsweise auch immer eine abschreckende und somit gegenüber Nachahmern präventive Wirkung. Alles in allem kann an- hand einer erhöhten Konzentration auf diese drei Strategien, kriminellen Machen- schaften innerhalb eines Unternehmens entgegengetreten werden.

[...]


1 Joseph Blatter in einem Interview der Schweizer «Sonntags-Zeitung». Quelle: Welt.de (2015): Blatter: "FIFA einflussreicher als jede Religion" (06.06.2017).

2 Vgl. Eisenberg, Christiane (2004), S. 58.

3 Vgl. Eisenberg, Christiane (2004), S. 64.

4 Vgl. Tomlinson, Alan (2007), S. 57.

5 Fédération Internationale de Football Association: All about FIFA Inhalt.indd (28.03.2017), S. 6.

6 ibd., S. 9.

7 FIFA.com: FIFA-Kongress - Alles Wissenswerte (24.03.2017).

8 Vgl. Fédération Internationale de Football Association: FIFA-Rat und FIFA-Kommissionen (28.03.2017), S. 1.

9 Vgl. Fédération Internationale de Football Association: FIFA-Rat und FIFA-Kommissionen (28.03.2017), S. 1.

10 Fédération Internationale de Football Association: FIFA-Rat und FIFA-Kommissionen (28.03.2017), S. 4.

11 Vgl. FIFA.com: FIFA-Kommissionen Governance-Kommission und Prüfungskommission (29.03.2017).

12 Vgl. Fédération Internationale de Football Association: FIFA-Rat und FIFA-Kommissionen (28.03.2017), S. 4.

13 Vgl. ibd., S. 4.

14 Vgl. FIFA.com: FIFA-Kommissionen Kommission der Interessengruppen des Fussballs (30.03.2017).

15 FIFA.com: FIFA-Kommissionen Kommission der Mitgliedsverbände (30.03.2017).

16 Vgl. FIFA.com (30.03.2017).

17 Fédération Internationale de Football Association (28.03.2017), S. 5.

18 Nye, J. S. (1967), S. 419.

19 Vgl. Muno, Wolfgang (2012), S. 16.

20 Vgl. ibd., S. 16.

21 Vgl. Alemann, Ulrich von (2005), S. 32.

22 Rabl, Tanja (2012), S. 31f. Der Ansatz basiert auf dem Grundgerüst von Ashforth und Anand.

23 Rabl, Tanja (2012), S. 31ff.

24 Vgl. Rabl, Tanja (2012), S. 32.

25 Vgl. Ali, Abdiweli M. et al (2003), S. 13f

26 Vgl. Rabl, Tanja (2012), S. 35.

27 Vgl. McKendall, Marie et al (2002), S. 2.

28 Vgl. Martin, K. (2007), S. 16.

29 Vgl. Rabl, Tanja (2012), S. 36ff.

30 Bannenberg, Britta et al (2004), S. 70f.

31 Vgl. Bönner, Arno et al (2008), S. 15.

32 Vgl. Hofmann, Stefan (2008), S. 81ff.

33 Ibd., S. 83.

Ende der Leseprobe aus 55 Seiten

Details

Titel
Die FIFA im Strudel der Korruption. Ein Reformversuch als nachhaltige Lösungsmaßnahme?
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,3
Jahr
2017
Seiten
55
Katalognummer
V465139
ISBN (eBook)
9783668929395
ISBN (Buch)
9783668929401
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fifa, Korruption, Reformen, Fifa Reformen, Korruptionsbekämpfung, Korruption im Sport, Korruption im Fußball, Nachhaltigkeit, Konzept der Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit in Sportinstitutionen, Compliance im Sport, Compliance
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Die FIFA im Strudel der Korruption. Ein Reformversuch als nachhaltige Lösungsmaßnahme?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465139

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