"Zuhause kann überall sein" von Irena Kobald. Stereotypisierung in Kinderliteratur


Hausarbeit, 2017

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Stereotypisierung in der Kinderliteratur
2.1 Definition: Vorurteile und Stereotype
2.2 Das Afrikabild in der Kinderliteratur
2.3 Vor- und Nachteile von Stereotypisierung

3. Stereotypisierung in Zuhause kann überall sein - Irena Kobald
3.1 Zusammenfassung S
3.2 Aspekte der Stereotypisierung
3.3 Konsequenzen der Stereotypisierung für den Rezipienten

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit zunehmender Interkulturalität in der heutigen Zeit stellt sich das fehlende Wissen über andere Länder und Kulturen immer stärker heraus und wird in unserer Gesellschaft zu einem Problem. Unwissen führt meist zu Unverständnis und Vorurteilen und das wiederum zu Ablehnung sowie negativer Haltung gegenüber Außengruppen bzw. Minoritäten. Diese Bildung von Vorurteilen knüpft an bestehende Stereotypen an1. Da Stereotypen im Laufe der Entwicklung eines Menschen und somit schon im Kindesalter entstehen können, ist die angemessene Darstellung von anderen Kulturen und Ländern in Kinderliteratur von besonders großer Bedeutung. Die Aktualität der Flüchtlingskrise und die bestürzend negativen Reaktionen der Bürger darauf zeigen, wie sehr unsere Gesellschaft von Vorurteilen und negativ behafteter Stereotypisierung geprägt ist. Fast die Hälfte aller Deutschen ist der Meinung, dass die Anzahl der Flüchtlinge in Deutschland hoch genug sei.2 Um diesem Meinungsbild entgegenzuwirken ist eine frühe Beschäftigung von Kindern mit anderen Kulturen von hoher Relevanz.

Insbesondere das Thema Flucht in der Kinderliteratur arbeitet mit dem Bild des Ausländers und bedarf deshalb erheblicher Vorsicht im Hinblick auf eventuelle Stereotypisierung durch die Darstellung des Flüchtlings.

Im Folgenden wird sich der Frage gewidmet, inwiefern und durch welche Mittel das Buch Zuhause kann überall sein 3 von Irena Kobald zur Stereotypisierung eines Flüchtlings führt. Dazu werden Aspekte der Stereotypisierung untersucht und dessen Wirkung auf den Rezipienten analysiert. Dafür bedarf es zu Beginn einer Definition des Begriffs. Weiterführend wird das Bild des Afrikaners in der Kinderliteratur untersucht und dargestellt. Außerdem erscheint es als sinnvoll die negativen sowie auch die positiven Aspekte, die Stereotypisierung mit sich bringt, darzulegen. Nachfolgend wird das genannte Buch von Irena Kobald zur Veranschaulichung zusammengefasst und auf Aspekte der Stereotypisierung untersucht. Anschließend werden die Konsequenzen der Nutzung von Stereotypisierung in diesem Buch dargestellt, um abschließend ein umfassendes Fazit erstellen zu können.

2. Stereotypisierung in der Kinderliteratur

2.1. Definition: Vorurteile und Stereotype

Um den Begriff der Stereotypisierung umfassend erläutern zu können, bedarf dies auch einer Abgrenzung vom Begriff des Vorurteils, da beide in sehr starkem Zusammenhang zueinander stehen. Vorurteile sind größtenteils negativ behaftete Emotionen und Haltungen gegenüber Außengruppen. Diese entstehen meist durch Normen und Werte einer Gruppe, die sich auf den Umgang mit Mitgliedern einer Außengruppe beziehen. Es gibt auch positive Vorurteile, welche aber nur selten anzutreffen sind und in der Sozialpsychologie daher nur geringfügig beachtet werden.4

Das Vorurteil bringt nach Gordon Allport (1970) einen Kategorisierungsprozess mit sich. Vorurteile können Kategorien sein, die die Wirklichkeit vereinfachen. Meist stehen Vorurteile im Zusammenhang mit leicht erkennbaren Merkmalen (Hautfarbe, Geschlechtsmerkmale etc.). Wie bereits erwähnt sind Vorurteile größtenteils emotional geleitete Kategorien, welche negativ konnotiert werden. Meistens entstehen sie durch eigene Erfahrungen oder aber durch Erzählungen und Informationen von nahestehenden Bezugspersonen. Besonders wichtig ist der Aspekt, dass zwar jeder Mensch seine Vorurteile individuell für sich entwickelt, diese aber sozial gestützt werden und Kategorien in einem starken Maße durch die jeweilige Bezugsgruppe bestimmt werden.5

Die Bildung eines Vorurteils setzt immer an schon bestehenden Stereotypen an, das heißt dass die Stereotypisierung ein vorgelagerter Prozess ist und demnach eine Voraussetzung. Stereotypen entstehen durch eine Übergeneralisation, die einer Außengruppe bzw. einer Minorität größtenteils dieselben Merkmale zuschreibt.6 „Wenn etwa gegenwärtig dunkelbärtige Menschen aus dem vorderen Orient mit besonderem Misstrauen beobachtet werden, weil ständig neue Terroranschläge von al-Qaida zu befürchten sind, die überzufällig Menschen aus dieser Region rekrutieren, dann hat das in vielen Fällen den Charakter eines Vorurteils.“7 Wie auch in diesem Beispiel werden Menschen oder Gruppen aufgrund leicht erkennbarer Merkmale in Kategorien bzw. Schubladen eingeordnet. Ob man anhand dieser Merkmale wirklich Rückschlüsse auf den Charakter, Handlungen oder Verhaltensweisen der jeweiligen Gruppe ziehen kann ist fragwürdig, wird bei der Stereotypisierung aber nicht weiter beachtet oder hinterfragt. Stattdessen wird meist eine starke soziale Distanz, geleitet durch negative Vorurteile gegenüber Außengruppen, geschaffen und als wahr angesehen.8

Der Unterschied von Vorurteil und Stereotyp ist vor allem darin zu sehen, dass „das Vorurteil […] als gefühlsmäßig unterbaut gilt, der Stereotyp als ausschließlich kognitiv.“9 Dies bedeutet, dass eine Vorurteilsbildung durch beispielsweise persönliche Erfahrungen und somit auf emotionaler Basis entsteht und darauf eine Stereotypisierung auf kognitiver Ebene erfolgt. Würde beispielsweise jemand von einem Mann mit spanischer Abstammung beklaut werden, wäre es möglich, dass diese Person durch diese emotionale Erfahrung einen Vorurteil gegenüber Spaniern entwickelt und sie stereotypisiert, sodass für diese Person nun alle Spanier auch gleichzeitig Diebe sein müssen.

2.2. Das Afrikabild in der Kinderliteratur

Die bereits erläuterte Vorurteilsbildung aufgrund von Stereotypen stellt besonders in der Kinderliteratur eine große Herausforderung dar. Stereotype gelten in der Literaturwissenschaft als „Qualitätsmangel […], die ein ‚guter‘ Schriftsteller zu vermeiden hat“.10 Vor allem in der Kinderliteratur ist dies ein besonders wichtiger Aspekt, da bereits in der Kindheit Vorurteile erlernt und geschaffen werden und dieser Prozess verhindert werden muss, wenn er auf negativer Stereotypisierung basiert.11 Besonders im Hinblick auf Flucht als Thema der Kinderliteratur ist ein vorsichtiger und bedachter Umgang mit dem Bild des Ausländers Voraussetzung. Um sich an das Bild des Flüchtlings aus dem Buch Zuhause kann überall sein annähern zu können, muss das Bild des Afrikaners in der Kinderliteratur betrachtet und erläutert werden.

Um auch auf die Entwicklung des Afrikabildes einzugehen, sollte sich vor allem der Kolonialliteratur gewidmet werden, welche besonders für die Verbreitung des Negermythos große Verantwortung trug.12 Der koloniale Diskurs legitimierte Unterdrückung von Menschen, in diesem Fall Afrikaner, und machte sie somit zu nicht ebenbürtigen Menschen. Das negativ behaftete Bild des Afrikaners verbreitete sich in ganz Europa, doch sei zu erwähnen, dass gerade die deutsche Literatur das Bild des Afrikaners erheblich verschlechterte.13 Aussagen wie: „Geistige Bedürfnisse hat der Neger nicht, Wissensdurst ist ihm fremd, hat er hinreichend zu essen und eine Pfeife Tabak, dann fehlt ihm nichts mehr.“14 gehören zu denen, die das primitive Bild des Afrikaners in den Köpfen der Menschen manifestierten. Wie an diesem Beispiel gut zu erkennen ist, zielte die Kolonialliteratur darauf ab, Afrikaner als nicht ebenbürtig darzustellen und etwas, das nicht auf einer Stufe mit dem Weißen stehen kann. „Nur so w[u]rd[e] die Kolonialliteratur ihrem Zweck als Propaganda-, Massen-, Trivial- und gesteuerte ‚Blut-und-Boden‘-Literatur gerecht.“15 Auch in der Kinder- und Jugendliteratur schlug sich der Kolonialismus nieder und stellte den Afrikaner beispielsweise als Kannibalen dar, was das Afrikabild zunehmend verschlechterte. In der Weimarer Zeit, sowie in der nationalsozialistischen kolonialen Jugendliteratur ändert sich die Darstellung des Afrikaners nicht.16 Erst ab dem Jahre 1945 lassen sich leichte Veränderungen in der Literatur erkennen, da dem Menschen durch Übersetzungen nun auch andere Auffassungen über Afrikaner nahegelegt werden können.17 In der darauf folgenden Zeit ist der Afrikaner in der Kinderliteratur meist nur noch als Nebenakteur anzutreffen, wird mit Tieren gleichgesetzt oder als Bösewicht dargestellt.18

Auch in der Zeit des Postkolonialismus ändert sich das Bild über den Afrikaner nur geringfügig. Der Negermythos zieht sich durch die gesamte Zeitspanne und hält auch heute, wenn auch nur unterschwellig, oftmals noch an. Auch die Vorstellung, dass ein Afrikaner weniger kognitive Leistungen erbringen kann als ein Weißer, ist in Zeiten des Postkolonialismus noch vereinzelt anzutreffen. Trotz der Bemühungen sich vom Kolonialismus und dessen Einstellungen zu entfernen, fallen einige Autoren und Medien zurück in alte Muster, was von einem „Unvermögen bzw. den mangelnden Willen mancher Europäer, sich sachlich mit afrikanischen Problemen auseinanderzusetzen“19 zeugt.20

Diese Vorstellungen sowie Einstellungen lassen sich auch in der heutigen Kinderliteratur wiederfinden. Vorherrschend ist das Bild des andersartigen Afrikaners, dessen Sprache keine Sprache sondern „Dialekte, Mundarten oder schlicht Kauderwelsch“ ist.21 Oft zeugt es von einer stark eingeschränkten Wahrnehmung, in welcher Afrikaner beispielsweise nur in Lehmhütten hausen und die europäische bzw. deutsche Architektur nicht kennen. Oft werden sie als unterbemittelte Menschen dargestellt, die sich nicht angemessen benehmen können und mit den Anforderungen des europäischen Lebens überfordert sind.22 „Moderne Dinge scheinen [ihnen] wildfremd zu sein“23 und ihnen Angst zu machen. Diese Darstellung ist überzogen und unrealistisch, da auch Afrikaner ein Leben führen, das dem des Europäers ähnelt bzw. gleicht. Leider sieht es in der Realität so aus, dass das Bild des Afrikaners das einer „primitiven und begriffsstutzigen“24 Person ist, die „aus dem ‚Busch‘ kommt und sich in der modernen europäischen Welt nicht zurecht findet.“25 Zwischen der Schilderung des Afrikaners und der Realität besteht kein Zusammenhang. Die Darstellung basiert viel eher auf einem stark verzerrtem Bild von Afrikanern und ihrer Lebensweise. Auch ihr Äußeres wird auf wenige Merkmale reduziert, welche meist negativ und unästhetisch dargestellt werden. Oft ist die Rede von „einer platten Nase und breiten Lippen“.26 Im allgemeinen tauchen Aspekte des afrikanischen Problems, was einen „Sammelbegriff [darstellt], der Bürgerkriege, politische Krisen und Verarmung zusammenfasst“27, in regelmäßigen Abständen auf.

[...]


1 Fischer, Lorenz; Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH 2009, S. 335.

2 Das denken die Deutschen wirklich über Flüchtlinge, Merkel - und die Medien., in: Der Stern (2017) unter http://www.stern.de/politik/deutschland/fluechtlinge--das-denken-die-deutschen-wirklich-6737204.html, [abgerufen am: 10.03.2017]

3 Kobald, Irena: Zuhause kann überall sein, Knesebeck Verlag 2015.

4 Fischer, Lorenz; Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH 2009, S. 335.

5 ebd. S. 338.

6 ebd. S. 335.

7 ebd.

8 ebd.

9 O’Sullivan, Emer: Das ästhetische Potential nationaler Stereotypen in literarischen Texten, Stauffenburg Verlag 1989, S. 20.

10 O’Sullivan, Emer: Das ästhetische Potential nationaler Stereotypen in literarischen Texten, Stauffenburg Verlag 1989, S. 6.

11 Fischer, Lorenz; Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH 2009, S. 339.

12 Attikpoe, Kodjo: Von der Stereotypisierung zur Wahrnehmung des ‚Anderen‘, Wien: Lang 2003, S. 73.

13 ebd.

14 ebd. S.74.

15 ebd.

16 ebd. S.75.

17 ebd. S. 77.

18 ebd. S. 78.

19 ebd. S. 80.

20 ebd.

21 ebd. S.119.

22 ebd. S. 119-120.

23 ebd. S. 120.

24 ebd. S. 121.

25 ebd. S. 121.

26 ebd. S.125.

27 ebd. S.136.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
"Zuhause kann überall sein" von Irena Kobald. Stereotypisierung in Kinderliteratur
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
15
Katalognummer
V465325
ISBN (eBook)
9783668921948
ISBN (Buch)
9783668921955
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinder- und Jugendliteratur, Flucht, Stereotypisierung
Arbeit zitieren
Jil Hetterix (Autor:in), 2017, "Zuhause kann überall sein" von Irena Kobald. Stereotypisierung in Kinderliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465325

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