Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Weltfrieden ohne Religionsfrieden undenkbar geworden ist. Es kann aber keinen Religionsfrieden ohne den Dialog zwischen den Religionen geben und wiederum keinen Dialog ohne genaue Kenntnis voneinander. Und obwohl wir heutzutage in einer Welt leben, in der das Nebeneinander von verschiedenartigen, teilweise kontroversen Überzeugungen, Weltanschauungen, Religionen und politischen Positionen selbstverständlich geworden ist, sind wir weit davon entfernt, zu wissen, wie wir dies bewerten und damit umgehen sollen. Gerade in der Schule, als dem Ort der individuellen Bildung und Erziehung, wird gewollt oder ungewollt interreligiöses, multikulturelles Zusammenleben praktiziert. Deshalb sind Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu entwickeln, die ein Wechsel von gewachsener Identität und anzustrebender Verständigungsfähigkeit fördern. Da diese Bildungsaufgaben maßgeblich ethische und religiöse Dimensionen in sich schließen, muss sich im Speziellen die Religionspädagogik der Entwicklung interreligiöser Lernkonzepte widmen. In dieser Hinsicht soll zunächst das Modell der „interreligiösen Hermeneutik“ von Theo Sundermeier präsentiert und im Hinblick auf seinen Ertrag für den religionspädagogischen Einsatz analysiert werden. Dabei muss genauer eruiert werden, welche Möglichkeiten es für interreligiöses Verstehen überhaupt gibt und welche entwicklungspsychologischen Voraussetzungen der Schüler für eine Entfaltung der „interreligiösen Hermeneutik“ im Sinne Sundermeiers unerlässlich sind. An den Religionspädagogen werden dabei nicht nur fachliche und didaktische, sondern ebenso hohe persönliche Anforderungen gestellt, wenn er die Schüler in ihrer Identitätsentwicklung befähigen möchte, Sachverhalte richtig zu verstehen, sie ethisch zu beurteilen und zu toleranten Konsensbildungen beizutragen. Dabei soll die christliche Perspektive an Jesu Christi Wirken als dem Leitmotiv für Offenheit und Respekt im Umgang mit anderen Religionen elaboriert werden. Die Kompetenz der Perspektivenübernahme, die einen elementaren Teil der „interreligiösen Hermeneutik“ konstituiert, soll hierfür als wichtiges Lernziel für den interreligiösen Austausch definiert und expliziert werden, bevor die Arbeit mit einem Rückblick auf die gewonnenen Einsichten und einem Ausblick auf weitere Aufgaben interreligiösen Lernens zu demselben Fazit wie einem Zitat aus der Feder Johann Wolfgang von Goethes gelangt: „Dulden heißt beleidigen“.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Darstellung von Theo Sundermeiers Entwurf der “interreligiösen Hermeneutik”
- Voraussetzungen und Begriffsklärungen – „Differenz und Konvivenz”
- Die vier Begegnungsmodelle
- Vier Stufen der „interreligiösen Hermeneutik”
- Analyse aus religionspädagogischer Perspektive
- Gefahren und Chancen für den Religionsunterricht
- Bezug zur Identitätsentwicklung im Jugendalter
- Jesus Christus als Beispiel für Konvivenz
- Perspektivenwechsel im Sinne der “interreligiösen Hermeneutik”
- Konklusion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Entwurf der „interreligiösen Hermeneutik“ von Theo Sundermeier aus religionspädagogischer Perspektive und untersucht dessen Ertrag für den religionspädagogischen Einsatz. Ziel ist es, die Möglichkeiten und Herausforderungen des interreligiösen Verstehens zu beleuchten und die entwicklungspsychologischen Voraussetzungen für die Entfaltung der „interreligiösen Hermeneutik“ im Sinne Sundermeiers zu erörtern.
- Interreligiöses Verstehen und die „interreligiöse Hermeneutik“ nach Theo Sundermeier
- Gefahren und Chancen der „interreligiösen Hermeneutik“ für den Religionsunterricht
- Bedeutung der Identitätsentwicklung im Jugendalter für interreligiöses Lernen
- Perspektivenübernahme als Lernziel für den interreligiösen Austausch
- Jesus Christus als Beispiel für Offenheit und Respekt im Umgang mit anderen Religionen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des interreligiösen Lernens ein und erläutert die Relevanz der „interreligiösen Hermeneutik“ im Kontext des zunehmenden multikulturellen Zusammenlebens. Kapitel 2 stellt den Entwurf der „interreligiösen Hermeneutik“ von Theo Sundermeier vor und beschreibt dessen Voraussetzungen und Zielsetzungen. Es werden die vier Begegnungsmodelle und die vier Stufen der „interreligiösen Hermeneutik“ vorgestellt. Kapitel 3 analysiert den Entwurf aus religionspädagogischer Perspektive, beleuchtet Gefahren und Chancen für den Religionsunterricht und untersucht den Bezug zur Identitätsentwicklung im Jugendalter. Außerdem wird das Beispiel von Jesus Christus als Vorbild für Konvivenz beleuchtet.
Schlüsselwörter
Interreligiöse Hermeneutik, Theo Sundermeier, Religionspädagogik, interreligiöses Lernen, Identitätsentwicklung, Jugendalter, Fremdenbegegnung, Konvivenz, Differenz, Perspektivenübernahme, Jesus Christus, Dialog der Religionen, Begegnungsmodelle, Verständigung.
- Arbeit zitieren
- Anita Glunz (Autor:in), 2005, Zu: Theo Sundermeiers „Interreligiöse Hermeneutik“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46608