Jahrzehntelang besaß die Odenwaldschule einen hervorragenden Ruf – eine reformpädagogische Vorzeigeinstitution mit elitärem Klientel. Jeder, der auf der OSO war - sowohl Schüler als auch Lehrer – war Stolz, auf dieser berühmten Schule gewesen zu sein. An der Odenwaldschule wurden seit den 1960er Jahren bis in die 1990er Jahre mindestens 132 Schüler missbraucht. Keiner der Täter wurde je für seine Verbrechen verurteilt. Der Missbrauch ist rechtlich über die Jahre hinweg verjährt, die emotionalen Wunden der Betroffenen bestehen jedoch weiterhin.
Die vorliegende Arbeit versucht Antworten auf folgende Fragen zu finden: Wie konnte es zu diesen Vorfällen in einem solchen Ausmaß kommen? Warum dauerte es über 30 Jahre, bis die Vorfälle öffentlich bekannt wurden? Welche Konsequenzen können daraus gezogen werden? Der erste Teil widmet sich der terminologischen Klärung des Fachbegriffes sexualisierte Gewalt. Danach wird das Konzept der Odenwaldschule vorgestellt und die Vorfälle der sexualisierten Gewalt benannt. Im Anschluss daran wird die Frage geklärt, welche Strukturen die Missbrauchsfälle begünstigten. Historische Dokumente weisen darauf hin, dass Schüler bereits kurz nach der Gründung des Internats von Lehrern sexuell belästigt wurden.
Im Zuge der Aufdeckungsarbeiten 2010 stellte sich heraus, dass die Häufung der Missbrauchsfälle in die Amtszeit des Schulleiters Gerold Becker fällt und er somit als einer der Haupttäter betrachtet wird, weshalb diese Arbeit sich auf die Vorfälle im Zeitraum der 1970er und 1980er begrenzt. Im Fokus des darauffolgenden Abschnitts steht Andreas Huckele, ein ehemaliger Schüler der Odenwaldschule und Opfer sexualisierter Gewalt seitens Becker, der von 1981-1988 an der Odenwaldschule war. Als Grundlage dessen dient sein Buch "Wie laut soll ich denn noch schreien?", das bis 2011 unter dem Pseudonym Jürgen Dehmers herausgegeben wurde. Auf die Konsequenzen der Aufdeckungsarbeiten bezieht sich der vorletzte Abschnitt. Zum Ende der Arbeit werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und abschließend noch offen gebliebene Fragen erörtert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Begriffsklärung: Sexualisierte Gewalt
- 2 Der Fall Odenwaldschule
- 2.1 Pädagogisches Konzept
- 2.2 Sexualisierte Gewalt an den Schülern
- 2.3 Begünstigungen für die sexualisierte Gewalt an der Odenwaldschule
- 2.3.1 Die Odenwaldschule als Alleinstellungsmerkmal und der damalige Zeitgeist
- 2.3.2 Das System Becker
- 3 Andreas Huckele
- 4 Die Aufdeckungsarbeiten: Der Stein und das Wasser
- 5 Gesellschaftliche Konsequenzen der Aufdeckung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Vorfälle sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule, die von den 1960er Jahren bis in die 1990er Jahre stattfanden. Dabei werden die Hintergründe, Strukturen und Konsequenzen dieser Missbrauchsfälle beleuchtet. Die Arbeit analysiert, warum diese Vorfälle über einen so langen Zeitraum hinweg ungeahndet blieben und welche Faktoren zur Entstehung dieser Situation beigetragen haben. Sie befasst sich mit der Frage, warum die Odenwaldschule als reformpädagogische Vorzeigeinstitution mit exzellentem Ruf dennoch zum Schauplatz von Missbrauch wurde.
- Begriffsklärung von sexualisierter Gewalt
- Das pädagogische Konzept der Odenwaldschule und seine Bedeutung für die Missbrauchsfälle
- Die Rolle der Strukturen und des damaligen Zeitgeists
- Die Auswirkungen der Aufdeckung der Vorfälle auf die Odenwaldschule und die Gesellschaft
- Die persönlichen Erfahrungen eines ehemaligen Schülers mit sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Definition des Begriffs sexualisierte Gewalt und beleuchtet die Bedeutung dieser Definition im Kontext der Odenwaldschule. Im zweiten Teil wird das pädagogische Konzept der Odenwaldschule vorgestellt und die Entstehung der Schule im Kontext der Landerziehungsheimbewegung erläutert. Des Weiteren wird die Rolle des damaligen Zeitgeists im Hinblick auf die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule untersucht. Die Arbeit konzentriert sich auf die Zeit des Schulleiters Gerold Becker (1972-1985), in der die meisten Missbrauchsfälle stattfanden. Anschließend wird der Fall von Andreas Huckele, einem ehemaligen Schüler der Odenwaldschule, beleuchtet. Dieser war Opfer sexualisierter Gewalt seitens Becker und erzählt in seinem Buch "Wie laut soll ich denn noch schreien?" von seinen Erfahrungen. Die Arbeit untersucht die Aufdeckung der Vorfälle und deren gesellschaftliche Konsequenzen.
Schlüsselwörter
Sexualisierte Gewalt, Odenwaldschule, Reformpädagogik, Landerziehungsheim, Missbrauch, Gerold Becker, Andreas Huckele, Aufdeckungsarbeiten, Zeitgeist, Strukturen, Konsequenzen.
- Arbeit zitieren
- Kathleen Victoria Craig (Autor:in), 2017, Sexualisierte Gewalt in pädagogischen Kontexten am Beispiel der Odenwaldschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/469841