Formen adliger Existenz im 18. Jahrhundert

Adel zwischen Kritik und Reformen


Magisterarbeit, 2009

142 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Adolph Freiherr Knigge
1.1 Knigges Biographie
1.2 Knigges Adelskritik

2. Aufklärung und Reformen als zentrale Strömungen des 18. Jahrhunderts
2.1.1 Ziele und Träger der Aufklärung
2.1.2 Aufklärung und Adel
2.1.3 Staatsnähe der deutschen Aufklärung
2.2.1 Aufklärerische Reformen
2.2.2. Justiz- und Verwaltungsreformen
2.2.3 Wirtschafts- und Sozialreformen
2.2.4 Bildungsreformen

3. Methodische Vorgehensweise

4. Adelskritiker und ihre Forderungen an den Adel
4.1 Adelskritik im 18. Jahrhundert
4.2 Joseph Sonnenfels
4.3 Johann Heinrich Gottlob Justi
4.4 Johann Michael von Loen

5. Der zweite Mann im Staat – Adlige Reformer, die das Ganze
im Blick haben
5.1 Adlige Staatsminister
5.2 Adlige Reformminister
5.3 Franz von Fürstenberg

6. Reformer des Justizwesens und der Gesetzgebung
6.1 Das Justiz- und Gesetzgebungswesen im 18. Jahrhundert
6.2 Naturrecht
6.3 Kodifizierungen und das Allgemeine Preußische Landrecht
6.4 Justizreformen in den deutschen Territorien
6.5 Justizreformer
6.6 Friedrich Ludwig von Berlepsch

7. Reformen in Bergbau und Ökonomie
7.1 Förderung der Ökonomie
7.2 Adel und Ökonomie
7.3 Das Bergwesen in Schlesien
7.4 Das Bergwesen im Harz
7.5 Das Bergwesen in der Grafschaft Mark
7.6 Friedrich Anton von Heynitz
7.7 Friedrich Wilhelm von Reden

8. Reformen im Forstwesen
8.1 Bedeutung und Zustand des Waldes im 18. Jahrhundert
8.2 Fürsten und Verwaltung
8.3 Modernisierungsbestrebungen und das Prinzip der Nachhaltigkeit
8.4 Verbesserung der Ausbildung der Forstbediensteten
8.5 Johann Georg von Langen

9. Agrar- und Sozialreformen
9.1 Aspekte der Agrarreformen im 18. Jahrhundert
9.2 Gutsherrschaft und Gutsherren
9.3 Andreas Peter Bernstorff
9.4 Hans Rantzau

10. Universitäts- und Schulreformen
10.1.1 Das Bildungswesen im 18. Jahrhundert
10.1.2 Julius Eberhard von Massow
10.1.3 Karl Abraham von Zedlitz und Leipe
10.1.4 Gerlach Adolph von Münchhausen
10.1.5 Wilhelm von Humboldt
10.2.1 Volksaufklärung und Volksbildung
10.2.2 Peter Graf von Hohenthal
10.2.3 Friedrich August Ludwig von der Marwitz
10.2.4 Friedrich Eberhard von Rochow

11. Geistliche Fürsten und katholische Aufklärung
11.1 Die katholische Aufklärung in den deutschen Territorien
11.2 Reformerische geistliche Fürsten
11.3 Heinrich von Bibra
11.4 Friedrich Karl von Erthal
11.5 Franz Ludwig von Erthal

12. Ausblick ins 19. Jahrhundert
12.1 Hintergrund der preußischen Reformen
12.2 Die preußischen Reformen
12.3 Preußische Reformminister: Hardenberg und Stein
12.4 Alexander von Humboldt

Zusammenfassung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

Darstellungen

Einleitung

Die Bayerische Landesausstellung 2008 Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone thematisiert den Adel vom frühen Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert, wobei Aspekte wie Ritter und höfisches Leben Schwerpunkte bilden.1 Im Rosenheimer Teil der Ausstellung findet sich ein Portrait des Adam Friedrich von Seinsheim (1708-1779).2 In der Führung wird man darüber informiert, dass dieser geistliche Fürst sich besonders für eine Verbesserung des Schulwesens eingesetzte. Worauf aber weder in der Ausstellung, noch in der Führung eingegangen wird, sind die Umstände, die Seinsheim dazu veranlassten, Reformen im Bereich des Schulwesens durchzuführen. Er muss wohl von aufklärerischen Ideen geleitet und durch zunehmende Adelskritik dazu bewegt worden sein, sich für das Wohl seines Gemeinwesens zu engagieren.

Adelskritik wurde im 18. Jahrhundert in der Regel von Bürgerlichen geübt. Eine Ausnahme stellte hierbei Adolph Freiherr Knigge dar, der als Adliger seine eigenen Standesgenossen kritisierte. Im Folgenden soll es darum gehen, ein Gegenbild zu Knigges pauschalisierender These des Adels als „großen Haufen hirnloser Müßiggänger“ 3 zu entwerfen und zu untersuchen, ob der Adel – herausgefordert durch Aufklärung und Adelskritik – für Staat und Gesellschaft nützlichen Tätigkeiten nachging. Zentrale Reformbereiche des Staatswesens im 18. Jahrhundert werden vorgestellt und ergänzend dazu jeweils herausragende aufklärerisch gesinnte Adlige, die sich an diesen Reformen beteiligten.4 Knigges Thesen sollen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Das Ziel der Arbeit soll sein, Knigges einseitiges Adelsbild zu relativieren. Dies soll anhand von „berechtigter“ Adelskritik im 18. Jahrhundert, beispielsweise durch die Kameralisten, geschehen und vor allem mittels der Betrachtung von Lebensläufen adliger Protagonisten, die sich, zumeist im Sinne der Aufklärung, nützlich für Staat und Gesellschaft gemacht haben.

In dieser Sozialstudie werden exemplarisch Adlige5 vorgestellt, die sich in verschiedenen Bereichen, in denen im 18. Jahrhundert Reformen angestrebt und verwirklicht wurden, engagiert haben.6 Neben den adligen Exponenten soll das kollektive Phänomen herausgearbeitet werden, die Bereitschaft des Adels, aktiv an Verbesserungen in Staat und Gesellschaft teilzunehmen. Die vorgestellten Adligen und ihre Tätigkeiten werden dabei in die großen Strömungen des 18. Jahrhunderts, in denen man reformerisch dachte und handelte, eingeordnet. Insgesamt soll gezeigt werden, welchen Herausforderungen der Adel des 18. Jahrhunderts gegenüber stand; wie der Adel sich, um seine hervorgehobene Stellung in Staat und Gesellschaft zu sichern, den Zeitströmungen anpassen musste.

Näherer Untersuchungsgegenstand ist der alte niedere Adel Deutschlands, am Rande auch Österreichs.7 Hier wird weder der Briefadel noch der regierende Hochadel untersucht.8 Der zu untersuchende Zeitraum erstreckt sich vor allem auf das 18. Jahrhundert, wobei die Grenze bei dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 zu ziehen ist. Die Rahmenbedingungen, wie Politik und Kriege, werden vorausgesetzt und nicht näher thematisiert. Die Aufklärungsbewegung soll nur unter dem Aspekt, wie in ihrem Zuge Reformen angestrebt und verwirklicht wurden, beschrieben werden. Andere Bewegungen, wie der Physiokratismus9 und der Kameralismus werden nicht detailliert erläutert. Anhand exemplarischer Themengebiete werden einzelne herausragende adlige Exponenten vorgestellt, welche die Gruppe des Adels repräsentieren, die sich nützlich gemacht hatte. Dabei werden die konservativen und unnützen Kreise der Adligen, die es sehr wohl auch gab – wenn auch nicht so drastisch wie Knigge unterstellt – nicht behandelt. Auch soll es nicht so sehr um wichtige Persönlichkeiten der Politik und Diplomatie, wie beispielsweise Montgelas, gehen, sondern um die Adligen zweiten Ranges. In diesem Rahmen kann nicht näher auf die Reformpolitik großer Herrscher wie Maria Theresia oder Friedrich II. eingegangen werden. Bei den einzelnen Exponenten wird nicht auf deren komplette Biographie eingegangen, sondern diese nur im Hinblick auf ihr nützliches Tun, beziehungsweise bei den Adelskritikern auf ihre Sicht des Adels erläutert. Das nützlichkeitsorientierte Handeln der Adligen, beziehungsweise die Adelskritik der Kritiker des ersten Standes, kann in diesem Rahmen nicht detailliert analysiert werden. Auch soll die Gruppe der Adelskritiker nur angedeutet werden, um zu zeigen, was die Forderungen an den Adel waren.

Diese Leitfrage soll im folgenden Kontext beantwortet werden: Lässt sich Knigges Adelskritik widerlegen? Fragen, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden sollen, sind folgende: Gab es „berechtigte“ Adelskritik? Welche Vorwürfe an den Adel gab es, die diesen in Zugzwang geraten ließen? Wie reagierte der Adel auf diese Kritik an seinem Stand? Inwieweit war der Adel ein Träger der Aufklärung und wurde er von den Zeitströmungen des 18. Jahrhunderts erfasst?

Nach einem Aufschwung der Adelsforschung in den 1970ern und 1980ern, stieg in den letzten Jahren erneut das Interesse an diesem Thema an. Die neuere Adelsforschung der letzten Jahre ist meist europäisch-vergleichend angelegt, wie die Werke von Ronald G. Asch10 und Walter Demel11 In dieser europäischen Perspektive, die meist mehrere Jahrhunderte behandelt, kommt eine genauere Untersuchung des deutschen Adels zu kurz. Eine weitere Richtung aktueller Adelsforschung stellt die der regionalen Studien dar, welche stark vertreten sind, beispielsweise das Werk von Marko Kreutzmann12 und das von Eva Labouvie.13 Ein weiteres Untersuchungsgebiet umfasst die Umbruchskrise des Adels, die beispielsweise in dem Aufsatzband von Horst Carl untersucht wird.14 Bis heute ist noch keine monographische Darstellung zum deutschen niederen Adel im 18. Jahrhundert, eingebettet in die großen Strömungen dieser Zeit, erschienen. Eine breit angelegte Untersuchung des Selbstverständnisses und der Tätigkeitsfelder des niederen Adels im Alten Reich ist ein Forschungsdesiderat. In dieser Forschungslücke ist die vorliegende Arbeit angesiedelt.

Als Basis der Untersuchung dient die Vorstellung einiger zentraler adelskritischer Aussagen Knigges, die im Hauptteil relativiert werden sollen. Das folgende Kapitel dient zur Feststellung der grundlegenden Strömungen des 18. Jahrhundert und der prinzipiellen Beteiligung durch Adlige. Hier werden einige zentrale Aspekte der praxisorientierten Aufklärung im 18. Jahrhundert vorgestellt, die Reformen nach sich zogen. Im nächsten Abschnitt wird die methodische Vorgehensweise zur Auffindung adliger Exponenten, die sich an den zentralen Reformbereichen beteiligten, vorgestellt. Auch wird in diesem Zusammenhang erläutert, wie die gefundenen Adligen aufgrund ihrer Haupttätigkeitsfelder verschiedenen Gruppen zugeordnet wurden. Anschließend werden anhand der adelskritischen Äußerung der Kameralisten Sonnenfels und Justi die Forderungen der Adelskritik an den Adel herausgearbeitet.

Im Hauptteil soll unter anderem untersucht werden, ob diese adelskritischen Forderungen der Kameralisten von einem Teil des Adels bereits erfüllt wurden. Dieser Teil der Arbeit gliedert sich in verschiedene Reformbereiche, in denen sich Adlige aktiv beteiligten. Zunächst wird anhand der Person von Fürstenberg der Typus des adligen höchsten Ministers im Staat, der mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet war, vorgestellt. In einem nächsten Abschnitt werden Justizreformen und Reformen der Gesetzgebung behandelt, wobei hier auch das Naturrecht und Kodifizierungen Erwähnung finden. Anschließend werden Reformen in Bergbau und Ökonomie behandelt. Nach allgemeinen Aussagen über Förderung der Ökonomie im 18. Jahrhundert, wird das Bergwesen näher behandelt und ergänzend dazu Heynitz und Reden als Reformer in diesem Sektor vorgestellt. Auch im Forstwesen engagierten sich Adlige reformerisch, wie an der Person Langens deutlich wird, die in einem nächsten Abschnitt behandelt werden soll. Ebenso finden sich im Bereich der Agrar- und Sozialreformen Adlige, die aktiv an Neuerungen und Verbesserungen beteiligt waren. Herausragende Beispiele hierfür sind Bernstorff und Rantzau. Ein zentrales Element der Modernisierung des Staatswesens stellten Universitäts- und Schulreformen dar, denen der nächste Abschnitt gewidmet ist. Zedlitz und Münchhausen stellen Beispiele adliger Reformer in diesem Bereich dar. Auch an der Volksaufklärung und Volksbildung beteiligten sich Adlige, die, wie Rochow, das Schulwesen auf ihren Gütern verbesserten. Schließlich wird auf die katholische Aufklärung eingegangen. In diesem Zusammenhang soll der Typus des adligen reformerisch gesinnten, geistlichen Fürsten näher beleuchtet werden. Abschließend werden in einem Ausblick ins 19. Jahrhundert die preußischen Reformen schlaglichtartig erwähnt sowie die Person Alexanders von Humboldt.

1. Adolph Freiherr Knigge

Im Folgenden werden einige zentrale adelskritische Äußerungen Adolph Freiherr Knigges vorgestellt. Die Besonderheit an Knigges Adelskritik – etwa im Vergleich derer der Kameralisten Sonnenfels und Justi – ist, dass Knigge als Vertreter des Geburtsadels Lebens- und Verhaltensweisen seiner eigenen Standesgenossen beanstandete. Knigge vereinte in sich sowohl die adlige Herkunft als auch die Kritik des Adels.15

1.1 Knigges Biographie

Adolph Freiherr Knigge wurde 1752 auf Schloss Bredenbeck bei Hannover geboren. Er stammte aus altem Adelsgeschlecht, das sich bis in das Jahr 1135 zurückdatieren lässt und 1665 in den Freiherrenstand erhöht worden war. Der frühe Tod beider Elternteile und die Tatsache, dass er von seinem Vater 130.000 Reichstaler Schulden erbte, sollten sein Leben entscheidend bestimmen. Durch diesen Umstand wurde Knigge früh in ein bürgerliches Dasein gezwungen, denn seine geringe Leibrente reichte nicht für ein standesgemäßes Leben.16 Er versuchte mehrfach vergeblich in eine einträgliche Position im fürstlichen Dienst zu gelangen und auch seine Integration an einem Hof misslang ihm etliche Male. Das Scheitern als Adliger bei Hofe kann als der Hauptauslöser für seine spätere Hof- und Adelskritik gesehen werden. Knigge ist als ehrgeizig und idealistisch zu bezeichnen, er wollte nützlich für Staat und Gesellschaft und einflussreich sein. Durch die Umstände wurde er in den Beruf eines freien Schriftstellers gedrängt, was zu seiner Zeit kein üblicher Haupterwerb war – vor allem nicht für einen Adligen.17

Knigge engagierte sich zudem für den Geheimbund der Freimaurer. 1780 trat er in den Illuminatenorden ein, in der Hoffnung durch diesen radikal- aufklärerische Ideen zu verwirklichen. Doch wurde ihm trotz seines Engagements die Aufnahme in die höheren Grade des Ordens verweigert, da er nicht vermögend war. Knigge, der, von der Aufklärung beeinflusst, die Welt verbessern wollte, konnte dies nicht durch seine Dienste an Höfen und für Geheimgesellschaften erreichen. Vor diesem Hintergrund ist seine schriftstellerische Tätigkeit zu bewerten, denn Knigge schrieb zwar für den Gelderwerb, aber er nutzte dieses Medium, um die Gesellschaft zu verbessern.18

Über den Umgang mit Menschen stellt Knigges erfolgreichstes Werk dar.19 Sein umfangreiches Gesamtwerk umfasst acht Romane und daneben zahlreiche Reisebeschreibungen, Gedichte, Predigten, Parodien auf Werke bekannter Zeitgenossen, moralphilosophische sowie politische Schriften. Des weiteren verfasste Knigge Übersetzungen und Rezensionen, auch versuchte er sich als Komponist. Seine adlige Herkunft, die ihm eine breite Bildung sicherte und sein reges Interesse sowie die Anteilnahme an gesellschaftlichen Erscheinungen sind Gründe für seine große Produktivität. Doch die Hauptursache seiner Vielschreiberei ist darin zu sehen, dass Knigge für den Gelderwerb schrieb – er musste viel schreiben, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Letztlich sind sämtliche seiner Schriften belehrend und erziehend. Dieser pädagogische Ansatz und sein vielfältiges Gesamtwerk erweisen Knigge als Aufklärer, denn er fühlte sich grenzenlos zuständig.20

Seine politischen Schriften, die er unter dem Eindruck der Französischen Revolution verfasste, enthalten Kritik an den deutschen Fürsten.21 Seine Romane, die eine Sittenschilderung der höheren Stände sind, thematisieren auch Adelskritik. Knigge kritisierte immer wieder Verschwendung, Gewissenlosigkeit und Korruption der höfischen Gesellschaft.22

1.2 Knigges Adelskritik

Neben seiner allgemeinen Gesellschaftskritik, die sich beispielsweise in seinem Werk Über den Umgang mit Menschen findet23, ist Knigges Kritik an seinen eigenen Standesgenossen elementarer Bestandteil seines Gesamtwerks. Dass Knigges Hofkritik vor allem aus seinen persönlichen Erfahrungen bei Hofe resultierte, zeigt folgende Aussage Knigges in einem Brief: „Sie wissen, dass ich in meinem 19. Lebensjahr in Kassel an einen äußerst intriguanten Hof kam. Die Gunst der Herrschaften, die aber miteinander uneinig lebten; das Heer schlechter Leute, Günstlinge, Neider, Projektmacher, mit denen ich täglich umging, die ich verachtete, die ich Unerfahrener glaubte stürzen zu müssen; Laster, die ich bekämpfte; Torheiten, über die ich lachte; Dummheit in der Hülle der Weisheit, die ich entlarvte und dann verspottete, - das Alles machte mich zu einem wichtigen Menschen. Weil ich aber fremd, ohne Schutz, ohne List und Erfahrung war, so sah ich mich auf einmal mit Feinden und Verleumdern umgeben, zurückgesetzt und ohne Hoffnung, irgend einen Plan auszuführen. Ich verließ also endlich dem Kampfplatz und sah mich nach einem anderen Wohnorte um.“24 Knigge kritisiert hier besonders die Einfalt seiner adligen Standesgenossen.

Knigges Groll gegen die höfische Gesellschaft wird vor allem im Umgang deutlich, wo seitenweise Aufzählungen über menschliche und moralische Defizite der Höflinge zu finden sind. „Entfernung von der Natur, Gleichgültigkeit gegen die ersten und süßesten Bande der Menschheit; Verspottung der Einfalt, Unschuld und Reinigkeit und der heiligsten Gefühle; Flachheit; Vertilgung, Abschleifung jeder charakteristischen Eigenheit und Originalität; Mangel an gründlichen, wahrhaftig nützlichen Kenntnissen; an deren Stelle hingegen Unverschämtheit, Persiflage, Impertinenz, Geschwätzigkeit, Inkonsequenz, Nachlallen; Kälte gegen alles, was gut, edel und groß ist; Üppigkeit, Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Weichlichkeit, Ziererei, Wankelmut, Leichtsinn; abgeschmackter Hochmut; Flitterpracht als Maske der Bettelei; schlechte Hauswirtschaft; Rang- und Titelsucht; Vorurteile aller Art; Abhängigkeit von den Blicken der Despoten und Mäzenaten; sklavisches Kriechen, um etwas zu erreichen; Schmeichelei gegen den, dessen Hilfe man bedarf, aber Vernachlässigung auch des Würdigsten, der nicht helfen kann; Aufopferung auch des Heiligsten, um seinen Zweck zu erlangen; Falschheit, Untreue, Verstellung, Eidbrüchigkeit, Klatscherei, Kabale; Schadenfreude, Lästerung, Anekdotenjagd; lächerliche Manieren, Gebräuche und Gewohnheiten – das sind zum Teil die herrlichen Dinge, welche unsre Männer und Weiber, unsre Söhne und Töchter von dem liebenswürdigen Hofgesindel lernen – das sind die Studien, nach welchen sich die Leute von feinem Tone bilden.“25 Hier wird vor allem Kritik an dem Umstand geübt, dass die schlechten Eigenschaften des Adels bei Hofe als Vorbild für weite Teile der Gesellschaft genommen wurden. Ein immer wiederkehrender Kritikpunkt Knigges ist die mangelnde Bildung des Adels, der „Mangel an gründlichen, wahrhaftig nützlichen Kenntnissen“.26 Er kritisierte, dass die Adligen keine Fähigkeiten haben oder erwerben, die der Gesellschaft in irgendeiner Weise Nutzen bringen könnten.

Auch in seinen Illuminatenschriften ist Kritik an der Hofgesellschaft zu finden. „Einen Hof ohne Sitten und voll vom Verderbnisse, das sich bis in die untersten Klassen verbreitet, das Laster in der Höhe, die Tugend in Ketten, Schmeichelei, Niederträchtigkeit an ihrem Platz; Wissenschaften und Vernunft unterdrückt, niemand an seiner gehörigen Stelle: die wichtigsten Ämter des Staats den Meistbietenden, der Gunst der Höflinge und unzüchtigen Buhldirnen feilgeboten (…) der gerechte und tugendhafte Mann der Wut jedes Niederträchtigen, dem er nicht huldigen wollte, preisgegeben und, was das ärgste ist, selbst unter dem Vorwand der Gesetze und Gerechtigkeit unterdrückt.“27 Hier greift Knigge wieder den Topos des ungebildeten Adligen auf. Auch kritisiert er, dass bedeutende Positionen im Staat nicht denjenigen zugeteilt werden, die von ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten am geeignetsten wären, sondern denjenigen, die in der Gunst des Fürsten stehen.

Knigge übt oft vornehmlich moralische Kritik an den Adligen. „Heucheley, Untreue, Falschheit und Verstellung sind gegenwärtig öffentlich privilegierte, zu einer guten Welt-Erziehung gehörige Eigenschaften eines feinen Mannes; Stündlich das Gegenteil zu sagen von dem, so man denkt; täglich zu versprechen, was man nie halten will; Dienste anzubieten, die man nicht zu leisten sich vorgenommen hat, und worauf oft ein gutmütiger Mann seine ganze Hoffnung setzt.“28 Knigge kritisiert nicht nur das unehrenhafte Verhalten seiner Standesgenossen, sondern dass dieses sogar gefördert wird und ihnen Anerkennung in der Gesellschaft erbringt.

Auch an der Institution des Erbadels übte Knigge vehemente Kritik. „Hochmut ist es, der den Pinsel von sechzehn Ahnen aufbläht, dass er die Verdienste seiner Vorfahren – die oft nicht einmal seine echten Vorfahren sind und oft nicht einmal Verdienste gehabt haben – dass er diese sich anrechnet, als wenn Tugenden zu dem Inventar eines alten Schlosses gehörten.“29 Knigge übt hier eindeutig Kritik am Geburtsadel, der seine Vorrangstellung und seine Privilegien lediglich auf seine – zumeist gefälschte – Ahnenreihe begründet. In der Geschichte der Aufklärung kritisiert er ebenfalls den Erbadel und fordert, diesen abzuschaffen, um bessere und vor allem nützlichere Menschen aus den Adligen zu machen.30 Knigge betonte im Wurmbrand, dass weder Verdienste noch Posten im Staatsdienst angeboren sein können.31

Adolph Freiherr Knigge beanstandete nicht Einzelfälle, sondern pauschalisierte seine Kritik. „Wer einen gesehen hat, der kennt sie, im Größeren und Kleineren, alle. Betteley im Oeconomischen und Intellectuellen, mit der Maske einer armseligen Pracht bedeckt, Neid, Bosheit, Unwissenheit, Selbstgenügsamkeit bey der entscheidensten Dummheit, Langeweile, Schmeicheley, Ränke, Schlaffigkeit, Verderbniß der Sitten, Frivolität, Inconsequenz, Krankheit der Seele und des Leibes, Vorurteile aller Art in dem Gewande der Aufklärung, empörender Despotismus – Kurz! hospitalsmäßige Herabwürdigung des Menschengeschlechts.“32 Diese Zeilen sind als Pauschalurteil Knigges, dass der Adel, besonders der Hofadel, insgesamt sich durch Unwissenheit, Dummheit und Faulheit auszeichnet, zu verstehen.

Aus diesen Zitaten wird deutlich, dass Knigges Sichtweise des Adels sehr negativ und einseitig ist. Er stellt in seinen Werken ein drastisches Adelsbild dar, das einem totalen Verriss seiner Standesgenossen gleichkommt. Hier stellt sich also zwangsläufig die Frage, ob er mit seiner Schwarzweißmalerei Recht hatte. Im Folgenden sollen Knigges Aussagen, vor allem sein Pauschalurteil des unwissenden, dummen und faulen Adels, des großen Haufens „hirnloser Müßiggänger“33 an der Realität gemessen werden. Anhand der Betrachtung der Lebensläufe einiger Adliger, die sich für Staat und Gesellschaft engagierten, soll Knigges adelskritisches Pauschalurteil relativiert werden.

2. Aufklärung und Reformen als zentrale Strömungen des18. Jahrhunderts

Um die Adelskritik Knigges zu relativieren, bedarf es Adliger, die sich den Zeitströmungen des 18. Jahrhunderts anpassten und die für Staat und Gesellschaft nützlichen Tätigkeiten nachgingen. Im Folgenden sollen einige zentrale Aspekte der Aufklärung, der großen Strömung des 18. Jahrhunderts beleuchtet werden. Besonders soll auf die Praxisorientiertheit der Aufklärung eingegangen werden, die Reformen in etlichen Bereichen des Staatswesens nach sich zog. Exemplarisch werden hier Justizreformen, Sozialreformen und Bildungsreformen erwähnt. Die Leitfrage: „Haben sich Adlige an die großen Strömungen des 18. Jahrhunderts, wie Aufklärungs- und Reformbewegung, angepasst und waren Adlige somit Träger von Aufklärung und Reformen?“ soll in diesem Abschnitt beantwortet werden.34

Zentrale Werke zu Aufklärung und Reformen im 18. Jahrhundert sind die von Möller35 und von Stollberg-Rilinger36

2.1.1 Ziele und Träger der Aufklärung

Die Aufklärung ist eine „intellektuelle Bewegung mit dem Ziel praktischer Verbesserung des Denkens und Handelns der Menschen“.37 Ziel der praxisorientierten Aufklärung war, das menschliche Glück zu verwirklichen. Da die Aufklärer die Welt verbessern wollten, wurden Reformen in sämtlichen Bereichen des Lebens zu einem zentralen Bestreben der Aufklärung.38 Auch die Grundüberzeugung der Aufklärer von der Bildungsfähigkeit des Menschen begründete ihr Reformbestreben.39 Ziel der aufgeklärten Pädagogik, die auch von Friedrich Nicolai (1733-1811) vertreten wurde, war das Ideal des zur Praxis erzogenen mündigen Bürgers, dessen individuelles Glück innerhalb des Gemeinnutzens in der bürgerlichen Gesellschaft selbst liegt.40 Eine zentrale Forderung der Aufklärer an die Regenten war, dass diese ihre Herrschaft nach den Grundsätzen der Vernunft legitimieren sollten.41 Die aufklärerische Adelskritik richtete sich besonders gegen den Hofadel. „Die bürgerlichen Werte, zu denen auch Maximen wie Rechtschaffenheit, Ordnung, Gemeinwohl, Frieden usw. gehörten, bildeten sich als Kampfmoral gegen höfisch-adlige Lebensweisen.“42 Im Zuge der Aufklärungsbewegung steigerte sich das Selbstbewusstsein der bürgerlichen Schichten. Dennoch stellte bürgerliche Adelskritik in der Regel die Rechtmäßigkeit des adligen Standes nicht in Frage.43 Die Aufklärer forderten, dass nicht Herkunft den gesellschaftlichen Rang des Einzelnen bestimmen sollte, sondern eigene Leistung und Verdienste.44

Zu den wichtigsten sozialen Trägern der deutschen Aufklärung gehörten Publizisten, Verleger, Gelehrte und ein Teil der Geistlichen.45 Träger der Aufklärung waren zu einem großen Teil auch Adlige, da diese an höheren Schulen und Universitäten ebenso wie bürgerliche Studenten in Kontakt mit aufklärerischem Gedankengut kamen.46 Organisatorische Träger der Aufklärung waren beispielsweise die Moralischen Wochenschriften47 und die Lesegesellschaften.48 Aufklärungsgesellschaften waren ein Ausdruck der soziokulturellen Entwicklung des deutschen Bildungsbürgertums der Aufklärung.49 Aufklärungsgesellschaften zeichneten sich durch einen praxisorientierten Wirkungsanspruch aus. Sie versuchten beispielsweise durch öffentliche Vorträge und Zeitschriftengründungen Staat und Gesellschaft im Sinne der aufklärerischen Ideale zu verbessern und das Volk aufzuklären. Sie waren Befürworter von Reformen und bekannten sich zur Allgemeinnützigkeit der Aufklärung.50 Die Sozietäten strebten nicht die Abschaffung des aufgeklärten Absolutismus51 an, sondern wollten durch Reformen das Gemeinwohl steigern.52 Mitglieder der Aufklärungsgesellschaften waren vor allem bürgerliche und adlige Personen des öffentlichen Lebens.53 Dadurch, dass sich in diesen Gesellschaften Adlige zusammen mit Bürgerlichen engagierten, trugen die Sozietäten zu einer gewissen Annäherung der Stände bei.54 Auch die Tatsache, dass zahlreiche der aufgeklärten Brieffreunde und Gesinnungsgenossen Nicolais adlig waren, zeigt, dass gemeinsame Ziele und Ideale aufklärerische Bürgerliche und Adlige zu einer Interessensgemeinschaft werden ließen.55 Die Überzeugung der Aufklärer, dem Gemeinwohl verpflichtet zu sein, war die Grundlage ihrer hohen Bereitschaft für soziales Engagement und soziale Verantwortung.56

2.1.2 Aufklärung und Adel

Der Absolutismus beschränkte die ständische Vormachtstellung des Adels. Als Entschädigung für die ständische Entmachtung des Adels durch den Absolutismus, wurden ihm zahlreiche Privilegien zugesprochen. Neben beispielsweise kirchlichen Patronatsrechten behielt er den Alleinanspruch auf militärische und staatliche Führungspositionen.57 Zentraler Angelpunkt der Adelspolitik Friedrichs II. beispielsweise waren Privilegierung und Funktionalisierung des Adels.58 Es gelang dem Adel auf dem Land, seinen politischen Einfluss und seine privilegierte soziale Position im 18. Jahrhundert zu bewahren.59

Adelskritiker setzten bürgerliche Tugenden, wie Kultur, Natürlichkeit und Bildung gegen adlige Untugenden, wie Äußerlichkeit und Glattheit ab. Grundlage dieser Ansicht war die soziale Auseinandersetzung des Bürgertums mit dem Adel um dessen Privilegien.60 Die Adelskritik der Aufklärer, wie beispielsweise Nicolais, war ambivalent, denn sie unterschieden aufklärerisch denkende und lebende Adlige von Adligen, die sich nur durch ein nutzloses Leben am Hofe auszeichneten und dementsprechend Anlass zur Kritik gaben. Die Aufklärer beurteilten diese Adligen, die sich in großem Maße an der Aufklärung beteiligten, nach ihren Verdiensten, nicht nach ihrer Herkunft und sahen sie als Individuen an. Hingegen wurden Standesdünkel kultivierende Adelige als Kollektiv aufgefasst.61 Nicolai forderte, wie die meisten Adelskritiker, nicht die Abschaffung des Adels als ersten Stand, sondern er kritisierte die Führungsposition des Adels aufgrund der Vererbung von Privilegien.62 Keineswegs strebte Nicolai nach der Beseitigung der Ständeverfassung, sondern er wollte sie reformieren, um die Privilegien des Adels abzuschaffen und die soziale wie rechtliche Lage der niederen Schichten zu verbessern.63

2.1.3 Staatsnähe der deutschen Aufklärung

Kennzeichnend für die deutsche Aufklärung war, dass sie vor allem praktisch- ökonomische und volkspädagogische Interessen verfolgte.64 Diese Zielsetzungen wurden in den deutschen Territorien durch eine Kooperation der Aufklärer mit dem Staatssystem erreicht. Aufklärer wie Nicolai forderten keine Revolution, sondern wollten verhältnismäßige Veränderungen in Staat und Gesellschaft. „Diese Staatsauffassung einerseits wie die geistige und soziale Frontstellung der bürgerlichen Aufklärer gegen Klerus und Adel andererseits führten dazu, dass Aufklärung und Absolutismus ein partielles Bündnis eingehen konnten. Wovon sich die Aufklärer unter anderem Reformen im Bereich des sozialen Systems, des Schulwesens, der Zensur usw. versprachen.“65 Ein Leitgedanke der politischen Aufklärung war, dass sich Aufklärer zugleich als Patrioten für das Gemeinwohl des Vaterlandes engagierten.66 Dieser Patriotismus der Aufklärer war auch die Grundlage der Forderung der aufklärerischen Kreise nach Gehör, Teilhabe am Staatswesen und nach praktischer Aufklärung.67 Dementsprechend gelang es der deutschen Aufklärung, besonders ab 1760, in die praktische Politik hineinzuwirken.68 Aufklärer engagierten sich auch deswegen im Staatsdienst, da in den deutschen Territorien jenseits der Zunftschranken die Chancen für privatwirtschaftliche Tätigkeiten gering waren und somit kirchlicher und obrigkeitlicher Dienst die wichtigsten Versorgungs- und Aufstiegschancen boten.69 Durch die Orientierung an Verantwortung und Gemeinwohl bekam der Staatsdienst für die Beamten eine moralische Komponente.70

Charakteristisch für die deutsche Aufklärung war ihr Bündnis mit dem Absolutismus. „Die Träger der deutschen Aufklärung waren (…) überwiegend dem Territorialstaat eng verbunden und konnten sich eine Durchführung der von ihnen ins Auge gefassten Reformen meist nur mit obrigkeitlicher Hilfe vorstellen. (…) Staat und ständische Gesellschaft sollten nicht etwa über den Haufen geworfen, sondern durch Aufklärung und Reformen effizienter gemacht, modernisiert werden.“71 Es gab also keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Absolutismus und Aufklärung. Denn die meisten Aufklärer stellten das Personal für den Staatsausbau und identifizierten sich dementsprechend mit dieser Regierungsform.72

2.2.1 Aufklärerische Reformen

„Unter „Reform“ (von „reformatio“) versteht man allgemein eine vom Staat, von der Kirche oder einer anderen öffentlichen Einrichtung durchgeführte Erneuerung oder Neugestaltung.“73 Reform kann als eine bewusste Anpassung der Institutionen und Gesetze an gewandelte Bedingungen der Verwaltung, der Wirtschaft, der Politik und des Staates verstanden werden. Durchgeführt wird diese Anpassung vom Gesetzgeber selbst. Obwohl der Begriff Reform diese Bedeutung schon seit dem 17. Jahrhundert hatte, wurde sie erst im 18. Jahrhundert aktuell. Gefördert wurde diese Entwicklung dadurch, dass sich einerseits die aufklärerischen und kameralistischen Ideen in der Verwaltung niederschlugen und andererseits die vornehmlich finanziellen Anforderungen an den Staat enorm stiegen.74

„Am Beginn von Reformen stand überall ein Fürst, der willens und in der Lage war und über die nötige Autorität verfügte, Veränderungs- und Innovationsvorschläge nicht nur aufzugreifen, sondern auch durchzusetzen.“75 Regenten waren allerdings nur bereit, aufklärerische Reformen durchzuführen, solange diese in ihren Augen der Staatsraison dienten.76 Auch konnte sich der rechtsstaatliche Reformwille aufgeklärter Beamten kaum gegen die ständischen Gewalten und den Monarchen durchsetzen, sofern es um die Beschränkung deren Herrschaft und Privilegien ging.77 Die allgemeine Bereitschaft von Regenten und Untertanen zu Reformen war groß, tatsächlich durchgeführt wurden die Reformen sehr viel seltener. Der Glaube an die Verbesserung der Gesellschaft durch aufklärerische Reformen war in hohem Maße vorhanden, dafür war man aber oftmals bereit, die Bevölkerung zu ihrer Glückseligkeit zu zwingen.78

Ursachen für Reformen und Reformschübe waren vor allem sozialer und wirtschaftlicher Art. Gefördert wurde die Verwirklichung von Reformmaßnahmen zum einen durch die Tatsache, dass die wachsende Bevölkerung Hungersnöte und Verarmung nach sich zog. Zum anderen waren Kriege, besonders der Siebenjährige Krieg, der die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Territorien stark belastet hatte, ein Auslöser für umfassende Reformen. Diese krisenhaften Rahmenbedingungen förderten die Durchführung von Reformen und damit die Rationalisierung des Staates sowie die Modernisierung der Wirtschaft.79 Allgemein kann man sagen, dass besonders umfangreiche Reformen von denjenigen Landesherren durchgeführt wurden, deren Territorien durch Kriege verwüstet worden waren und die sowohl prestigebegierig als auch pflichtbewusst ihre Macht ausbauen und das Staatswesen modernisieren und rationalisieren wollten.80

2.2.2 Justiz- und Verwaltungsreformen

Zentrale und grundlegende Reformmaßnahme zur Modernisierung des Staates war die Reform der Finanzpolitik.81 Diese Reform hatte nicht nur die Steigerung der Wirtschaftskraft der Bevölkerung sondern vor allem auch die Füllung der staatlichen Kassen durch deren erwirtschaftete Überschüsse zum Ziel.82 Vor den Reformen gab es in den deutschen Territorien noch kein einheitliches staatliches Finanzwesen. Die Verwaltung der Steuern, die nicht auf alle Untertanen gleichermaßen erhoben wurden, lag nicht bei einer staatlichen Zentrale.83

Auch das Justizwesen war vor den Reformen veraltet. Das Recht war ein komplexes Gebilde aus Privilegien, Gesetzen und Gewohnheitsrecht, das sich über Jahrhunderte allmählich herausgebildet hatte. Geltendes Recht war noch nicht vollständig schriftlich fixiert und systematisch gegliedert. Es gab kein einheitliches Recht, das für alle Bürger eines Staates gleichermaßen Geltung hatte. Stattdessen wiesen zahlreiche Freiheiten und Privilegien jedem Bürger einen anderen Rechtsstatus zu. Diese Rechtsbestände konnten von den absolutistischen Herrschern nicht einfach abgeschafft werden, denn sie besaßen eine traditionelle Legitimation. Die althergebrachten Rechte verhinderten allerdings die wirtschaftliche, soziale und politische Weiterentwicklung des Staatswesens. Um Reformen, wie beispielsweise zur Förderung der Wirtschaft oder zur Verbesserung der Rechtslage der bäuerlichen Bevölkerung durchzusetzen, war es meist erforderlich, sich über bestehende Rechtsverhältnisse hinwegzusetzen.84 Es war das Ziel des Landesherrn, die Kontrolle über die von ständischen Gewalten dominierte Gerichtsbarkeit zu erlangen und eine ebenso effiziente wie loyale Justizverwaltung zu schaffen.85

2.2.3 Wirtschafts- und Sozialreformen

Der aufgeklärte Absolutismus war gekennzeichnet durch eine Verbindung des Strebens nach Gemeinwohl und persönlichem Nutzen sowie merkantilen Bestrebungen mit Toleranzgedanken. Diese Verzahnung etatischer und philanthropischer, pragmatischer und ideeller Interessen zeigte sich vor allem in der Sozial- und Wirtschaftspolitik.86 In der kameralistisch beeinflussten Erkenntnis, dass eine große, nützliche und wohlhabende Bevölkerung die zentrale Voraussetzung für die Macht eines Staates war, wurde die Wirtschaft gefördert. Diese Wirtschaftsförderung hatte die finanzpolitische Intention, von wohlhabenden Untertanen mehr und regelmäßige Steuerzahlungen zu erhalten.87 Neben der Rationalisierung der Verwaltung des Staates zum Zwecke der Steigerung der Einnahmen, wurden auch technische Neuerungen gefördert, um den Staat konkurrenzfähig zu machen.88 In den Bereichen der Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik arbeiteten staatliche Reformer mit aufklärerischen Privatleuten zusammen, was sich auch in der Förderung gemeinnütziger und ökonomischer Gesellschaften durch den Staat äußerte.89

Besonders engagierten sich Landesherren in dem Bereich der Sozialreformen. Der Physiokratismus und die strukturellen Schwächen der Agrarwirtschaft förderten die Bestrebungen zur Reduzierung der Dienste und Abschaffung der Leibeigenschaft, die aber meist in der Theorie verharrten. Physiokraten und Reformer wie Sonnenfels sahen in der Sicherung des Besitzes der Bauern die Grundvoraussetzung für eine positive landwirtschaftliche Entwicklung. Die Umsetzung der Sozial- und Agrarreformen wurde je nach Territorium mit unterschiedlicher Intensität durchgeführt. Dänemark spielte beispielsweise bei den Agrarreformen und der Ablösung der Frondienste eine Vorreiterrolle.90 Die Reformen der Agrarverfassung kamen den Interessen des absolutistisch regierten Staates entgegen. Da der absolute Staat die Sonderrechtsbezirke abschaffen wollte, waren ihm aufklärerische Forderungen nach Beseitigung der Obereigentumsrechte der adligen Grundherren opportun. Auch wurde die Agrarverfassung mit ihren Dienstpflichten als veraltet angesehen, denn dadurch wurde eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion verhindert.91

2.2.4 Bildungsreformen

Erziehung zur Einsicht und zu nützlichem Handeln wurde als gleichbedeutend mit Aufklärung aufgefasst.92 Die Bildungs- und Schulpolitik war dementsprechend ein zentrales Interesse der Aufklärer. Die Aufklärung des Volkes setzte eine allgemeine Alphabetisierung voraus. Eine effiziente Bürokratie und wissenschaftlich-technischer Fortschritt erforderten eine fundierte Ausbildung.93 Im Zuge der Rationalisierung und Zentralisierung des Staates und damit des Ausbaus der Verwaltung, benötigte der Staat eine steigende Zahl fundiert ausgebildeten Fachpersonals. Deswegen wurden staatliche Schulen und Universitäten verstärkt gefördert.94 Zusätzlich wurden staatliche Eliteschulen und Universitäten gegründet, die die neuen und vermehrten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden vermitteln sollten. Dem selben Zweck dienten neue Bildungsanstalten, wie Kameralhochschulen, Ingenieurschulen und Bergakademien. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde auch das Elementarschulwesen systematisch reformiert, vereinheitlicht und unter staatliche Kontrolle gestellt.95

Die deutsche Aufklärung zeichnete sich durch Staatsnähe und Praxisorientiertheit aus. Unter dem Leitgedanken der Nützlichkeit für Staat und Gesellschaft engagierten sich aufklärerische Kreise für Verbesserungen in Bereichen des Staatswesens, wie der Sozial- und Bildungspolitik. Adlige waren an diesen aufklärerischen Reformen beteiligt.

3. Methodische Vorgehensweise

Um Knigges vorgestellte Thesen, dass der Adel unnütz, faul und verderbt sei, zu relativieren, sollen Gegenbeispiele vorgestellt werden. Als solche sollen Adlige fungieren, die von den Strömungen des 18. Jahrhunderts erfasst, sich um das Wohl von Staat und Gesellschaft aktiv bemühten. In einer Art kollektiv-biographischem Ansatz sollen für jeden zentralen Bereich, in dem im 18. Jahrhundert Reformen angestrebt und verwirklicht wurden, einige maßgeblich Adlige vorgestellt werden, die an diesen Reformbestrebungen und Realisierungen aktiv beteiligt waren.

Zunächst wurde festgelegt, welche Kriterien eine Person der Frühen Neuzeit erfüllen musste, um geeignet zu sein, Knigges adelskritische Thesen zu relativieren. Diese Personen sollten im 18. Jahrhundert gelebt und gewirkt haben. Als Richtlinie der frühesten Generation von Adligen, die in den Blick genommen werden sollten, wurde das Geburtsjahr Münchhausens, also 1688, als Grenze markiert. Damit die Vorgabe, dass das Wirkungsfeld des Adligen ins 18. Jahrhundert fällt, erfüllt wird, wurde als Obergrenze festgesetzt, dass die Personen spätestens in den 1770er Jahren geboren sein mussten. Da Knigge aus altem landsässigen Adel stammte, sollen die Gegenbilder zu ihm ebenfalls altadliger Herkunft sein. Neben dem regierenden Hochadel wird damit auch der Briefadel ausgeblendet. Bei nobilitierten Adligen sollte die Standeserhöhung mindestens vor drei Generationen erfolgt sein.

Nachdem – wie bereits erwähnt – bisher noch keine Gesamtdarstellung des niederen Adels in Deutschland des 18. Jahrhunderts erschienen ist und auch die unsystematische Suche nach Adligen in allgemeinen Darstellungen zum Adel in der Frühen Neuzeit und in regionalen Studien über den Adel im 18. Jahrhundert nur wenige zentrale Namen, wie Gerlach Adolph von Münchhausen oder Friedrich Eberhard von Rochow ergeben hatte, musste die Suche über einen systematischen Zugang erweitert werden.

Die systematische Suche nach adligen Exponenten verlangte die Durcharbeitung biographischer Lexika. Zunächst wurden die Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) und die Neue Deutsche Biographie (NDB) mittels ihres online zugänglichen Gesamtregisters durchsucht. Im Gesamtregister wurden die Suchfunktion „Adel“ und „Epoche 1649 bis 1806“ kombiniert angewendet, was zu einer Trefferzahl von 4738 Personen dieser Zeitspanne führte. Die Treffer wurden alphabetisch geordnet mit ihrem vollen Namen, den Lebensdaten und mit einem Stichwort ihrer Tätigkeit aufgelistet. Bei der Durcharbeitung dieser 4738 Treffer wurden Adlige ausgeschlossen, die vor ca. 1690 beziehungsweise nach 1770 geboren wurden und solche, bei denen als Tätigkeit „Militär“ genannt war. Auch wurden die Angehörigen des hohen regierenden Adels ausgeschlossen. In zwei weiteren Suchdurchgängen wurden mittels dieser Methode insgesamt knapp 100 Adlige gefunden. In einem nächsten Schritt wurden die Artikel in der ADB und NDB nachgelesen auf der Suche nach Anhaltspunkten für aufklärerische und reformerische Bestrebungen und Aktivitäten. Diese Suche lieferte 30 geeignet erscheindende Adlige.96

Um dieses Suchergebnis anzureichern, wurde anschließend das Biographische Wörterbuch zur deutschen Geschichte durchgearbeitet. Dieses Nachschlagewerk wurde vor allem aus dem Grund ausgewählt, weil es mit nur drei Bänden relativ zügig zu bearbeiten ist. Bei der Durcharbeitung wurden Artikel mit Personen, die ein „von“ im Namen haben gesucht, wenn dies der Fall war und die Lebensdaten den bereits genannten Kriterien entsprachen, wurde der komplette Artikel gelesen. Diese Suche lieferte zehn Adlige.

In einer dritten Suche wurde die Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), die zehn Bände umfasst, nach demselben Schema wie bei der Suche im Biographischen Wörterbuch zur deutschen Geschichte durchgearbeitet. Die DBE wurde ausgewählt, weil es ein ausführlicheres biographisches Lexikon als das Biographische Wörterbuch darstellt. Auch sollte die Durcharbeitung der DBE als eine Ergänzung zur NDB fungieren, da die NDB bisher nur bis zum Buchstaben „Sch“ erschienen ist. Nachteilig an der DBE ist, dass die meisten Artikel, wie im Biographischen Wörterbuch, sehr kurz sind und dass nur die längeren Artikel einen Autor angegeben haben. Diese Suche ergab noch einmal 30 Adlige. Hauptexponenten wurden dabei nicht mehr gefunden, sehr wohl aber Personen, die als Anreicherung der Gruppen oder Ergänzung bestimmter Adliger dienen können.

In einer vierten Suche wurde das Nachschlagewerk Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648-180397 bearbeitet. Hier wurden sämtliche Artikel daraufhin durchforscht, ob ein Adliger in seiner Eigenschaft als geistlicher Fürst aufklärerische Reformen in seinem Territorium verwirklichte hatte. Mit dieser Suchmethode wurden 13 Adlige, die für das Kapitel „katholische Aufklärung“ relevant sind, gefunden.

Abgesehen von der Methode des Durcharbeitens des Lexikons Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches ist das Problem aller genannter Suchmethoden, dass bei den gefundenen Exponenten in den seltensten Fällen dessen altadlige Herkunft sicher zu bestimmen war. In vielen allgemeinen Darstellungen und in allen verwendeten Nachschlagewerken, außer der NDB, wird kein besonderer Wert darauf gelegt, die familiäre und ständische Herkunft einer Person zu beschreiben. So lag es im Ermessen des jeweiligen Autors, ob erwähnt wurde, dass eine Person nobilitiert war oder aus altem Adel stammte.98

Mit diesen systematischen und unsystematischen Methoden sollten die jeweils maßgeblichen Personen ausgewählt werden. Das gemeinsame Kriterium bei der Auswahl der Exponenten war, dass ein Adliger in Bewusstsein seines Standes und aus Pflichtbewusstsein sich reformerisch betätigte, und dass er das Bewusstsein dieser Verpflichtung lebte.

Diese Suchmethoden lieferten einige wichtige Personen, die im Folgenden näher behandelt werden, wie beispielsweise Karl Abraham von Zedlitz, Peter Graf von Hohenthal, Friedrich Ludwig von Berlepsch, Friedrich Wilhelm Graf von Reden, Friedrich Anton von Heynitz, Julius Wilhelm Ernst von Massow, Friedrich August Ludwig von der Marwitz und Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim.

Erwähnung finden ferner beispielsweise Johann Anton Freiherr von Zehmen oder Wilhelm Anton Freiherr von Asseburg zu Hinnenburg.

Bei der Betrachtung der Gesamtgruppe der gefundenen Adligen fällt auf, dass unter ihnen weder Mediziner noch evangelische Theologen sind. Diese beiden Tätigkeiten waren in Deutschland typisch bürgerliche Berufe gewesen. Praktische Medizin und Theologie wurden vom Adel nicht als karriereträchtig angesehen, praktische Medizin galt zudem als unreiner Beruf. Auch ist ein besonderer gemeinsamer Aspekt der Gesamtgruppe, dass zwei Typen adliger Ausbildung sich herauskristallisierten, nämlich der des Juristen und des Gutsherrn. Die militärische Ausbildung und damit adlige Militärs bleiben ausgeklammert, denn dies ist das traditionelle adlige Betätigungsfeld, das nicht neu im Sinne von Nutzen für die Gesellschaft ist. Fast allen adligen Exponenten ist gemeinsam, dass sie Rechtswissenschaften studiert haben, denn Jura war für den Adel das standesgemäße studium generale.

Die gefundenen Adligen mussten nun nach ihren Tätigkeitsfeldern sortiert und in Gruppen aufgeteilt werden. Denn es sollen im Folgenden für sämtliche maßgebliche Bereiche, in denen im 18. Jahrhundert aufklärerische Reformen unternommen wurden, Adlige vorgestellt werden, die sich an diesen Neuerungen beteiligt haben. Um einen Überblick über die, meist zahlreichen, Tätigkeitsfelder der einzelnen Adligen zu gewinnen, mussten Kurzcharakteristiken sämtlicher Exponenten angefertigt werden. Gruppen, wie „Bildungsreformer“ und „Justizreformer“ standen schnell und meist eindeutig fest. Schließlich wurden die Gruppen „Adelskritiker“, „Der zweite Mann im Staat“, „Justizreformer“, „Bergbau und Ökonomie“, „Forstwesen“, „Agrar- und Sozialreformen“, „Bildungsreformen“ und „katholische Aufklärung“ festgelegt, in die die gefundenen Adligen eingeteilt werden konnten.

Aufgrund ihrer meist zahlreichen Tätigkeitsfelder können viele der Adlige mehreren verschiedenen Gruppen zugeteilt werden. Diese Exponenten wurden jeweils der Gruppe zugeteilt, die ihrem jeweiligen Haupttätigkeitsfeld entsprach. Die Gruppeneinteilung ist also gezwungenermaßen willkürlich und nicht trennscharf, auch geht sie teilweise durch die Lebensläufe der Adligen selbst. Als ein Beispiel dafür ist Franz von Fürstenberg zu nennen. Dieser war Landdrost, also höchster Minister, im Fürstbistum Münster und reformierte vor allem das münstersche Bildungswesen. Daneben reformierte er aber unter anderem auch das Polizeiwesen und verbesserte die Justizverwaltung. Fürstenberg könnte also, nachdem er in einem geistlichen Territorium wirkte, den Vertretern der „katholischen Aufklärung“ zugeordnet werden. Diese Gruppe entwickelte sich aber zu einer, in der vor allem der Typus des aufklärerisch gesinnten geistlichen Fürsten vorgestellt werden soll. Daneben könnte Fürstenberg auch der Gruppe „Bildungsreformer“ zugeteilt werden. Das wurde er vor allem aus dem Grund nicht, da die Kategorie der Bildungsreformer bereits genügend herausragende Exponenten beinhaltete. In einem längeren Prozess wurde Fürstenberg schließlich in die für ihn neu entwickelte Gruppe „Der zweite Mann im Staat – Adlige Reformer, die das Ganze im Blick haben“ genommen. In dieser Sparte stellt er den wichtigsten Exponenten dar. Daneben werden Größen wie Kaunitz und Montgelas erwähnt. Es soll in der vorliegenden Arbeit nicht in erster Linie um die herausragenden Persönlichkeiten der Politik gehen, sondern eher um Personen zweiten Ranges.

Die Einteilung der Adligen der jeweiligen Gruppen in Haupt- und Nebenexponenten wurde nach verschiedenen Kriterien vorgenommen. Entscheidend war vor allem die Literaturlage zur einzelnen Persönlichkeit und ob Selbstzeugnisse dieser Person zugänglich waren. Wichtige Persönlichkeiten der Politik wurden zu Nebenexponenten, während Personen zweiten Ranges zu Hauptexponenten avancierten. Zu Hauptexponenten einer Gruppe wurden diejenigen Adligen, die in ihrem jeweiligen Tatigkeitsbereich Besonderes oder Bedeutendes geleistet haben und nicht nur mit dem traditionellen Strom geschwommen sind.

4. Adelskritiker und ihre Forderungen an den Adel

Adolph Freiherr Knigge stellte als Vertreter des ersten Standes mit seiner Adelskritik eine Ausnahme dar. Adelskritik durch Bürgerliche hatte im 18. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung weite Verbreitung gefunden. Im Folgenden sollen als Beispiele der Adelskritiker die Kameralisten Justi und Sonnenfels sowie Loen vorgestellt werden. Der Unterschied zwischen diesen und Knigge ist, dass Knigge nur den Adel kritisiert, aber kein Bild entwirft, wie der Adel seiner Meinung nach sein sollte. Justi, Sonnenfels und Loen dagegen stellen konkrete Forderungen an den Adel und äußern sich darüber, wie der Adel sich zu ändern hätte. Wichtige Literatur zu Sonnenfels ist beispielsweise das Werk von Osterloh99 Ein zentraler Aufsatz zur Adelskritik Justis ist der von Dreitzel.100

4.1 Adelskritik im 18. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert wurde auf vielfache Weise Kritik am Adel geübt, beispielsweise finden sich in dem aufklärerischen Organ der Moralischen Wochenschriften zahlreiche kritische Äußerungen über den ersten Stand. Vor allem übten die Moralischen Wochenschriften moralische Kritik am Hofadel, stellten aber weder Höfe generell, noch die fürstliche Herrschaft in Frage.101 Hier wurde also an der Ständegesellschaft festgehalten. Zudem wurde nicht die Abschaffung der Privilegien des Adels gefordert.102 Forderungen in den Moralischen Wochenschriften waren beispielsweise, dass zum Wohl der Gesellschaft Tugenden wie Ehrlichkeit und Gemeinnützigkeit an den Höfen Verbreitung finden sollten.103 Kritisiert wurde, dass Adlige kaum Interesse an den Wissenschaften zeigten.104 Auch wurde die Tatsache, dass Adlige wenig für das Gemeinwohl leisteten, beanstandet. Adlige wurden in den Moralischen Wochenschriften mit dem vermögenden ehrenwerten Kaufmann verglichen, wobei auch der Hochmut des Adels trotz seiner teils sehr schlechten finanziellen Situation moniert wurde.105 Die Wochenschriften kritisierten vor allem die Tatsache, dass Adlige auf ihre Stammtafeln anstatt auf ihre Verdienste stolz seien.106

Nachdem das politische Bewusstsein der Aufklärer allgemein durch das Streben nach Reformen gekennzeichnet war, spielte im Zuge der Aufklärung auch die Forderung nach einer Reform des Adels eine zunehmend größere Rolle.107 Denn die Aufklärer vertraten die Ansicht, dass der Adel als Stand den allgemeinen Fortschritt bremse. Auch Kameralisten hielten die unrentable Existenzweise des Adels für unvereinbar mit einer gewinnbringenden Wirtschaft des Staates.108 Adelskritiker und Kameralisten109 wollten den Adel aber nicht als privilegierten Stand abschaffen, sondern ihn in wirtschaftlicher Hinsicht modernisieren.110 Aufgeklärte Kameralwissenschaft setzte sich für eine Entwicklung hin zu einer individualistischen Marktwirtschaft ein.111 Kameralisten, wie Justi und Sonnenfels beschäftigten sich vor allem mit der Policey-Wissenschaft. Darunter verstand Justi Wirtschaftspolitik, die die allgemeine Wohlfahrt förderte.112 113

4.2 Joseph Sonnenfels

Joseph Sonnenfels (1733/34-1817) wurde in Nikolsburg in Mähren als Sohn eines Hebräischlehrers geboren. 1734 ging sein Vater nach Wien und konvertierte mit seinen Söhnen zum Katholizismus.114 Sein Vater wurde 1749 mit dem Prädikat „von Sonnenfels“ geadelt.115 Nachdem Joseph ab 1749 als einfacher Soldat in der Armee gedient hatte, studierte er an der Universität Wien Jura. Dort wurde er von dem Naturrechtslehrer Karl Anton Martini beeinflusst.116 Sonnenfels erhielt 1763 die neue Lehrkanzel für Policey- und Kameralwissenschaften in Wien mit der Auflage, ein Lehrbuch Grundsätze der Policey, Handlung und Finanz (1765-76) zu verfassen. Von 1766 bis 1784 unterrichtete er am Theresianum in Wien.117 Diese Lehrbücher, die als Pflichtlektüre für seine Studenten dienten, waren bis 1848 Lehrstoff an österreichischen Universitäten.118 Nach Sonnenfels´ Ansicht sollten Wirtschafts- und Sozialpolitik Wohlfahrt, Wachstum und Disziplinierung der Bevölkerung zum Ziel haben.119 Er war ein Befürworter der Regierungsform des aufgeklärten Absolutismus.120

Auch wenn Sonnenfels die bestehende Staats- und Gesellschaftsform beibehalten wollte, kritisierte er dennoch den Adel. Vor allem monierte er vehement den Luxus- und Statuskonsum der Adligen.121 Er setzte sich für ein funktionales Gleichgewicht zwischen den Ständen ein. Deshalb sollten die Bauern gestärkt und die Rechte der Adligen beschränkt werden.122 Er forderte dementsprechend die Auflösung der Domänen und des Grundbesitzes sowie der Stammgüter und Familienfideikommissen.123 Auch befürwortete er ein einheitliches Steuersystem.124 Sonnenfels forderte, beispielsweise in seiner Rede Das Bild des Adels vor der savoyischen Ritterakademie 1767, dass sich der Adel an der Wirtschaft und dem Handel beteiligen sollte.125 Auch verlangte er, dass Adlige in staatlichen Bildungseinrichtungen nach den aufgeklärten Ideen ausgebildet werden sollen, um sich für die Führungspositionen im Staatswesen aufgrund ihrer Leistung und nicht aufgrund ihrer Geburtsrechte zu qualifizieren.126

Sonnenfels kritisierte zudem das verbreitete Bestreben Bürgerlicher, in den Adelsstand zu treten. „Der hohe Adel kann als nicht vervielfältigt werden, ohne von seinem Glanz und Würde zu verlieren. Die wirthschaftlichen Umstände der Häuser vertragen es ohne hin nicht, und dem Staate gereichte es zu großem Nachtheile. (…) Ich habe die Sitten der Stadt vor Augen, wenn ich sage, daß sich eine allgemeine Begierde aller Bürger bemächtigt, in den Adelstand zu treten. (…) Sobald also jemand in den Adel übertritt, verläßt er seine vorige Beschäfftigung und wird aus einem nützlichen Bürger, der den Staat und sich durch seine Arbeitsamkeit bereicherte, ein unnützer Müßiggänger.“127 Hier konstatierte und kritisierte Sonnenfels, dass Adlige für Staat und Gesellschaft keinen Nutzen erbrachten.

Sonnenfels war ein Befürworter des Verdienstadels. „Nicht der Adel ist ein wahrer Vorzug; den Adel verdient zu haben, das ist Ehre.“128 Seiner Meinung nach sollte die Institution des Erbadels durch die des Verdienstadels ersetzt werden.

Zentrale Forderung Sonnenfels´ war die der Nützlichkeit für Staat und Gesellschaft. „Es ist ein schädliches Vorurtheil, wenn man glaubt, nur die Gelehrsamkeit sey ein achtungswürdiger Stand. Kein Stand ist geringschätzig, der zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Wohlfahrt nothwendig ist. Jeder hingegen, der nur halb, nur schlecht seine Bestimmungen erfüllet, ist, so prächtig auch der Namen seines Amtes klingen mag, verachtungswerth. (Da also diese allgemeine Studierbegierde, erstlich andern Gewerben die bessere Köpfe raubt, zweytens den Staat mit Müssiggängern überschwemmt, drittens zur Beförderung oft untauglicher Leute Anlaß giebt, und tauglichere verdringet; so ist es billig, daß der Gesetzgeber so vielen Nachtheilen vorzubeugen suche.“129 Er erwartete von sämtlichen Mitgliedern der Gesellschaft, auch von den Adligen, dass sie einer für das Staatswesen sinnvollen und nützlichen Tätigkeit nachgingen.

4.3 Johann Heinrich Gottlob Justi

Johann Heinrich Gottlob Justi (1717-1771) studierte ab 1742 Kameralwissenschaften in Wittenberg. Seit 1750 unterrichtete er am Theresianum in Wien unter anderem Kameralistik.130 Auch hielt er als Erster in Göttingen national-ökonomische Vorlesungen.131 Er war mit einflussreichen Größen, wie Gerlach Adolph von Münchhausen bekannt.132 Justi war, wie auch Sonnenfels, der Meinung, dass der letztendliche Zweck eines Staatswesens in der gemeinschaftlichen Glückseligkeit seiner Untertanen liege.133

Der Kameralist und Adelskritiker Justi unterwarf den Adelsstand wirtschaftlichen Kriterien und ignorierte dessen Selbstverständnis als erster und bevorrechtigter Stand. „Justi politisierte die Kameralwissenschaften, indem er sie zu Staatswissenschaften erweiterte und zu einem Instrument der Kritik ausbaute. Kritik und Reformvorschläge erhielten einen fundamentalen Charakter, weil sie sowohl auf eine Verfassungsreform wie auf eine grundlegende Gesellschaftsreform zielten.“134 Er forderte vom Adel, sich am Handel zu beteiligen. Auf diese Weise sollte der Adel modernisiert werden.135 „Ein Gesetz, welches dem Adel die Kaufmannschaft verbietet, ist ein großes Hinderniß sowohl vor dem Adel selbst als vor die Commercien überhaupt.“136 Justi bedauert, dass wirtschaftliche Betätigungen ein geringes Ansehen haben. „So lange die Commercien und Manufacturen vor so geringschätzig angesehen werden, daß sie der Würde des Adels nachtheilig sind; so lange werden sich nur wenige darauf legen; und diejenigen, welche dabey Reichthümer erworben haben, werden eilen, dieselben zu verlassen, und in andere Lebensarten einzutreten, die mehr Achtung vor sich haben.“137

Justi war nicht nur ein Befürworter des Absolutismus, sondern auch des bestehenden Ständesystems.138 „Die Verfassung eines Staats ziehet nothwendig den Unterschied der Stände nach sich. Die oberste Gewalt, welche das Wesentliche aller Republiken ist, sie mag in den Händen eines einzigen, oder bey einigen Mitbürgern des Staats, oder bey dem gesamten Volke beruhen, erfordert Personen, welchen die Geschäfte des gemeinen Wesens vorzüglich anvertrauet werden. Diese Geschäfte geben denjenigen Ansehen, so sie verwalten. So bald also eine Familie einen Zeitraum hindurch vorzüglich zu Verwaltung der Geschäfte gebraucht worden ist; so erlangt sie dadurch ein vorzügliches Ansehen, welches das Wesentliche des Adels ausmacht.“139 Hier betont er erneut, dass der Adel Verdienste für das Gemeinwesen erbringen müsse, um seines Standes würdig zu sein.

Er kritisierte nicht nur die Privilegien des Adels, sondern auch den Adel als Institution und Lebensform vehement.140 „Wichtige Bedienungen und Reichthümer sind demnach allein die Quellen, wodurch eine Familie ansehnlich wird. Wenn sich nun eine Familie bey dergleichen Ansehn eine Zeitlang erhalten hat, und die Grundgesetze des Staats geben solchen Familien gewisse Vorzüge vor anderen Mitbürgern, die zugleich auf die Nachkommen dieser Familie fest gesetzet werden; so entstehet dasjenige daraus, was wir in Europa den Adel nennen. Allein es fragt sich, ob ein Staat wohl thut, wenn er einen dergleichen erblichen Adel ertheilet. Es scheinet solches dem Wesen des Adels keineswegs gemäß zu seyn. Es ist ungewiß, ob sich diese Familie bey ihrem Vermögen erhalten wird, oder ob die Nachkommen zu ansehnlichen Bedienungen geschickt sey werden. Man hat einer solchen Familie alsdenn Vorzüge ertheilet, welchen der dabey unumgänglich nothwendige äußerliche Glanz ermengelt; und diese Vorzüge werden der Republik zur Last fallen, ohne daß sie diesen Familien selbst nützlich seyn werden. Diese Vorzüge werden sie hindern der Republik auf andere Art nützlich zu werden; indem sie diese Vorzüge durch eine andere Lebensart nicht gerne aufopfern wollen.“141 Er spricht sich hier gegen die Institution des Erbadels aus und begründet seine Haltung damit, dass seiner Meinung nach die Privilegien des erblichen Adels diesen daran hindern, sich für das Wohl des Staatswesens zu engagieren.

Justi forderte, den Adel zu reformieren und einen persönlichen durch die Ehrung des Herrschers begründeten Adel einzuführen.142 „Wenn der Adel nur persönlich wäre; so würde man weder Bedienungen noch Güter damit zu verbinden nöthig haben und gleichsam ohne Kosten alle dem Staate geleisteten nützlichen und großen Dienste bezahlen können.“143 Er beschäftigte sich auch damit, zu erörtern, worin das Wesen des Adels bestehe und ob dessen Existenz für das Staatswesen von Nutzen sei.144 Justi forderte, dass der erbliche durch den persönlichen Adel ersetzt werden sollte, dass der Adel sich an den Commercien beteiligen solle und er verlangte die Beseitigung der Ämterprivilegien des Adels.145

Justi forderte sogar, dass jeder Adlige einer Prüfung unterzogen werden solle, um seine Nützlichkeit für das Gemeinwesen zu ermitteln. „Dieses zeiget also, dass der Einrichtung unsers Adels noch etwas abgehet, wenn er mit der gesunden Vernunft und einer wohl eingerichteten Verfassung der Republiken übereinstimmen soll; nämlich die Untersuchung, ob ein jeder Edelmann wirklich solche Fähigkeiten und Geschicklichkeiten erlanget habe, daß er dadurch dem gemeinen Wesen nach der Maaße des seiner Familie zugestandenen Vorzuges nützliche Dienste leisten kann. Diese Untersuchung solle mit einem jeden Edelmanne im dreyßigsten Jahre seines Alters vorgenommen werden. Wenn er alsdenn die erforderlichen Fähigkeiten und Geschicklichkeiten nicht besäße, wenn er sich nicht mit großen Schritten auf dem Wege befände, dem Staate nützliche Dienste zu leisten; so sollte er vor seine Person des Adels unwerth erkläret werden; und wenn sich der nämliche Fall in drey Zeugungen hinter einander in einer Familie ereignete; so sollte dieser Familie der Adel wieder genommen werden.“146 Mit der Forderung, unnützen Adligen ihren Stand abzuerkennen, erweist sich Justi als radikalen Aufklärer.147

4.4 Johann Michael von Loen

Der aus einer Kaufmannsfamilie stammende Johann Michael von Loen (1694-1776) kann als politischer Schriftsteller bezeichnet werden.148 Loens Der redliche Mann am Hofe149 ist ein Staatsroman, der realpolitisch- reformerisch argumentierend die deutschen Fürstenhöfe beschreibt.150 Da Loen selbst an einigen Höfen, wie in Berlin, Wien und Dresden war, übte er vor allem Kritik am Hofadel.151 Loen hielt an der bestehenden Ständeordnung fest, auch wenn er sich dafür aussprach, dass der Kaufmann in den Adelsstand erhoben werden solle. Denn für ihn machte die Tugend den echten Adel aus. „Der beste Adel ist derjenige, der in der Tugend und Weisheit bestehet, ob er gleich nach den bürgerlichen Gesetzen, und nach der Verfassung der Welt, nicht das wirkliche Ansehen des Adels hat.“152

Loen kritisierte die Bildungsfeindlichkeit des Adels. „So gilt auch heut zu Tag kein gelehrter Adel mehr; es sey dann, daß solcher durch ein ordentliches Adels-Diploma erhalten wird. Hierdurch geschiehet es, daß unser Adel sich bey nahe der Wissenschaften schämet und nicht so gründlich mehr, wie es vor Zeiten geschehen ist, studiret. Also haben wir heutiges Tages wenig Herrn von Hutten mehr.“153 Hier klingt die Forderung nach mehr Aufgeschlossenheit gegenüber den Wissenschaften und dem Studium an.

Er kritisierte den Müßiggang des Adels vehement und forderte dessen Beteiligung an der Wirtschaft. „Der Adel würde in der That dem gemeinen Wesen weit mehr Nutzen schaffen, wenn ein Theil davon, der wohl begütert wäre, einige Capitalien auf Handelschaften austhun wollte; als wenn er einer verkehrten Einbildung zu gefallen, die Hände in Schooß leget, und um nichts zu thun was dem Adel nachtheilig seyn möchte, gar nichts thut das dem gemeinen Wesen nutzen schaft.“154 Loen forderte, dass der Adel ebenso wie die anderen Untertanen seinen Beitrag zum Wohl des Gemeinwesens leisten solle. „Es ist also des Adels größte Obliegenheit für das wahre Wohlseyn des gemeinen Wesens zu sorgen; nicht blos aus Betrachtung seiner eigenen Sicherheit, sondern wegen der Edelmüthigkeit, die eigentlich das erhabene und würdige des Adels ausmacht.“155 Hier konstatiert Loen, dass es seiner Meinung nach die wichtigste Aufgabe des Adels sei, sich für das Wohl des Gemeinwesens zu engagieren.

Loen sprach sich gegen die privilegierte gesellschaftliche Stellung des Adels aus. „Wenn also ein Edelmann in bürgerlichen Aemtern sitzet, so soll er sich auf seinen Adel nicht das mindeste herausnehmen. Er ist deswegen nicht besser als seine anderen Mitbürger.“156

Loen übte vor allem Kritik an der Institution des Erbadels. „Die Tugend und Weisheit ist und bleibt demnach der ächte und wahre Adel, denn durch sie wird allein der Mensch ein vorzügliches und ein vortreffliches Geschöpfe, mithin ein rechter edler Mensch, der seinen Stand erhöhet und von dem Pöbel sich unterscheidet.“157 Für ihn machen nicht ererbte Rechte und Privilegien den Adel aus, sondern allein dessen Verdienste. „Wird der Adel durch Verdienste und Tugend erhalten, so macht er demjenigen, der ihn auf solche Weise erhält, mehr Ehre, als das vollständigste Ahnen-Register einem Edelmann, der keine Verdienste besitzet.“158

Loen war der Auffassung, dass die Tugend und nicht das Adelspatent den wahren Adel ausmache.159 Dementsprechend war er der Meinung, dass der ehrenwerte Kaufmann dem Adel ebenbürtig sei.160

Während Adolph Freiherr Knigge nur Kritik am Adel übte, so stellten Johann Michael von Loen sowie die Kameralisten Joseph Sonnenfels und Johann Heinrich Gottlob Justi konkrete Forderungen an diesen Stand, um ihn zu reformieren und zu modernisieren. Sie warfen dem Adel Müßiggang vor und dass dieser keinen Nutzen für das Gemeinwesen erbringe. Sie forderten seine Beteiligung an der Wirtschaft, wollten seine Privilegien einschränken und sprachen sich gegen die Institution des Erbadels aus. Statt dessen verlangten sie die Einführung eines aufgrund persönlicher Verdienste verliehenen Adels – eines Tugendadels.

Im Folgenden soll anhand der Betrachtung adliger Reformer untersucht werden, ob einige der Forderungen dieser Adelskritiker bereits erfüllt wurden.

5. Der zweite Mann im Staat – Adlige Reformer, die das

Ganze im Blick haben „Gerade in den deutschen Territorien identifizierten sich die Aufklärungseliten in hohem Maße mit der Obrigkeit, weil sie meist selbst in deren Dienst standen: als Regierungs-, Justiz- und Verwaltungsbeamte, (…) oder Diplomaten. Die Reformen, die von diesen Eliten projektiert und von gestaltungswilligen Regenten oder deren Ersten Ministern auf den Weg gebracht wurden, erstreckten sich auf nahezu alle Felder von Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und „Policey“, d.h. die gesamte innere Ordnung des Gemeinwesens.“161 Im Folgenden sollen diese ersten Minister der Herrscher genauer betrachtet werden, welche aufklärerische Reformen in sämtlichen Bereichen des Staatswesens initiierten und überwachten. Nach allgemeinen Aussagen über adlige Staatsdiener im 18. Jahrhundert, soll neben der Erwähnung politischer Größen, wie Kaunitz und Montgelas, Franz von Fürstenberg als herausragendes Beispiel eines adligen ersten Ministers vorgestellt werden. Für den allgemeinen Teil des Kapitels relevante Literatur stellt besonders der Aufsatz von Stollberg-Rilinger162 dar, zentral für den Abschnitt über Franz von Fürstenberg ist die Monographie von Alwin Hanschmidt über diesen adligen Reformer.163

5.1 Adlige Staatsminister

Die Intensivierung der Staatlichkeit und Reformen in vielen Bereichen des Staatswesens, erforderten immer mehr und fundiert ausgebildetes Fachpersonal.164 Durch diese Verstaatlichungsprozesse im 18. Jahrhundert veränderten sich die Aufgaben für das Verwaltungspersonal. „Aus dem persönlichen Herrschaftsauftrag wurde eine Verwaltungstätigkeit mit klar begrenzter Kompetenzzuweisung und Amtsführung nach festgelegten Regeln“.165 Besonders in den größeren deutschen Territorialstaaten wurden aufgrund der komplexer werdenden Verwaltung zunehmend höhere Qualifikationen und Fähigkeiten, wie juristische oder kameralistische Studien, als Bedingung für den Eintritt in den höheren Staatsdienst verlangt.166 Aus dem sporadisch wahrgenommenen Amt entwickelte sich der lebenslang ausgeübte Beruf.167 Dadurch, dass das bürokratische Personal meist Herrscherwechsel überdauerte, identifizierten sich die Beamten immer weniger als Diener eines Regenten, sondern mehr als eigenständige „Sachwalter des Gemeinwohls“.168 Im Staatsdienst waren überwiegend Adlige angestellt, aber auch Bürgerliche.169 Diese neuständische Gruppe der Staatsdiener entwickelte seit Ende des 17. Jahrhunderts eine eigene Berufsauffassung und Mentalität.170

Neben höheren Positionen im Militär war besonders der höhere Staatsdienst das standesgemäße Betätigungsfeld für Adlige.171 Da dem Landadel bürgerliche Berufstätigkeiten untersagt waren, mussten vor allem verarmte oder landlose Adlige in den Staatsdienst treten.172 Zudem stieg mit der zunehmenden Akzeptanz des absolutistischen Staates die Bereitschaft der Adligen, in die Verwaltung einzutreten.173 Der Staatsdienst genoss dadurch, dass er Stellen, Versorgung aber auch die Möglichkeit der Einflussnahme bot, für den landsässigen und gutsbesitzenden Adel eine wachsende Attraktivität.174 Gründe für den Adel, in den Staatsdienst zu treten, waren adliges Standesbewusstsein, Ehrgeiz und finanzielle Notwendigkeit.175

[...]


1 Die Bayerische Landesausstellung Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone. Findet vom 26.4. bis 5.10.2008 im Lokschuppen Rosenheim und auf Schloss Hohenaschau statt und will Aspekte adligen Lebens vom Mittelalter bis in die Gegenwart zeigen. Als Werk zur Ausstellung ist erschienen: Wolfgang Jahn (Hrsg.): Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone. Stuttgart 2008.

2 Seinsheim: siehe Kapitel katholische Aufklärung, S. 101.

3 Adolph Freiherr Knigge: Über den Umgang mit Menschen. Hrsg. von Gert Ueding. Frankfurt am Main 1977, S. 322.

4 Folgendes Zitat zeigt, dass es grundsätzlich dem adligen Selbstverständnis entsprach, nützlichen Tätigkeiten nachzugehen. „Das bereits aus der Antike bekannte und von Adeligen gern beschworene Wort, dass nur die Tugend adelt („sola virtus nobilitat“) dar nicht über dies hinwegtäuschen: Adeliges Selbstverständnis und adelige Ideologie haben stets beeinhaltet, dass der Adel in aller Regel durch adelige Geburt und adelige Erziehung von Kindesbeinen an vermittelt wird und dass die „Ehre“ im realen gesellschaftlichen Leben eine den Adeligen vorbehaltene Eigenschaft war. (…) Die Ehre verlangt, dass der Adel des Geschlechts, die nobilitas generis, durch den Adel der Sitten, die nobilitas morum, ergänzt werden müsse. Somit war der Adelige verpflichtet, an sich zu arbeiten, sich gewissermaßen durch Annäherung an vorgegebene Ideale zu kultivieren. (…) Nach der adeligen Standesethik durfte die durch Grundbesitz und Renteneinkommen bewirkte Entlastung von den Mühen der täglichen Daseinsvorsorge kein Anlass für Müßiggang sein.“ Johannes Rogalla von Bieberstein: Adelsherrschaft und Adelskultur in Deutschland. Frankfurt am Main u. a. 1989, S. 117. Diese Aussagen stellen eine wichtige Grundvoraussetzung für die Untersuchung adliger Reformtätigkeit im 18. Jahrhundert dar.

5 Basisinformationen zum Begriff des Adels werden erläutert in dem Artikel: Helmut Reinalter: Adel. In: Ders. (Hrsg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien u. a. 2005, S. 104f.

6 Zur methodischen Vorgehensweise zum Auffinden adliger Reformer, siehe Kapitel 3.

7 Gestützt wird sich im Folgenden auf diese Definition des niederen Adels: „Der niedere Adel schied sich in Reichs- und Landadel (landsässiger Adel). Zum niederen Reichsadel gehörten die nicht reichständischen reichsunmittelbaren Familien, vor allem die Reichsritterschaft. Der niedere Reichsadel war keiner Landesherrschaft unterworfen, sondern unterstand nur Kaiser und Reich. Ihm fehlte jedoch das Recht der Reichsstandschaft, das dem hohen Adel vorbehalten war.“ Hermann Conrad: Deutsche Rechtsgeschichte Band II. Neuzeit bis 1806. Karlsruhe 1966, S. 213. Zum Begriff des alten Adels, vergleiche folgende Definition: „Vielmehr war „alter Adel“ sinnverwandt mit„stiftsmäßiger“ oder „ritterbürtiger“ Adel. Ein Adliger aus altem Adel konnte den Beweis erbringen, dass er aus einem altadligen, durch eine gewisse statutenmäßig erforderliche Zahl von adligen, aus rechtmäßiger und standesgemäßer Ehe hervorgegangenen Ahnen väterlicher und mütterlicher Seite qualifizierten Geschlecht durch rechtmäßige und standesgemäße Ehe abstammte.“ Wiliam D. Godsey: Vom Stiftsadel zum Uradel. Die Legitimationskrise des Adels und die Entstehung eines neuen Adelsbegriffs im Übergang zur Moderne. In: Hartmann, Victorine u. a. (Hrsg.): Eliten um 1800. Erfahrungshorizonte, Verhaltensweisen, Handlungsmöglichkeiten. Mainz 2000, S. 371-391, hier: S. 372.

8 Die Forderung der Adelskritiker und Kameralisten zur Nützlichkeit richtete sich an den niederen Adel, vom Hochadel wurde anderes, wie gerechtes Herrschen, verlangt.

9 Nähere Informationen zu Physiokratismus, siehe: Ulrich Muhlack: Physiokratismus. In: Helmut Reinalter (Hrsg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien u. a. 2005, S. 472-477.

10 Ronald G. Asch: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung. Köln u. a.2008. und: Ronald G. Asch (Hrsg.): Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchien bis zur Revolution (ca. 1600-1789). Köln u. a. 2001. und: Ronald G. Asch (Hrsg.): Adel in der Neuzeit. Geschichte und Gesellschaft. Göttingen 2007.

11 Walter Demel: Der europäische Adel vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 2005.

12 Marko Kreutzmann: Zwischen ständischer und bürgerlicher Lebenswelt. Adel in Sachsen-Weimar-Eisenach 1770 bis 1830. Köln u. a. 2008.

13 Eva Labouvie (Hrsg.): Adel in Sachsen-Anhalt. Höfische Kultur zwischen

Repräsentation, Unternehmertum und Familie. Köln u. a. 2007.

14 Host Carl (Hrsg.): Gelungene Anpassung? Symposion Adel, Ritter, Reichsritterschaft vom Hochmittelalter bis zum modernen Verfassungsstaat. Adlige Antworten auf gesellschaftliche Wandlungsvorgänge vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Ostfilden 2005.

15 Anke Bethmann/ Gerhard Dongowski: Adolph Freiherr Knigge an der Schwelle zur Moderne. Ein Beitrag zur politischen Ideengeschichte der deutschen Spätaufklärung. Hannover 1994, S. 42f.

16 Peter Kaeding: Adolph von Knigge. Begegnungen mit einem feinen Herrn. Berlin 1991, S. 8-15. und: Ingo Herrmann: Knigge. Die Biographie. Berlin 2007, S. 30-33.

17 Herrmann: Knigge, S. 43-48, 60f, 63-77.

18 Hermann: Knigge, S. 60f. und: Kaeding: Begegnungen, S. 126f.

19 Karl-Heinz Göttert: Knigge oder: von den Illusionen des anständigen Lebens. München 1995, S. 290.

20 Ebd., S. 15-17.

21 Bethmann: Knigge, S. 99 und: Wolf Kaiser: „Welche Art von Revolution in den Staats- Verfassungen zu erwarten, zu befürchten oder zu hoffen sey?“ Zur politischen Publizistik Adolphs Freiherrn Knigge. In: Gert Mattenklott (Hrsg.): Demokratisch-revolutionäre Literatur in Deutschland: Jakobinismus. Kronberg 1975, S. 205-243, hier: S. 205-208.

22 Göttert: Illusionen, S. 98, 113-124.

23 Knigge: Umgang, S. 37-47.

24 Brief Knigges an Greve, 28.9.1779. In: Ernst-Otto Fehn (Bearb.): „Ob Baron Knigge auch wirklich todt ist?“ Eine Ausstellung zum 225. Geburtstag des Adolph Freiherrn Knigge. Wolfenbüttel 1977, S. 20.

25 Knigge: Umgang, S. 313f.

26 Ebd., S. 313.

27 Adolph Freiherr Knigge: Arbeiten des Philo. In: Jan Rachold (Hrsg.): Die Illuminaten. Quellen und Texte zur Aufklärungsideologie des Illuminatenordens (1776-1785). Berlin 1984,S.251f.

28 Knigge: Journal aus Urfstädt III St.,43/571.

29 Knigge: Umgang, S. 94.

30 Adolph Freiherr Knigge: Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien. Hrsg. von Paul Raabe. München u.a. 1992, S. 196-198.

31 Adolph Freiherr Knigge: Josephs von Wurmbrand politisches Glaubensbekenntnis. Hrsg. von Paul Raabe. München u.a. 1992, S. 168.

32 Adolph Freiherr Knigge: Geschichte Peter Clausens, erster Teil. Hrsg. von Paul Raabe. München u.a. 1992, S. 159f.

33 Knigge: Umgang, S. 322

34 Da die Aufklärung eine komplexe Geistesströmung war, sollen hier nur einige Aspekte, die sich auf die Praxisorientiertheit dieser Entwicklung beziehen, betrachtet werden. Dadurch soll der Hintergrund, vor dem aufklärerische Reformen durchgeführt wurden, angerissen werden.

35 Horst Möller: Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai. Berlin 1974.

36 Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung. Stuttgart 2000.

37 Rudolf Vierhaus zitiert bei: Heinz Duchhardt: Das Zeitalter des Absolutismus. München 2002, S. 117.

38 Möller: Aufklärung, S. 47, und: Helmut Reinalter: Aufklärung. In: Ders. (Hrsg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien u. a. 2005, S. 123-126.

39 Ebd., S. 48.

40 Ebd., S. 55.

41 Horst Möller: Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1986, S. 301.

42 Möller: Aufklärung, S. 50.

43 Nicolao Merker: Die Aufklärung in Deutschland. München 1982, S. 52.

44 Möller: Vernunft, S. 299.

45 Möller: Aufklärung, S. 250.

46 Demel: Adel, S. 426.

47 Zur Adelskritik in den Moralischen Wochenschriften siehe Kapitel Adelskritiker, S. 28f.

48 Duchhardt: Absolutismus, S. 121f.

49 Richard van Dülmen: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland. Frankfurt am Main 1986, S. 120.

50 Ebd., S. 122.

51 Grundlegende Informationen zum aufgeklärten Absolutismus liefert der Artikel: Walter

Demel: Absolutismus, Aufgeklärter (Deutsche Territorien). In: Helmut Reinalter (Hrsg.):

Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien u. a. 2005, S. 29-35.

52 Ebd., S. 128f.

53 Ebd., S. 126f.

54 Ebd., S. 130.

55 Möller: Aufklärung, S. 253.

56 Dülmen: Gesellschaft, S. 132.

57 Möller: Aufklärung, S. 294f.

58 Ebd., S. 295.

59 Vierhaus: Deutschland, S.180 und: Günter Birtsch: Zur sozialen und politischen Rolle des deutschen, vornehmlich preußischen Adels am Ende des 18. Jahrhunderts. In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Der Adel vor der Revolution. Zur sozialen und politischen Funktion des Adels im vorrevolutionären Europa. Göttingen 1971, S. 77-95, hier: S. 77.

60 Möller: Aufklärung, S. 300.

61 Ebd., S. 296.

62 Ebd., S. 297.

63 Ebd., S. 576.

64 Duchhardt: Absolutismus, S. 119.

65 Möller: Aufklärung, S. 579.

66 Rudolf Vierhaus: Deutschland im 18. Jahrhundert: soziales Gefüge, politische Verfassung, geistige Bewegung. In: Franklin Kopitzsch (Hrsg.): Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland. München 1976, S. 173-191, hier: S. 187.

67 Ebd., S. 188.

68 Duchhardt: Absolutismus, S. 120.

69 Vierhaus: Deutschland, S. 181.

70 Winfried Müller: Die Aufklärung. München 2002, S. 53.

71 Duchhardt: Absolutismus, S. 125.

72 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 195.

73 Eberhard Weis: Absolute Monarchie und Reform in Deutschland des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In: Franklin Kopitzsch (Hrsg.): Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland. München 1976, S. 192-219, hier: S. 192; zu den Reformen Friedrichs des Großen und anderer bedeutender Herrscher siehe dieser Aufsatz.

74 Ebd., S. 192f.

75 Duchhardt: Absolutismus, S. 125.

76 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 207.

77 Ebd., S. 228.

78 Vierhaus: Deutschland, S. 178.

79 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 209.

80 Vierhaus: Deutschland, S. 179.

81 Grundlegende Informationen zu den Rechtsreformen im 18. Jahrhundert, siehe: Werner Ogris: Rechtsreformen. In: Helmut Reinalter (Hrsg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien u. a. 2005, S. 513-518.

82 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 210.

83 Ebd., S. 210f.

84 Ebd., S. 196-198.

85 Ebd., S. 213.

86 Müller: Aufklärung, S. 61.

87 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 216.

88 Müller: Aufklärung, S. 57.

89 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 219.

90 Duchhardt: Absolutismus, S. 128.

91 Müller: Aufklärung, S. 58.

92 Vierhaus: Deutschland, S. 188.

93 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S. 224.

94 Vierhaus: Deutschland, S. 180f.

95 Stollberg-Rilinger: Aufklärung, S.225.

96 Diese Suche wurde zweimal durchgeführt, weil das Durcharbeiten der knapp 5000 Treffer durch die Möglichkeit des Überlesens von Namen eine hohe Fehlerquote aufweisen könnte. Bei einem Großteil der Treffer war als Berufsbezeichnung „Staatsdiener“ genannt, aber es war im Rahmen dieses Ansatzes nicht möglich, sämtliche Artikel dieser Staatsdiener daraufhin zu untersuchen, ob sie sich an Reformen beteiligt hatten.

97 Erwin Gatz (Hrsg.): Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648-1803. Ein biographisches Lexikon. Berlin 1990.

98 Da diese Arbeit allein aufgrund der unbefriedigenden Suchmethoden und – möglichkeiten nicht darauf ausgelegt sein kann, sämtliche Vertreter des niederen Adels im 18. Jahrhundert, die sich für Staat und Gesellschaft engagiert haben, zu behandeln, sollen im Folgenden für den jeweiligen Reformbereich exemplarisch einige herausragende Standesvertreter vorgestellt und als Ergänzung einige weitere Adlige genannt werden. Dies bedeutet, dass auf weitere Schritte der Überprüfung der Altadligkeit der gefundenen Personen verzichtet wurde und dafür nur einige Personen, deren adlige Herkunft sicher ist, behandelt werden.

99 Karl-Heinz Osterloh: Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus. Lübeck und Hamburg 1970.

100 Horst Dreitzel: Justis Beitrag zur Politisierung der deutschen Aufklärung. In: Hans Erich Bödeker/ Ulrich Hermann (Hrsg.): Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung. Hamburg 1987, S. 158-177.

101 Wolfgang Martens: Botschaft der Tugend. Die Aufklärung im Spiegel der deutschen

Moralischen Wochenschriften. Stuttgart 1968/71, S. 346f.

102 Ebd., S. 371, 380.

103 Ebd., S. 351.

104 Ebd., S. 379.

105 Ebd., S. 375.

106 Ebd., S. 374.

107 Hans Erich Bödeker: Prozesse und Strukturen politischer Bewusstseinsbildung der deutschen Aufklärung. In: Ders./ Ulrich Hermann (Hrsg.): Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung. Hamburg 1987, S. 10-31, hier: S. 26.

108 Rudolf Endres: Adel in der Frühen Neuzeit. München 1993, S. 52f.

109 Zu Kameralismus siehe folgende Definition: „Als dominierend feudalstaatliche, vor allem deutsche Variante des Merkantilismus gilt der Kameralismus. (…) Kameralismus in Deutschland und Nordeuropa als Theorie und Wirtschaftspraxis zielte auf ökonomische Autarkie und eine positive Handelsbilanz des jeweiligen feudalen Zentral- oder Territorialstaates.“ Jörg-Peter Findeisen: Merkantilismus. In: Helmut Reinalter (Hrsg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sachbegriffe. Wien u. a. 2005, S. 418-422, hier: S. 420.

110 Ebd., S. 54.

111 Osterloh: Sonnenfels, S. 80f.

112 Bertram Schefold: Glückseligkeit und Wirtschaftspolitik: Zu Justis „Grundsätze der Policey-Wissenschaft“. In: Wolfram Engels (Hrsg.): Vademecum zu einem Klassiker des Kameralismus. Düsseldorf 1993, S. 5-44, hier: S. 5.

113 Der Kameralismus kann auch als Fürstenwohlstandslehre bezeichnet werden, denn Fixpunkt aller kameralistischen Bemühungen war der absolute Herrscher. Unter dem kameralistischen Einfluss wurde die staatliche Verwaltung ausgebaut und intensiviert, um unter anderem letztlich die Steuerleistungen der Untertanen zu erhöhen. Vgl.: Walter Achilles: Landwirtschaft in der frühen Neuzeit. München 1991, S. 11.

114 Hildegard Kremers: Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Joseph von Sonnenfels. Aufklärung als Sozialpolitik. Ausgewählte Schriften aus den Jahren 1764-1798. Wien 1994, S. 9-12, hier: S. 9f.

115 Grete Klingenstein: Sonnenfels, Joseph von. In: Deutsche Biographische Enzyklopädie Band 9. München 1998, S. 373f., hier: S. 373.

116 Ebd.

117 Ebd., S. 373f.

118 Kremers: Sonnenfels, S. 30.

119 Klingenstein: Sonnenfels, S. 374.

120 Helmut Reinalter: Joseph von Sonnenfels. Leben und Werk in Grundzügen. In: Ders. (Hrsg.): Joseph von Sonnenfels. Wien 1988, S. 1-9, hier: S. 6.

121 Jörn Garber: Joseph von Sonnenfels und das späte Naturrecht. In: Reinalter: Sonnenfels, S. 97-138, hier: S. 128.

122 Ebd.

123 Werner Ogris: Joseph von Sonnenfels als Rechtsreformer. In: Helmut Reinalter (Hrsg.): Joseph von Sonnenfels. Wien 1988, S. 11-95, hier: S. 91.

124 Dolf Lindner: Der Mann ohne Vorurteil. Joseph von Sonnenfels 1733-1817. Wien 1983, S. 143.

125 Kremers: Sonnenfels, S. 20.

126 Helmut Reinalter: Joseph von Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker. In: Ders.: Sonnenfels, S.139-156, hier: S. 146.

127 Joseph von Sonnenfels: Versuch über das Verhältniß der Stände. Abgedr. in: Hildegard Kremers (Hrsg.): Joseph von Sonnenfels. Aufklärung als Sozialpolitik. Ausgewählte Schriften aus den Jahren 1764-1798. Wien u. a. 1994, S. 37-63, hier: S. 52.

128 Ebd., S. 54.

129 Ebd., S. 61.

130 Erhard Dittrich: Justi. In: Neue Deutsche Biographie Band 10. Berlin 1974, S. 707-709, hier: S. 708.

131 Ferdinand Frensdorff: Über das Leben und die Schriften des Nationalökonomen J.H.G. von Justi. Göttingen 1903, S. 40.

132 Ebd., S. 107.

133 Ulrich Engelhardt: Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhunderts. (J.H.G. v. Justi). In: Zeitschrift für historische Forschung Band 8 (1991), S. 37-79, hier: S. 47f.

134 Dreitzel: Beitrag, S. 172. und: Ludger Herrmann: Die Herausforderung Preußens. Reformpublizistik und politische Öffentlichkeit in Napoleonischer Zeit (1789-1815). Frankfurt am Main 1998, S. 375.

135 Herrmann: Herausforderung, S. 375.

136 Justi: Politische und Finanzschriften I. Zitiert bei: Frensdorff: Justi, S. 125.

137 Johann Heinrich Gottlob Justi: Abhandlung von dem Wesen des Adels. Aalen 1970, S.149.

138 Frensdorff: Justi, S. 114.

139 Justi: Abhandlung, S. 151.

140 Dreitzel: Beitrag, S. 159, 168.

141 Justi: Abhandlung, S. 153f.

142 Frensdorff: Justi, S.124.

143 Justi: Abhandlung, S. 154.

144 Endres: Adel, S.53.

145 Dreitzel: Beitrag, S. 169.

146 Justi: Abhandlung, S. 155f. Vgl.: Birtsch: Rolle, S. 80f.

147 Zu Justis Haltung bezüglich der Republiken und zu den Monarchen siehe seine Abhandlungen in dem Quellenband von Lenz: Justi: Von dem Endzwecke der Republiken. In: Die Natur und das Wesen der Staaten als Grundwissenschaft der Staatskunst, der Polizei und aller Regierungswissenschaften, dsgl. der Quelle aller Gesetze. Abgedr. in: Lenz: Deutsches Staatsdenken, S. 328f. Und: Justi: Von der Natur der obersten Gewalt in allen Staaten. In: Die Natur und das Wesen der Staaten als Grundwissenschaft der Staatskunst, der Polizei und aller Regierungswissenschaften, dsgl. der Quelle aller Gesetze. Abgedr. in: Lenz: Deutsches Staatsdenken, S. 333.

148 Hans Reiss: Goethes Großonkel und die Politik. Die politischen Anschauungen Johann Michael von Loens (1694-1776). In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 30 (1986), S. 128-160, hier: S. 128, 136.

149 Weiterführend zu Loens Der redliche Mann am Hofe: Wolfgang Martens: Der patriotische Minister. Fürstendiener in der Literatur der Aufklärungszeit. Weimar – Köln – Wien 1996. Da dieses Werk rein literaturgeschichtlich angelegt ist, ist es für diese Arbeit nicht relevant.

150 Adalbert Elschenbroich: Loen. In: Neue Deutsche Biographie Band 15. Berlin 1987, S.47-49, hier: S. 47.

151 Reiss: Politik, S. 130f.

152 Johann Michael von Loen: Der Adel. Ulm 1752. Neudr. Königstein 1982, S. 69.

153 Ebd., S. 251.

154 Ebd., S. 137.

155 Ebd., S. 265.

156 Ebd., S. 288.

157 Ebd., S. 71f.

158 Ebd., S. 232.

159 Reiss: Politik, S. 133.

160 Ebd., S. 155.

161 Barbara Stollberg-Rilinger: Politische und soziale Physiognomie des aufgeklärten Zeitalters. In: Notker Hammerstein/ Ulrich Hermann (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte Band II, 18. Jahrhundert. München 2005, S. 1-32, hier: S. 11., vgl. Gerrit Walther: Aufklärung. In: Jaeger, Friedrich (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit Band 1. Stuttgart und Weimar 2005, Sp. 791-816, hier: Sp. 796.

162 Stollberg-Rilinger: Physiognomie.

163 Alwin Hanschmidt: Franz von Fürstenberg als Staatsmann. Die Politik des münsterschen Ministers 1762-1780. Münster 1969.

164 Stollberg-Rilinger: Physiognomie, S. 8.

165 Joseph Matzerath: Adelsprobe an der Moderne. Sächsischer Adel 1763-1866. Entkonkretisierung einer traditionalen Sozialisationsformation. Stuttgart 2006, S. 291f.

166 Walter Demel: Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus. München 1993, S. 8.

167 Heinz Reif: Westfälischer Adel 1770-1860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite. Göttingen 1979, S. 396.

168 Demel: Reformstaat, S. 5.

169 Der Amtsadel war grundsätzlich offen für die Ideen der Aufklärung, widmete sich ganz dem Verwaltungsdienst und setzte sich aus Familien, die erst im 17. und 18. Jahrhundert nobilitiert worden waren, zusammen. Vgl.: Himar Tilgner: Lesegesellschaften an Mosel und Mittelrhein im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Aufklärung im Kurfürstentum Trier. Stuttgart 2001, S. 44.

170 Lothar Gall: Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft. München 1993, S. 6.

171 Ebd.

172 Hans Martin Sieg: Staatsdienst, Staatsdenken und Dienstgesinnung in Brandenburg- Preußen im 18. Jahrhundert (1713-1806). Studien zum Verständnis des Absolutismus. Berlin und New York 2003, S. 131.

173 Ebd., S. 134.

174 Rudolf Vierhaus: Vom aufgeklärten Absolutismus zum monarchischen Konstitutionalismus. Der deutsche Adel im Spannungsfeld von Revolution, Reform und Restauration (1789-1848). In: Peter Uwe Hohendahl/ Paul Michael Lützeler (Hrsg.): Legitimationskrisen des deutschen Adels 1200-1900. Stuttgart 1979, S. 119-135, hier: S. 124.

175 Dieter Lohmeier: Der Edelmann als Bürger. Über die Verbürgerlichung der Adelskultur im dänischen Gesamtstaat. In: Christian Degn/ Dieter Lohmeier (Hrsg.): Staatsdienst und

Ende der Leseprobe aus 142 Seiten

Details

Titel
Formen adliger Existenz im 18. Jahrhundert
Untertitel
Adel zwischen Kritik und Reformen
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
142
Katalognummer
V476867
ISBN (eBook)
9783668957640
ISBN (Buch)
9783668957657
Sprache
Deutsch
Schlagworte
formen, existenz, jahrhundert, adel, kritik, reformen
Arbeit zitieren
Franziska Hirschmann (Autor:in), 2009, Formen adliger Existenz im 18. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/476867

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