In dem Gedicht „Die deutsche Muse“ schreibt Schiller die Zeilen: „[...] Sie entfaltete die Blume/ nicht am Strahl der Fürstengunst. /[...] Höher darf das Herz ihm[dem Deutschen, Anm. d. A.] schlagen/ Selbst erschuf er sich den Wert.“ Zweifellos verweist er damit auf den – im Unterschied zu anderen europäischen Ländern – in Deutschland relativ autonomen Charakter der Literatur, im Guten wie im Schlechten. Wenn er jedoch fortfährt: „Darum strömt in vollern Wogen/ Deutscher Barden Hochgesang;/ Und in eigner Fülle schwellend/ Und aus Herzens Tiefe quellend,/ Spottet er der Regeln Zwang.“, die allumfassende Freiheit deutscher Autoren preisend, übersieht er die nahe liegendste Gebundenheit – die seiner Sprache. Scheinbar unwissend gibt er sich als Erbe des deutschen Pietismus zu erkennen, denn „schwellend“, „quellend“ und „strömt“ entstammen der im Pietismus geförderten Wassermetaphorik und auch die Wörter „Fülle“ und „Herzens Tiefe“ gehören zu ihren Lieblingswörtern.
Zweifelsfrei wohnt jeder deutschen literarischen Strömung ein Neuanfang inne, vielleicht auch radikaler, als in anderen Ländern. Das gilt auch sprachlich, so dass Heinz Schlaffer – diesem Gedanken folgend – notiert, dass deutsche Dichter „immer aufs neue eine neue Sprache erfinden“ müssen. Dennoch lässt sich gerade an der religiösen Sprache – und hier vor allem am Pietismus – eine Entwicklung deutlich machen, die vor allen anderen Bereichen einen großen Einfluss auf die deutsche Literatursprache hatte.
Viele Einzelstränge dieser Entwicklung laufen im Pietismus zusammen, der – ohne selbst übermäßig sprachlich kreativ gewesen zu sein – einen sprachhistorischen Knotenpunkt darstellt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Einzelströmungen und ihr Zusammenkommen im pietistischen Sprachgut vor dem Hintergrund ihrer sozialhistorischen Begleitumstände zu skizzieren und die sprachlichen Konsequenzen an den Beispieltexten in Auszügen nachzuweisen. Ein besonderes Augenmerk soll auf die unlösbare Verbindung von sozialer, geistiger, kultureller und sprachlicher Entwicklungen gelegt werden, ihre Verknüpfung wird in die theoretischen Überlegungen und die Untersuchungen Eingang finden. Die abschließende Zusammenfassung wird versuchen, aus den gewonnenen Erkenntnissen heraus eine vorsichtige Antwort auf die Frage zu geben, warum die deutsche Literatur ihren größten sprachlichen Höhepunkt – nach Meinung vieler Literaturgeschichten – nach der Säkularisation erreicht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Der Pietismus, seine Literatur und Sprache
- II. Zinzendorfs pietistische Liederdichtung
- 1. Abschnitt
- 2. Abschnitt
- III. Klopstocks irrationalistische Odendichtung
- 1. Abschnitt
- 2. Abschnitt
- IV. Resumé
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Einfluss des Pietismus auf die deutsche Literatursprache im 18. Jahrhundert. Sie untersucht, wie die pietistische Bewegung, mit ihren besonderen sprachlichen und rhetorischen Gepflogenheiten, die Entwicklung der deutschen Literatursprache prägte. Der Fokus liegt auf der Analyse von Texten von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und Friedrich Gottlieb Klopstock, um die Auswirkungen des Pietismus auf die sprachliche Gestaltung zu beleuchten.
- Die Rolle des Pietismus in der deutschen Sprachgeschichte
- Die Ausprägung der pietistischen Literatursprache
- Die Verbindung von sozialer, geistiger, kultureller und sprachlicher Entwicklungen im Pietismus
- Der Einfluss pietistischer Rhetorik und Sprachbilder auf die deutsche Literatur
- Die Bedeutung der pietistischen Bewegung für die Entwicklung des deutschen Sprachbewusstseins
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Einfluss des Pietismus auf die deutsche Literatursprache dar, unter Bezugnahme auf die Werke von Schiller und Novalis. Sie hebt die Besonderheit der deutschen Literatursprache hervor, die durch einen starken Einfluss des Pietismus geprägt ist.
I. Der Pietismus, seine Literatur und Sprache
Dieses Kapitel untersucht die historische Entwicklung des Pietismus, seiner Entstehung und seiner grundlegenden Ideale. Es beleuchtet die Rolle des Pietismus als Frömmigkeitsbewegung und sein Streben nach einer „Herzenserneuerung“ sowie seine Verwurzelung in der protestantischen Tradition und seinen Bezug zu anderen europäischen Strömungen.
II. Zinzendorfs pietistische Liederdichtung
Dieses Kapitel analysiert die Lieddichtung von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und untersucht, wie er die pietistischen Ideen in seinen Texten zum Ausdruck bringt. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Sprache und der rhetorischen Mittel, die Zinzendorf in seinen Liedern verwendet.
III. Klopstocks irrationalistische Odendichtung
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Odendichtung von Friedrich Gottlieb Klopstock. Es untersucht, wie Klopstock die pietistischen Prinzipien in seine Dichtung integriert und welche Auswirkungen der Pietismus auf seinen Sprachstil und seine Rhetorik hat.
Schlüsselwörter
Pietismus, deutsche Literatursprache, 18. Jahrhundert, Sprachgeschichte, Sprachwandel, Rhetorik, Lyrik, Lieddichtung, Odendichtung, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Friedrich Gottlieb Klopstock, Herzenserneuerung, Individualität, Mystik, protestantische Tradition.
- Arbeit zitieren
- Matthias Zimmermann (Autor:in), 2002, Der Einfluß des Pietismus auf die deutsche Literatursprache im 18. Jahrhundert - mit einer Analyse zweier Texte von N.L. Graf v. Zinzendorf und F.G. Klopstock, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47795