„[Noam] Chomskys Stellung innerhalb der Linguistik ist nicht nur in der Gegenwart, sondern wohl auch in der ganzen Geschichte dieses Faches ohne Vorbild.“
Mit seiner 1957 erschienen Arbeit „Syntactic Structures“ und den darauf folgenden theoretischen Überlegungen in „Aspects of the Theory of Syntax“ (1965) revolutioniert Noam Chomsky die Erforschung der Sprache. In diesen Arbeiten legt er den Grundstein des frühen Generativismus.
Ausgehend von den Überlegungen seines Lehrers Zellig Harris greift Chomsky in den 50er Jahren dessen Idee der Kerngrammatik auf und entwickelt sie weiter. In „Syntactic Structures“ formuliert er das Ziel, eine Grammatik herzustellen, die alle möglichen und nur die wohlgeformten Sätze einer Sprache generieren kann. Aus diesem Ansatz heraus erklärt sich die Bezeichnung der Generativen Grammatik (nachfolgend: GG). Eine Grammatik, die heutzutage eine der prominentesten Richtungen moderner grammatiktheoretischer Ansätze darstellt.
Nach der Veröffentlichung seines zweiten wichtigen Werkes 1965 trägt Chomskys Theorie zunächst jedoch den Namen (Generative) Transformationsgrammatik (nachfolgend: GTG), denn zentrales Theoriestück der von ihm hier begründeten Standardtheorie (nachfolgend: ST) ist die „Transformation“. Auch heute findet sich noch die nicht mehr ganz zutreffende Bezeichnung der GTG in wissenschaftlichen Ausführungen. Um Verwirrungen zu vermeiden, verwende ich in meiner Hausarbeit allein den Begriff Generative Grammatik, welcher als Oberbegriff für all die Grammatikmodelle gilt, die auf einem Algorithmus zur Erzeugung von Sätzen basieren. Des Weiteren wird er auch synonym für Chomskys Begriff der Generativen Syntax verwendet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung – Chomskys Revolution
2 Die Universalgrammatik als Theorie des Erstspracherwerbs
2.1 Die behavioristische Theorie und „Platos Problem“
2.2 Die Idee der Universalgrammatik und ihre Grundlagen
2.2.1 Das Bindungsprinzip
2.2.2 Der Pro-drop-Parameter
2.2.3 Das Projektionsprinzip
2.2.4 Kerngrammatik und Peripherie
2.3 Das System der Universalgrammatik
3 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung – Chomskys Revolution
„[Noam] Chomskys Stellung innerhalb der Linguistik ist nicht nur in der Gegenwart, sondern wohl auch in der ganzen Geschichte dieses Faches ohne Vorbild.“ (Lyons 1971: 9)
Mit seiner 1957 erschienen Arbeit „Syntactic Structures“ und den darauf folgenden theoretischen Überlegungen in „Aspects of the Theory of Syntax“ (1965) revolutioniert Noam Chomsky die Erforschung der Sprache. In diesen Arbeiten legt er den Grundstein des frühen Generativismus.
Ausgehend von den Überlegungen seines Lehrers Zellig Harris greift Chomsky in den 50er Jahren dessen Idee der Kerngrammatik[1] auf und entwickelt sie weiter. In „Syntactic Structures“ formuliert er das Ziel, eine Grammatik herzustellen, die alle möglichen und nur die wohlgeformten Sätze einer Sprache generieren kann.[2] Aus diesem Ansatz heraus erklärt sich die Bezeichnung der Generativen Grammatik (nachfolgend: GG). Eine Grammatik, die heutzutage eine der prominentesten Richtungen moderner grammatiktheoretischer Ansätze darstellt (vgl. Linke, Nussbaumer, Portmann 2004: 98).
Nach der Veröffentlichung seines zweiten wichtigen Werkes 1965 trägt Chomskys Theorie zunächst jedoch den Namen (Generative) Transformationsgrammatik (nachfolgend: GTG), denn zentrales Theoriestück der von ihm hier begründeten Standardtheorie (nachfolgend: ST) ist die „Transformation“.[3] Auch heute findet sich noch die nicht mehr ganz zutreffende Bezeichnung der GTG in wissenschaftlichen Ausführungen (vgl. Helbig 2002: 170). Um Verwirrungen zu vermeiden, verwende ich in meiner Hausarbeit allein den Begriff Generative Grammatik, welcher als Oberbegriff für all die Grammatikmodelle gilt, die auf einem Algorithmus zur Erzeugung von Sätzen basieren. Des Weiteren wird er auch synonym für Chomskys Begriff der Generativen Syntax verwendet.
Die ersten beiden Werke Chomskys gelten nicht nur als revolutionär, weil mit ihnen die Generative Grammatik begründet wurde. Seine ersten beiden Arbeiten kündigen gleichzeitig den Abschied vom klassischen Strukturalismus an, welcher auf Ferdinand de Saussure zurückgeht und dessen Ziel Textanalysen ohne Bezug zur menschlichen Kognition bildeten (vgl. auch Helbig 2002: 169). Wissenschaftshistorisch ist die „Chomskysche“ oder „generative Revolution“ (vgl. Lyons 1971: 13) eine Revolution gegen eine Art von Sprachwissenschaft wie den Amerikanischen Deskriptivismus, der sich in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte und sich im Grundsätzlichen mit der europäischen Linguistik vor Chomsky deckt (vgl. Nussbaumer, Portmann, Linke 2004: 101). Wie der Name andeutet, handelt es sich beim Deskriptivismus um eine linguistische Schule, „[...] die sehr viele auch heute noch gebräuchliche Methoden zur Beschreibung natürlicher Sprachen in ihren verschiedenen Systemaspekten der Laut-, Wort- und Satzebene entwickelt hat [...]“ (Nussbaumer, Portmann, Linke 2004: 101). Das Korpus der deskriptivistischen Sprachforschung ist die Sprache als etwas „äußerliches“, als eine bestimmte Anzahl von realen Äußerungen (Sätzen) von Menschen in einer natürlichen Sprache. Ausgehend von der Grundannahme, dass das Datenmaterial gewisse Regelmäßigkeiten aufweist, gilt es, mit Hilfe einer analytisch-induktiven Vorgehensweise, die Regeln zu finden, nach denen die Äußerungen gebaut sind und hiernach die Grammatik einer Einzelsprache aufzustellen. Chomsky hingegen verfolgt eine fundamental andere sprachtheoretische Grundauffassung vom Gegenstand der Sprachforschung. Seine Grundfragen lauten:
“(1.) What is the system of knowledge? What is in the mind/brain of the speaker of English or Spanish or Japanese ? (2.) How does this system of knowledge arise in the mind / brain?” (Salkie 1990: 19)[4] “
Der Gegenstand der (kognitiven) Sprachwissenschaft ist nach Chomsky das sprachliche Wissen über das der Mensch grundsätzlich verfügt. Er geht von der Grundannahme aus, „[...] dass den menschlichen Lebensäußerungen jeweils spezifische [...] Kompetenzen [...] zugrunde liegen, die [..] [er] sich im menschlichen Hirn [..] repräsentiert denkt“ (Linke, Nussbaumer, Portmann 2004: 103). In diesem Sinne beschäftigt sich Chomsky stets mit einem idealen Sprecher/Hörer (vgl. Chomsky 1971: 13) und seinen prinzipiellen Kompetenzen (vgl. Chomsky 1971: 14) und bedient sich dabei einer hypothetisch-deduktiven Vorgehensweise (vgl. Salkie 1990: 44). Die Erscheinungen des aktuellen Gebrauchs der Kompetenzen im Sinne der Performanz spielen dabei keine Rolle (vgl. Chomsky 1971: 14).
Chomsky strebt im Unterschied zum Deskriptivismus, und auch anderen Grammatiktheorien, nicht nur Beobachtungs- und Beschreibungsadäquatheit, sondern insbesondere auch Erklärungsadäquatheit an. Das heißt, er verfolgt zwar auch das Ziel, dass die Grammatik Angaben von Regeln zur Bildung aller und nur grammatischer Sätze sowie Zuordnungen korrekter Strukturbeschreibungen liefert bzw. liefern kann. Im Zentrum steht jedoch vor allem die Forderung, eine Erklärung dafür zu geben, wie das sprachliche Wissen im Kopf eines Menschen gestaltet sein muss, dass es gelernt worden sein kann (vgl. Helbig 2002: 178-9). Chomsky liefert mit seiner Universalgrammatik (nachfolgend: UG), die im Mittelpunkt seiner 1981 veröffentlichten Arbeit „Lectures on Government and Binding“ steht, eine Antwort. Er geht davon aus, dass jeder Mensch von Geburt an mit einem geistigen Apparat der (universellen) Sprachfähigkeit (der UG) ausgestattet ist, der die Vorraussetzungen zum Erwerb einer Sprache bildet (vgl. Chomsky 1981: 18). Mit diesem nativistischen Modell grenzt sich Chomsky vom empiristischen Modell der Strukturalisten ab, die der Spracherwerbstheorie des Behaviorismus folgen.
Neben der Erzeugung von Sätzen stellt das Problem des Spracherwerbs, und in diesem Zusammenhang die Idee der Universalgrammatik, also einen wichtigen Erklärungsansatz der Generativen Grammatik dar. Durch die UG wird ein beachtlicher Anspruch der GG begründet, da im Prinzip jedes Element der Grammatik vor dem Hintergrund des Spracherwerbs gerechtfertigt werden muss.
Ziel dieser Hausarbeit ist es, die UG als Theorie des Erstspracherwerbs vorzustellen und abschließend kurz nochmals den Bezug zur GG zu verdeutlichen. Ersteres ist Gegenstand der Darstellungen in Kapitel 2. Zunächst geht es in Kapitel 2.1 um die Frage, inwiefern und warum sich Chomsky vom Behaviorismus abgrenzt. In diesem Zusammenhang gehe ich auch auf „Platos Problem“ ein. Dies dient als Grundlage für Kapitel 2.2 in dem ich die Universalgrammatik in Bezug auf die Prinzipien, Parameter, dem Projektionsprinzip sowie Chomskys Unterscheidung zwischen einer Kern- und einer Peripheriegrammatik vorstelle. Kapitel 2.3 beschäftigt sich mit der Darstellung des gesamten UG-Modells, wie es Chomsky 1981 im Zuge seiner Government-and-Binding -Theorie (nachfolgend: GB) vorstellt. Im Fazit fasse ich die dargelegten Aspekte der UG zusammen und gehe kurz auf die Bedeutung der UG im Hinblick auf die GG ein.
Im Umfang dieser Hausarbeit kann es nicht darum gehen, die UG oder auch die GG umfassend darzustellen. Vielmehr treffe ich eine Auswahl bestimmter theoretischer Überlegungen Chomskys und wähle nur wenige Beispiele aus, um die Grundzüge der Universalgrammatik klar vorzustellen. Im Zentrum der Arbeit steht die Universalgrammatik, da sich die GG durch sie begründet.
2 Die Universalgrammatik als Theorie des Erstspracherwerbs
2.1 Die behavioristische Theorie und „Platos Problem“
Bis zu einem gewissen Grad werden Chomskys Ideen bezüglich der Existenz einer UG heutzutage bereits als so selbstverständlich angesehen, dass der Ursprung bzw. der Umstand, der zum Erstellen dieser Theorie führte, in der Literatur zum Teil unberührt bleibt. Ich bin jedoch der Ansicht, dass dies unmittelbar mit der Erklärung der Theorie Chomskys verbunden ist. Aufgrund dessen skizziere ich im Folgenden die Grundideen der behavioristischen Spracherwerbstheorie Skinners sowie Chomskys Reaktion auf diese.
In den späten 50er Jahren veröffentlicht B. F. Skinner seine behavioristische Spracherwerbstheorie, die er in seiner Arbeit „Verbal Behavior“ (1957) darlegt. Hierin weist er Erklärungen für Sprache zurück, welche sich innerhalb des Organismus des Menschen befinden sollen, zugunsten einer Theorie, deren Erklärungen sich auf äußere Bedingungen und Gegebenheiten stützt. Seiner Meinung nach würde Sprache durch so genannte s timuli determiniert, welche sich aus spezifischen Attributen einer bestimmten Situation zusammensetzen. Diese riefen responses (Antworten) im Organismus hervor und als Konsequenz würden schließlich reinforcing stimuli (verstärkende Stimuli) erfolgen. Nimmt man z.B. die Situation eines hungrigen Kindes an, so handelt dieser Zustand der Deprivation und somit das Begehren nach etwas Essbarem, wie einem Apfel, als Stimulus (vgl. Chomsky 1964: 566-7). Dies veranlasst das Kind zum ‚Antworten’ (respond), zur verbalen Äußerung des Wortes ‚Apfel’, was wiederum verstärkt wird(reinforcing stimuli), indem beispielsweise jemand dem Kind einen Apfel gibt oder ein Elternteil (the listener) sagt: „Das hast du gut gemacht!“ Wie sich zeigt, bilden die Eltern, als „externe Bedingung“, als „Hörer“ einen wichtigen Part innerhalb des Spracherwerbs des Kindes, ohne deren Reaktion, d.h. verstärkende Stimuli, der Erwerb der Sprache für das Kind, Skinner zufolge, nicht möglich wäre. (Vgl. Chomsky 1964: 550, 556-65; vgl. Cook 1996: 76-78)
Im Jahr 1959 veröffentlicht Chomsky „A Review of B. F Skinner’s Verbal Behavior“ worin er dessen Theorie zurück weist. Seiner Ansicht nach seien die Behauptungen Skinners „[...] far from [being] justified“ (Chomsky 1964: 549). Er vertritt die Meinung, dass
„[...] the insights that have been achieved in the laboratories of the reinforcement theorist […] can be applied to complex human behaviour only in the most gross and superficial way […]” (Chomsky 1964: 549).
Welche Argumente führen bei Chomsky aber nun dazu Skinners Theorie zu widersprechen?
Chomsky vertritt zunächst die Ansicht, dass Sprache nicht unter dem Einfluss von Stimuli erzeugt werde. Man benötige seiner Meinung nach keine Erfahrung gegenüber einer Situation, in der jemand beispielsweise „Feuer!“ ruft, um angemessen handeln zu können. (vgl. Chomsky 1964: 552-3) Weiterhin argumentiert er, dass sich ein Stimulus normalerweise nicht als so eindeutig und einfach erweist, wie der Ausruf „Feuer!“ oder das Hungergefühl. Man stelle sich z.B. eine sich zu einem Gemälde (stimulus) äußernde (responding) Person vor. Diese könnte äußerst unterschiedliche Sätze produzieren, wie: „Oh, wie schön!“, „Das Bild erinnert mich an ein anderes von van Gogh!“ usw. Demnach wird deutlich, dass es keine verlässliche Vorhersage vom Stimulus zur Antwort (respond) geben kann (vgl. Chomsky 1964: 552-3; vgl. auch Salkie 1990: 85). Chomsky beruft sich dabei auf den „kreativen Aspekt der Sprache“, wonach Menschen, d.h. auch Kinder in der Lage sind, unendlich viele Sätze zu bilden, die sie noch nie zuvor gehört haben (vgl. Chomsky 1995: 16-7; vgl. auch Chomsky 1964: 563). Ebenso stuft er die Funktion des Zustands der Deprivation, welcher Skinner zufolge als Stimulus fungiert und das Kind dazu veranlasst, eine dementsprechende Äußerung zu tätigen, als (kontextuell) fraglich ein.
„Suppose however that the speaker says ‘Give me the book’, ‘Take me for a ride’, or ‘Let me fix’. What kind of deprivation can be associated with these mands? How do we determine or measure the relevant deprivation? I think we must conclude in this case […] that the statement ‘X is under Y-deprivation’ is just an odd paraphrase for ‘X wants Y’, bearing a misleading and unjustifiable connotation of objectivity” (Chomsky 1964: 566).
Aus diesen Tatsachen schlussfolgert er u.a., dass Sprache nicht an irgendwelche Stimuli gebunden, sondern „stimulus- free“ (Cook 1996: 77) sei.
Des Weiteren weist Chomsky auf drei grundlegende Mängel des Inputs hin, die zeigen, dass die dem Kind verfügbare Evidenz während des Spracherwerbs sowohl quantitativ als auch qualitativ unterdeterminiert ist: „[...] [I]t is near certainty that fundamental properties of the attained grammars are radically underdetermined by evidence available to the language learner […]” (Chomsky 1981: 3). Die sprachliche Erfahrung des Kindes umfasst stets nur einen relativ kleinen Ausschnitt der in einer Sprache möglichen Sätze und Strukturen, der Input ist also endlich. Trotzdem ist das Kind in der Lage, wie oben bereits angesprochen, eine unendliche Menge neuer Syntagmen zu produzieren und auch zu verstehen, die unabhängig von der jeweiligen sprachlichen Erfahrung sind. Darüber hinaus wird dem Kind keine systematische Information über Ambiguitäten oder etwa Paraphrasen der zu erwerbenden Sprache verfügbar gemacht, die auf induktiver Basis nicht zu erwerben sind. (Vgl. Chomsky 1977: 19; vgl. auch Tracy 1999: 23)
Als qualitativ unterdeterminiert erweist sich der Input, da er ungrammatische Äußerungen wie z.B. Versprecher enthält, „[...] which make it [first of all] an inadequate source of information for language acquisition [...] [and] children would find it impossible to distinguish between what is grammatical and what is ungrammatical on the basis of such input” (Ellis 1996: 433).
Die sprachliche Erfahrung des Kindes als positive Evidenz, d.h. das was das Kind an sprachlichen Daten hört oder liest, ist folglich defizitär. Dies gilt jedoch in gewisser Weise auch für die negative Evidenz, „[...] [which] is composed of information to the learner that his or her utterance is deviant with regard to the norms of the language being learned“ (Gass, Selinker 2001: 173).[5] Nun ist bekannt, dass Eltern die (ungrammatischen) Äußerungen ihrer Kinder korrigieren, nur tun sie dies eben nicht systematisch. Eltern müssten jede ungrammatische Äußerung des Kindes korrigieren, damit es sich auf die Inputinformationen verlassen könnte. Doch selbst wenn dies geschähe, wäre für das Kind nicht ohne weiteres erkennbar, worauf sich die Korrektur bezieht. Im Normalfall lässt sich jedoch feststellen, dass der überwiegende Teil devianter oder ungrammatischer Strukturen weder explizit noch durch Umformulierungen oder Expansion korrigiert wird, oftmals erfolgt sogar die Wiederholung einer abweichenden kindlichen Äußerung. (Verbale) Hinweise der Eltern, die als Information für das Kleinkind fungieren sollen, dass ihr oder sein sprachlicher Versuch wohlgeformt ist, treten genauso unfrequentiert und selten auf. (Vgl. Tracy 1999: 30-36)
Folglich sieht Chomsky die von Skinner dargestellte Verstärkung (reinforcement), ob positiv oder negativ, in der Praxis nicht (konsequent und systematisch) realisiert, so dass diese keine unabdingliche Voraussetzung für den Spracherwerb darstellen kann. (Vgl. Tracy 1999: 30-41 )
Die behavioristische Spracherwerbstheorie kann ebenso wenig erklären, warum „[...] aus der Vielfalt möglicher Regeln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Input entsprächen, [...] nur eine begrenzte Anzahl von den Kindern wahrgenommen und ausprobiert [wird]“ (Edmondson, House 2000: 136). Bestimmte Generalisierungen werden nicht vorgenommen. So z.B. erhält ein Kind eine Vielzahl von Bestätigungen der Annahme, dass die Bildung eines Fragesatzes aus einem Aussagesatz in der deutschen Sprache erfolgt, indem die Wörter innerhalb des Satzes in der umgekehrten Reihenfolge erzeugt werden:
(1.) Kind: ich gehen Mutter: gehst du?
(2.) Kind: Patti kann Mutter: willst du?
(3.) Kind: ich möchte Milmi Mutter: Milch möchtest du? (Vgl. Edmondson, House 2000: 136)
Ein systematisiertes Ausprobieren dieser „Umkippregel“ erfolgt jedoch nicht. So werden Äußerungen wie „Nicht sagst du?“ oder „Ins Bett gehe ich?“ überhaupt nicht produziert, obwohl damit nicht gemeint ist, dass Kleinkinder keine Äußerungen erzeugen würden, die von der Zielsprache abweichen. Dies tun sie, nur sind diese dann systematisch.
In Bezug auf die Hauptschritte des Behaviorismus , Input, Output und Feedback, lässt sich Folgendes festhalten: Die dem Kind verfügbare Evidenz ist, wie gezeigt, in einer derart extremen Weise unterdeterminiert, dass ein primär mit induktiven Generalisierungen arbeitender Erwerbsmechanismus, im Sinne der Behavioristen, sich als völlig inadäquat erweist, da er nicht gewährleisten kann, dass das Kind auch die jeweils für seine Einzelsprache zutreffenden Regularitäten entdeckt. Trotz der Umstände eines unterdeterminierten Inputs sowie eines unsystematischen und inkonsequenten Feedbacks (vgl. auch Chomsky 1964: 563) sind Kinder in der Lage, in ihren ersten vier Lebensjahren die wichtigsten sprachlichen Strukturprinzipien, ungeachtet sozialer, kultureller und intellektueller Unterschiede, zu erwerben (Output) (vgl. Chomsky 1977: 175-6). „Die Geschwindigkeit und Leichtigkeit, mit der das ungemein komplexe Sprachsystem [angesichts dieser Umstände] erworben wird, ist atemberaubend [...]“ (Keller, Leuninger 2004: 198f.)
Chomsky fasst die Asymmetrie zwischen dem dargebotenen Reiz (Input) und der Komplexität des Kenntnissystems unter dem Begriff „das Argument der Unzulänglichkeit des Reizes“ (poverty-of-the-stimulus-argument) zusammen. Hieraus ergibt sich für ihn „das logische Problem des Spracherwerbs“, welches Chomsky genauer als „Platos Problem“ bezeichnet: „Plato’s problem then, is to explain how we can know so much given the evidence available to us so sparse” (Chomsky 1984: 3). Wie Chomsky nun den Versuch unternimmt das logische Problem des Spracherwerbs mit Hilfe seiner Universalgrammatik zu lösen, wird im Folgenden dargestellt.
2.2 Die Idee der Universalgrammatik und ihre Grundlagen
Da „das logische Problem des Spracherwerbs“ durch die behavioristische Theorie, dem „empiristischen Modell“ (Chomsky 1977: 21), scheinbar nicht zu lösen ist, müssen es demnach interne Merkmale des Sprachlerners sein, die den Spracherwerb ermöglichen. So stellt Chomsky dem Behaviorismus seine Position des so genannten „nativistischen Modells“ (Grewendorf, Hamm, Sternefeld 1987: 19) gegenüber. Wenn beim empiristischen Modell von einer tabula rasa ausgegangen wird, die nach und nach im Laufe der menschlichen Entwicklung mit Daten gefüllt wird, so geht das nativistische Modell von angeborenen Fähigkeiten aus: Kinder verfügen über eine biologische Ausstattung, die aus einer angeborenen, genetisch bedingten Sprachfähigkeit, deren Struktureigenschaften durch die UG spezifiziert wird, besteht und welche den Erwerb einer Sprache trotz der widrigen Lernumstände ermöglicht. (Vgl. Chomsky 1977: 14, 41)
[...]
[1] Sie beinhaltet eine begrenzte Anzahl von Sätzen und von ihr ist von einer unbegrenzten Anzahl von Sätzen ableitbar (vgl. auch Helbig 2002: 155-157).
[2] „Die Grammatik ist damit zunächst die exakte Spezifizierung des Begriffes ‚grammatisch richtiger Satz der Sprache L“ (Helbig 2002: 158).
[3] Ausgehend von einem Startsymbol S werden dabei Ketten von Morphemen mittels Ersetzungs- und Umstellungsregeln (Transformationen) erzeugt (vgl. Bußmann 2002: 242-3; vgl. auch Chomsky 1971: 30-32).
[4] Vgl. auch Chomsky (1981: 10); (1986: 3); (1991: 5-23).
[5] Chomsky (1981: 8-9) unterscheidet zwischen „direct negative evidence“, worunter er „corrections by the speech community” versteht sowie „indirect negative evidence” wie z.B. „adverse reactions”. Seiner Ansicht nach kann indirekte negative Evidenz für den Spracherwerb eine Rolle spielen, dies wird in meinen Ausführungen jedoch nicht weiter verfolgt werden.
- Arbeit zitieren
- Nina Meyer (Autor:in), 2005, Chomskys Universalgrammatik und ihre Bedeutung für die Generative Grammatik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47810
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