Proliferation


Hausarbeit, 2000

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Methoden der Beschaffung
2.1. Erforderliche Mengen nuklearen Materials
2.2. Russland – Paradies für Nuklearschmuggler?
2.2.1. Sicherheitsprobleme
2.2.2. Maßnahmen zur Sicherung des russischen Nuklearmaterials
2.3. Dual-use-Problematik

3. Allgemeine Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Erschwerung des illegalen Handels mit proliferationsrelevanten Materialien
3.1. Maßnahmen der Atomindustrie
3.2. Deutsche Behörden
3.2.1. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
3.2.2. Bundesnachrichtendienst

4. Massenvernichtungswaffen in der Dritten Welt – Fallbeispiel Iran
4.1. Atomrüstung
4.2. Biologische und chemische Rüstung
4.3. Raketentechnologie

5. ABC-Waffeneinsatz durch Terroristen – ein wahrscheinliches Szenario?
5.1. Atomwaffen
5.2. Biologische Waffen
5.3. Chemische Waffen
5.4. Terrorwaffe der Zukunft?
5.5. Mögliche Gegenmaßnahmen

6. Fazit

7. Quellen

„Ich bin froh, daß ich kein junger Mann mehr bin.

Und meine Enkel tun mir zutiefst leid.“

David Lilienthal, erster Chef der amerikanischen Atombehörde, von einer Untersuchungskommission des amerikanischen Senats zur Proliferation von Atomwaffen befragt.[i]

1. Einleitung

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wurden Gefahren deutlich, die bis dahin weniger beachtet wurden. Eine dieser Gefahren ist die Proliferation. Von der Öffentlichkeit wurde sie bisher kaum zur Kenntnis genommen, mitunter auch mit dem konventionellen Waffenhandel verwechselt. Was genau ist also nun Proliferation?

Unter Proliferation versteht man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen sowie deren Trägersystemen (Marschflugkörper, Raketen, Bomben, Sprühvorrichtungen etc.). Sie schließt ebenfalls die Technologien ein, die für die Herstellung derartiger Waffen benötigt werden.[ii]

Strukturen der Organisierten Kriminalität (OK) sind zum Teil in Proliferationsvorgänge involviert[iii], aber Hauptakteure sind die Regierungen einiger Staaten der Dritten Welt, vor allem: Irak, Iran, Libyen, Nordkorea, Syrien, Indien und Pakistan. Dort arbeitet man in allen Bereichen, also an atomaren, biologischen und chemischen Waffen und den entsprechenden Trägersystemen.[iv]

Zunächst möchte ich auf die Methoden der Beschaffung eingehen. Da diese überaus vielfältig sind, beschränke ich mich auf die Probleme der nuklearen Sicherheit in Russland und befasse mich mit der westlichen Industrie.

Des Weiteren werden kurz die deutschen Behörden vorgestellt, die sich mit der Verhinderung von Proliferationsvorgängen befassen.

Die Darstellung entsprechender Rüstungsprogramme erfolgt am Beispiel der Islamischen Republik Iran.

Schließlich wird auf einen möglichen Einsatz von ABC-Waffen durch Terroristen eingegangen und auf Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken.

2. Methoden der Beschaffung

2.1. Erforderliche Mengen nuklearen Materials

Für den Bau eines nuklearen Sprengsatzes werden 8 Kilogramm Plutonium (mit einem hohen Gehalt des Isotops Pu 239) oder 25 Kilogramm hoch angereichertes Uran (HEU) mit einem hohen Gehalt von U 235 benötigt.[v] Dieses hoch angereicherte Uran ist das Hauptbeschaffungsziel, da der Umgang weniger gefährlich als der mit Plutonium ist. Abgesehen davon ist es möglich, mit U 235 schnell einen primitiven Sprengkopf nach dem so genannten „Kanonenrohrprinzip“ zu konstruieren.[vi]

2.2. Russland – Paradies für Nuklearschmuggler?

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Chaos, erscheint Russland geradezu prädestiniert für die illegale Beschaffung radioaktiven Materials. An Versuchen mangelte es nicht: So wurden im März 1994 in St. Petersburg drei Männer verhaftet, die versuchten 3,05 kg hoch angereichertes Uran zu verkaufen. Am 10. August 1994 wurden auf dem Münchener Flughafen 560 Gramm eines Plutonium-Uran-Gemischs beschlagnahmt, das vermutlich aus dem Institut für Physik und Energiegewinnung in Obninsk (Russland) stammt. Im März 1995 wurden in Kiew (Ukraine) 6 kg hoch angereichertes Uran beschlagnahmt, das aus Brennstoffbehältern für U-Boot-Reaktoren gestohlen worden war.[vii]

2.2.1. Sicherheitsprobleme

In Russland werden 20-30 Tonnen nicht registriertes Plutonium vermutet.[viii] Wenn man die unter 2.1. zu Grunde liegenden Werte beachtet, ergäbe dies eine Menge von 2500-3750 Sprengköpfen. Diese Zahl reduziert sich vermutlich, da der Anreicherungsgrad des Materials nicht bekannt ist.

Aber auch das Nuklearmaterial, dessen Aufbewahrungsort man kennt, bietet genug Anlass zur Sorge. Ein gutes Beispiel ist hier die russische Nordflotte: Über die ganze Kola-Halbinsel verstreut befinden sich Vorratslager, in denen sich aus hoch angereichertem Uran bestehende Brennstäbe aus Reaktoren stillgelegter U-Boote befinden. Diese Depots werden teilweise von zivilen Aushilfskräften bewacht („Babuschkas mit Karabinern“), teilweise gar nicht.[ix]

Über die, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, nach Russland evakuierten nuklearen Sprengköpfe gibt es keine verlässlichen Statistiken. So werden angeblich zwölf Sprengköpfe vermisst, die zuvor in der ehemaligen DDR stationiert waren. Im März 1992 sollen aus einem Depot in Komsomolsk-na-Amure 23 Sprengköpfe verschwunden sein.[x]

2.2.2. Maßnahmen zur Sicherung des russischen Nuklearmaterials

Im Jahr 1991 erließ der amerikanische Kongress den “Cooperative Threat Reaction Act“ (auch unter dem Namen “Nunn-Lugar Act“ bekannt), der die enge Zusammenarbeit mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion auf dem Gebiet der sicheren Zerstörung, des Transports und der Lagerung von Kernwaffen regelt. Dieses CTR-Programm verfügt über ein Jahresbudget von 400 Millionen US-Dollar.[xi]

Wichtigster Bestandteil dieses Programms ist das zivile “Material Protection, Control and Accounting Programm“ (MPC&A), dessen Rahmenabkommen zwischen den USA und Russland im September 1993 geschlossen wurde.[xii]

Im Februar 1997 beschloss die Gore-Tschernomyrdin Kommission, den Kernwaffensektor in das MPC&A-Programm einzubeziehen.[xiii]

Zur Kontrolle des zivilen Nuklearsektors wurde 1992 eine Nukleare Aufsichtsbehörde für die Sicherheit von Kernmaterial GOSATOMNADZOR gegründet. Sie untersteht dem Büro des russischen Ministerpräsidenten, soll aber unabhängig arbeiten. GOSATOMNADZOR gehören 2.000 Mitarbeiter an, davon sind 1.500 Sicherheitsinspektoren.[xiv]

2.3. Dual-use-Problematik

Dual-use-Produkte sind Güter, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Ausschlaggebend für die Wahl des Beschaffungslandes ist die Leistungsfähigkeit der Industrie. Großes Interesse besteht z.B. an Chemieanlagen aus Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz sowie an Computern und Software aus den USA.[xv]

Manchmal ist es sehr schwer zu erkennen, dass es sich bei einer bestimmten Technologie um Dual-use-Güter handelt: So beschafften der Iran, der Irak, Syrien und Libyen deutsche Brotbackmaschinen zum Mischen von Festtreibstoffen von Raketen und zur Herstellung biologischer Kampfstoffe.[xvi]

Für Molkereien vorgesehene Öl-Milch-Separatoren wurden ebenfalls nach Iran und Irak geliefert, bis auffiel, dass ein Bauteil dieser Maschine fast baugleich mit der Brennkammer einer Scud-Rakete ist.[xvii]

Um die Exportkontrolle von Dual-use-Gütern zu koordinieren, wurde im Dezember 1994 das „Wassenaar-Arrangement“ getroffen, dem bis 1999 33 Staaten beigetreten sind.[xviii] Dieses Abkommen enthält u.a. zwei Warenlisten: Die Dual-use-Liste der Europäischen Union (EU 961/96 GASP) und eine Waffenliste, die nationalen Regelungen unterliegt.[xix]

3. Allgemeine Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Erschwerung des illegalen Handels mit proliferationsrelevanten Materialien

3.1. Maßnahmen der Atomindustrie

Eine genaue Kontrolle des Flusses nuklearen Materials zwischen diversen Einrichtungen (Fabriken zur Brennelementeherstellung und Wiederaufbereitung und die Kernkraftwerke selbst) und innerhalb dieser Einrichtungen ist Voraussetzung für die Verhinderung des illegalen Handels. Darüber hinaus wird der Einsatz von Reaktortypen empfohlen, aus denen der Brennstoff nur schwer in seiner Reinform gewonnen werden kann (Kugelhaufenreaktor). Des Weiteren sollten Reaktoren genutzt werden, deren Brennstoffbedarf weniger hoch ist: Ein Gasphasenreaktor benötigt weniger als 100 Kilogramm radioaktiven Materials, ein Druckwasserreaktor dagegen 90 Tonnen.[xx]

3.2. Deutsche Behörden

3.2.1. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Wie auch das Bundesausfuhramt informiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die deutsche Industrie. Interessierte Firmen können Listen über die Güter einsehen, die nicht oder nur in bestimmte Länder exportiert werden dürfen.

3.2.2. Bundesnachrichtendienst

Dem BND obliegt es, proliferationsrelevante Vorgänge systematisch weltweit zu überwachen. Dabei erzielt er durchaus Erfolge.

Ein Beispiel sei hier besonders hervorgehoben: Die detaillierte Dokumentation der libyschen Chemiewaffenfabrik in Tarhuna war ein großer Erfolg für den BND, wenn auch zunächst nicht für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Der Bundesnachrichtendienst übergab die Aufklärungsergebnisse an die CIA, woraufhin amerikanische Institutionen sofort deutsche Unternehmen beschuldigten, am Bau dieser Anlage beteiligt gewesen zu sein, was nicht der Fall war.[xxi]

Allerdings waren deutsche Firmen, sowohl wissentlich als auch unwissentlich am Bau der ersten libyschen Chemiewaffenfabrik in Rabta beteiligt. Bis zu ihrer Zerstörung durch einen Brand im Jahr 1990 sollen dort bis zu 100 Tonnen des Nervenkampfstoffs Sarin produziert worden sein. Aufgrund des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch die Mitwirkung am Bau dieser Fabrik wurden drei leitende Mitarbeiter der Firma Imhausen Chemie in Lahr zu Freiheitsstrafen zwischen zwölf und zwanzig Monaten verurteilt.[xxii]

4. Massenvernichtungswaffen in der Dritten Welt – Fallbeispiel Iran

4.1. Atomrüstung

Obwohl der Iran, Mitglied der IAEO, 1970 den Nichtverbreitungsvertrag für Kernwaffen ratifiziert hat, gibt es Erkenntnisse, dass an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet wird.[xxiii]

Schwerpunkt iranischer Versuche, sich illegal waffenfähiges radioaktives Material zu verschaffen, ist Kasachstan. So versuchten iranische Staatsbürger in der kasachischen Hafenstadt Aktau, in der sich ein Schneller Brüter mit einer Tonne waffenfähigen Plutoniums befindet, wiederholt, Mitarbeitern des Reaktors nukleares Material abzuhandeln.[xxiv]

Nachdem es 1994 iranische Versuche gegeben hat, sich hochangereichertes Uran zu verschaffen, das in einer kasachischen Fabrik lagerte, konnte die Regierung Kasachstans nicht mehr für die Sicherheit des Materials garantieren. Infolge dessen wurden im November 1994 581 Kilogramm Uran (Anreicherungsgrad 90%) im Rahmen der geheimen Operation “Sapphire“ in die USA ausgeflogen.[xxv]

Iran hat weiterhin die Absicht, russische und chinesische Kernkraftwerke zu erwerben. Dazu ist es derzeit noch nicht gekommen.[xxvi]

[...]


[i] Jungk, Robert: Der Atomstaat, München 1991, S. 149

[ii] BND-Pressestelle: Proliferation von Massenvernichtungsmitteln und Trägerraketen, Pullach 1999, S. 7

[iii] Ulfkotte, Udo: Verschlußsache BND, München ; Berlin 1997, S. 238 ff.

[iv] Staatspolizei Wien: Staatsschutzbericht 1997

http://www.bmi.gv.at/Staatspolizei/Staatsschutz/Bericht_1997/10_Proliferation.html 15.09.2000, 11.35 Uhr

[v] Krause, Joachim: Auf dem Weg zur nuklearen Anarchie? – Die mangelhafte Sicherheit waffenfähiger Spaltmaterialien in Rußland und der GUS, Bonn 1999, S. 14

[vi] Krause: Anarchie, S. 56 f.

[vii] Krause: Anarchie, S. 18

[viii] Krause: Anarchie, S. 13

[ix] Krause: Anarchie, S. 14

[x] Bluth, Christoph: Rußland und die Weiterverbreitung von Kernwaffen - In: Aus Politik und Zeitgeschichte B50-51/99, Bonn 10.12.1999, S. 21 f.

[xi] Bluth: Weiterverbreitung, S. 22

[xii] Krause: Anarchie, S. 47

[xiii] ebd.

[xiv] Krause: Anarchie, S. 37 f.

[xv] BND: Proliferation, S. 13

[xvi] Ulfkotte: BND, S. 207

[xvii] ebd.

[xviii] BND: Proliferation, S. 15

[xix] Staatspolizei Wien: Staatsschutzbericht

[xx] Bockhorst, Michael: Energieinfo: http://www.energieinfo.de/glossar/node139.html 18.09.2000 10.30 Uhr

[xxi] Ulfkotte: BND, S. 229 ff.

[xxii] Ulfkotte: BND, S.233 f.

[xxiii] BND: Proliferation, S. 24

[xxiv] Krause: Anarchie, S. 24

[xxv] ebd.

[xxvi] BND: Proliferation, S. 24

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Proliferation
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Sozialwissenschaftliches Institut)
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V4821
ISBN (eBook)
9783638129442
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Leicht gekürzt, da schon als Artikel vorgesehen. 117 KB
Schlagworte
Proliferation
Arbeit zitieren
Michael Rieck (Autor:in), 2000, Proliferation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4821

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