Programmatik im Panegyricus des jüngeren Plinius. Eine Lobrede als positives politisches Programm der Opposition?


Seminararbeit, 2005

18 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


A. Einleitung

Die Lektüre des Panegyricus des Plinius auf den Kaiser Traian erscheint den meisten heutigen Lesern unerträglich und schwer verdaulich. Zu übertrieben ist die Schmeichelei, die der Untergebene dem Princeps entgegenbringt. In der jüngeren Forschung wurde die These von der Liebesdienerei des Plinius aber kaum mehr angebracht, der Panegyricus wurde v.a. als Quelle zur Erschließung der kaiserzeitlichen Programmatik genutzt.[1] Eine Forschungsrichtung versucht etwa die Lobrede als Teil der Traianischen Propaganda zu sehen, der der Senator Plinius opportunistisch gedient habe.[2] Ein anderer Ansatz wiederum deutet den Panegyricus als eine Art Fürstenspiegel, der die besten Eigenschaften eines Kaisers aus Senatssicht darlege.[3] Die These mit der ich mich in dieser Arbeit kritisch auseinandersetzen möchte, stammt aber von Frank Beutel: Er nämlich sieht im Panegyricus das „positive politische Programm der Opposition“[4].

Ich werde diese These zweiteilen und mich zunächst der Opposition (I) widmen. In I.1 soll zunächst allgemein auf die Schwierigkeiten bezüglich des Oppositionsbegriffes im römischen Senat eingegangen werden. Da die Lobrede eine reine Angelegenheit zwischen Senat und Princeps darstellte, sollen andere Arten der Opposition, wie z.B. aus der plebs urbana, außen vor bleiben. Auf diesem Hintergrund werde ich überprüfen, ob der Panegyricus tatsächlich auf die von Beutel identifizierte Gruppe einer „stoischen Opposition“ zurückgeht. Dazu sollen diesem Kreis zunächst aus den Quellen ein Gruppenstatus überhaupt zugerechnet und die Ziele und Forderungen dieser Männer so weit wie möglich erarbeitet werden. Die Ergebnisse werden dann zu einem Vergleich mit den Inhalten des Panegyricus genutzt, um eine Beziehung zwischen Opposition und Lobrede im Sinne Beutels prüfen zu können. Das Zwischenfazit nach den Ergebnissen aus I.1 wird dann durch eine Betrachtung der Widersprüche in Beutels Arbeit untermauert werden (I.2.)

Im zweiten Teil des Textes werde ich versuchen, den Programmgehalt des Panegyricus zu überprüfen. In II.1 wird zunächst dargelegt, in welcher Weise andere Werke ähnliche Gedanken wie im Panegyricus bereits früher formuliert hatten und deshalb anschließend die Frage aufgeworfen, was denn nun das Besondere, Originelle an der Lobrede sei. Beutels Prämisse, der Senator Plinius sei persönlich für die Inhalte und deshalb auch für eine besondere theoretische Fundierung des Panegyricus verantwortlich, soll in II.2 v.a. mit G. Seelentags Überlegungen der „gratiarum actio“ als unpersönlicher Dankesrede entgegengetreten werden. Dann muss sich aber noch ganz unabhängig von der Autorschaft erweisen, ob der Panegyricus in seiner Konstruktion, in seinen Inhalten nicht doch eine Art Programm im Sinne Beutels darstellt. Dazu wird mit der Behauptung, die Dankesrede wolle nichts Momentanes, sondern Grundlegendes regeln und weite ihren Anspruch auch auf zukünftige Principes aus (II.3.a), der wichtigste Aspekt in Beutels Programmargumentation wieder an Überlegungen Seelentags überprüft, der im Panegyricus einen Beitrag zur aktuellen Herrschaftsdarstellung erkennt (II.3.b).

Der Schluss soll dann noch einmal in möglichst kompakter Form eine Zusammenschau der Ergebnisse bieten.

Als Quellen dienen außer dem Text des Panegyricus des jüngeren Plinius dessen Briefe, vor allem Plin. ep. 3, 13 und 3, 18, in denen er sich selbst zur Lobrede auf Traian äußert. Zur sogenannten „stoischen Opposition“ bieten uns Cassius Dios Römische Geschichte Einsicht, besonders von Nutzen sind aber die großen Geschichtswerke des Tacitus, die Annalen und die Historien. V.a. auf dieser Grundlage baut deswegen auch der folgende erste Teil über die Opposition auf.

B. Hauptteil

I. Opposition

1. Die stoische Opposition im Senat

Möchte man über eine Opposition im römischen Senat der Kaiserzeit schreiben, so muss man zunächst versuchen, aus dem Senat heraus überhaupt erst eine Gruppe Oppositioneller zu identifizieren.

„Das Hauptproblem besteht darin, wie aus dem vorliegenden Quellenmaterial überhaupt ein ausreichend vollständiges und zuverlässiges, vor allem auch der Zeit adäquates Bild solcher Opposition gewonnen werden kann.“[5]

Man wird bei seinen Untersuchungen schnell feststellen, dass ein homogenes Oppositionsprofil, wie wir es in modernen Parlamenten wie dem Bundestag vorfinden können, nicht existiert. Opposition im römischen Senat war vielmehr gekennzeichnet „(...) durch weitgehende Fragmentierung in Kleingruppen und Einzelaktionen, denen Zusammenhalt wie auch personelle oder ideelle Kontinuität weitgehend fehlen.“[6]. Opposition war ein weites Feld. Sie reichte von latenter Unzufriedenheit – was natürlich schwer zu diagnostizieren ist – über Loyalitätsentzug bis hin zu Verschwörung.[7] Tatsächlicher Widerspruch entwickelte sich dann auch nur sporadisch, so v.a. gegen „mali principes“ wie Nero oder Domitian, und es gestaltet sich deshalb schwierig, bestimmte Oppositionsgruppen zu identifizieren.

Frank Beutel meint nun, in der „sogenannten stoischen Opposition“[8] des ersten Jahrhunderts n.Chr. eine solche Gruppe gefunden zu haben, deren „positives politisches Programm“[9] gar der Panegyricus sei. Beutel bezieht konkret Helvidius Priscus d.J., Herennius Senecio, Arulenus Rusticus und Iunius Mauricus in seine Betrachtung mit ein, um die in den Briefen des Plinius durchaus glaubwürdig bezeugte Verbindung zwischen dem Senator und diesen Oppositionellen[10] für seine Programmargumentation fruchtbar machen zu können..[11] Im Folgenden sollen nun zur Vorbereitung auf den Vergleich mit dem Panegyricus eventuelle inhaltliche Forderungen dieser Männer überprüft werden. Die von Beutel ebenfalls zu dieser Gruppe gezählten Frauen Arria und Fannia[12] werde ich nicht einbeziehen, da sie als Frauen schließlich zum Senat und damit zu einer senatorischen Opposition nicht gehören konnten. Ich werde aber im Anschluss an Ronald Symes Behauptung, die von Beutel identifizierten Protagonisten stünden in „(...) the tradition of the illustrous Thrasea Paetus (...)“[13] auch eben diesen Thrasea und dessen Schwiegersohn, Helvidius Priscus d.Ä. in die Arbeit mit einbinden.

Thrasea Paetus´ Opposition richtete sich nicht grundsätzlich gegen den Principat als solchen. So diente er bis zu den Jahren 58/59 unter Nero, einem der schlimmsten Tyrannen, ohne Murren.[14] Ab diesem Zeitpunkt aber erkannte er wohl einen Verlust senatorischer Freiheiten und versuchte, den anderen Senatoren den Wert jener „libertas“ ins Bewusstsein zu rufen[15], die Chaim Wirszubski folgendermaßen gekennzeichnet hat: „Libertas senatus heißt, daß wichtige Staatsangelegenheiten dem Senat vorzulegen sind und daß die Senatoren ihre Ansicht frei äußern und ohne Zwang abstimmen dürfen.“[16]. Als Nero seine eigene Mutter Agrippina hinrichten lassen wollte, weigerte sich Thrasea, Nero für die Hinrichtung zu loben, wie es viele seiner Kollegen im Senat taten.[17] Seine Wertschätzung der „libertas senatus“ ging wohl so weit, dass er mit einem Senat, den diese Freiheit – v.a. Rede- und Meinungsfreiheit – nicht zu interessieren schien, nicht mehr zusammenarbeiten wollte: „Thrasea Paetus silentio vel brevi adsensu priores adulationes transmittere solitus exiit tum senatu, ac sibi causam periculi fecit, ceteris libertatis initium non praebuit.“[18]. Thrasea gab sich auch durchaus als Stoiker zu erkennen. Im Maiestasprozess des Antistius forderte er die Richter gegen deren eigenen und auch gegen den Willen Neros, die beide die Todesstrafe forderten, zu moderatem Urteil auf und hielt ihnen die römische „publicae clementiae“ vor Augen.[19]

Für Helvidius Priscus d.Ä, Schwiegersohn des Thrasea, war es seine erste Handlung als Prätor, den Ankläger seines Schwiegervaters, Eprius Marcellus anzuzeigen[20]. Gleichzeitig zeigte er sich auch politisch als Erbe des Thrasea Paetus: „Er war kaum erst Quaestor gewesen, als ihn Pätus Thrasea als Schwiegersohn auserlas, und er nahm von dem Charakter seines Schwiegervaters nichts so sehr in sich auf wie den Sinn für Freiheit (Hervorheb. durch d. Verf.).“[21]. Grundsätzlich akzeptierte auch Helvidius den Principat als solchen.[22] Dennoch trat er dem Kaiser Vespasian selbst mehrmals entgegen und verteidigte ähnlich wie Thrasea die „libertas“ des Senats. So forderte Priscus, „(...) die Wahl (des neuen Princeps) solle mit Namensaufruf durch vereidigte Beamte vorgenommen werden (...) (sowie) Stimmabgabe und Beurteilung durch den Senat“[23] und so „(...) die Stellung des Senats in einem wichtigen Bereich nicht nur zu festigen, sondern sogar zu steigern“[24]. Außerdem versuchte er, auf Kosten des Kaisers Vespasian größere Kompetenz des Senats bei den Finanzen zu erlangen.[25] In einem Falle aber unterlag Helvidius dem Votum der übrigen Senatoren, im anderen Falle schritt ein Tribun mit seinem Veto ein, seinem erneuerten Antrag wurde gar keine Beachtung mehr geschenkt.[26] Iunius Mauricus wiederum galt als Aktivposten in der Senatsopposition gegen Domitian und schon im Jahre 60 zeigte er sich als Mitstreiter des Helvidius d.Ä. und Verfechter der „libertas senatus“, als er versuchte, dem Senat gegen den Willen des Kaisers eine stärkere Position in den Prozessen gegen die Delatoren zu verschaffen.[27]

[...]


[1] Vgl. für das Folgende: Gunnar Seelentag: Taten und Tugenden Traians. Herrschaftsdarstellung im Principat, S.214–216.

[2] Vgl. z.B. Karl Strobel: Traianus Optimus Princeps. Reichs- und Grenzpolitik als innenpolitische Dimension seiner Herrschaft, in: Egon Schallmayer: Traian in Germanien. Traian im Reich, Bad Homburg 1999, S.17-29, hier v.a.: S.18.

[3] Vgl. z.B. Martin Fell: Optimus Princeps? Anspruch und Wirklichkeit der imperialen Programmatik Kaiser Traians, München 1992, hier v.a.: S.107.

[4] Frank Beutel: Vergangenheit als Politik. Neue Aspekte im Werk des jüngeren Plinius, Frankfurt/Main 2000, S.121.

[5] Kurt Raaflaub: Grundzüge, Ziele und Ideen der Opposition gegen die Kaiser im 1.Jahrhundert n.Chr., in: Adalberto Giovannini u.a. (Hg.): Opposition et résistances à l´empire d´Auguste à Trajan, Genf 1986, S.1-63, hier: S.12.

[6] Ebd., S.39.

[7] Ramsey MacMullen: Enemies of the roman order, Cambridge 1966, S.67 f.

[8] Ebd., S.123.

[9] Beutel: Vergangenheit, S.121.

[10] Vgl. Plin. ep. 3, 11, 3; Konkret zu Herennius: Plin. ep. 7, 33; zu Helvidius d.J.: Plin. ep. 9, 13; zu Mauricus und Rusticus: Plin. ep. 1, 5.

[11] Vgl. ebd., S.117; vgl. ebd., S.419 ff.

[12] Vgl. Beutel: Vergangenheit, S.226 f.; Plin. ep. 3, 11, 3.

[13] Ronald Syme: Domitian: The last years, in: Chiron 13, 1983, S.121-146, hier: S.123.

[14] Vgl. Oswyn Murray: The „quinquennium Neronis“ and the Stoics, in: Historia 14, 1965, S.41-61, hier: S.55.

[15] Vgl. Tac. ann. 13, 49.

[16] Chaim Wirszubski: Libertas als politische Idee im Rom der späten Republik und des frühen Prinzipats, Darmstadt 1967, S.169.

[17] Vgl. Tac. ann. 14, 13.

[18] Ebd. 14, 12.

[19] Vgl. ebd. 14, 48 f.; 16, 21, 1.

[20] Vgl. Tac. hist. 4, 6.

[21] Ebd. 4,5.; vgl. auch Tac. ann. 16, 28.

[22] Vgl. Tac. hist. 4, 4.

[23] Ebd. 4, 6-7.

[24] Malitz: Helvidius Priscus, S.236.

[25] Vgl. Tac. hist. 4, 9.

[26] Vgl. ebd. 4,8 und 4,9.

[27] Vgl. ebd. 4, 40, 3; vgl. auch Jürgen Malitz: Helvidius Priscus und Vespasian: Zur Geschichte der `stoischen´ Senatsopposition, in: Hermes 113 (1985), S.231-246, hier: S.245.

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Details

Titel
Programmatik im Panegyricus des jüngeren Plinius. Eine Lobrede als positives politisches Programm der Opposition?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V48404
ISBN (eBook)
9783638451239
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Programmatik, Panegyricus, Plinius, Eine, Lobrede, Programm, Opposition
Arbeit zitieren
Sebastian Brandt (Autor:in), 2005, Programmatik im Panegyricus des jüngeren Plinius. Eine Lobrede als positives politisches Programm der Opposition?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48404

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