Kenia und Äthiopien. Eine Evaluation mit dem Schwerpunkt der textilen Produktion und der Ausbildungsförderung


Bachelorarbeit, 2019

120 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Die Auswirkungen der globalen Bekleidungsproduktion

3 Vergleichende Analyse der im Fokus stehenden Länder
3.1 Länderprofil
3.2 Die politische Situation
3.2.1 Politisches Grundwissen
3.2.2 Tribalismus, Ethnizität und deren Konflikte
3.2.3 Korruption
3.3 Bevölkerungsstruktur und soziokulturelle Faktoren
3.3.1 Bevölkerungswachstum
3.3.2 Der Welthunger-Index
3.3.3 Altersstruktur
3.3.4 Migration
3.3.5 Entwicklung der Erwerbsfähigen
3.4 Ökonomische Situation
3.4.1 Wirtschaftliche Entwicklung
3.4.2 Staatsverschuldung
3.4.3 Der Außenhandel im Überblick

4 Untersuchung des Bildungssektors
4.1 Überblick über das allgemeine Schulsystem
4.1.1 Bildungssystem in Kenia und Äthiopien
4.1.2 Private Schulen im Vergleich zu öffentlichen Schulen
4.2 Einblick in die weiterführende Bildung
4.2.1 Berufliche Bildung und berufliche Perspektiven
4.2.2 Allgemeine Hochschulbildung

5 Untersuchung der lokalen Bekleidungsindustrie
5.1 Einblick in den textilen Sektor der im Fokus stehenden Länder
5.1.1 Die Entwicklung des textilen Sektors in Kenia und Äthiopien
5.1.2 Überblick bekannter Produzenten und Fabriken in der Bekleidungsbranche
5.1.3 McKinsey-Studie - Schwerpunkt zukünftiger Beschaffungsmarkt
5.2 Relevante Rahmenbedingungen - Zollvorteile und der Import von Altkleidern
5.2.1 Freihandelsabkommen - AGOA, COMESA, EBA
5.2.2 Problem - Vermarktung von Altkleidern

6 Die Umwelt- und Sozialstandards in der Bekleidungsindustrie
6.1 Einführung
6.1.1 Begriffsdefinition Sozial- und Umweltstandards
6.2 Allgemeiner Überblick über arbeitsrechtliche Bedingungen und den Arbeitsschutz
6.2.1 Arbeitsschutz
6.2.2 Arbeitszeitregelung
6.2.3 Lohnregelung
6.2.4 Kinderarbeit
6.2.5 Diskriminierung am Arbeitsplatz - Schwerpunkt Frauenrecht
6.3 Entwicklungspolitische Zusammenarbeit
6.3.1 DAAD und BMZ - Schwerpunkt Bildung
6.3.2 Die MDGs und die SDGs
6.3.3 Der Marshallplan für Afrika

7 Zusammenfassung und Fazit
7.1 Stärken und Schwächen der im Fokus stehenden Länder
7.2 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Vorwort

Die vorliegende Bachelorarbeit entstand im Rahmen meines Textiltechnik-Studiums mit dem Schwerpunkt Textilmanagement an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach.

Das Interesse zu vorliegender Arbeit entwickelte sich schon in den ersten Semestern meines Studiums, denn grundsätzlich widmete ich dem CSR-Management immer große Aufmerksamkeit. Daher besuchte ich von der Hochschule angebotene Veranstaltungen und Messen, um mehr über die globale textile Kette und die faire Beschaffung von Textilien zu erfahren.

Zur weiteren Vertiefung diente mein Praxissemester, das ich bei der Heinrich Heine GmbH in Karlsruhe im Kreativeinkauf absolvieren durfte. Ich war stets mit Lieferanten aus aller Welt in Kontakt, unter anderem auch aus China und Bangladesch, die wiederum Abnehmer aus beispielsweise Vietnam und Indien aufweisen konnten. Erst durch mein Praxissemester wurde mir bewusst, dass eine Nachverfolgung der textilen Lieferkette für einen Einzelnen Einkäufer kaum möglich ist, da zum Teil die nötige Transparenz fehlt. Mir stellte sich immer die Frage ob Entwicklungsländer die Bekleidungsindustrie als wirtschaftlichen Motor nutzen können, ohne dabei die gesellschaftliche Komponente außer Acht zulassen.

Ab diesem Zeitpunkt konnte ich mir ein Thema mit dem Schwerpunkt der internationalen Beschaffung unter Einhaltung von Sozialstandards durchaus vorstellen.

Daher gilt ein besonderer Dank meinem Betreuer Herrn Prof. Dr. rer. nat. Boris Mahltig, der mir das Thema: „Kenia und Äthiopien - Eine Evaluation mit dem Schwerpunkt der textilen Produktion und der Ausbildungsförderung“ zur Verfügung gestellt hat und mir bei fachlichen Fragen immer geholfen hat.

Weiteren Dank möchte ich meiner Familie und meinen Freunden aussprechen, die mich durch anregende Diskussionen inspiriert haben und mich bei schwierigen Phasen unterstützten.

Zusätzlich widme ich diese Arbeit meinen Eltern, die mich während meines gesamten Studiums jederzeit unterstützt haben.

Ulm, Mai 2019

Pauline Konkol

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die zehn wichtigsten Importländer für Bekleidung weltweit im Jahr 2017

Abbildung 2: Die zehn wichtigsten Exportländer für Bekleidung weltweit

Abbildung 3: Die geografische Lage Kenias

Abbildung 4: Die geografische Lage Äthiopiens Quelle: Transafrika.org

Abbildung 5: Allgemeine Übersicht der Demokratietypen

Abbildung 6: Vergleich des parlamentarisches und des präsidentiellen Systems

Abbildung 7: Übersichtskarte aller Regionen inkl. Landkreise Kenias

Abbildung 8: Übersicht - Äthiopiens Bundesländer Quelle?

Abbildung 9: CPI - Darstellung der Punkteübersicht

Abbildung 10: Darstellung der Prozessschritte der textilen Lieferkette

Abbildung 11: Übersicht über die CPI-Entwicklung von 2015-2018

Abbildung 12: Entwicklung der Geburtenrate zwischen 2005-2016

Abbildung 13: WHI-Wert für Äthiopien 2018

Abbildung 14: WHI-Wert für Kenia 2018

Abbildung 15: Wirtschaftswachstum des realen BIP in Kenia. Im Vergleich zum Vorjahr bis 2018.

Abbildung 16: Wachstum des realen BIP in Äthiopien im Vergleich zum Vorjahr bis 2018

Abbildung 17: Chinas Seidenstraße - ausgewählte Routen,

Abbildung 18: Schuldenentwicklung in Relation zum BIP in Kenia und Äthiopien

Abbildung 20: Äthiopiens Import in % der Gesamteinfuhr

Abbildung 20: Kenias Importgüter in % der Gesamteinfuhr 2017

Abbildung 22: Äthiopien - Übersicht Wirtschaftssektoren

Abbildung 22: Kenia - Übersicht Wirtschaftssektoren

Abbildung 24: Kenias Exportgüter in % der Gesamtausfuhr

Abbildung 24: Äthiopiens Exportgüter in % der Gesamtausfuhr

Abbildung 25: Übersicht der Bildungskarriere - Kenia und Äthiopien im Vergleich

Abbildung 26: Kenias Bildungssystem im Überblick

Abbildung 27: Äthiopiens Bildungssystem im Überblick

Abbildung 28: Vergleich der Bildungsqualität der Jahre 2008 und 2012 in Äthiopien

Abbildung 29: Entwicklung von BA.- und MA-Absolventen in Äthiopien von 2000-2012

Abbildung 30: Anzahl der eingeschriebenen Studierenden in Kenia

Abbildung 31: Die Top-10-Beschaffungsländer für Bekleidung in den kommenden fünf Jahren

Abbildung 32: Führende Beschaffungsländer - Eine Zukunftsaussicht für das Jahr 2020

Abbildung 33: Die 8 Millenniumsentwicklungsziele

Abbildung 34: Die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (SDGs)

Abbildung 35: Der Kern des Marshallplans

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht der vorhandenen Altersstrukturen in Kenia und Äthiopien

Tabelle 2: Vergleich des HDI-Index und der Einkommensverteilung

Tabelle 3: Deutsche Exporte von Altwaren nach Ostafrika im Jahr 2014 und 2015

Tabelle 4: SWOT - Analyse Äthiopien

Tabelle 5: SWOT - Analyse Kenia

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist eine der wichtigsten Konsumgüterbranchen in Deutschland und auf der Welt. Allein in Deutschland sind im Jahr 2017 rund 135.000 Mitarbeiter im textilen Sektor beschäftigt. (Vgl. Gesamtverband der deutschen Textil und Modeindustrie 2017) Dennoch breiten sich Folgen des Strukturwandels durch Beschäftigungsverlust in den Industrieländern aus. Auch die deutsche Textilindustrie hat laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Zeitraum von 1970 bis heute rund ein Zehntel ihrer Betriebe an die globale Industrie verloren. (Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019)

In Zeiten des globalen Welthandels werden fortlaufend Entwicklungs- und Schwellenländer als neue Produktionsstandorte hinzugezogen. Besonders die Textil- und Bekleidungsindustrie kann aufgrund einiger Prozesse entlang der textilen Kette auf eine kostengünstige Produktion zurückgreifen. (Vgl. Merkel et al. 2008) Anlässlich des veränderten Verbraucherverhaltens und der stetigen Wechselkursschwankungen werden Industrieländer vor eine große Herausforderung sowohl in der Beschaffung als auch in der globalen Bekleidungsproduktion gestellt. (Vgl. Berg et al. 2015)

Zudem ist die Bekleidungsproduktion derzeit in den führenden Produktionsländern in Asien durch stetig steigende Produktionskosten geprägt, dies führt wiederum zu kostengünstigeren Standort- und Beschaffungsalternativen. Diese alternativen Länder sollen größtenteils auf die schnelle und kostengünstige Massenproduktion spezialisiert werden (Vgl. Berg et al. 2015)

Inzwischen rücken besonders afrikanische Länder in den Fokus einer internationalen Bekleidungsproduktion. Dabei verfügt der afrikanische Kontinent über die ärmsten und bevölkerungsreichsten Länder weltweit. Denn er soll laut Schätzungen im Jahr 2050 mit insgesamt 2,5 Milliarden Menschen einen enormen Zuwachs der Bevölkerung gewinnen. (Vgl. Tempest 2016) Zudem sind große Teile des afrikanischen Kontinents trotz steigendem Wirtschaftswachstum durch hohe Arbeitslosenraten, Hunger, Unterernährung und mangelnde Schulbildung geprägt. Auch die afrikanischen Länder Kenia und Äthiopien haben mit den oben genannten Faktoren zu kämpfen. Dennoch scheinen beide Länder sich als potenzielle Zukunftsmärkte für die Bekleidungsproduktion zu entwickeln.

Doch hilft eine globale Textil- und Bekleidungsproduktion, die lokale Wirtschaft anzukurbeln, die Armut zu verringern und bessere Lebensstandards zu schaffen? Welche Rolle spielen dabei Schulbildung und Ausbildungsförderung?

Welche Unterschiede bestehen zwischen den Produktionsstandorten Kenia und Äthiopien? Besitzen die im Fokus stehenden Länder das Potenzial, sich zu einem renommierten und vor allem nachhaltigem Produktionsstandort für die Textil- und Bekleidungsindustrie zu entwickeln?

Die aus diesen Fragen resultierenden Antworten sollen aus der vorliegenden Arbeit hervorgehen, dabei wird der Fokus auf den Vergleich beider Länder gelegt. Denn grundsätzlich ist das Ziel herauszufinden, welche Stärken und Schwächen beide Länder besitzen, um daraus Schlüsse sowohl auf die Schulbildung auch auf die lokale und zukünftige Bekleidungsindustrie ziehen zu können. Sie soll nicht nur die allgemeine Situation der Länder darlegen, sondern auch die aktuelle Bildungssituation und die lokale Bekleidungsindustrie aufzeigen. Zudem soll die Arbeit Unternehmen, die eine Beschaffung oder eine Produktion in den oben genannten Ländern planen, oder auch Investoren, die sich in Äthiopien oder Kenia engagieren möchten, über alle relevanten Aspekte aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Sicht informieren.

Anzumerken ist, dass diese Arbeit aufgrund der rasanten Entwicklungen und Veränderungen in Äthiopien und Kenia keinen Anspruch auf letzte Aktualität erheben kann.

1.2 Aufbau der Arbeit

Grundsätzlich lässt sich die vorliegende Arbeit wie folgt gliedern: Der erste Teil der Arbeit ist die Einleitung; sie dient der Einführung in das Thema und umfasst ebenfalls den zweiten Punkt der Arbeit. Der zweite Punkt der Arbeit beginnt mit einer allgemeinen Übersicht der globalen Bekleidungsproduktion, dies soll ebenfalls der Einführung des Themas dienen, indem die Auswirkungen der Globalisierung auf die Bekleidungsproduktion aufgezeigt werden. Dabei wird darüber hinaus auf die Bedeutung der Textilbranche in der Industrialisierung eingegangen und die aktuell führenden Import- sowie Exportländer für die Bekleidung aufgezeigt.

Das dritte Kapitel widmet sich der vergleichenden Analyse der im Fokus stehenden Länder und gestaltet den ersten Teil des Hauptteils der vorliegenden Arbeit, dabei lässt sich dieses Kapitel in vier Unterpunkte unterteilen. Es stellt sowohl ein allgemeines Länderprofil als auch politische, ökonomische und gesellschaftliche Aspekte in den Vordergrund. Der erste Unterpunkt 3.1 gibt einen zusammenfassenden Überblick über relevante wirtschaftliche, geografische und landesspezifische Aspekte. Das Kapitel 3.2 umfasst alle für die Bekleidungsproduktion relevanten Faktoren. Es impliziert die aktuelle politische Lage und erklärt die allgemeine politische Situation bis hin zum Tribalismus und der Korruption. Dabei wird näher auf die unterschiedlichen Ethnien und die aktuellen politischen Auseinandersetzungen eingegangen. Um die Auswirkungen auf die aktuelle wirtschaftliche Lage besser verstehen zu können, wird die Bevölkerungsstruktur im Kapitel 3.3 näher betrachtet. Sie soll nicht nur relevante Daten aufzeigen, die sich aus einem Bevölkerungswachstum ergeben, sondern näher auf die Begebenheiten der Bevölkerung eingehen. Zuletzt wird in Kapitel 3.4 die ökonomische Situation näher beleuchtet, diese soll besser zur Entscheidungsfindung eines möglichen neues Beschaffungslandes dienen.

Der zweite Teil des Hauptteils inkludiert das Kapitel 4 und soll das allgemeine und lokale Schulsystem der im Fokus stehenden Länder analysieren. Dabei wird das Kapitel in zwei wesentliche Unterpunkte gegliedert. Zum einen den Unterpunkt 4.1 und zum anderen den Unterpunkt 4.2. Die Kapitel umfassen eine Untersuchung des allgemeinen Schulsystems sowie der weiterführenden Bildung. Aus der Analyse sollen wesentliche Stärken und Schwächen des Schulsystems hervorgehen. Diese sollen der späteren Findung von Stärken und Schwächen dienen.

Zum Abschluss des Hauptteils werden Kapitel 5, 6 und 7 miteinbezogen. In Kapitel 5 und 6 wird das Augenmerk hauptsächlich auf die Analyse der lokalen Bekleidungsindustrie gelegt. Dabei leitet das 5. Kapitel mit dem Kapitel 5.1 in den textilen Sektor ein. Denn es werden bisherige Entwicklungen der Bekleidungsindustrie aufgezeigt und bedeutende Aspekte aus der Sicht des Beschaffers und der im Fokus stehenden Länder erläutert. Zu diesen Punkten gehören nicht nur die Bedeutung von Freihandelsabkommen, sondern auch bestimmte gesetzliche Regelungen, die von beiden Seiten beachtet werden müssen.

Nach einem allgemeinen Überblick folgt mit dem 6. Kapitel die Untersuchung der Umwelt- und Sozialstandards. Das Kapitel 6.1 dient der Begriffsdefinition und soll dadurch den Einstieg erleichtern. Das Kapitel 6.2 befasst sich mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die sich rund um die Sozialstandards gestalten. Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit grundsätzlich auf die wirtschaftliche Entwicklung und Armutsreduktion in Bezug auf die Textilbranche und Ausbildung fokussiert wird, werden die Sozialstandards nur gestreift. Sie sollen dem allgemeinen Überblick dienen.

Um das letzte Drittel des Hauptteils abzuschließen, wird in Kapitel 6.3 die deutsche Entwicklungszusammenarbeit erläutert. Da der Fokus der vorliegenden Arbeit darauf liegt, das Wirtschaftswachstum zu steigern und zugleich die Armut zu senken, werden einige deutsche Organisationen und Verträge genannt, die auf eine positive Entwicklung ausgelegt sind.

Abschließend folgt mit Kapitel 7 die Zusammenfassung der vorhandenen Ergebnisse, diese werden mittels einer SWOT-Analyse aufgezeigt. Zu guter Letzt folgt die Beantwortung der Forschungsfragen mit anschließendem Fazit und Ausblick.

2 Die Auswirkungen der globalen Bekleidungsproduktion

Wird die Geschichte der Globalisierung betrachtet, so gilt die Bekleidungsindustrie als Vorläufer globaler Produktions- und Handelsprozesse. (Vgl. Merkel et al. 2008, S. 49-87) Mitte des 18. Jahrhunderts findet eine bedeutende industrielle Bewegung durch Großbritannien statt, die unter anderem durch revolutionäre technologische Entwicklungen wie den mechanischen Webstuhl oder auch die Dampfmaschine eingeleitet wurde. Von da an wird die Einzelproduktion von Kleinbauern und Webern durch große Industrien und Massenproduktion ersetzt. (Vgl. Bibliographisches Institut GmbH 2018)

Zu der Zeit gilt Großbritannien als einflussreichster Exporteur und Importeur der früheren Textilindustrie. (Vgl. Neugebauer & Gerhard 2014) Auch der Besitz mehrerer Kolonien gestaltete sich für Großbritannien als enormer Vorteil, denn dadurch konnten relevante Rohstoffe wie Baumwolle in den Kolonialgebieten angebaut und beschafft werden, ebenso konnte genug Wolle durch heimische Schafsherden und eigene Weiden produziert werden. (Vgl. Bibliographisches Institut GmbH 2018) Deutschland konnte sich Ende des 19. Jahrhunderts in der Textilbranche etablieren. Mit rund 3.260 Betrieben und rund 580.000 Beschäftigten wurde Großbritannien Paroli geboten. (Vgl. Neugebauer & Gerhard 2014)

Der deutsche Textil- und Bekleidungssektor beschäftigte Anfang des 20. Jahrhunderts rund 23 % der Gesamtbevölkerung. Der Sektor galt nicht nur als wichtige Einnahmequelle für den heimischen Markt, sondern stellte sich ebenfalls als relevanter Exporteur und Importeur von Textilien und Bekleidung heraus. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich der Markt jedoch an einem Tiefpunkt. (Vgl. Schnaus 2017) Die Erholung des Marktes erfolgte nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Boom trat in den 1950er Jahren ein, insbesondere lag der Schwerpunkt der Produktion bei Chemiefasern. (Vgl. Neugebauer & Gerhard 2014)

Die fortschreitende Globalisierung jedoch führte zu einem Strukturwandel in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Denn steigende Lohnkosten führen meist zu einer Automatisierung oder Mechanisierung der Produktionsschritte. (Vgl. Merkel et al. 2008, S. 49-87) Als Praxisbeispiel wird Mönchengladbach herangezogen. Mönchengladbach beschäftigt im 20. Jahrhundert rund 55.000 Mitarbeiter in insgesamt 650 Betrieben und ist zur damaligen Zeit eine Hochburg der Textil- und Bekleidungsindustrie in Deutschland. Durch die Durchführung der Produktionsschritte im Inland besitzt Mönchengladbach einen beeindruckenden Maschinenfuhrpark mit rund 1,2 Mio. Spinnmaschinen und 20.000 mechanischen Webstühlen. (Vgl. Verband der Rheinischen Textil und Bekleidungsindustrie e.V. 2018) Im Laufe der Jahrzehnte ist dem textilen Sektor in Mönchengladbach die Internationalisierung der Branche deutlich anzusehen. Denn im Vergleich zum 20. Jahrhundert beschäftigt Mönchengladbach nur noch ca. 3.200 Mitarbeiter mit rund 80 Unternehmen in der Textil- und Bekleidungsindustrie. (Vgl Porschen et al. 2015, S. 4) Das Schicksal des Zerfalls der Textilbranche teilten sich unter anderem auch weitere Industriestaaten wie England, Schweden, Frankreich und Dänemark. (Vgl. Merkel et al., 2008, S. 49-87)

Es folgte zunächst einmal angesichts der niedrigen Lohnkosten eine Auslagerung der Bekleidungsproduktion nach Südeuropa. (Vgl. Merkel et al. 2008, S. 49-87) Mit der Zeit veränderte sich aber auch das Konsumverhalten des Endverbrauchers, meist mit dem Ziel, die neuste Ware zu möglichst günstigen Preisen zu besitzen. Daraus entwickelten sich relativ schnelllebige Produktlebenszyklen in der Modeindustrie. Diese führten wiederum zu einer verschärfen Wettbewerbssituation und einem hohen Konkurrenzdruck der Modeunternehmen. (Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019) Daher rückten nach und nach immer mehr Entwicklungsländer wie China, Indien und Taiwan in den Vordergrund. Die Bekleidungsindustrie eignet sich hervorragend für eine kostengünstige Produktion, da die textile Kette einige Prozessschritte enthält, die nur eine geringe Qualifizierung der Arbeitskräfte benötigt. Prozesse, die jedoch eine höhere Qualifizierung benötigen, werden meist eigens durch die Industrieländer durchgeführt. (Vgl. Merkel et al. 2008, S. 49-87) So entstanden Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts neue Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländern, die auch hier zum Teil eine Industrialisierung herbeigeführt haben. Dies schafft in erster Linie Arbeitsplätze in Entwicklungsländern und kurbelt die Wirtschaft an, jedoch werden meist Sozial- sowie Umweltstandards enorm vernachlässigt, was zu Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen führt. (Vgl. Merkel et al. 2008, S. 49-87)

Um das Ausmaß der Globalisierung besser erläutern zu können, zeigt die Arbeit unter anderem eine Statistik über die wichtigsten Importländer für Bekleidung weltweit (siehe Abb. 1). Diese Statistik zeigt den Bedarf an importierter Bekleidung in den Industriestaaten.

Deutschland belegt mit einem Einfuhrwert von 37,31 Mrd. US-Dollar im Jahr 2017 den zweiten Platz. Führender Importeur sind die USA mit rund 91,3 Mrd. US-Dollar. Die Volksrepublik China gilt seit Jahrzehnten als attraktiver Produktionsstandort für die Industriestaaten. (Vgl. Statista 2019)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die zehn wichtigsten Importländer für Bekleidung weltweit im Jahr 2017.

Quelle: Statista (2019)

Vor allem die Bekleidungsindustrie profitierte einst durch niedrige Lohn- und Unterhaltungskosten. (Vgl. Merkel et al. 2008, S. 49-87) Auch im Jahr 2017 ist China mit einem Exportvolumen von rund 158,49 Mrd. US-Dollar führender Exportweltmeister für Bekleidung. (Vgl. Statistisches Bundesamt 2019)

Die chinesische Bekleidungsindustrie befindet sich jedoch im Wandel. Obwohl China weiterhin als weltweit führender Exporteur für Bekleidung gilt, sagen Prognosen einen enormen Exportrückgang in den nächsten Jahrzehnten voraus (siehe Abb. 2). Denn aufgrund des steigenden Kostenfaktors werden kostengünstigere Alternativen aufgegriffen. Dieser Prozess lässt sich unter anderem schon durch die USA und die EU-Staaten beobachten, indem neue Märkte in Entwicklungsländern wie beispielsweise Bangladesch und Vietnam geschaffen werden. (vgl. Preuss, 2016) Bangladesch besitzt mit einem Ausfuhrwert von 29,21 Mrd. US-Dollar eine aufstrebende Textilbranche, dicht gefolgt von Vietnam mit einem Ausfuhrwert von 27,78 US-Dollar (siehe Abb. 2). Auch in Deutschland ist Bangladesch mit einem Einfuhrwert von rund fast 5 Mio. € (Stand 2017) ein beliebter Importeur für Bekleidung, dies wird wohl an den geringen Lohnkosten im Land liegen. (Vgl. Statistisches Bundesamt 2019)

Die zehn wichtigsten Exportländer für Bekleidung weltweit im Jahr 2017 (Exportwert in Milliarden US-Dollar)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die zehn wichtigsten Exportländer für Bekleidung weltweit.

Quelle: Statista (2019)

Die dargelegten Entwicklungen zeigen, dass auch in Zukunft ein enormer Bedarf an einer Produktion oder einem Einkauf von Stoffen in Entwicklungsländern bestehen wird. Es werden immer mehr neue Entwicklungsländer als Textillieferanten und Textilproduzenten hinzugezogen. Aufgrund der im Vergleich niedrigen Lohn- und Unterhaltungskosten wird neuerdings auf afrikanische Länder zugegriffen. Daher betrachtet die folgende Arbeit Kenia und Äthiopien als mögliche Zukunftsmärkte für die Bekleidungsindustrie im Vergleich.

3 Vergleichende Analyse der im Fokus stehenden Länder

Das folgende Kapitel zur Analyse der im Fokus stehenden Länder soll dabei helfen, einen groben Überblick über relevante Aspekte für die Bekleidungsproduktion in Kenia und Äthiopien zu erlangen. Dabei wird sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart eingegangen. Denn es gilt herauszufinden, ob eine Produktion in den Entwicklungsländern wie Kenia und Äthiopien die Staaten nicht nur wirtschaftlich voranbringt, sondern auch, ob sie den aktuellen Lebensstandard verbessern kann.

Des Weiteren werden Punkte untersucht, die relevant sind für die, die einen Standortwechsel planen; so werden kurz sowohl politische Probleme als auch wichtige ökologische und ökonomische Gesichtspunkte angesprochen. Es gilt herauszufinden, welche Stärken und Schwächen diese Länder besitzen und ob eine Ausbeutung durch die Schaffung neuer Fabriken und der schnelllebigen Bekleidungsindustrie unabdingbar scheint.

3.1 Länderprofil

Der ostafrikanische Staat Kenia erstreckt sich mit einer Gesamtfläche von rund 580.367 km2 über den Äquator. Er grenzt im Nordosten an Somalia, im Norden an Äthiopien, im Nordwesten an den Sudan, im Westen an Uganda und im Süden an Tansania. Hinsichtlich der unterschiedlichen Grenzverläufe treten diverse sowohl politische als auch wirtschaftliche Konflikte mit den Nachbarländern auf. Kenia sticht ebenfalls durch sehr vielfältige landwirtschaftliche Gegebenheiten und unterschiedliche Klimata heraus. (Vgl. Ehlert 2018) Das Klima wird in unterschiedliche Klimazonen unterteilt: eine tropisch feuchte Ostküste und ein heißer regnerischer Westen sowie das tropische Klima in der Hauptstadt Nairobi. Obendrein befindet sich der zweithöchste Berg in Afrika mit einer Höhe von ca. 5.199 m im Landesinneren. Gleichzeitig besitzt Kenia eine große Flächen des Landes bedeckende Savanne mit sehr trockenem Boden; diese dehnt sich über weitere Teile von der Mitte bis hin zum Norden des Landes aus. Durch den trockenen Savannen-Boden ergeben sich erschwerte Bodenbedingungen, die landwirtschaftliche Arbeiten ausschließen und Hungersnöte fördern. Vor allem in nördlichen Regionen mussten in der Vergangenheit zahlreiche Hilfsorganisationen mit Lebensmitteln aushelfen. Auch die natürlichen Ressourcen des Landes sind bedroht, da Kenia ein sehr wasserarmes Land ist, aber dennoch als Agrarstaat dient. (Vgl. Ehlert 2018)

Kenias Amts- und Handelssprachen sind Englisch und Kisuaheli, da Kenia wie viele ostafrikanische Länder durch eine Vielzahl von Ethnien geprägt wird, werden schätzungsweise ca. 50 unterschiedliche Sprachen gesprochen. (Vgl. Berger 2009, S. 31) Die aktuelle Einwohnerzahl im Jahr 2017 wird laut Statista auf ca. 48. Mio. Einwohner geschätzt. (Vgl. Statistisches Bundesamt 2018)

Politisch gehörte Kenia seit 1895 dem British Empire an; erst 70 Jahre später, am 12. Dezember 1963, hat der Staat die Unabhängigkeit erlangt und ist seitdem eine Präsidialrepublik. Von da an waren bisher vier Präsidenten an der Macht, die alle der Partei des Staatsgründers Jomo Kenyatta, der „Kenya African National Union“, angehörten. Der heutige Präsident Uhuru Kenyatta, der Sohn des Staatsgründers, regiert seit der Präsidentschaftswahl im März 2013. (Vgl. GIZ; Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit 2016)

Laut dem Human-Development-Index gehört Kenia immer noch zu den 50 ärmsten Ländern der Welt, (Vgl. Ehlert 2018) denn Kenia belegt im Jahr 2015 den 146. Rang des HDI- Indexes. (Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 2017) Im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern wie beispielsweise Tansania und Uganda verzeichnet der Staat jedoch eine geringere Armutsrate. (Vgl. Ehlert 2018)

Die Armut eines Landes sowie die Bevölkerungsentwicklung können durch verschiedene Kennzahlen erschlossen werden; hierzu dient unter anderem der Human-Development- Index (HDI-Index). Hier wird nicht nur auf die ökonomische Situation wie das BIP eingegangen, sondern es stehen auch eine Vielzahl anderer wichtigen Aspekte im Vordergrund; unter anderem auch die generelle Lebenserwartung sowie der aktuelle Bildungsstatus. (Vgl. Freie Universität Berlin 2019)

Das sogenannte Horn Afrikas, Äthiopien, ist das Nachbarland Kenias und liegt ebenfalls im Osten des afrikanischen Kontinents nördlich von Eritrea und Dschibuti, östlich von Somalia und Kenia, westlich vom Südsudan. Mit einer Größe von ca. 1,1 Mio. km2 ist es fast doppelt so groß wie Kenia. (Vgl. Scurrell 2018)

Auch Äthiopien tritt durch unterschiedliche Klimazonen hervor. Das Land ist durch Mittelgebirge charakterisiert; fast die Hälfte der äthiopischen Landesfläche liegt über 1.200 Höhenmeter, der größte Teil liegt sogar bei über 3.500 Höhenmetern. Daher gestaltet sich das Klima von tropisch heißen 27 C° bis hin zu kühlen 16 C° in den Bergregionen. Des Weiteren wird Äthiopien regelmäßig durch Erdbeben heimgesucht, da es sich mitten im Afrikanischen Grabenbruch befindet. (Vgl. Scurrell 2018)

Geschichtlich gehört Äthiopien zu den ältesten Staaten des afrikanischen Kontinents. Im Gegensatz zu Kenia ist der Binnenstaat Äthiopien nie kolonialisiert worden, allerdings wurde Äthiopien während des Zweiten Weltkrieges von Italien besetzt. Nach dem Sturz des Kaisers 1974 erfolgte 1975 die Abschaffung der Monarchie und das Land wurde durch eine sozialistische Militärdiktatur regiert. Diese wurde durch Hungersnot und militärische Konflikte geprägt. (Vgl. Giz; Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit 2017)

Heute ist Äthiopien ein föderaler Staat und wird seit 2018 von Dr. Sahle-Work Zewde regiert. (vgl. Scurrell, 2018) Laut Schätzungen des GTAI Äthiopien besitzt 2017 rund 94,1 Mio. Einwohner und zählt somit zu den bevölkerungsreichsten Länder Ostafrikas. Der Staat zählt wie Kenia zu den ärmsten Ländern der Welt und belegt im HDI-Index 2016 rund 20 Ränge unter Kenia den 174. Platz von 188 Ländern. Eine schnell wachsende Bevölkerung führt trotz stetigem Wirtschaftswachstum zu Armut und Hungersnot im Land; die man durch verschiedene Hilfsorganisationen und politische Entwicklungszusammenarbeit zu bekämpfen versucht. Bisweilen wird geschätzt, dass rund 33 % der Bevölkerung in Armut leben. (Vgl. GIZ; Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit 2019)

Äthiopiens Amtssprache ist Amharisch, da in dem Vielvölkerstaat laut Schätzungen des Länderinformationsportals rund ca. 80 unterschiedliche ethnische Gruppen leben, ist die Sprachenvielfalt des Landes enorm. Insgesamt sind daher schätzungsweise rund 70 lokale Sprachen in Gebrauch, diese Angaben beruhen jedoch auch auf Schätzwerten und gestalten sich je nach Quelle unterschiedlich. Trotz einer Vielfalt an Sprachen wird ab der Sekundarstufe einheitlich in Englisch gelehrt. (Vgl. Scurrell 2018)

3.2 Die politische Situation

Eine stabile politische Situation trägt mitunter zum Wohlstand eines Landes bei und ist außerdem ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung. Dies geht aus einer Studie des Berlin Institutes für Bevölkerung und Entwicklung hervor, die einige afrikanische Staaten auf ihre Wirtschaftlichkeit und ihren Wohlstand untersucht. Weitere Ergebnisse dieser Studie besagen, dass die politisch stabilsten afrikanischen Länder wie Tunesien, Südafrika, Ghana, Sambia und Marokko zugleich auch eine der positivsten wirtschaftlichen Entwicklungen in Afrika aufweisen. (Vgl. Kröhnert et al. 2012)

Gleichzeitig kann Politik Bildung fördern und die entwicklungspolitische Zusammenarbeit stärken, denn die politische Lage kann für Investoren ausschlaggebend für eine Entscheidung zugunsten eines Standortes sein. Schließlich soll sich eine Investition sowohl für den Investor als auch für die Produktionsstaaten als gewinnbringend herausstellen, denn eine politisch stabile Regierung führt zu weniger Konflikten und Gewalt unter der Bevölkerung. Dies führt wiederum zu einer besseren Grundzufriedenheit der Bevölkerung, da auf deren Bedürfnisse eingegangen wird.

Die politische Stabilität zählt also zu den wichtigen Bausteinen der Wirtschaft und ist relevant für die Erschließung neuer Zukunftsmärkte wie der Bekleidungsbranche. Zudem trägt sie zum Wohlstand des Landes bei und führt zu weniger Auswanderungen. Daher betrachtet das nachfolgende Kapitel die allgemeine politische Situation der im Fokus stehenden Länder. Zunächst wird das Regierungssystem erläutert und anschließend werden politische Konflikte und Probleme der Vergangenheit und der Gegenwart aufgezeigt und mögliche Lösungsansätze dargestellt.

3.2.1 Politisches Grundwissen

Seit der Unabhängigkeit Kenias gilt der Staat als Republik mit ausreichender Regierungs­und Machtbefugnis. (Vgl. Ehlert 2019) Ab dem Zeitpunkt der Unabhängigkeit besitzt Kenia eine klassische Form der demokratischen Präsidialpolitik mit einem Mehrparteiensystem. (Vgl. Jansen & Lerch 2010)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Allgemeine Übersicht der Demokratietypen.

Quelle: Onlinelehrbuch der Demokratie, Autor: Dr. Ragnar Müller (1998-2013)

Damit lässt sich Kenia zu den präsidialen Demokratien zählen und ist mit der parlamentarischen Demokratie eine Grundform der Repräsentativen Demokratie (siehe Abb. 5). Bei diesem System spielt das Parlament bei politischen Entscheidungen wie der Gesetzgebung, der Kontrolle des Staatsbudgets und der Regierung eine signifikante Rolle. (Vgl. Demokratiezentrum Wien 2019)

Darüber hinaus werden das Parlament sowie der Präsident vom kenianischen Volk gewählt und es herrscht eine strikte Gewaltenteilung; also eine Trennung von Regierung und Parlament. (Vgl. Demokratiezentrum Wien 2019) In der Exekutive besitzt der Staatspräsident Uhuru Kenyatta weitreichende Vollmachten die ihm ausreichende Regierungs- und Machtbefugnisse verschaffen. Ihm unterliegt sowohl die Regierung als auch die Gesamtheit aller militärischen Organe. (Vgl. Auswärtiges Amt 2017) Im kenianischen System fungiert der Präsident ebenfalls als Regierungschef, er regiert gemeinsam mit dem Vizepräsidenten. (Vgl. Aussenwirtschaftszentrum Bayern (AWZ), 2018)

Das politische System Kenias befindet sich seit dem Jahr 2008 in einem regen Umbruch. Am 04.08.2010 wurde eine neue Verfassung eingeführt, die zur Demokratisierung des Landes führte und den Staatsaufbau veränderte. Dabei wurde der bisher zentralistisch gesteuerte Staat dezentralisiert, um das Parlament zu stärken und die Macht des Präsidenten einzuschränken. (Vgl. Ehlert 2019) Die Dezentralisierung der Verwaltung trat am 4. März 2013 in Kraft. (Vgl. Auswärtiges Amt 2017) Im Zuge dessen gab es weitreichende Änderungen der Verfassung, indem eine neue Nationalversammlung, der Senat, die Bezirksgouverneure, Bezirksversammlungen und Frauenvertreterinnen gewählt wurden. (Vgl. Auswärtiges Amt 2017)

Der Aufbau des aktuellen Staates ist unter anderem in acht Regionen unterteilt, die sich wie folgt in Coast, North Eastern, Eastern, Rift Valley, Western, Nyanza, Central und Nairobi gliedern lassen. In diesen acht Regionen sind aktuell statt der bisherigen 100 Verwaltungsdistrikte - auch Counties genannt - nun genau 47 Counties verteilt (siehe Abb. 7). (Vgl. Ehlert 2019)

Jedes der einzelnen Counties besitzt einen vom Volk gewählten Vertreter. Die Vertreter der jeweiligen Distrikte bilden dann den Senat. Durch diese Regierungsstruktur erhält jeder einzelne Distrikt theoretisch mehr Macht sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung. Ein weiterer daraus resultierender Vorteil ist das höhere Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung. Leider sind all die genannten Aspekte nur theoretische Vorteile, die praktisch laut dem Länderinformationsportal nicht wirklich ausgeschöpft werden, denn die Regierung der bisherigen Präsidenten wurde eher zentral ausgeführt, mit dem Ziel, möglichst viel Macht zu besitzen und zu bündeln. (Vgl. Ehlert 2019)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Übersichtskarte aller Regionen inkl. Landkreise Kenias

Quelle: ResearchGate (2019)

Vergleich des Parlamentarischen Systems und des Präsidentiellen

Abbildung 6: Vergleich des parlamentarisches und des präsidentiellen Systems.

Quelle: Onlinelehrbuch der Demokratie, Autor: Dr. Ragnar Müller (1998-2013)

Äthiopiens aktuelle Verfassung wurde nach dem Fall der Militärdiktatur im Jahre 1994 neu aufgesetzt. Von da an ist der Staat im Gegensatz zu Kenia theoretisch eine parlamentarische Demokratie mit bundesstaatlich föderativer Ordnung. (Vgl. Scurrell 2019) Im Gegensatz zum präsidentiellen System herrscht bei der parlamentarischen Demokratie keine strikte Gewaltenteilung, was bedeutet, dass die Exekutive und die Legislative miteinander verbunden sind. Das Parlament wird bei diesem System vom Volk gewählt, jedoch nicht der Regierungschef. Des Weiteren wird hier von einer doppelten Exekutive gesprochen, da sowohl ein Staatschef als auch ein Regierungschef vorhanden sind (Abbildung 6). (Vgl. Demokratiezentrum Wien, 2019)

Zudem gehört der Staat zu den wenigen Bundesstaaten auf dem afrikanischen Kontinent. Der Bundesstaat wird in insgesamt neun Bundesländer und zwei Stadtstaaten gegliedert. (Vgl. Scurrell 2019)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Übersicht - Äthiopiens Bundesländer Quelle?

Die Grenzen der Bundesländer sind nach ethnischen Siedlungsgebieten aufgeteilt, daher wird Föderalismus in Äthiopien auch als ethnischer Föderalismus bezeichnet. (Vgl.Scurrell 2019) Dieser wurde 1994 nach dem Sturz des militärischen Regimes durch die EPRDF (Ethiopian People’s Revolutionary Democratic Front) eingeführt; mit dem grundsätzlichem Ziel der Bekämpfung der Armut. Die EPRDF war ursprünglich eine Koalition aus folgenden Parteien: TPLF, ANDM, OPDO, EPDM. (Vgl. Hirt 2018) Die Mitgliederparteien stammen aus dem Derg-Regime und sind für den Sturz der militärischen Regierung verantwortlich. Im Jahr 2003 wurde die Koalition mit all ihren Mitgliedern zu einer Partei zusammengeschlossen und ist bis dato die stärkste Partei Äthiopiens. (Vgl. Hess 2005)

Seit dem 25. Oktober 2018 fungiert erstmalig in der äthiopischen Geschichte eine Frau als Staatschefin. Sie übernahm den Posten von Dr. Mulatu Teshome, nachdem dieser überraschend seinen Rücktritt nach fünf Jahren Amtszeit verkündete. Sie gilt als Hoffnungsträgerin für eine Verbesserung der allgemeinen Menschenrechte. Als Regierungschefin stehen ihr hauptsächlich repräsentative Aufgaben zu. Die Amtszeit im Präsidentenamt beträgt in Äthiopien insgesamt fünf Jahre und darf einmal verlängert werden. (Vgl. Deutsche Welle 2018)

Der Premierminister dient als Regierungschef; in der Regel ist er der Vertreter der größten Fraktion im Parlament und für die Ernennung der Minister im Ministerrat zuständig. Dieser Posten wird seit April 2018 durch Abiy Ahmed Ali besetzt (siehe Kapitel 3.2.2). (Vgl. Scurrell 2019)

3.2.2 Tribalismus, Ethnizität und deren Konflikte

Als Ethnie wird eine Gruppe bezeichnet, die als eine Gemeinschaft angesehen werden kann. Dabei können Ethnien durch eine gemeinsame Kultur, dazu gehören auch Sprache, Religion, gemeinsame Normen, Werte und Traditionen, identifiziert werden. Des Weiteren sind die gemeinsame Herkunft und Geschichte sowie besondere Bevölkerungsstrukturen, physische Merkmale und Verhaltensweisen die Basis einer Ethnie. (Vgl. Spektrum - Akademischer Verlag 2001)

Ein tribalistisches Regime ordnet die Stammeszugehörigkeit und dessen soziale, politische, wirtschaftliche sowie kulturellen Interessen vor der Staatsangehörigkeit an. (Vgl. Spektrum 2001) Den Ursprung hat der Tribalismus schon in der Kolonialzeit. Die britische Kolonie schürte Konflikte zwischen den größeren Stämmen wie den Kikuyu und den Luos in Kenia und trennte sie räumlich. Dadurch konnte das Land besser unter Kontrolle gehalten und Volksaufstände vermieden werden. Nachdem Kenia im Jahr 1963 die Unabhängigkeit erlangte, machten sich immer mehr ethnische Konflikte bemerkbar und die Stammeszugehörigkeit gewann an Bedeutung. So wurden auch die ersten Parteien nach ethnischer Zugehörigkeit gegründet, demnach vereinten sich die Kikuyu und die Luos, um die KANU zu gründen, und ein Stammesangehöriger der Kalenjin bildete die Kenya African Democratic Union. (Vgl. Hilse & Nyambura 2017)

Wie viele afrikanische Länder wird Kenia durch unzählige Volksstämme definiert, diese tragen verstärkt zu Konflikten bei. In Kenia befinden sich laut Schätzungen um die 40 unterschiedliche Stämme, wobei die jeweiligen Untergruppen nicht mitgezählt werden. Zu den einflussreichsten kenianischen Ethnien lassen sich die Kikuyu, die Luos, die Luhaya, die Kalenjin und die Kambas zählen. (Vgl. Hilse & Nyambura, 2017) Keine dieser Ethnien besitzt die absolute Mehrheit der Bevölkerung. Die Kikuyu gehören zahlenmäßig mit 20 % der Bevölkerung zum größten Stamm, dicht gefolgt von den Luos mit 15 %. Aufgrund dieser geringen Mehrheiten konkurrieren andere Stämme stark untereinander und es herrschen große Machtkämpfe, denn die Kikuyu waren von Beginn der Unabhängigkeit an der Macht und besitzen seither einen stark dominierenden Status. (Vgl. Laurien 2018, S. 138-142)

Politisch betrachtet ist solch ein System eher destruktiv, denn es schürt mehr Konflikte als das es zum Frieden beiträgt, da jeder Stamm nur an seinem eigenen Wohl interessiert ist. So wird sich vor allem im Wahlkampf ein vermeintlicher politischer Vorteil verschafft und Stämme werden gegeneinander aufgehetzt. (Vgl. Laurien 2018, S. 138-142)

Die letzten Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Ethnien fanden bei den Präsidentschaftswahlen 2017 statt. Es kandierte Uhuru Kenyatta, der den Kikuyu angehört, gegen Raila Odinga, der sich zu den Luos zählt. Nach verlorener Wahl beschuldigte Odinga Kenyatta des Wahlbetrugs. Daraufhin folgten große Unruhen und Vandalismus auf den Straßen. Die Wahl wurde trotz des Vorwurfs von der zuständigen Wahlkommission als gültig erklärt. Auch in den vorherigen Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2007 und 2013 kam es zu großen ethnischen Konflikten. Im Jahr 2007 waren die Ausschreitungen so schwerwiegend, dass rund 1.000 Menschen ihr Leben verloren. In beiden Wahlen trat Raila Odinga ebenfalls die Kandidatur an. (Vgl. Die Zeit Online 2017)

Seit den Wahlen 2017 hat sich die ethnische Spaltung verschärft, was regionale Ungleichheiten und enorme Wohlstandsunterschiede in den Regionen zur Folge hatte. Im März 2018 wurde jedoch ein Friedenspakt zwischen Kenyatta und Odinga geschlossen, mit dem Ziel der Festigung des nationalen Zusammenhalts und der Auflösung der nationalen Konfliktsituationen. Dieser Friedenspakt - der sogenannte Unity Deal - soll bis 2022 komplett umgesetzt werden. Die Inhalte schließen unter anderem die Bekämpfung von Korruption und Tribalismus mit ein. Auch eine neue Verfassung soll aufgesetzt werden, die besagt, dass zwischen der dezentralen und nationalen Verwaltungsebene noch die Regionalverwaltung treten soll. (Vgl. Spelten 2018)

Ob der Unity Deal die erhoffte Wendung bringt und den kenianischen Staat sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich voran bringt, lässt sich aus Sicht der Bundeszentrale für politische Bildung nur schwer vorhersehen, denn schon in der Vergangenheit konnten Friedensreformen durch die ethnische Rivalität unter den Völkern sowie herrschende Korruption nicht erfolgreich umgesetzt werden. (Vgl. Spelten 2018)

Der föderalistische Staat Äthiopien hat mit rund schätzungsweise 80 differenzierten Volksgruppen, mehr als drei unterschiedlichen Religionen und rund 70 offiziell bekannten Sprachen gleichermaßen stark mit ethnischer Trennung und ethnischer Gewalt zu kämpfen. (Vgl. Scurrell 2019)

Das ethnische Föderalismusmodell gilt als umstritten. Befürworter sehen eine Befreiung der zentralistischen Regierung und deren verbundene Rechte als großen Vorteil. Denn so hat beispielsweise jede Region das Recht zur Nutzung der eigenen Sprache. Gegner hingegen kritisieren die Politisierung der verschiedenen ethnischen Gruppen und sehen dies als Folge von ethnischen Konflikten und Machtkämpfen. (Vgl. Scurrell 2019)

Der Ursprung ethnischer Konflikte lässt sich auf die Geschichte Äthiopiens zurückführen. Äthiopien wurde zwar von einer Kolonialisierung verschont, jedoch wurde es von 1935­1941 von Italien besetzt. Während dieser Zeit entwickelten dominantere Volksgruppen ein Machtgefühl gegenüber den nicht so mächtigen Volksstämmen. Dabei spielte vor allem die religiöse Herkunft der Ethnie eine große Rolle. So entstanden schon früh Konflikte zwischen den dominanteren christlich-orthodoxen Volksstämmen der Amhara und Tigray sowie den verbleibenden schwächeren, überwiegend muslimisch oder christlich-evangelischen Gruppen. (Vgl. Hirt 2018)

Wie vorab dargelegt, wird im heutigen Äthiopien der größte Teil der Bundesländer dezentral gesteuert und in Regierungsbezirke, Kreise und Gemeinden unterteilt. Die äthiopischen Bundesländer sind stark ethnisch geprägt und nach ethnischen Siedlungen gegliedert. In der äthiopischen Verfassung ist das Recht auf Selbstbestimmung jeder ethnischen Gruppe fest verankert. (Vgl. Scurrell 2019) Dies fördert nicht nur politisch-ethnische Konflikte, sondern auch ethnische Machtkämpfe unter Bauern, die um landwirtschaftliche Nutz- sowie Grenzgebiete kämpfen. (Vgl. Völkel 2018)

Äthiopiens Staat wird durch die ethnisch geprägte EPRDF regiert. Diese Partei wurde durch die Volksbefreiungsfront Namens „Tigray“ und der „TPLF, während des langanhaltenden Bürgerkriegs gegründet. (Vgl. Hess 2005) In dieser Zeit entstanden die Mitgliedsparteien der EPRDF, die zur damaligen Zeit zur Opposition angehörten und unter anderem für die Befreiung des Derg-Regimes mitverantwortlich waren. (Vgl. Hess 2005) Die TPLF ist die beherrschende Kraft der EPRDF und besitzt einen autoritären, fast schon diktatorischen Führungsstil. (vgl. Völkel, 2018) Ihr wird unter anderem die Unterdrückung und Verfolgung der Oromos und anderer Volksgruppen vorgeworfen. (Vgl. Human Rights Watch 2005) Zudem wird das Machtverhältnis deutlich gestärkt, seitdem die Opposition alle Sitze im Parlament verloren hat. (Vgl. Völkel 2018)

Der jüngst anhaltende ethnische Protest begann im Jahr 2015 und fand in den Gebieten Amhara und Oroma statt. Die Ursache dieser Ausschreitungen waren Pläne der Regierung. Deren Konzept sollte zu einer Ausweitung der Hauptstadt Adis Abeba führen, indem angrenzende Gebiete des Bundesstaates Oromia mit einbezogen werden. (Vgl. Körner 2018) Dieses Projekt führte sowohl unter Anhängern wie Gegnern zu unzähligen gewaltsamen Protesten, mehreren Verhaftungen, Ermordungen und Entführungen an Oppositionspolitikern. (Vgl. Völkel 2018) Folglich stritten sich die Bundesländer (wie die Amhara und die Tigray) um die angrenzenden Gebiete, zusätzliche Religionskonflikte führten zur Vertreibung von mehr als über 1. Mio. Mitbürgern; überdies kam es zu weiteren Protesten infolge der Vernachlässigung und Ausgrenzung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. (Vgl. Körner 2018) Anlässlich der gewaltsamen Proteste auch zwischen der Staatsmacht und den Bürgern wurde durch die Regierung sogar zweimalig (2017 sowohl 2018) ein Ausnahmezustand verhängt. Nach vergangenen Protesten kündete der damalige Premierminister Haile Mariam Desalegen seinen Rücktritt an; als Nachfolger folgte Abiy Ahmed Ali. (Vgl. Völkel 2018)

Dieser gilt als Revolutionär und Hoffnungsträger des Staates. Er besitzt durch seinen Vater (ein muslimischer Oromo) und seine Mutter (eine christliche Amharin) eine multikulturelle Herkunft. Aufgrund dieser Herkunft setzte er sich relativ früh mit konfessionellen Konflikten auseinander. (Vgl. Signer 2018) Er selbst gehört den Oromos an, dadurch wird ein Strukturwandel der Regierung prophezeit. Der Stamm nimmt ein Drittel der äthiopischen Bevölkerung ein und wurde stets von den autoritär geprägten Amhara und der Minderheitsgruppe der „Tigre“ stark unterdrückt. Diese Gruppierungen übten seit ca. 25 Jahren weitestgehend sowohl politische wie wirtschaftliche Macht über das ganze Land aus und waren bis dato für die Kontrolle des Militärs und Geheimdienstes zuständig. (Vgl. Schadomsky 2018)

Der neue Premierminister konnte binnen kürzester Zeit schon erste Erfolge bei der Reformation des Staates erzielen. Zum einen wurde der langanhaltende gewaltsame Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien durch ein Friedensabkommen beendet. Zum anderen ist er verantwortlich für die Freilassung mehrerer oppositioneller Gefangenen. Zudem wurde die Frauenquote seit seiner Amtszeit im Parlament um einiges erhöht und das Kabinett verkleinert. Viele Bürger loben die Veränderungen, jedoch kann genau dieses rasche Vorgehen laut Rashid Abdi (International Crisis Group) gegen das festgefahrene alte Regime zu Konflikten führen. (Vgl. Staude 2019)

3.2.3 Korruption

Korruption ist ein weitläufiger Begriff und wird von Transparency International Deutschland e. V. auf folgende Weise wiedergegeben: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“ (Transparency International Deutschland e.V., 2019) Der Duden hingegen definiert Korruption wie folgt: „Verhältnisse, in denen korrupte Machenschaften das gesellschaftliche Leben bestimmen und damit den moralischen Verfall bewirken.“ (Duden, 2019) Aus beiden Definitionen geht ein Missbrauch oder auch eine Manipulation der eigenen Entscheidung oder auch des öffentlichen Amtes hervor. Korrupte Täter sind meist schwierig oder kaum festzustellen. Transparenz bei der Korruption wäre jedoch durchaus von Vorteil, denn sie schadet sowohl der politischen als auch der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes. (Vgl. Transparency International Deutschland e.V. 2019)

Die Auswirkungen behindern nicht nur die wirtschaftliche und politische Entwicklung eines Landes, indem bspw. öffentliche Mittel veruntreut werden. Auch die Entwicklung jedes einzelnen Bürgers kann durch korruptes Handeln im tertiären Sektor stark beeinflussbar sein. Als Beispiel dient die Erhebung von Schmiergeldern für lebensnotwendige Dienstleistungen der Polizei. (Vgl. Prof.em.Dr.Röhl 2012)

Die Messung der Korruption kann durch den Korruptionswahrnehmungsindex - kurz CPI - erfolgen. Dieser wird durch die Transparency International festgelegt. Dabei ist der CPI nur im öffentlichen Sektor vertreten (Politik und Verwaltung), der private Sektor eines Landes wird nicht betrachtet. Er umfasst einen Umfang von 180 Ländern und bewertet verschiedene Aspekte in Punkten von einer Skala von null bis 100 (siehe Abb. 9) (Vgl. Transparency International Deutschland e.V. 2019)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: CPI - Darstellung der Punkteübersicht.

Quelle: Korruptionswahrnehmungsindex - Flyer des Transparency International Deutschland e. V. (2018)

Vor allem in der globalen Textilindustrie ist die Korruption und deren Prävention ein äußerst relevantes Thema. Bekleidung wird zwar nach ihrem Ursprungsland mit einem made in ... gekennzeichnet; dies lässt angesichts der Komplexität der textilen Lieferkette keine Rückschlüsse über das tatsächliche Herkunftsland zu, geschweige denn über herrschende Sozial- und Umweltstandards. Denn beispielsweise stammt die Baumwolle einer Jeans aus Amerika, die Garnherstellung erfolgt in Indien, gewebt wird der Stoff in Bangladesch, veredelt wird er in Tunesien und konfektioniert wird das Produkt in Kenia. (Vgl. Gesamtverband textil + mode 2019)

Der Einsturz des Rana Plaza in Bangladesch ist ein Beispiel für korrupte Handlungen; diese forderten im Jahr 2013 mehr als 1.200 Menschenleben. Dabei soll eine nicht vorhandene Baugenehmigung durch Verhandlung mit korrupten Beamten eingeholt worden sein. (Vgl. Projektgruppe 2018)

Da das wirtschaftliche Interesse der Entwicklungs- und Schwellenländer meist im Vordergrund steht, lässt sich solch korruptes Handeln innerhalb der textilen Kette leider nicht ausschließen, (Vgl. Projektgruppe 2018) denn vor allem in der Textilindustrie herrschen Produktionsprozesse, die ohne jegliche Sicherheitsstandards zu Gesundheits- und Umweltbelastungen führen können. Diese müssen eingehalten werden und dürfen nicht durch korruptes Handeln vertuscht werden. (Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 2015)

Auch in Kenia und Äthiopien lässt sich korruptes Handeln anhand des CPI-Index feststellen. Mit den in Abbildung 8 abgebildeten Werten belegt Kenia 2018 den 144. und Äthiopien den 114. Platz. Diese Ränge machen deutlich, dass Korruption in Kenia und Äthiopien ein ernstes Problem darstellt. Um die Relation und das Ausmaß deutlicher zu erkennen, wird in der Grafik Deutschland ebenfalls aufgezeigt. Deutschland liegt mit einem Punktestand von 80 Punkten auf dem 11. Platz. (Vgl. Transparency International Deutschland e.V. 2019)

Abbildung 11: Übersicht über die CPI-Entwicklung von 2015-2018.

Quelle: eigene Darstellung. Mit Werten des tabellarischen Rankings des Transparency International Deutschland e. V.

Daher müssen auch hier verstärkte Prävention und Kontrollen stattfinden, um einen reibungslosen Ablauf entlang der globalen Lieferketten gewährleisten zu können. Sozial- und Umweltstandards und die dazugehörigen Sicherheitsvorkehrungen dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. Nur so kann eine langfristige Senkung der Armut und ein positives Wirtschaftswachstum kombiniert werden.

In Deutschland gibt es mehrere Organisationen, die für mehr Transparenz entlang der textilen Kette kämpfen; unter anderem das von Gerd Müller gegründete Textilbündnis. Diese und weitere Organisationen werden in einem nachfolgenden Kapitel näher erläutert.

3.3 Bevölkerungsstruktur und soziokulturelle Faktoren

Kenia und Äthiopien sind zwei durch Armut geprägte Länder, mit einem durch Jahrzehnte stark zunehmendem Bevölkerungswachstum durch Migration und einer hohen Geburtenrate. Die oben genannte demografische Lage führt besonders in Entwicklungsstaaten zu mangelnder Grundversorgung, fehlender Bildung durch fehlende Schulplätze und unzureichender Gesundheitsversorgung; denn der rasche Bevölkerungsanstieg ist meist schneller als der Aufbau einer Bildungsinfrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen. (Vgl. Sippel et al. 2011) Zudem fördert ein rasantes Wachstum der Bevölkerung eine Zunahme der Armut. (Vgl. Berlin Institut 2018) Sinkende Geburtenraten jedoch können zu einer verbesserten Gesellschaft führen, durch besseren Zugang zu Bildung und einer erhöhten persönlichen Entfaltungsmöglichkeit. (Vgl. Sippel et al. 2011) Maßnahmen zur Verringerung könnten unter anderem die richtige Sexualaufklärung, aber auch der Verkauf von empfängnisverhütenden Mitteln bewirken. Zugleich muss eine sozioökonomische Eingliederung von Kindern und Jugendlichen durch Ausbildungsmöglichkeiten sowie Produktionsstätten gewährleistet werden. (Vgl. Dr. Schmid 2005)

Gleichzeitig betrachtet dieses Kapitel die Soziokultur des Landes, die wie folgt definiert wird. Die Soziokultur betrachtet aus wirtschaftlicher Sicht die Summe aus sozialen, kulturellen sowie politischen Bedürfnissen und Interessen einer Gesellschaft. Es bezieht sich in der Praxis sehr auf das Alltagsleben des Menschen und betrachtet Lebensstil, Werte, Trends, gesellschaftliche Probleme, aber auch kulturelle Gegebenheiten und soziale Sicherheit. (Vgl. Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e. V. 2009)

Des Weiteren dient dieses Kapitel der Analyse der Bevölkerungsstruktur unter Berücksichtigung des demografischen Wandels, der Altersstruktur, des Bevölkerungswachstums mit den Schwerpunkten der Migration und der Analyse der Entwicklung der Erwerbsfähigkeit. Zudem werden Maßnahmen aufgezeigt, die die Entwicklung der im Fokus stehenden Länder fördert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 120 Seiten

Details

Titel
Kenia und Äthiopien. Eine Evaluation mit dem Schwerpunkt der textilen Produktion und der Ausbildungsförderung
Hochschule
Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach
Autor
Jahr
2019
Seiten
120
Katalognummer
V490952
ISBN (eBook)
9783346049612
ISBN (Buch)
9783346049629
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kenia, äthiopien, eine, evaluation, schwerpunkt, produktion, ausbildungsförderung
Arbeit zitieren
Pauline Konkol (Autor:in), 2019, Kenia und Äthiopien. Eine Evaluation mit dem Schwerpunkt der textilen Produktion und der Ausbildungsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/490952

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