Waldorfpädagogik und Anthroposophie, insbesondere das Bild des Waldorflehrers, werden im Folgenden überwiegend kritisch betrachtet. Positive Darstellungen kommen aus dem Grund weniger zu Wort, da sie ohnehin in jeder Behandlung des Themas zu finden sind. Insofern ist folgende Darstellung allein gelesen an manchen Stellen bewußt parteiisch, in den Kontext der gesamten Literatur gestellt aber eine Ergänzung, die umso kürzer ausfallen müsste, je öfter die häufig wiederholten positiven Aspekte einbezogen würden. Daher sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Arbeit keine einseitig pauschale Verurteilung der Waldorfpädagogik ist.
Inhaltsverzeichnis
0. Vorbemerkung
1. Einleitung: Anthroposophie
2. Waldorflehrer und Waldorfpädagogik
2.1 Grundlagen
2.2 Autorität
2.3 Methoden des Lehrers: Verbote und Strafen
3. Waldorfseminare: Ausbildung zum Anthroposophen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
0. Vorbemerkung
Waldorfpädagogik und Anthroposophie, insbesondere das Bild des Waldorflehrers, werden im Folgenden überwiegend kritisch betrachtet. Positive Darstellungen kommen aus dem Grund weniger zu Wort, da sie ohnehin in jeder Behandlung des Themas zu finden sind. Insofern ist folgende Darstellung allein gelesen an manchen Stellen bewußt parteiisch, in den Kontext der gesamten Literatur gestellt aber eine Ergänzung, die umso kürzer ausfallen müsste, je öfter die häufig wiederholten positiven Aspekte einbezogen würden. Daher sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Arbeit keine einseitig pauschale Verurteilung der Waldorfpädagogik ist.
1. Einleitung: Anthroposophie
Nahezu alles, was an Waldorfschulen praktiziert und gelehrt wird, geht zurück auf den Theologen Rudolf Steiner. Steiner wird heute außerhalb der von ihm begründeten Anthroposophie kaum wahrgenommen. Einzig der Vorwurf des Rassismus - Steiner war Verfechter einer hierarchischen Rassenlehre[1], in der den Ariern die höchste Denkkraft zugeschrieben wurde - brachte Steiner in den letzten Jahren in eine öffentliche Diskussion. Sein Denken ist esoterischer Art[2]: Steiner glaubte in höheren Welten Wahrheiten gesehen zu haben, die nur durch einen von ihm entwickelten „Schulungsweg“ wahrgenommen werden können. Der emeritierte Erziehungswissenschaftler Klaus Prange von der Universität Tübingen kennzeichnet das Kernelement von Anthroposophie und Waldorfpädagogik folgendermaßen:
„These I: Die Anthroposophie ist eine Heilsbotschaft für Verlassene und Enttäuschte., für Sinnsuchende und Heimatlose.
These II: Die Waldorfpädagogik und die Waldorfschule sind der Versuch, diese Heilsbotschaft über Erziehung auf Dauer zu stellen.
These III: Die anthroposophische Pädagogik ist eine Mogelpackung für Herrschaft. Sie beutet das vielfach anzutreffende Orientierungsbedürfnis aus, um die Herrschaft einer selbsterwählten Elite zu begründen.“[3]
Auch in den esoterischen Grundzügen der Lehre Rudolf Steiners liegt ein Grund dafür, dass er in der pädagogischen Fachwelt kaum auf Interesse stoßen kann, während seine Ideen bei Praktikern, die sich nicht mit erkenntnistheoretischer Fundierung auseinandersetzen, populär sind. Aus Steiners totalitärem Wahrheitsanspruch resultiert eine Unkritisierbarkeit, die in der Geschichte der Waldorfpädagogik dazu geführt hat, dass sich seit Steiners Tod vor 80 Jahren nichts Wesentliches in der Waldorfpädagogik geändert hat. Sie ist ein starres System, was sich beispielhaft zeigen lässt an der Einordnung der Schüler in Temperamente (sanguinisch, melancholisch, phlegmatisch und cholerisch).
Steiners Pädagogik ist ein Antagonist moderner Erziehung und somit auch moderner Lehrerbilder. So schrieb Steiner beispielsweise über das öffentliche Schulwesen:
„Unser Zeitalter wünscht, unbewußt natürlich, die Kinder so zu erziehen, daß Ahriman möglichst stark in der Menschenseele kultiviert werden kann. Und wenn wir heute die Gangbaren Erziehungsmethoden durchnehmen, so sagen wir uns als Okkultisten: Diese Leute, die diese Erziehungsmethoden vertreten, sind nur Stümper.“[4]
Für die Praxis der Lehrer äußert sich die fehlende Modernität insbesondere in der inzwischen gesamtgesellschaftlich nicht mehr sehr verbreiteten Autorität gegenüber Höhergestellten. Mit dem Lehrer als absoluter Autoritätsperson beschäftigt sich das zentrale Kapitel dieser Arbeit.
2. Waldorflehrer und Waldorfpädagogik
2.1 Grundlagen
An Waldorfschulen gibt es keinen verbindlichen Lehrplan. Dies soll lebendigen Unterricht gewährleisten, kann andererseits aber auch dazu führen, dass der einzelne Lehrer unkontrolliert arbeitet und somit unverhältnismäßig mächtig wird. Es ist jedoch nicht so, dass ein Lehrer einer Waldorfschule vollständig frei agieren kann; er ist zumindest an anthroposophische Grundlagenliteratur gebunden. Beispielsweise ist es üblich, im Unterricht die anthroposophische Weltsicht vom Kind als reinkarnierendem Wesen in den Mittelpunkt zu stellen. Direkt auf den Unterricht wirkt auch die anthroposophische Annahme, das Kind durchlaufe in seinen Lebensabschnitten die Weltgeschichte, es sich also z.B. mit zehn Jahren wie ein Germane, mit elf wie ein Grieche, dann wie ein Römer, Ritter etc. fühle. Anthroposophie als Unterrichtsfach kommt an Waldorfschulen nicht vor, da ohnehin alle Fächer und alle Organisation nach anthroposophischer Weltanschauung gestaltet sind.
Dadurch, dass kein Lehrplan besteht, ist es Waldorfschulen möglich, bei vorgebrachter Kritik gegen Geschehnisse an Waldorfschulen darauf zu verweisen, dies seien Einzelfälle, keine Charakteristika. Die Waldorfbefürworter verteidigen den fehlenden Lehrplan mit der Begründung, nur der jeweilige Lehrer selbst könne feststellen, für welchen Unterricht seine Schüler gerade empfänglich seien; eine Schablone sei hier unangebracht. Ebenfalls aus den eigenen Reihen hört man die Behauptung, eine Überforderung des einzelnen Lehrers – neben dem Unterricht muss er für zahllose Konferenzen, Sprechstunden, Fortbildungen, Hausbesuche etc. zur Verfügung stehen – werde durch die Dankbarkeit der Schüler und Lehrer ausgeglichen.[5]
Ebenfalls überfordern kann den einzelnen Klassenlehrer die Fülle an Fächern, die er acht Jahre lang in Haupt- und Epochenunterricht zu lehren hat. Allseits gebildet, wie der ideale Waldorfpädagoge zu sein hat, sollte es ein Leichtes sein, durch Lesen eines Dramas gleichzeitig politische Situation, geographische Besonderheiten, Menschenkunde etc. zu erfassen und weiter zu geben. Eine fachliche Ausbildung wird nicht zwingend benötigt, wichtiger ist, dass der Lehrer Einblick in das Wesen des Kindes hat und intuitiv erkennt, was es will.
Die erwähnte Unterscheidung zwischen Haupt- und Epochenunterricht liegt darin, dass der Hauptunterricht (täglich von 8 bis 10 Uhr) in Fächern abgehalten wird, die ständigen Übens bedürfen (also Fremdsprachen, Mathematik, Heimatkunde, Rezitation etc.), der Epochenunterricht jedoch einem Projektunterricht gleichkommt. So unterrichtet der Waldorflehrer beispielsweise drei Wochen lang Physik, um bestimmte Phänomene zu untersuchen, ohne ständig durch den vorgeschriebenen Stundenplan und unzureichende Stundenlänge herausgerissen zu werden und damit die Konzentration der Kinder zu unterbrechen. Wann und in welchem Fach solch ein Epochenunterricht abzuhalten ist, liegt wiederum im Ermessen des Lehrers:
[...]
[1] Vgl. Strohm, Harald, Die Gnosis und der Nationalsozialismus. Eine religionspsychologische Studie, Aschaffenburg 2005, S. 63 ff. sowie Horst, Christoph, Knoten im Karma. Esoterik gegen Vernunft in: Asta der FH Münster (Hrsg.), Alle reden vom Weter- Wir nicht. Beiträge zur Förderung der kritischen Vernunft, Münster 2005, S. 129ff.
[2] Vgl. Keinath, Kurt, Kleine Sektenfibel, Essen 1961, S. 46 ff.
[3] Prange, Klaus, Curriculum und Karma: Das anthroposophische Erziehungsmodell in: Forum demokratischer AtheistInnen (Hrsg.), Mission Klassenzimmer, Aschaffenburg 2005, S. 87
[4] Steiner, Rudolf, Elemente der Erziehungskunst, Menschenkundliche Grundlagen der Waldorfpädagogik, Themen aus dem Gesamtwerk, Bd. 12, Stuttgart 1985, S. 134, Ahriman ist im anthroposophischen Glauben einer der beiden Teufel.
[5] Vgl. Weißert, Ernst, Der Waldorflehrer. In: Neuffer, Helmut (Hg.), Zum Unterricht des Klassenlehrers an der Waldorfschule. Ein Kompendium. Stuttgart 1997, S. 20ff.
- Quote paper
- Anonymous,, 2005, Der Lehrer an der Waldorfschule - Begleiter eines esoterischen Erkenntniswegs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49427
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