Stressbewältigung. Möglichkeiten und Anforderungen in der Prävention psychischer Erkrankungen durch Mobile Health Applikationen


Masterarbeit, 2018

133 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorieteil
2.1. Stressbewältigung als Prävention Psychischer Erkrankungen
2.1.1. Grundlagen und Interventionen der Stressbewältigung
2.1.1.1. Kognitiv verhaltenstherapeutische Grundlagen
2.1.1.2. Das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus
2.1.2. Stressbewältigung als Primärprävention im Fokus der gesetzlichen Krankenkassen
2.1.2.1. Handlungsfelder, Ansätze und Ziele der Primärprävention nach § 20 SGB V
2.1.2.2. Multimodales Stressmanagement im Leitfaden Prävention
2.1.2.3. Die Zentrale Prüfstelle Prävention
2.1.2.4. Nutzung der Kurse im Bereich Stressbewältigung
2.1.3. Ausgewählte evaluierte Stressbewältigungs-Programme
2.1.3.1. Rational-Emotives Gruppentraining (RGT)
2.1.3.2. Stressimpfungstraining nach Meichenbaum (SIT)
2.1.3.3. Gelassen und sicher im Stress
2.1.3.4. Optimistisch den Stress meistern
2.1.3.5. Multimodale Stresskompetenz (MMSK)
2.1.3.6. Stark im Stress
2.1.3.7. Analyse der evaluierten Stressbewältigungs-Programme
2.2. Mobile Health (mHealth)
2.2.1. Marktüberblick und Kategorien
2.2.2. Forschungsstand zu Gesundheits-Apps
2.2.3. Relevante mHealth-Angebote
2.2.3.1. Webbasierte Trainings zur Stressbewältigung
2.2.3.2. Apps der gesetzlichen Krankenversicherungen
2.3. Anforderungen an eine Gesundheits-App zur Stressbewältigung als Präventionsinstrument
2.3.1. Anforderungen seitens der Nutzer
2.3.2. Anforderungen für die Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen
2.3.3. Datenschutz und weitere Normen

3. . Empirischer Teil
3.1. Methodenteil
3.1.1. Stichprobe
3.1.2. Erhebungsinstrument
3.1.3. Ablauf
3.2. Ergebnisteil
3.3. Diskussionsteil

4. . SWOT-Analyse
4.1. Strengths
4.1.1. Erfüllung der Anforderungen gemäß Leitfaden Prävention
4.1.2. Berücksichtigung der Elemente anerkannter Stressbewältigungs-Programme
4.1.3. Erkenntnisse aus der CHARISMHA-Studie
4.1.4. Erkenntnisse aus der sonstigen Literaturrecherche
4.2. Weakness
4.2.1. Erfüllung der Anforderungen gemäß Leitfaden Prävention
4.2.2. Berücksichtigung der Elemente anerkannter Stressbewältigungs-Programme
4.2.3. Erkenntnisse aus der CHARISMHA-Studie
4.2.4. Erkenntnisse aus der sonstigen Literaturrecherche
4.3. Opportunities
4.3.1. Erkenntnisse aus der CHARISMHA-Studie
4.3.2. Erkenntnisse aus der sonstigen Literatur- und Internetrecherche
4.3.3. Ergebnisse der Befragung
4.4. Threats
4.4.1. Erkenntnisse aus der CHARISMHA-Studie
4.4.2. Erkenntnisse aus der sonstigen Literatur- und Internetrecherche
4.4.3. Ergebnisse der Befragung
4.5. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Anhang

Erklärung

Abstract

Ziel dieser Arbeit ist es, die Anforderungen, die zur Nutzung einer Gesundheits-App im Rahmen der Primärprävention für das Handlungsfeld Stressbewältigung auf dem ersten Gesundheitsmarkt zu erfüllen sind sowie die besonderen Möglichkeiten, die eine Mobile Health Applikation für diesen Einsatzbereich zur Verfügung stellen kann, herauszuarbeiten.

Auf Basis von Literatur- und Internetrecherche werden Grundlagen und Rahmen­bedingungen der Stressbewältigung nach § 20 SGB V dargestellt und aktuelle Forschungsergebnisse zum Mobile Health Markt – speziell der Kategorie Gesundheits-Apps - zusammengefasst.

Der empirische Teil der Arbeit erhebt konkrete Erwartungen und Befürchtungen potenzieller Nutzer einer Gesundheits-App, die ein Stressbewältigungs-Training ermöglicht; diese Perspektive wird mit den Ergebnissen der Literatur- und Internet­recherche zu einer SWOT-Analyse zusammengeführt.

Als Ergebnis wird festgestellt, dass eine Gesundheits-App als Präventions-Instrument unter Einhaltung der festgestellten Anforderungen auf dem ersten Gesundheitsmarkt realisierbar ist und gute Chancen hat, mit zeit- und ortsunabhängiger Nutzbarkeit auch Zielgruppen zu erreichen, die an klassischen Präventionskursen nicht teil­nehmen.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Masterthesis die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

1. Einleitung

Die Idee zur Forschungsfrage dieser Thesis entstand im Rahmen von Recherchen als Grundlage des Konzepts einer App zum Thema Positive Psychologie. Dabei wurde zunehmend deutlich, dass es ein unüberschaubares Angebot zu Gesundheitsthemen in den App-Stores gibt, professionelle und wissenschaftlich fundierte Umsetzungen dabei aber kaum zu finden sind.

Durch die berufliche Beschäftigung mit psychologischen und psychopathologischen Themen entwickelte sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine professionell gestaltete App zur Prävention psychischer Erkrankungen genutzt werden kann, um mit diesem Medium auch Zielgruppen zu erschließen, die klassische face-to-face-Präventionsangebote bisher wenig nutzen – z.B., weil die Wahrnehmung regelmäßiger Präsenz-Termine aus beruflichen oder familiären Gründen schwierig ist, oder auch die Lernform als wenig motivierend empfunden wird.

Um diese Frage wissenschaftlich zu bearbeiten, wurde als konkretes Präventions­thema das Thema Stressbewältigung gewählt, da hierzu durch den Masterstudien­gang "Psychosoziale Beratung und Therapie" auf ein fundiertes Wissen zurückge­griffen werden kann. Das Thema Stressbewältigung ist im Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes als eines von vier Handlungsfeldern der Primärprävention etabliert, die Wirksamkeit verschiedener Stressbewältigungs-Programme (als klassi­sche Präsenz-Kurse) bereits mit Studien nachgewiesen und vom Spitzenverband anerkannt. Absolventen von Studiengängen des Sozialwesens werden im Leitfaden als Personengruppe mit staatlich anerkannter Grundqualifikation für dieses Hand­lungsfeld aufgeführt.

Um die Anforderungen zu analysieren, die an eine App als Präventions-Instrument in diesem Kontext gestellt werden, wird zunächst das Thema Stressbewältigung theoretisch fundiert, der Aufbau ausgewählter anerkannter Stressbewältigungs-Programme bezüglich gemeinsamer Elemente und Rahmenbedingungen untersucht und die Verortung des Themas im Leitfaden Prävention dargestellt.

Zur Analyse der Möglichkeiten und Grenzen einer Gesundheits-App folgt ein Überblick über die aktuelle Marktsituation und den Forschungsstand in relevanten Kategorien der Mobile Health (mHealth) in Deutschland generell, vertieft für den Bereich Prävention.

Für ein erfolgreiches Präventionsangebot per Gesundheits-App ist über die vorge­gebenen Rahmenbedingungen hinaus auch die Akzeptanz der Zielgruppe ent­scheidend. Hier liegen für Mobile Health-Angebote erste Forschungsergebnisse vor. Um in die Thesis konkrete Aussagen zu Erwartungen und Befürchtungen potenzieller Nutzer einer Gesundheits-App zur Durchführung eines Stressbewälti­gungs-Pro­gramms einbeziehen zu können, wurde eine Befragung durchgeführt.

Die Ergebnisse der Befragung werden abschließend mit den Erkenntnissen des theoretischen Teils in einer SWOT-Analyse zusammengeführt, die zur Beantwortung der Forschungsfrage führt.

2. Theorieteil

2.1. Stressbewältigung als Prävention Psychischer Erkrankungen

Stress ist im alltäglichen Sprachgebrauch ein relativ unspezifisches Phänomen, bei dem zwischen "Distress" im Sinne einer subjektiv unangenehm bewerteten Situation und "Eustress" als positiv anregender Stress unterschieden wird. In beiden Fällen führt er zu einer körperlichen Aktivierung, wobei der Distress durch vermehrte Ausschüt­tung von Stresshormonen zu körperlichen Schädigungen führen kann. Nach neueren Befunden spielt hier auch ein Protein, durch das körperliche Abbauprozesse in Gang gesetzt werden, eine Rolle. Die Reaktion auf verschiedene Reize kann dabei individuell sehr unterschiedlich ausfallen. (vgl. Dorsch Lexikon der Psychologie)

Auch wenn die ICD-Klassifikation weitestgehend deskriptiv in der Darstellung psychischer Störungen vorgeht, kann Stress unstrittig als Auslöser und Verstärker psychischer Erkrankungen wirken, wie nachfolgend aufgeführte Daten zeigen.

Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes berichten 13,9% der Frauen und 8,2% der Männer zwischen 18 und 64 Jahren über starke Belastung durch chronischen Stress. (vgl. Hapke et al. 2013, S. 750)

In absoluten Zahlen ausgedrückt betrifft dies demnach ca. 5,7 Mio. Menschen in dieser Altersklasse in Deutschland.

66% der Menschen, die sich selbst als "häufig gestresst" einschätzen, leiden an Rückenschmerzen und Muskelverspannungen, 64% an Erschöpfung und Ausge­branntsein und 46% an Schlafstörungen. (vgl. Techniker Krankenkasse 2016)

Der Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes stellt Stress als „bedeutsamen (mit-)verursachenden, auslösenden oder aggravierenden Faktor für viele der heute sozialmedizinisch besonders relevanten kardiovaskulären, muskulo-skelettalen, immunologischen, psychosomatischen und psychischen Erkrankungen“ heraus (GKV-Spitzenverband 2017, S. 64).

Die Bedeutung und gesundheitliche Auswirkungen von Stress werden voraussichtlich in Zukunft aufgrund der Anforderungen unserer globalisierten und pluralisierten Gesellschaft weiter ansteigen. (vgl. ebd.)

Ein besserer Umgang mit Stress durch den einzelnen Bürger liegt damit zwangsläufig im Interesse des Gesundheits- und Sozialwesens. Im Folgenden werden zunächst grundlegende wissenschaftliche Modelle dargestellt, auf denen Interventionen zur Stressbewältigung basieren. Es folgt eine Analyse bestehender Stressbewältigungs-Programme, die zur Identifizierung gemeinsamer Elemente dient.

2.1.1. Grundlagen und Interventionen der Stressbewältigung

2.1.1.1. Kognitiv verhaltenstherapeutische Grundlagen

In den 60er Jahren entwickelte Aaron T. Beck, nachdem er mit Studien die psycho­analytischen Theorien belegen wollte, eine neue Form der Psychotherapie, mit der er die verzerrten Kognitionen depressiver Patienten behandeln wollte. Diese Therapie­form nannte er "Kognitive Therapie". Sie wurde in den folgenden Jahrzehnten von Beck selbst und anderen weiterent­wickelt und modifiziert, heutzutage ist i.d.R. von "Kognitiver Verhaltens­therapie" die Rede. Unter dieser Bezeichnung werden verschie­dene Therapieformen subsummiert, u.a. die Rational-Emotive Verhaltenstherapie nach Ellis und die Dialektisch-Beha­viorale Therapie nach Linehan. Alle diese Therapieformen basieren auf der Annahme, dass psychische Störungen mit dysfunktionalen Gedanken einhergehen. Diese Gedanken bewirken sowohl Emotionen als auch Verhalten, die ihrerseits die dysfunktionalen Gedanken verstärken können. Eine Verbesserung des psychischen Wohlbefindens kann erreicht werden, indem diese Gedanken auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und durch funktionalere Gedanken ersetzt werden. Auf einer tieferen Ebene wird in der Therapie mit generellen Grundannahmen der Patienten über sich selbst und ihre Umwelt gearbei­tet. (vgl. Beck 2013, S. 15–17)

Ellis prägte das ABC-Modell menschlichen Verhaltens. A steht für das auslösende Verhalten (activating event), B für Bewertungsmuster (belief system) und C für die Konsequenzen (consequences). Wenn diese Konsequenzen für die Person emotional, physiologisch oder verhaltensmäßig belastend oder einschränkend sind, hat das Bewertungsmuster gemäß dem Modell eine besondere Struktur bzw. besondere Inhalte; es handelt sich um eine irrationale oder auch unangemessene Bewertung. Diese Bewertungen können in vier Grundkategorien eingeteilt werden:

- Muss-Denken
- globale negative Selbst- oder Fremdbewertung
- niedrige Frustrationstoleranz
- Katastrophendenken

Schelp et al. haben diese Grundmuster um die bipolaren Aspekte ergänzt:

- Alles-egal-Denken
- Globale positive Personenbewertung
- überhöhte Bewertung der eigenen Belastbarkeit
- Bagatellisieren (vgl. Schelp et al. 1997, S. 25–26)

Diese Erweiterung scheint hilfreich für die Anwendung im Kontext von Stressbewäl­tigungsprogrammen, die gegenwärtig häufig auch zur Burnout-Prävention genutzt werden - insbesondere im Kontext der gestiegenen psychischen Anforderungen und Belastungen der modernen Arbeitswelt.

Laut Wittchen et al. stellen die kognitiv-behavioralen Therapieverfahren „heute die bestuntersuchten und effektivsten psychotherapeutischen Methoden für ein breites Spektrum von psychischen Störungen dar.“ (Wittchen und Hoyer 2011, S. 561)

2.1.1.2. Das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus

Lazarus & Launier definieren als Stress „jedes Ereignis [...],, in dem äußere oder innere Anforderungen (oder beides) die Anpassungsfähigkeit eines Individuums, eines sozialen Systems oder eines organischen Systems beanspruchen oder übersteigen [...] In psychologischer Sicht setzt Streß die Feststellung voraus, daß die Transaktion ein Risiko (Bedrohung), Schädigung/Verlust oder eine Gelegenheit beinhaltet, die Probleme zu überwinden und sich weiterzuentwickeln (Herausforderung)“ (Lazarus & Launier 1981, S. 226).

Schädigung/Verlust bezeichnet eine bereits eingetretene Schädigung. Bei der Bedrohung wird diese antizipiert, ist aber noch nicht eingetreten. Eine Bedrohung kann auch eine Herausforderung darstellen - die Abgrenzung liegt hier in der nega­tiven bzw. positiven Tönung aus Sicht der jeweiligen Person; bei einer Bewertung als Herausforderung steht der Nutzen einer erfolgreichen Bewältigung im Fokus. (vgl. ebd.)

Die Kernpunkte des Transaktionalen Stressmodells bilden die kognitive Bewertung (»cognitive appraisal«) und die Bewältigung (»coping«) von stressauslösenden Situationen. Mit Coping werden Umformungsprozesse bezeichnet, durch die Systeme ihre Lebensfähigkeit sowie eine Art Konstanz erhalten und ihre Beziehung zur Umwelt verändern. Die Bewertung der aktuellen Situation für das Wohlbefinden einer Person ändert sich laufend, verfügt aber auch über eine gewisse Grund-Tendenz, die u.a. durch die bevorzugten Abwehrmechanismen der Person beeinflusst ist. Die Bewertung bezieht sich einerseits auf die Bedeutung der auslösenden Situation für das Wohlbefinden der Person - diese benennen Lazarus & Launier als primäre Bewertung (»primary appraisal«). Sie wird in drei Kategorien eingeteilt:

1. irrelevant
2. günstig/positiv
3. stressend

Für die beiden ersten Kategorien ist eine „auf das Ereignis bezogene Anpassungs- oder Bewältigungsbemühung [...] nicht erforderlich“ (a.a.O.: 234)

Die sekundäre Bewertung (»secondary appraisal«) bezeichnet die Bewertung der Bewältigungsfähigkeiten bzw. -möglichkeiten. Diese muss nicht zwangsläufig zeitlich nach der primären Bewertung folgen; die Unterscheidung bezieht sich auf den Gegenstand der Bewertung. Die Bewertungen können sowohl bewusst als auch unbewusst ablaufen. Die primäre und sekundäre Bewertung kann durch Rück­kopplungsprozesse zu einer Neubewertung (»reappraisal«) führen. Diese Neu­bewertung erfolgt mitunter auch in Form eines Abwehrmechanismus als Selbst­täuschung - auch dies kann dazu führen, dass eine Bedrohung nicht mehr als solche bewertet wird. (vgl. a.a.O.: 226–241)

Lazarus & Launier unterscheiden zwischen zwei Funktionen der Bewältigungs­prozesse: Änderung der gestörten Transaktion (instrumentell) oder Regulierung der Emotion (Palliation). Weiterhin berücksichtigen sie die zeitliche Orientierung (Vergan­genheit/Gegenwart oder Zukunft), den instrumentellen Schwerpunkt (Selbst oder Umwelt), die Bewertungen (Schädigung oder Bedrohung/Herausforderung; Aufrechterhaltung) und den thematischen Charakter (Überwinden, Tolerieren, Erholen, Neuinterpre­tieren). Sie unterscheiden zwischen vier Bewältigungsmodi (»coping modes«):

- Informationssuche
- direkte Aktion
- Aktionshemmung
- intrapsychisch

Als Faktoren, die zur Wahl eines Bewältigungsmodus beitragen können, führen sie den Grad der Ungewissheit, den Grad der Bedrohung, das Vorliegen eines Konfliktes und den Grad der Hilflosigkeit auf. Auch diese Faktoren selbst hängen von vermittelnden kognitiven Bewertungen ab, wenn auch eine Übereinstimmung mit der Wirklichkeit bei den meisten Menschen relativ hoch ist. (vgl. a.a.O.: 245–258)

2.1.2. Stressbewältigung als Primärprävention im Fokus der gesetzlichen Krankenkassen

Im Gesundheitswesen wird Prävention als „Oberbegriff für zielgerichtete Maßnahmen und Aktivitäten, um Krankheiten oder gesundheitliche Schädigungen zu vermeiden, das Risiko der Erkrankung zu verringern oder ihr Auftreten zu verzögern“ (Bundes­ministerium für Gesundheit) verstanden.

Diese können nach dem Zeitpunkt ihres Einsatzes in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention und nach ihrem Ansatzpunkt in Verhältnis- und Verhaltens­prävention unterschieden werden. Die Primärprävention will die Entstehung von Krankheiten durch gesundheitsbewusstes Verhalten verhindern, z.B. durch gesunde Ernährung, Bewegung und Entspannung; auch Impfungen gehören zur Primärprä­vention. In der Sekundärprävention geht es um die frühzeitige Erkennung von Erkrankungen. Maßnahmen der Tertiärprävention setzen nach einer Erkrankung an und sollen einen Rückfall vermeiden und die Krankheitsfolgen mildern. Verhältnis­prävention zielt auf die äußeren Umstände des Arbeits- und Lebensalltags, Verhaltens­prävention auf das individuelle Verhalten des einzelnen Menschen. (vgl. Bundes­ministerium für Gesundheit)

Eine Gesundheits-App ist in diesem Kontext - wie es auch auf die Stressbewälti­gungs-Programme in Präsenzform zutrifft- als Primär- und Verhaltens­prävention einzu­ordnen.

2.1.2.1. Handlungsfelder, Ansätze und Ziele der Primärprävention nach § 20 SGB V

Im SGB V werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen geregelt - für die verhaltensbezogene Primärprävention ist hier der § 20 SGB V relevant:

§ 20 SGB V Primäre Prävention und Gesundheitsförderung

(1) Die Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention) sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsförderung) vor.

[...]

(4) Leistungen nach Absatz 1 werden erbracht als

1. Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention nach Absatz 5,

[...]

(5) Die Krankenkasse kann eine Leistung zur verhaltensbezogenen Prävention nach Absatz 4 Nummer 1 erbringen, wenn diese nach Absatz 2 Satz 2 von einer Krankenkasse oder von einem mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragten Dritten in ihrem Namen zertifiziert ist.

Zur konkreten Umsetzung gibt der GKV-Spitzenverband den Leitfaden Prävention heraus.

Die Handlungsfelder der Prävention nach § 20 SGB V sind Ernährung, Bewegung, Stressmanagement und Suchtmittelkonsum. Diese vier Handlungsfelder sind Ergebnis von Auswertungen des Spitzenverbandes zur „Häufigkeit, medizinischen Relevanz und volkswirtschaftlichen Bedeutung” (GKV-Spitzenverband 2017, S. 44) des Auftre­tens bestimmter Erkrankungen und der Möglichkeit, wirksame Interventionen für die Prävention dieser Erkrankungen zu angemessenen Kosten zu erbringen. Zu diesen Erkrankungen zählen psychische und psychosomatische Krankheiten, wobei für Depressionen und Angststörungen die „Förderung individueller Kompetenzen zur Stressbewältigung und Stärkung psychischer Gesundheitsressourcen sowie Förderung von Bewegung” (ebd.) als primärpräventive Interventionen empfehlenswert einge­schätzt werden. Generell gilt als Voraussetzung dieser Interventionen die Anforde­rung, dass die Wirksamkeit in Studien oder Metaanalysen nachgewiesen wurde.

Der Leitfaden Prävention unterscheidet zwischen dem Setting-Ansatz, zu dem sowohl Verhältnis- als auch Verhaltensprävention in der Betrieblichen Gesundheitsförderung und der Gesundheitsförderung in nicht-betrieblichen Lebenswelten (z.B. Schule) gehören und dem individuellen Ansatz, bei dem es prinzipiell um Verhaltensprä­vention geht. (vgl. ebd.)

Die Fragestellung dieser Thesis konzentriert sich auf Letztgenanntes, da sie sich auf eine Gesundheits-App bezieht, die zur Nutzung im privaten Kontext des Individuums entwickelt wird.

„Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention richten sich an einzelne Versicherte. Sie sollen sie motivieren und befähigen, Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden Lebensführung auszu­schöpfen.” (a.a.O.: 43)

Sie zielen darauf ab, die Auftretenswahrscheinlichkeit von Erkrankungen zu redu­zieren, indem verhaltensbedingte Risikofaktoren vermindert und gesundheits­fördernde Faktoren gestärkt werden. (vgl. a.a.O.: 49)

Im Leitfaden wird vorgegeben, dass Maßnahmen im individuellen Ansatz grund­sätzlich in Gruppen stattfinden und zu einem Praxistransfer in den Alltag der Teil­nehmer motivieren, der auch nach Beendigung der Maßnahme Wirkung zeigt. Als Zielgruppe werden „gesunde Versicherte ggf. mit gesundheitlichen Risiko­faktoren [benannt], bei denen die Erkrankung(en), auf deren Verhütung die Maß­nahme zielt, (noch) nicht vorliegt bzw. vorliegen.” (a.a.O.: 45-46)

Es werden drei Ebenen der individuellen Stressbewältigung unterschieden:

- Instrumentelles Stressmanagement
- Kognitives Stressmanagement
- Palliativ-regeneratives Stressmanagement.

Beim instrumentellen Stressmanagement erfolgen Verbesserungsansätze an den Stressoren, also an äußeren Bedingungen der möglichen Stressentstehung. Beim kognitiven Stressmanagement wird an der inneren gedanklichen Verarbeitung der Stressoren gearbeitet. Diese beiden Ebenen folgen dem Präventionsprinzip “Förderung von Stressbewältigungskompetenz”. Beim palliativ-regenerativen Stress­management geht es um die Kontrolle der Stressreaktion auf physischer und psychischer Ebene und damit um das Präventionsprinzip “Förderung von Ent­spannung”. (a.a.O.: 65–66)

Entwicklung Gesundheitsförderung laut Präventionsbericht

Der Präventionsbericht 2016 des Spitzenverbandes weist bezüglich des Präventions­ziels “Mehr verhaltensbezogene Maßnahmen zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz” (im Setting-Ansatz in der Betrieblichen Gesundheitsförderung) eine Steigerung von 8% beim Anteil der erreichten Betriebe aus. (vgl. Schempp und Strippel 2016, S. 78)

Quantifizierte Ziele im individuellen Ansatz sind nicht benannt; es wird aufgeführt, dass für die individuellen Präventionsangebote im Jahr 2015 5% mehr ausgegeben wurde als im Jahr 2014. (vgl. a.a.O.: 29)

2.1.2.2. Multimodales Stressmanagement im Leitfaden Prävention

Als Ziel und Zielgruppe wird im Leitfaden Prävention wie folgt formuliert: „Maßnahmen zum multimodalen Stressmanagement zielen darauf ab, negative Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit aufgrund von chronischen Stresserfahrungen zu vermeiden, indem die individuellen Bewältigungskompetenzen gestärkt werden mit dem Ziel eines möglichst breiten Bewältigungsrepertoires und einer möglichst hohen Flexibilität im Umgang mit Stressbelastungen. [...] Die Maßnahmen richten sich an Versicherte mit Stressbelastungen, die lernen wollen, damit sicherer und gesundheitsbewusster umzugehen, um dadurch potenziell be­handlungsbedürftige Stressfolgen zu vermeiden.“ (GKV-Spitzenverband 2017, S. 67)

Multimodale Stressmanagement-Programme, bei denen Änderungen des Stress­bewältigungsverhaltens, des Stresserlebens und der psychophysischen Reaktionen bewirkt werden können, haben sich in der Primärprävention bewährt. (vgl. a.a.O.: 65)

Häufig genutzte Interventionsmethoden „auf der Basis eines kognitiv-verhaltens­therapeutischen Interventionsansatzes [...], um auf den Ebenen des instrumentellen, des kognitiven und des palliativ-regenerativen Stressmanagements anzusetzen" (a.a.O.: 73) seien die Vermittlung von Selbstmanagement-Kompetenzen und Metho­den der kognitiven Umstrukturierung, Vermittlung von Entspannungsverfahren, Training selbstbehauptenden Verhaltens und sozial-kommunikativer Kompetenzen, sowie die Stärkung grundlegender gesundheitlicher Ressourcen durch Achtsamkeits- und Resilienztraining. (vgl. ebd.)

Wirksamkeit von Maßnahmen zur Stressbewältigung

Laut Präventionsleitfaden wurde die „Wirksamkeit von Maßnahmen zur Stress­bewäl­tigung besonders im Hinblick auf eine Reduzierung von körperlichen Risiko­faktoren und Beschwerden sowie negativer psychischer Befindlichkeit (Ängst­lichkeit, Depressivität) sowie einen Rückgang von Ärger- und Feindseligkeits­reaktionen ...” (a.a.O.: 67) durch Meta-Analysen belegt. Zitiert werden hierbei neben “Effektivität von Maßnahmen im Rahmen primärer Prävention am Beispiel kardio­vaskulärer Erkrankungen und des metabolischen Syndroms” von Korczak et al. die Arbeiten von Kaluza, der mit seinem Stressbewältigungs-Programm ein Manual ent­wickelt hat, das für die Durchführung im Gruppenkontext vorgesehen ist. (vgl. ebd.)

In dieser Arbeit wird auf die Studie von Korczak et al. nicht weiter eingegangen, da der Fokus auf der Prävention psychischer Störungen liegt. Erwähnt werden soll lediglich, dass in dieser Metastudie die „Wirksamkeit [...] für psychologische Programme, sofern sie kognitive Verhaltenstherapie beinhalten” (Korczak et al. 2011, S. 6) festgestellt wurde.

Kaluza 1997: Evaluation von Stressbewältigungstrainings in der primären Prävention - eine Meta-Analyse (quasi-)experimenteller Feldstudien

In seiner Meta-Studie stellte Kaluza zur Ausgangslage fest, dass „derzeit keine meta-analytische Studie zur Wirksamkeit von Streßbewältigungsprogrammen in der primä­ren Prävention vorliegt.“ (Kaluza 1997, S. 151)

Er formulierte für seine Studie als Zielsetzung neben einem Überblick zum damalig aktuellen Forschungsstand die Bestimmung der mittleren Effektivität der Stressbewäl­tigungsprogramme bezogen auf definierte Ergebniskategorien. Es gingen 36 Studien mit einem Gesamtstichprobenumfang von 2.133 Personen aus den Jahren 1979 bis 1995 in die Meta-Studie ein, keine davon stammt aus dem deutschsprachigen Raum. (vgl. a.a.O.: 151-153)

Kaluza stellte fest, dass bei 31 der Studien die Programme damit starten, den Teil­nehmern theoretisches Wissen zum Thema Stress zu vermitteln, 23 Studien eine Entspannungsmethode enthalten (hauptsächlich Progressive Muskelrelaxation) und 28 Studien sich mit stress­induzierten Kognitionen beschäftigen, hierbei i.d.R. in Anlehnung an das Stress­impfungstraining nach Meichenbaum oder das ABC-Schema nach Ellis. Eine Kombination aller drei Interventions-Arten bestand in der Hälfte der Studien. (vgl. a.a.O.: 157-158)

Als Ergebnisse seiner Meta-Studie werden die stärksten Effekte festgestellt bezüglich „des psychischen und physischen Befindens sowie einer Reduktion des Typ-A/Ärger/Feindseligkeit-Komplexes.“ (a.a.O.: 163) Die Schätzung einer mittleren Popu­lationseffektstärke war in der Meta-Studie nur für kurzfristige Effekte bis zu einem Monat möglich. Kaluza weist auf mögliche Verzerrungen ("publication" und "reporting bias") hin, die dafür verantwortlich sein könnten, dass „die vorliegenden Studien mög­licherweise nicht repräsentativ für die Gesamtheit aller durchgeführten kontrollierten Evaluations­studien von primärpräventiven Streßbewältigungstrainings sind“. (a.a.O.: 165) Als gravierende Defizite der berücksichtigten Studien formuliert er neben einem Mangel an Daten für die Feststellung einer längerfristigen Wirksamkeit der Program­me den Schwerpunkt der Erfassung auf negative Befindlichkeit.

Kaluza 1999: Sind die Effekte eines primärpräventiven Stressbewältigungstrainings von Dauer? Eine randomisierte, kontrollierte Follow-up-Studie

1999 legte Kaluza eine Studie zur Untersuchung von längerfristigen Effekten des von ihm entwickelten Stressbewältigungstrainings “Gelassen und sicher im Stress” vor, in der auch Daten einer randomisierten Kontrollgruppe ohne Training erfasst wurden. Hierbei lag ein wesentlicher Fokus auf der Veränderung der Stressbewältigungs­strategien der Teilnehmer. Der Zeitpunkt der Untersuchung lag sechs Monate nach einer dreimonatigen Intervention bzw. Wartezeit, untersucht wurden 47 Personen der Trainingsgruppe und 33 Personen der Kontrollgruppe. Als Vergleichs­daten dienten die erhobenen Ausgangsdaten vor dem Training. Als Ergebnis wird ein hochsignifi­kanter Interventionseffekt angegeben. (vgl. Kaluza, 1999b)

Kaluza 1999: Mehr desselben oder Neues gelernt? – Veränderungen von Bewälti­gungsprofilen nach einem primärpräventiven Stressbewältigungstraining

Als Ziel dieser Studie benennt Kaluza „differentielle Effekte der Teilnahme an einem Streßbewältigungstraining in Abhängigkeit vom initialen Bewältigungsprofil der Teilnehmer zu untersuchen.” (Kaluza 1999a, S.81). In dieser Studie wurde der Vorläufer des Programms “Gelassen und sicher im Stress”: “Keine Zeit für Stress – Gelassenheit kann man lernen” als Intervention in der Trainings­gruppe einge­setzt. Es wurde die Veränderung von clusteranalytisch definierten initialen Bewälti­gungs­strategien untersucht (Cluster 1: “aktiv-flexibles Coping”, Cluster 2: “rigid-instrumen­telles Coping”, Cluster 3: “resigniert-vermeidendes Coping”). Vergleichszeit­punkte waren vor Beginn und am Ende des Trainings (nach drei Monaten), untersucht wurden 82 Personen der Trainingsgruppe und 55 Personen der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der Studie zeigten „deutliche Hinweise auf sowohl generelle als auch differentielle Effekte der Trainingsteilnahme auf das selbstgerichtete Bewältigungs­verhalten. [... In] allen drei Clustern [zeigte sich] eine signifikante Reduktion resignativ-vermeidender Bewältigungstendenzen.” (ebd.) Die gefundenen diffe­rentiellen Veränderungen führten außerdem zu einer Angleichung der Cluster 2 und 3 an das ausgewogene aktiv-flexible Profil der Teilnehmer des Clusters 1 bei der Trainingsgruppe im Gegensatz zur Kontrollgruppe, wo die Unterschiede zwischen den Clustern weitgehend bestehen blieben. Kaluza sieht damit die Erweiterung der Bewältigungsprofile der Teilnehmer durch sein Training als nachgewiesen an. (vgl. ebd.)

Qualitätskriterien laut Leitfaden Prävention

Im Leitfaden gibt der Spitzenverband Kriterien für die Strukturqualität (Anbieter­qualifikation), die Konzept- und Planungsqualität und für die Prozessqualität vor, die für die Anerkennung eines Stressbewältigungs-Programms durch den Spitzenverband und damit die Möglichkeit einer Kostenübernahme durch die gesetzlichen Kranken­kassen zu erfüllen sind.

Strukturqualität

Als Grundqualifikation werden ein staatlich anerkannter Berufs- oder Studien­abschluss im Handlungsfeld, eine spezifische, anerkannte Fortbildung und - sofern nicht in diesen Grundqualifikationen enthalten - eine Einweisung in das genutzte Programm angegeben. (vgl. GKV-Spitzenverband 2017, S. 47-48)

Konzept- und Planungsqualität

Bezüglich der Konzept- und Planungsqualität werden eine konkrete Zielgruppendefi­nition, ein schriftliches Manual (Aufbau, Ziele, Inhalte, Methoden), Teilnehmerunter­lagen und ein wissenschaftlicher Evidenznachweis gefordert. (vgl. a.a.O.: 48)

Prozessqualität

Zur Einhaltung der geforderten Prozessqualität soll das Programm in Gruppen in angemessenen Räumlichkeiten stattfinden, die Gruppengröße dabei zwischen 6 und 15 Teilnehmern liegen. Die Teilnehmer müssen zur definierten Zielgruppe gehören, Kontraindikationen müssen dabei ausgeschlossen werden.

Empfohlen werden 8-12 aufeinander aufbauende Einheiten, in der Regel im wöchent­lichen Rhythmus mit einer Dauer zwischen 45 und 90 Minuten. (vgl. ebd.)

Weitere Anforderungen für die Förderung eines Programmes sind der Nachweis der regelmäßigen Teilnahme und die Motivierung der Teilnehmer zum Alltagstransfer der erworbenen Kompetenzen über die Dauer des Programms hinaus. (vgl. a.a.O.: 50)

Kritische Anmerkung der Autorin zu den Kriterien der Prozessqualität gemäß Leitfaden Prävention

Nachvollziehbar ist, dass durch die im Leitfaden Prävention aufgeführten Studien ein Wirksamkeitsnachweis der evaluierten Stressbewältigungs-Programme erbracht wurde.

Nicht nachvollziehbar begründet sind die (Soll-)Vorgaben zu den Rahmen­bedingungen:

- 6-15 Teilnehmer
- 8-12 aufeinander aufbauende Einheiten
- Dauer der Einheiten 45-90 Minuten
- i.d.R. wöchentlicher Rhythmus

Vermutlich sind diese aus den evaluierten Stressbewältigungs-Programmen (vor allem der Meta-Analyse) abgeleitet. So könnte es bei kritischer Betrachtung zu einer Art Zirkel-Bezug gekommen sein: Die Kriterien des Leitfadens wurden so festgelegt, weil ein großer Teil der evaluierten Stressbewältigungs-Programme diese Rahmenbe­dingungen nutzt - neu entwickelte Programme greifen diese Rahmenbedingungen auf, weil sie im Leitfaden Prävention als Kriterien aufgeführt sind.

2.1.2.3. Die Zentrale Prüfstelle Prävention

Die Zentrale Prüfstelle Prävention wurde von der Kooperationsgemeinschaft gesetz­licher Krankenkassen zur Prüfung von Präventionsangeboten nach § 20 Abs. 4 Nr. 1 SGB V gegründet. Zur ihr gehören:

- Die Ersatzkassen
- Die Betriebskrankenkassen
- Die Allgemeinen Ortskrankenkassen
- Die Innungskrankenkassen
- Die KNAPPSCHAFT
- Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)

Insgesamt sind in diesen Krankenkassen ca. 90% aller gesetzlich Krankenversicherten versichert. (vgl. zentrale-pruefstell-praevention.de) Zur Überprüfung müssen Anbieter entsprechender Kurse folgende Angaben an die Zentrale Prüfstelle übermitteln:

- Name des Kursleiters
- Bezeichnung des Kurses
- Beschreibung des Kursinhaltes
- Angabe des Handlungsfeldes und Präventionsprinzips
- Handelt es sich um ein Kompaktangebot?
- Zielgruppe: Geschlecht, Altersgruppe, Beschreibung der Zielgruppe
- Ziel(e) und Inhalte der Maßnahme
- Methoden zur Umsetzung der Ziele und Inhalte
- Qualifikation des Kursleiters
- Umfang und Dauer der Maßnahme
- Gruppengröße und Gruppenraum
- Webbasiertes Angebot?
- Erfolgt eine Erfolgskontrolle durch den Anbieter?
- Kursgebühr
- Beinhaltet der Preis eine kostenfreie/-günstige Nachbetreuung oder Wieder­holung?

Darüber hinaus müssen die Nachweise der Grund- und Zusatzqualifikation des Kursleiters, die Stundenverlaufspläne und Teilnehmerunterlagen hochgeladen werden. (vgl. Zentrale Prüfstelle Prävention, 2017)

Nach Auskunft der Zentralen Prüfstelle Prävention (auf Anfrage per Mail) übernimmt diese nur die Überprüfung der Kurse; statistische Daten - z.B. welche evaluierten Programme zur Stressbewältigung die verschiedenen Anbieter einsetzen - werden nicht erhoben, bzw. nicht herausgegeben.

2.1.2.4. Nutzung der Kurse im Bereich Stressbewältigung

Laut Präventionsbericht 2016 sind im individuellen Ansatz 2015 ca. 25% der 1.665.209 Teilnahmen an individuellen Präventions- und Gesundheitskursen zum Thema Stress­bewältigung erfolgt, der größte Teil dabei zu Entspannungs-Kursen, 28.768 zum Thema Multimodale Stressbewältigung. (vgl. Schempp und Strippel 2016, S. 67)

Setzt man diese Zahl in Bezug zu der zuvor benannten Zahl von ca. 5,7 Mio. Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren, die nach eigener Einschätzung chronischem Stress ausgesetzt sind, entspricht dies in etwa einer Quote von 0,5% dieser Gruppe, die 2015 an einem multimodalen Stressbewältigungs-Training nach § 20 SGB V teilgenommen haben. (vgl. ebd.)

85% der Teilnehmer an Kursen der Stressbewältigung sind Frauen, 43% der Teil­nehmer gesundheitsförderlicher Kursangebote gehören zur Altersgruppe der 40 bis 60-jährigen – deutlich überdurchschnittlich im Vergleich zum Anteil dieser Alters­gruppe an der deutschen Gesamtbevölkerung (vgl. a.a.O.: 68-70)

Bauer & Kordy stellen fest, dass gerade bei präventiven Angeboten „zur Vermeidung psychischer Störungen und körperlicher Erkrankungen [...] an (noch) gesunde Personen ohne Leidensdruck [...] die Motivation der Zielpersonen meist gering [ist.]“ (Bauer & Kordy 2008: 40)

2.1.3. Ausgewählte evaluierte Stressbewältigungs-Programme

Die Recherche nach geeigneten Stressbewältigungs-Programmen erfolgte per Internet

- zunächst generell über Internet-Suchmaschinen
- spezifisch in der Datenbank PSYNDEX
- beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen unter der “Sammlung evaluierter Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation” (vgl. bdp-gus.de)
- bei der Fachgruppe Gesundheitspsychologie (Auflistung evaluierter Prävent­ions­pro­gramme für Erwachsene auf der Website www.gesundheitspsychologie.net)

Ergänzt wurden die Ergebnisse der Internet-Recherche durch eine Übersicht mit dem Titel "Wissenschaftlich fundierte und empirisch evaluierte deutschsprachige Programme zur individuellen Stressbewältigung", die dem "Lehrbuch der Verhaltens­therapie" (Margraf et al. 2009) entnommen wurde sowie einer Aufstellung von Kaluza (2006) unter dem Titel "Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung – Erwachsene"

Für die Analyse als Grundlage zur Beurteilung der Anforderungen und Möglichkeiten einer Gesundheits-App, die im Rahmen des § 20 SGB V eingesetzt werden kann, wurden die deutschsprachig verfügbaren Programme herausgefiltert, die nicht auf einen bestimmten Einsatzbereich (weder Kontext, noch spezielle Belastungs­situationen oder spezielle Zielgruppen) eingeschränkt sind, sondern sich allgemein an die Zielgruppe (noch) gesunder Erwachsener richten und zu denen ein Manual (frei zugänglich) veröffentlicht wurde. Ein weiteres Kriterium war der Einsatz einer multimodalen Methodik in dem jeweiligen Programm.

Es ergab sich dadurch folgende Auswahl:

- Rational-Emotives Gruppentraining (RGT) nach Schelp, Gravemeier, Maluck
- Stressimpfungstraining (SIT) nach Meichenbaum
- Gelassen und sicher im Stress nach Kaluza
- Optimistisch den Stress meistern nach Reschke & Schröder
- Multimodale Stresskompetenz (MMSK) nach Mathesius & Scholz
- Stark im Stress nach Eckert & Tarnowski

Diese Programme werden im Folgenden kurz vorgestellt.

2.1.3.1. Rational-Emotives Gruppentraining (RGT)

Das Rational-Emotive Gruppentraining (RGT) basiert auf der Grundlage der Rational-Emotiven Therapie nach Albert Ellis, in Deutschland aktuell unter der Bezeichnung "Rational-Emotive Verhaltenstherapie" (REVT) verbreitet. Es orientiert sich an Lazarus' Stresskonzept. Als globales Trainingsziel wird beim RGT die Erhaltung seelischer Gesundheit angegeben. „Das Rational-Emotive Gruppentraining richtet sich in erster Linie auf die Beeinflussung und Veränderung kognitiver Bewertungsprozesse, also der intrapsy­chischen Bewältigungsform oder Selbstveränderung.“ (Schelp et al. 1997, S. 12)

Es werden drei Veränderungsbereiche benannt:

1. Beschäftigung mit negativ belastenden Emotionen
2. Auseinandersetzung mit Verhaltensproblemen als Ausdruck von Beeinträchti­gungen der Leistungsfähigkeit und Kompetenz
3. Beeinflussung des Selbstwertgefühls (vgl. ebd.)

Um durch Veränderung von Bewertungsmustern eine Neubewertung von Situationen zur Erlangung eines Gleichgewichtes zwischen Person und Umwelt zu erreichen, sollten Teilnehmer des Trainings einerseits keine starken Verhaltensdefizite haben, andererseits über die intellektuellen Fähigkeiten verfügen, um grundlegende psychologische Konzepte nachvollziehen und auf ihre individuelle Situation trans­ferieren zu können. Darüber hinaus werden die Fähigkeit und der Willen zur weitgehend selbständigen Arbeit an den individuellen Problemen vorausgesetzt. Schelp et al. empfehlen für die Gruppenzusammensetzung Ähnlichkeit in Motivation, Schwere der Belastung und Homogenität der Probleme. (vgl. a.a.O.: 13-15)

Für das RGT wurden Basis-, Emotions-, Kognitions- und Verhaltensmodule entwickelt:

Basismodule

- Einführung in das Training (60 Minuten)
- Problemverständnis (60 Minuten)
- Das Handlungsmodell dieses Trainings (90-120 Minuten)
- Symptomstress (90-120 Minuten)
- Vertiefung / Zwischenbilanz (keine Zeitangabe)
- Auswertung (60 Minuten - open ended)

Emotionsmodule

- Ärger/Feindseligkeit (120-140 Minuten)
- Ich-Angst (120 Minuten)
- Angst vor Unbehagen (120 Minuten)
- Niedergeschlagenheit (90-120 Minuten)
- Selbstmitleid/Wehleidigkeit (90-120 Minuten)
- Eifersucht (120-150 Minuten)
- Schuld/schlechtes Gewissen (120-150 Minuten)

Kognitionsmodule

- Erscheinungs- und Wirkungsweise von absoluten Erwartungen (90-120 Minuten)
- Erscheinungs- und Wirkungsweise von Katastrophengedanken (90-120 Minuten)
- Erscheinungs- und Wirkungsweise globaler Personenbewertungsgedanken (90-120 Minuten)
- Erscheinungs- und Wirkungsweise von niedriger Frustrationstoleranz (90-120 Minuten)
- Perfektionismus (90-180 Minuten)

Verhaltensmodule

- Exzessive Verhaltensweisen (90-180 Minuten)
- Sucht (90-120 Minuten)
- Selbstunsicherheit (90 Minuten)
- Vermeidungsverhalten/Aufschiebeverhalten (120-150 Minuten)
- Sexuelle Schwierigkeiten (90-180 Minuten)
- Partnerschaftsprobleme (90-200 Minuten)
- Chronischer Stress (psychosomatische Reaktion) (90 Minuten)

Schelp et al. empfehlen, generell für Trainings die Basismodule zu nutzen, darüber hinaus eine Kombination der anderen Module, die der jeweiligen Zielgruppe und den Rahmenbedingungen angepasst werden soll. Als didaktische Elemente kommen in den Modulen Kurzvorträge, Gruppengespräche, Gruppenübungen und Hausaufgaben zum Einsatz. (vgl. a.a.O.: 31-120)

Durch Disputationsstrategien im RGT sollen dysfunktionale Bewertungen mithilfe kognitiver Umstrukturierung durch angemessenere ersetzt werden. Unterschieden wird dabei in verbal-kognitive, vorstellungsbezogene und verhaltenszentrierte Strate­gien. Als verbal-kognitive Disputationsstrategien kommen Informationsver­mittlung und das Hinterfragen von Überzeugungen zum Einsatz, z.B. im sokratischen Dialog, durch Humor oder stellvertretendes Lernen. Verhaltenszentrierte Disputations­strategien sind vor allem "Hausaufgaben" zur Verankerung von neuen, angemesse­nerem Verhalten - hierzu zählen z.B. Entspannungsübungen und Scham-Bekämpfungs-Übungen. Bei vorstellungsbezogenen Disputationsstrategien handelt es sich um Techniken, in denen mit Imagination gearbeitet wird, in dem z.B. eine angst­auslösende Situation aus dem Alltag in Gedanken durchgespielt und die auftretenden Gefühle exploriert und verändert werden. (vgl. a.a.O.: 131-135)

Schelp et al. zählen einige Studien zur Wirksamkeit kognitiver Verfahren generell und zur Wirksamkeit der RET im Speziellen auf und stellen eigene Untersuchungs­ergebnisse zur Wirksamkeit des von Ihnen entwickelten Programms vor. Sie kommen zu dem Schluss, dass ihr „Training sich im Alltag zur Verringerung von Streßbelastungen eindeutig bewährt hat [... und dass es durch] die Trainings nicht nur zu subjektiven Streßminderungen gekommen ist.“ (a.a.O.: S. 125)

2.1.3.2. Stressimpfungstraining nach Meichenbaum (SIT)

Das Stressimpfungstraining (SIT) wurde von Meichenbaum und seinen Kollegen in der klinischen Forschung entwickelt. Es ist laut Meichenbaum sowohl im präventiven als auch im therapeutischen Kontext einsetzbar. Als theoretische Grundlage bezieht Meichenbaum sich auf das Transaktionale Stressmodell und die RET. (vgl. Meichen­baum und Schattenburg 2013, S. 11-14)

Die Kognitionen werden bei Meichenbaum in drei Formen konzeptualisiert:

1. Kognitive Ereignisse als „bewusste und identifizierbare Gedanken und Bilder“ (ebd., S. 25), sie werden auch als innerer Dialog bezeichnet
2. Kognitive Prozesse bezeichnen die unbewusste, automatische Informationsver­arbeitung. Wenn diese Prozesse bewusst gemacht werden, wird hier von "Meta­kognitionen" gesprochen. Zu den kognitiven Prozessen zählen z.B. sich selbst erfül­lende Prophezeiungen
3. Kognitive Strukturen - darunter werden Schemata verstanden, die die alltäglichen Erfahrungen eines Menschen unterschwellig beeinflussen, sie haben „repräsentieren­de, interpretierende und schlussfolgernde Funktionen.“ (a.a.O.: S. 30)

Ziele des SIT sind laut Meichenbaum:

1. Information des Klienten über den transaktionalen Charakter von Stress und Stressbewältigung
2. Wahrnehmung von dysfunktionalen Gedanken, Bildern, Gefühlen und Verhal­tensweisen;Stressoren umbewerten
3. Problemlösungstraining
4. Einüben von aktiven emotions- und selbstkontrollbezogenen Bewältigungs­strategien
5. Sensibilisierung für unadaptive Reaktionen
6. Stärkung des Vertrauens in die eigene Bewältigungskompetenz
7. Unterstützung beim Wissenserwerb zu effektiver Stressbewältigung und Verbesserung der individuellen Bewältigungsstrategien (vgl. a.a.O.: 54-55)

Das SIT besteht aus drei Phasen:

1. Informationsphase
2. Lern- und Übungsphase
3. Anwendung und Posttrainingsphase

Diese Phasen wiederholen und überlappen sich in der Durchführung.

Informationsphase

Die Informationsphase dient dem Aufbau eines Arbeitsbündnisses mit dem Klienten und der Situationsanalyse der Stressprobleme (Datenerhebung und Diagnostik) und schließt mit einer Reformulierung des Stressgeschehens in der Sprache des SIT ab, u.a. durch Formulierungen, die dem Stressgeschehen einen Sinn geben, Lösungs­möglichkeiten eröffnen und die transaktionale Perspektive integrieren. (vgl. a.a.O.: 65-108)

Lern- und Übungsphase

In dieser Phase wird ein breiteres Spektrum von Bewältigungsstrategien mit dem Klienten aufgebaut. Es wird dabei zwischen problem- und emotionsbezogener Belastungsverarbeitung unterschieden. Die problembezogenen Bewältigungsstrate­gien sind angepasst an die jeweilige Klientel, die emotionsbezogenen Strategien sind vor allem für Situationen hilfreich, in denen die Stressoren nicht verändert und auch nicht vermieden werden können. Es kommen Entspannungstraining, kognitive Strate­gien, Problemlösungs- und Selbstinstruktionstraining zum Einsatz. (vgl. a.a.O.: 109-149)

Anwendungs- und Posttrainingsphase

In dieser Phase werden die erprobten Bewältigungsstrategien in den (Trainings-) Alltag transferiert. In diese Phase gehört weiterhin die Rückfallprävention. Die Posttrainingsphase wird mit einer geringeren Trainingsamplitude über drei bis zwölf Monate durchgeführt.

Die drei Phasen haben keine lineare Abfolge, sondern überlappen sich und sollen vernetzt stattfinden. (vgl. a.a.O.: 149-164)

Meichenbaum formuliert 11 Leitlinien für Programme zur Reduktion und Prävention von Stress:

1. Trainingsziele bestimmen, Interventionen auf mehreren Ebenen
2. Analyse der Widerstände gegen neue Bewältigungsprogramme
3. Therapeutisches Arbeitsbündnis herstellen
4. Training mehrerer Bewältigungsstrategien unter Berücksichtigung individueller, kultureller und situationaler Faktoren
5. Sensibilität für Kognitionen und Emotionen bei der Belastungsverarbeitung
6. Alltagsrelevanz beachten
7. Generalisierung trainieren
8. Antizipation und Integration möglicher Misserfolge
9. Training in verschiedenen Situationen und mit verschiedenen Trainern, wenn möglich
10. Rückmeldungen zum Trainingserfolg geben
11. Länge des Trainings an Erfolg anpassen, Posttrainingsstunden und Nachunter­suchungen durchführen (vgl. a.a.O.: 49-50)

In der dritten Auflage Meichenbaums Buch "Interventionen bei Stress" wurde ein Kapitel "Neue Ergebnisse und Fortentwicklung des Stressimpfungstrainings nach Meichenbaum" eingefügt. Hier werden überwiegend Studien aus dem klinischen Kontext aufgeführt. (vgl. a.a.O.: 223-225)

Schlussfolgerung aus der Analyse des Programms

Zum SIT gibt es kein ausgearbeitetes Trainings-Manual, das Buch von Meichenbaum stellt eher eine generelle Beschreibung der Trainingsmöglichkeiten dar.

Es zeigt sich auch im Überblick über die Anwendungsfelder des SIT und ver­wandter Trainingspro­gramme, dass hier als Zielgruppe Erwachsene im Rahmen einer allgemeinen Primärprävention kaum vorkommen. Die Anwendungsfelder, die mit "Medizinische Prävention" zusammengefasst werden, sind Vorbereitungen auf medizinische Eingriffe und Untersuchungen.

Durch die Analyse des SIT stellte sich heraus, dass dieses zumindest in der dargestellten komplexen Form unter Einhaltung der Leitlinien für den Einsatz bei Angeboten der Primärprävention im Rahmen des § 20 SGB V kaum geeignet ist, obwohl es den ursprünglichen Auswahlkriterien der Autorin der Thesis entsprach. In der Analyse der ausgewählten Stressbewältigungs-Manuale wird es deshalb nicht berücksichtigt.

2.1.3.3. Gelassen und sicher im Stress

Das Programm "Gelassen und sicher im Stress" wurde im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den 1980er Jahren vom Psychologen Gert Kaluza entwickelt und in zwei kontrollierten Interventionsstudien evaluiert. (Kaluza 2011, S. V)

Als wissenschaftliche Grundlagen zitiert Kaluza Ergebnisse aus der biomedizinischen, soziologischen und psychologischen Stressforschung. (vgl. a.a.O.: S. 12)

Als generelles Ziel seines Programms benennt Kaluza die „Förderung der körperlichen Gesundheit und des seelischen Wohlbefindens der Teilnehmer durch eine Reduktion der Häufigkeit und Intensität alltäglicher Belastungserfahrungen.“ (a.a.O.: 59), als konkretere Ziele:

- Verbesserung der individuellen Bewältigungskompetenzen
- breite Palette verfügbarer Bewältigungsstrategien
- stressinduzierende Bewertungen

Das Programm ist generell zielgruppenunspezifisch konzipiert, Kaluza weist aber darauf hin, dass in der praktischen Umsetzung Angebote für spezifische Zielgruppen sinnvoll sein können. (vgl. a.a.O.: 59-60)

Das Programm ist modular aufgebaut.

6 Basismodule:

- Einstiegsmodul
- Trainingsmodul 1: Entspannen und loslassen: Das Entspannungstraining
- Trainingsmodul 2: Förderliche Denkweisen und Einstellungen entwickeln: Das Mentaltraining
- Trainingsmodul 3: Stresssituationen wahrnehmen, annehmen und verändern: Das Problemlösetraining
- Trainingsmodul 4: Erholen und genießen: Das Genusstraining
- Abschlussmodul

5 Ergänzungsmodule

- Ergänzungsmodul 1: Stressbewältigung durch Sport und mehr Bewegung im Alltag
- Ergänzungsmodul 2: Soziales Netz
- Ergänzungsmodul 3: Blick in die Zukunft
- Ergänzungsmodul 4: Keine Zeit? – Sinnvolle Zeiteinteilung im Alltag
- Ergänzungsmodul 5: Die Quart-A-(4A-) Strategie für den Akutfall

(vgl. a.a.O.: 61-64)

Konzeptionelle Merkmale des Programms sind Flexibilität, Wechsel von Problemkon­frontation und Problemdistanzierung, Aufbau von Änderungsmotivation, Kompetenz­orientierung, Konkretheit sowie Alltags- und Gegenwartsbezug und soziale Unter­stützung. Als didaktische Elemente kommen Information (durch Trainer und Materi­alien), Gruppenarbeit, Gruppengespräch und Transfer- bzw. Vorbereitungs­aufgaben zwischen den Sitzungen zum Einsatz. (vgl. a.a.O.: 64-72)

Kaluza empfiehlt die Durchführung seines Programms über 12 Sitzungen mit einer Dauer von jeweils 120 Minuten im wöchentlichen Abstand. Die 10 Sitzungen zwischen Einstieg und Abschluss enthalten jeweils Elemente von 2-3 der Themen der Basismodule (vgl. a.a.O.: 178)

Als einfaches Rahmenkonzept entwickelt er zur Darstellung der drei Ebenen des Stressgeschehens die sogenannte "Stress-Ampel". Die erste Ebene sind dabei die Stressoren - die äußeren belastenden Situationen oder Bedingungen. Auf der zweiten Ebene geht es um die persönlichen Stressverstärker, die durch individuelle Einstel­lungen, Motive und Bewertungen gekennzeichnet werden. Die dritte Ebene ist die Stressreaktion, die sowohl auf körperlicher, emotionaler, kognitiver und Verhaltens-Ebene liegen kann. (vgl. a.a.O.: 13-14)

Kaluza ordnet die drei Arten von Stressmanagement jeweils einer Dimension des Stressgeschehens gemäß seinem Modell der Stress-Ampel zu: Das Instrumentelle Stressmanagement setzt demnach an den Stressoren, das Mentale Stressmana­gement an den persönlichen Stressverstärkern und das Regenerative Stress­management an der Stressreaktion an. (vgl. a.a.O.: 51)

Evaluationsstudien zu Kaluzas Programm wurden bereits in Kapitel 2.1.2.2 vorgestellt.

2.1.3.4. Optimistisch den Stress meistern

Reschke und Schröder beziehen sich bei den theoretischen Grundlagen ihres Trainings auf Lantermann &Schröder (1990: Selbstregulation als funktionales Prinzip). Auch hier wird Stress als Wechselwirkungsprozess zwischen Person und Umwelt erklärt. Es werden eine externale (psychosoziale Anforderung, psychosoziale Ressourcen) und eine individuelle Bedingungsgruppe (Bewältigungskompetenzen, Antriebsgrund­lage) dargestellt, deren Komponenten sich gegenseitig beeinflussen und gemeinsam die emotionale, kognitive und verhaltensmäßige "Psychobiotische Stressreduktion" bewirken. (vgl. Reschke und Schröder 2010, S. 13-16)

Die Autoren bezeichnen das von ihnen entwickelte Programm in Abgrenzung gegenüber anderen praxisbewährten Programmen als integrativer, da es „versucht, die instrumentelle Seite der Anforderungsbewältigung mit der komplexeren Ebene persönlichen Sinnverständnisses, Identitäts- und Lebensplanrevision sowie partiellen Neustrukturierung kommender Lebensabschnitte zu verbinden.“ (a.a.O.: 23) Zusätzlich wird auch der Anspruch formuliert, symptomlindernd, kompetenzbildend und emanzipationsfördernd zu wirken (vgl. ebd.)

Als Hauptsäulen des Programms dienen:

- die individuelle Stressanalyse
- die Verbesserung der Gefühls- und Handlungsregulation
- die Persönlichkeits- und Selbstwertstabilisierung
- die Stärkung sozialer Ressourcen
- eine Entspannungstechnik

Methodische Charakteristika:

- Orientierung an der Zeitdimension: Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft
- Beachtung des Verhältnisses von Anforderungsprofil, Bewältigungskompetenz, sozialen Ressourcen
- Konzentration auf die Atemfunktion als Relaxationseinstieg
- Multimodale Interventionsmethodik
- Schriftlich fixierte Orientierungsgrundlagen
- Sozial-kommunikative Arbeit in verschiedenen Gruppenformen
- Kriterien persönlicher Zielerreichung

Die Autoren sehen in der methodischen Charakteristik in Kombination mit den Hauptsäulen ein eigenständiges Profil des Trainings. (vgl. a.a.O.: 23–28)

Als Zielgruppe werden generell Jugendliche und Erwachsene „auf der Suche nach Hilfen für das persönliche Stressmanagement“ (a.a.O.: 29) benannt. Als spezielle Indikationen benennen die Autoren berufliche, familiäre und lebensweltliche Stressbelastung, Personen mit Hoch-, Doppel- oder Extrembelastungen bei geringer psychosozialer Vorbildung und Personen mit Merkmalen einer persönlichen Identitätskrise. Dabei seien jedoch eine zielgruppenspezifische Anpassung des Trainings und eine entsprechende Vorbereitung des Trainers nötig. Als Ausschluss­kriterien werden medizinische oder psychotherapeutische Indikationen benannt, als Gruppen­größe 8-12 Personen empfohlen. Trainer sollen über eine psychologische oder sozialwissenschaftliche Ausbildung verfügen, eine zusätzliche Qualifikation in Entspannungsmethoden, Kenntnisse und Erfahrungen in verhaltenstherapeutischer Methodik, Stresstheorie und Stressbewältigung und darüber hinaus bereit sein, eine personenzentrierte Grundhaltung zu praktizieren. (vgl. a.a.O.: 29–33)

Das Training kann als Langzeitkurs mit 10 Einheiten à 90-120 Minuten im wöchentlichen Abstand, als "Stress-Check-up" (vor allem bei akutem und chronischem Stress: 3-4 Teilnehmer, mindestens 3 x 90 Minuten) und in der persön­lichen Beratung (90 Minuten) als niedrigschwelliger Zugang umgesetzt werden. (vgl. a.a.O.: 35–37)

Das Handbuch gibt den Ablauf der einzelnen Trainingseinheiten detailliert vor. Die Themen der Einheiten:

- Auf dem Weg zur Gruppe (mit Stresskurztest)
- Stress-Check 1 (Stressoren)
- Stress-Check 2 (Innere Antreiber)
- Negative Gefühle meistern, Entspannungsübung
- Positive Gefühle und Genuss
- Wege zum eigenen Ich (Biographiearbeit), Entspannungsübung
- Ich bin ich I (Selbstreflexion)
- Ich bin ich II (Selbstreflexion)
- Sozialer Rückhalt
- Meine Zukunft beginnt bereits (Zielformulierung und -überprüfung)

[...]

Ende der Leseprobe aus 133 Seiten

Details

Titel
Stressbewältigung. Möglichkeiten und Anforderungen in der Prävention psychischer Erkrankungen durch Mobile Health Applikationen
Hochschule
Hochschule Fulda
Note
2,5
Autor
Jahr
2018
Seiten
133
Katalognummer
V495132
ISBN (eBook)
9783668997493
ISBN (Buch)
9783668997509
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prävention, App, Mobile Health, Gesundheitsapp, Stressbewältigung
Arbeit zitieren
Christina Clayton (Autor:in), 2018, Stressbewältigung. Möglichkeiten und Anforderungen in der Prävention psychischer Erkrankungen durch Mobile Health Applikationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/495132

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