Im Minnesang werden Rollenspiele inszeniert, die der zuhörenden höfischen Gesellschaft in spielerisch kunstvoller Weise Liebesbeziehungen und erotische Situationen vorführen.
Die häufigste Konstellation ist die des vergeblich um eine höfische Dame werbenden Mannes, der trotz aller Abweisungen und Enttäuschungen an der Verehrung für seine „Herrin“ festhält und sein Leid als Möglichkeit der inneren Vervollkommnung begreift.
Durch die Minne scheint daher ein bis dahin völlig neues Frauenbild transportiert zu werden, nämlich das der idealisierten höfischen Dame, die nicht nur gesellschaftlich sondern auch menschlich über dem Mann zu stehen scheint. Eine neue Wertschätzung der Frau als Person und eine sich steigernde Achtung gegenüber der Weiblichkeit durch den Idealisierungsprozess der Frau in der Minne scheint diese Epoche rund um Walther von der Vogelweide auszuzeichnen.
Das Frauenbild in der vorherrschenden Gesellschaftsordnung jedoch lief dem Idealbild der Frau innerhalb der Literatur völlig entgegen: Im realen Leben wurde das Bild der Frau nicht romantisch verklärt; unverheiratete Frauen galten bei ihren Familien als zusätzlicher Kostenfaktor. Geheiratet wurde nur aus ökonomischen Gründen und innerhalb der Ehe nahm der Mann selbstverständlich die Vormachtstellung ein.
Das reale Bild und die idealisierte literarische Vorstellung der Frau scheinen daher zwei verschiedene Dinge zu sein. Dass dies keineswegs so ist, und dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen Realität und literarischer Fiktion gibt als es scheint, werde ich im Laufe dieser Arbeit herausarbeiten.
Dabei werde ich auf die historische Stellung adliger Frauen bzw. Damen der höfischen Gesellschaft des Mittelalters eingehen und beschreiben, was man unter dem Begriff „Minnesang“ versteht und was der Unterschied zwischen „hoher“ und „niederer“ Minne ist. Außerdem werde ich mich eingehend mit der Person des Walther von der Vogelweide beschäftigen um sein Verhältnis zur Minnetradition besser einschätzen zu können und das Frauenbild, das in seinen Liedern transportiert wird, erklären zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historische Stellung der Frau im Mittelalter
- Erziehung und Bildung der höfischen Frau
- Frauen als Dienerinnen und Repräsentantinnen ihres Geschlechts
- Frauen im ehelichen Alltag
- Der Minnesang
- Hohe und niedere Minne
- Walther von der Vogelweide und die Minne
- Das Frauenbild in Minneliedern Walthers
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Frauenbild des Mittelalters, insbesondere im Kontext des Minnesangs. Sie analysiert, wie die idealisierte Darstellung der Frau in der Literatur mit der realen Situation adliger Frauen im mittelalterlichen Alltag zusammenhängt.
- Die Rolle der Frau in der höfischen Gesellschaft
- Erziehung und Bildung der adligen Frau
- Das Idealbild der Frau im Minnesang
- Die Bedeutung des Minnesangs als Ausdruck der Gesellschaft
- Der Vergleich zwischen literarischem Idealbild und realer Situation
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet einen Einblick in die historische Stellung der Frau im Mittelalter und beleuchtet die Rolle der Frau in der Familie, ihre Erziehung und Bildung sowie ihre Position innerhalb der Ehe. Es zeichnet ein Bild der dominierenden männlichen Hegemonie in allen Lebensbereichen und beleuchtet die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen.
Das zweite Kapitel analysiert den Minnesang als Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse und beleuchtet die unterschiedlichen Formen der Minne. Es widmet sich insbesondere der Figur des Walther von der Vogelweide und seinen Minneliedern.
Das dritte Kapitel untersucht das Frauenbild in den Minneliedern Walthers und analysiert die widersprüchlichen Bilder der Frau zwischen Idealbild und Realität.
Schlüsselwörter
Frauenbild, Mittelalter, Minnesang, höfische Gesellschaft, Walther von der Vogelweide, Literatur, Realitätsbezug, Idealisierung, gesellschaftliche Normen, Erziehung, Bildung, Rolle der Frau, Ehe, Keuschheit, Demut, Würde.
- Arbeit zitieren
- M.A. Nicole Gast (Autor:in), 2003, Frauenbild und Minne im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49806