Anglizismen - Bereicherung oder Schändung der deutschen Sprache?


Seminararbeit, 2002

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anglizismen
2.1 Geschichte der englischen Sprache
2.2 Englischer Spracheinfluss vom Mittelalter bis 1945
2.3 Englischer Spracheinfluss von 1945 bis heute
2.4 Integration von Anglizismen

3. Anglizismen in modernen Werbe - und Medientexten
3.1 Chat – Kommunikation

4. Beispiele von Anglizismenbildung und –verwendung im täglichen Sprachgebrauch
4.1 Analyse von Einzelentlehnungen
4.2 Beispiele für Problemfälle
4.3 Pluralbildungen
4.4 Redewendungen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ursprünglich hatten alle Menschen die gleiche Sprache und waren ein Volk. Als sie auf die Idee kamen, einen Turm zu bauen, der bis zum Himmel reicht, um sich damit einen Namen zu machen, griff Gott ein, denn er sah, dass den Menschen nun nichts mehr unmöglich war. Er verwirrte die Sprache und zerstörte damit jede Verständigungsmöglichkeit. Das eine Volk zerfiel wie seine Sprache und der Turm blieb eine Ruine. Derart pluralisiert, verbreiteten sich die Völker und Sprachen über die Erde

Die elf Apostel saßen in Jerusalem zusammen, als plötzlich ein Brausen vom Himmel das H

erfüllte und Feuerzungen erschienen, die sich auf sie verteilten. Der Heilige Geist, der sie dieserweise erfüllte, hieß sie nun, in fremden Sprachen zu sprechen. Und so kam es, dass alle Menschen in der Vielvölkerstadt zu ihrem größten Erstaunen die Apostel, die doch nur einfache Galiläer waren, in ihrer je eigenen Muttersprache (idia dialekto) reden hörten

Das sind die beiden kommunikativen Urszenen, die uns die Bibel vor Augen führt : der Turmbau zu Babel ( Genesis 11, 1-9) und das Pfingstwunder ( Apostelgeschichte 2, 1 - 13)

Heute scheint die Wirklichkeit die theologische Vorstellung eingeholt zu haben - und zwar beide Urszenen zugleich

Über die Gesamtzahl der heute auf der Erde gesprochenen Sprachen herrscht keine Einigkeit. Die meisten Nachschlagewerke nennen eine Zahl zwischen 4000 und 5000, doch andere Schätzungen schwanken zwischen 3000 und 10 000. Ein Grund für diese schwankenden Zahlen besteht darin, dass in unerforschten Gebieten der Erde selbst heute noch neue Völker und damit neue Sprachen entdeckt werden

Sprachenvielfalt ist also nichts Neues. Sie besteht seit Jahrtausenden und jedes Volk unternahm gezielte Bemühungen seine Sprache von fremdsprachlichen Einflüssen freizuhalten. Diese puristischen Bestrebungen sollten dem Sprachzerfall bzw. der “Muttersprachzertrümmerung“ Einhalt gebieten und zielten in erster Linie darauf ab, Ausdrücke fremder Herkunft durch spracheigene Ausdrücke zu ersetzen

Doch trotz intensiver Bemühungen war diese Aufgabe nicht zu erfüllen. Schon immer mischten sich fremdartige Ausdrücke in das Vokabular einer Sprache, die von ihren Sprechern genutzt wurden ohne dass sie vorher übersetzt wurden

Und auch die deutsche Sprache konnte sich vor der Invasion fremder (insbesondere englischer) Vokabeln und Redewendungen nicht ewig schützen

Und exakt dieses Thema behandelt diese Arbeit. Ich werde der Frage nachgehen, ob Anglizismen und Amerikanismen eine Bereicherung oder doch eher eine Bedrohung der deutschen Sprache sind

Haben sie eine Daseinsberechtigung in unserer Sprache ?

Tragen sie zur Sprachschändung und damit zum Verfall des Deutschen bei ?

Oder sind sie eine Bereicherung unseres Wortschatzes und automatische Nebenerscheinung der Globalisierung?

Um diese Fragen zu beantworten, werde ich erläutern was genau Anglizismen sind, und wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelten und auf andere Sprachen Einfluss nahmen. Außerdem werde ich Beispiele, u. a. auch aus modernen Werbe - und Medientexten, näher untersuchen, die unvermeidbar für den modernen Menschen geworden sind und in denen sich - oft unbemerkt - Anglizismen verstecken

2. Anglizismen

Die Bezeichnung (sprachliche) `Entlehnung´ beschreibt nicht nur einzelne aus einer anderen Sprache übernommene Wörter, sondern umfasst alle Erscheinungen einer Sprache, die auf den Kontakt mit einer anderen Sprache zurückzuführen sind. Als Oberbegriff für die durch das Englische bedingten Veränderungen im Deutschen gebraucht man den Terminus “Anglizismus“. Fischer definiert :

Der Anglizismus...kann...beschrieben werden als ein englisches Wort, eine Wendung oder eine englische Abkürzung in einer anderen Sprache oder als das Peiner unter englischsprachlichem Einfluß stattgefundenen Veränderung eines anders- sprachlichen Wort- oder Wortgruppenkörpers in morphologischer, semantischer, syntaktischer, orthographischer, lautlicher und frequenzmässiger Hinsicht;...[1]

Nach dieser Definition wird `Anglizismus´ nicht auf die Spracheinflüsse des britischen Englisch beschränkt, was ich im Rahmen dieser Arbeit für sehr sinnvoll halte. Der Terminus bleibt somit für das Gesamtenglische frei, er umfasst alle Entlehnungen aus den verschiedenen Sprachzweigen. Als wichtigste nationalsprachliche Varianten sind das Amerikanische, das Australisch- Neuseeländische, das Britische und das Kanadische zu nennen, wobei Großbritannien und vor allem die USA als Einflussbereiche dominieren

In Sekundärliteratur und vielen anderen Nachschlagewerken werden verwirrende Begriffe eingeführt um Entlehnungen genauestens zu klassifizieren und zu registrieren. Man muss sich u.a. mit Termini wie “Angloamerikanismus“, “Amerikanismus“ und “Britizismus“ befassen

Das halte ich jedoch nur für sinnvoll, wenn man genaue Klassifikationen und Untersuchungen vornehmen will

Um Missverständnisse auszuschließen, verwende ich daher in dieser Arbeit den Terminus “Anglizismus“ für alle englischen Begriffe

2.1 Geschichte der englischen Sprache

Bei der Entwicklung der englischen Sprache unterscheidet man zwischen drei Entwicklungsperioden: das Altenglische ( bis etwa 1100), das Mittelenglische ( bis etwa 1500) und das Neuenglische. Die frühesten Sprachzeugnisse der britischen Inseln stammen von den dort etwa ab 800 v. Chr. lebenden indoeuropäischen Volksstämmen, den Kelten. Nur wenige keltische Wörter, darunter überwiegend Eigennamen, sind Teil des heutigen Englisch (z. B. Plaid, Whisky; Cardigan ( kelt. car = Burg), London (kelt. don, hun = Hügel, Festung)). Erhalten blieb das Keltische in Irland, im schottischen Hochland, auf der Insel Man und in Wales. Auch die fast 400 Jahre andauernde römische Herrschaft (von 55 v. Chr. bis 410 n. Chr.) hinterließ nur wenige Wörter wie z. B. pound (lat. pondus)

449 n. Chr. setzte die Besiedlung durch Angeln, Sachsen und Jüten ein. Auf der von diesen westgermanischen Stämmen gesprochenen Sprache basiert das heutige Englisch. Mit der Christianisierung gegen Ende des 6. Jahrhunderts gelangten in größerer Zahl lateinische Wörter ins Altenglische (z. B. creed (lat. credo, wine (lat. vinum))

Von 1017 bis 1035 bildete England eine staatliche Einheit mit den nordischen Ländern, die wiederum Wörter aus dem Nordgermanischen einbrachten. Dazu gehören viele auf sk- anlautende Wörter wie skin und sky sowie viele Pronomen wie she, they und them.

Mit der Eroberung Englands durch die Normannen 1066 wurde das Normannisch - Französische fast 300 Jahre lang zur Amtssprache in allen öffentlichen Einrichtungen. Das hatte zur Folge, dass eine Mischsprache entstand und der Wortschatz des Mittelenglischen durch zahlreiche Ausdrücke, beispielsweise auf den Gebieten Rechtswesen (bill, judge, justice, prison) und Verwaltung (city, government, parliament, state) erweitert

Mit der Wiederentdeckung der Antike im ausgehenden Mittelalter kamen viele lateinisch - griechische Wörter ins Englische ( z. B. administration, character, individual). Sie wurden lautlich meiste völlig assimiliert. Durch die Kolonien und vielfältige Handelsbeziehungen fand das Englische weite Verbreitung, so dass weiterhin Entlehnungen aus den verschiedensten Sprachen ins Englische gelangten. Als Beispiele sind das Arabische (admiral, sofa), australische Sprachen (boomerang, tatttoo), das C

(jungle, curry, bungalow), das Italienische (piano, traffic, umbrella), das Niederländische (skipper, yacht) und das Persische (shawl, chess) zu nennen.[2]

Im Wortschatz des Englischen gibt es also einen sehr hohen Anteil von nichteinheimischen Morphemen. Obwohl die fremden Formen in der Regel phonologisch stark assimiliert wurden, blieb ihre ursprüngliche Schreibung oft erhalten. Dies verkompliziert die englische Orthographie, bringt aber Vorteile für den Gebrauch des Englischen als Weltsprache, da die Identität von Morphemen aufgrund der Ähnlichkeiten zu anderen Sprachen das Verständnis in der schriftlichen Kommunikation erleichtert

Schaut man sich die Geschichte der englischen Sprache an so ist es offensichtlich, dass die heutige Weltsprache Englisch wahrhaftig eine Welt sprache ist, da eine Vielzahl von sprachlichen Einflüssen aus Ländern kommt, die über die ganze Welt verteilt sind. Ein bisschen der eigenen Sprache findet man daher im Englischen wieder und mir stellt sich die Frage, ob die Evolution, die die englische Sprache im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat, nun durch ihren Einfluss auf das Deutsche zu einer Revolution unserer Sprache führt

Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich mit der Geschichte des englischen Einflusses beschäftigen

Das folgende Kapitel wird dies tun

2.2 Englischer Spracheinfluss vom Mittelalter bis 1945

Der Einfluss fremder Sprachen auf das Deutsche hat in unterschiedlichem Umfang und von verschiedenen Seiten ununterbrochen stattgefunden. Zum Großteil stammen die Elemente fremdsprachlicher Herkunft im modernen Wortschatz aus dem Lateinischen und Griechischen. Sie wurden schon vor langer Zeit entlehnt, sind aber nach wie vor sehr produktiv in der Wortbildung. Daneben überwiegen Ausdrücke französischen Ursprungs, die aber seit Ende des 19. Jahrhunderts nach und nach zugunsten von englischen Entlehnungen zurücktreten

Die frühesten Wortübernahmen aus dem Englischen sind bereits im Mittelalter zu verzeichnen. Sie beschränkten sich jedoch auf wenige Fachausdrücke der Seefahrt, die durch die wirtschaftliche und politische Macht der Hanse Verbreitung fanden ( z. B. Boot, Lotse aus mittelengl. bot und lodesman)

Ein kontinuierlicher Einfluss des Englischen auf das Deutsche ist seit Beginn des 18. Jahrhunderts festzustellen und besonders Ausdrücke der Politik gelangten in den deutschen Wortschatz. Das lag vor allem an den politischen Umwälzungen in England ( engl. Revolution, Hinrichtung Karls I. 1648), die im 17. Jahrhundert das Interesse Europas erregt hatten

Die allgemein geringe Kenntnis des Englischen war die Ursache dafür, dass viele Lehnprägungen wie z. B. Oberhaus (ß Upper House), Unterhaus (ß Lower House), Hochverrat (ß high treason) oder auch Parlament (ß als Lehnbedeutung von engl. Parliament, urspr. frz. Einfluss) entstanden

Im 18. und 19. Jahrhundert kamen in diesem Bereich viele Wörter, teilweise lateinisch - altgriechischen Ursprungs, hinzu : Demonstration, Jury, Koalition, Legislatur, Majorität etc. und Übersetzungen dichterischer Werke (z. B. von Defoe, Swift, Milton und insbesondere Shakespeare) englisches Wortmaterial. Als Beispiele sind zu nennen : Ballade, Blankvers, Clown, Humor etc

Im 19. Jahrhundert wuchs der sprachliche Einfluss mit der zunehmenden Bedeutung Englands auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet weiterhin. Technische Entwicklungen, vor allem der Ausbau des Eisenbahnwesens, waren für deutsche Verhältnisse vorbildlich und vermittelten viele neue Entlehnungen (z. B. Dampfer, Koks, Lift, Lokomotive, Lore, Tender). Daneben wurden allgemein gebräuchliche Ausdrücke wie Dandy, exklusiv, Flirt, Selfmademan, smart und Snob übernommen. Seit dem Aufkommen des Sports in den 30er Jahren gelangte eine Vielzahl englischer Bezeichnungen dieses Bereiches in die deutsche Sprache : Derby, dribbeln, Drive, Favorit, Foul, Fußball, Handicap, Jockey, kicken, Match, Racket, Slice. Sport, starten, Tandem, Team, Tennis. Trainer u.a

Lediglich der Wortschatz des Boden- und Geräteturnens besteht fast ausnahmslos aus deutschen Wörtern. Die Terminologie dieser Sportarten geht weitgehend auf Turnvater Jahn zurück, der Fremdwörter im Zuge allgemeiner puristischer Bestrebungen bewußt vermied. Auch auf anderen Gebieten bemühte man sich um die Eindeutschung fremder Fachwörter :

Im Tennis wurden die Begriffe „Schläger“ für Racket oder „Rückhandschlag“ für Backhand gebräuchlich, gegenwärtig ist hier interessanterweise die rückläufige Tendenz hin zum Englischen zu beobachten

Um die Jahrhundertwende wurden die USA als sprachliches Einflußgebiet zunehmend wichtiger. Zunächst wurden hauptsächlich Bezeichnungen aus Film und Funk entlehnt (z. B. Jazz, Girl, Song, Star), seit Ende des 2. Weltkrieges ist eine unünerschaubare Menge von “Amerikanismen“ zu verzeichnen, so dass zum Teil ganze Fachwortschätze englisch sind ( Informatik, Markt - und Meinungsforschung, Werbung)

[...]


[1] Fischer, Urs (1980) : Der Einfluss des Englischen auf den deutschen Wortschatz im Bereich von Essen und Trinken, Frankfurt a. M. ( Europ. Hochschulschriften : Deutsche Sprache und Literatur; Bd. 372, S. 28)

[2] Langner, Heidemarie C.( 1995): Die Schreibung englischer Entlehnungen im Deutschen. Frankfurt a. M.:Peter Lang GmbH. S. 87

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Anglizismen - Bereicherung oder Schändung der deutschen Sprache?
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V49812
ISBN (eBook)
9783638461696
ISBN (Buch)
9783656071563
Dateigröße
729 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anglizismen, Bereicherung, Schändung, Sprache, Entlehnungen, Thema Anglizismen
Arbeit zitieren
M.A. Nicole Gast (Autor:in), 2002, Anglizismen - Bereicherung oder Schändung der deutschen Sprache?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49812

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