Kriterien und Instrumente der Medienkritik und Medienkontrolle


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anzeichen und Folgen der Qualitätsdebatte im Journalismus
2.1 Journalismus im Zwielicht
2.2 Reaktionen auf qualitative Mängel im Journalismus

3. Medienethik als normative Grundlage journalistischer Praxis

4. Was bedeutet „Qualität“ im Kontext des Journalismus?

5. Gründe für den Qualitätsverlust im Journalismus

6. Instrumente der Qualitätssicherung
6.1 Redaktionelle Instrumente der Qualitätssicherung
6.2 Externe Instrumente der Qualitätssicherung
6.3 Medienkritik in den Medien

7. Fazit: Wie ist journalistische Qualität sicherzustellen?

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Wahlabend des 18. September 2005 war in vielerlei Hinsicht denkwürdig. Die rot-grüne Regierung verlor ihre Mehrheit, die schwarz-gelben Herausforderer verfehlten ihrerseits das angepeilte Wahlziel Deutschland in Zukunft gemeinsam regieren zu können. Die Republik wurde mit dem Ergebnis einer Bundestagswahl zurückgelassen, das viele Fragen offen ließ. Der Abend des 18. September 2005 war aber auch ein Abend der Medienkritik: Kein Geringerer als Bundeskanzler Gerhard Schröder ließ seinem Ärger über Medienvertreter vor laufenden Kameras und Millionen von Zuschauern freien Lauf. Bei seiner Rede im Willy-Brandt-Haus nach bekannt werden der ersten Hochrechnungen äußerte er Stolz auf „eine demo-kratische Kultur, die bewiesen hat, dass Medienmacht und Medienmanipulation das demokratische Bewusstsein nicht erschüttert.“[1] Auch in der später zusammen-gekommenen „Berliner Runde“ von ARD und ZDF fuhr Schröder mit seiner Medienschelte fort: Den Moderatoren Nikolaus Brender und Hartmann von der Tann warf er, stellvertretend für das Gros der deutschen Journalisten, vor eine Kampagne gegen ihn inszeniert zu haben. „Vermachtete Medien“, die ihm kritisch gesonnen wären, hätten seinen Wahlkampf erschwert.

Während sich Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), heftigst gegen den „Generalverdacht der Parteilichkeit“ wehrte, darauf hinwies, dass die Veröffentlichung von Umfragewerten der Chronistenpflicht der Medien entspräche und Schröder zudem aufforderte die Anschuldigungen zurückzunehmen[2], bekam der (einstige) „Medienkanzler“ von anderen Seiten Rückendeckung. So äußerte der Hamburger Publizistik-Professor und ehemalige DJV-Vorsitzende Siegfried Weischenberg, die Medien hätten sich sehr früh auf einen Wahlsieg von CDU-Spitzenkandidatin Angela Merkel festgelegt, so dass der Eindruck erweckt worden wäre, Schröder hätte keine Chance auf eine weitere Amtszeit gehabt.[3]

Es sei an dieser Stelle dahingestellt, ob die massive Medienkritik des Bundes-kanzlers in dieser Form berechtigt war, oder ob die heftige Reaktion der Anspannung eines kräfte- und nervenzehrenden Wahlkampfs geschuldet war. Den Ausbruch Schröders nahmen zumindest einige Medienvertreter zum Anlass, sich selbst und ihr Gebaren im Vorfeld der Wahl zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen.

Der geschilderte „Fall Schröder“ und seine Nachwehen sind ein gutes Beispiel, um die Notwendigkeit einer fundierten Medienkritik und -kontrolle deutlich zu machen. Zunehmend beklagen Medienkritiker die mangelnde „media performance“, das Unbehagen gegenüber dem heutigen Journalismus und seinen Leistungen, egal ob in den Printmedien, in den klassischen elektronischen Medien oder – und dort oft besonders – im vergleichsweise neuen Medium Internet ist groß und nicht nur in Deutschland weit verbreitet.

In dieser Arbeit soll es vornehmlich um die Frage gehen, welche Prüfkriterien an den Journalismus angelegt werden müssen und welche Instrumente, Vorgehensweisen und Strategien existieren, um den Medien aus ihrer offenbar akuten qualitativen Krise zu helfen. Zu diesem Zweck sollen zunächst Anzeichen und Folgen der neu entflammten Qualitätsdebatte dargestellt werden. Daraufhin soll beleuchtet werden, welche Rolle eine Medienethik in der journalistischen Praxis spielt und welche Bedeutung der Begriff „Qualität“ in einem journalistischen Kontext innehat. Als nächstes werden Gründe für den Qualitätsverlust in der Publizistik benannt, bevor eine Erläuterung redaktioneller und schließlich externer Instrumente der Qualitätssicherung – mit Schwerpunkt auf der intermedialen Medienkritik – die Arbeit beschließt.

2. Anzeichen und Folgen der Qualitätsdebatte im Journalismus

Die Qualität des Journalismus in Deutschland scheint, glaubt man den Medienseiten und Feuilletons großer deutscher Tageszeitungen und Magazine, in einer schweren Krise zu sein. Doch nicht nur Medienwissenschaftler und Medienkritiker klagen über die qualitativen Defizite des Journalismus, auch das breite Publikum beschwert sich zunehmend über Medien, die mit Inkompetenz, Klatsch und Geschmacklosigkeiten Geschäfte machen oder andere wichtige Grundsätze der Berichterstattung außer Acht lassen. Das Vertrauen der Mediennutzer in den Journalismus ist schwer erschüttert und scheint kontinuierlich zu sinken.

2.1 Journalismus im Zwielicht

Beispiele für fahrlässige Verfehlungen, bewusste Täuschungen oder niveaulosen „Schmierenjournalismus“ lassen sich in der sechzigjährigen Geschichte der deutschen Presse unzählige finden. Das Gladbecker Geiseldrama von 1988, in dessen Verlauf die Medien eine fatale Rolle spielten, indem Reporter sich aktiv ins Geschehen einmischten, die Entführer als Stars inszenierten, die Polizeiarbeit erschwerten und den Kriminellen somit bei ihrer Flucht halfen, ist als Fanal in die deutsche Pressegeschichte eingegangen. Dieses Beispiel scheint insofern einzigartig, als dass man den beteiligten Journalisten vorwerfen kann, durch ihre sensationshungrige Berichterstattung bewusst Menschenleben aufs Spiel gesetzt zu haben. Zwei Menschen starben im Verlauf der Geiselnahme.

Auch in den letzten Jahre machte das Versagen von Medien im wahrsten Sinne Schlagzeilen. Dass solche Vergehen nicht immer Menschenleben, durchaus aber die Karriere kosten können, zeigt die Kampagne der Schweizer Boulevardzeitung Blick gegen den ehemaligen Außenminister der Alpenrepublik in Deutschland, Dr. Thomas Borer-Fielding, die quasi zeitgleich von der BILD aufgenommen wurde.[4] Nachdem der Blick Borer-Fielding, der zuvor vor allem aufgrund der Feierfreuden seiner Frau Shawne in Berlin auf den Boulevardseiten zu finden war, wiederholt eine sexuelle Beziehung mit einer Visagistin vorgeworfen hatte, die dieser vehement bestritt, nahm der Schweizer Außenminister die Affäre – nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Berichterstattung in den deutschen Medien – zum Anlass, Borer-Fielding als Botschafter aus Deutschland abzuziehen. Nachdem sich die Aussage der vermeintlichen Liebschaft als haltlos herausstellte, entschuldigte sich der SonntagsBlick am 14. Juli 2002 öffentlich bei Borer-Fielding und zahlte dem Diplomaten eine finanzielle Entschädigung. Zudem legten der Chefredakteur und die Berlin-Korrespondentin des Blick ihr Amt nieder. Seinen Posten als Schweizer Botschafter in Berlin erhielt Borer-Fielding jedoch nicht zurück, ein Karriereknick blieb das Resultat der aggressiven Kampagne.

Einen ähnlich schmutzigen Pressefeldzug hatte Sibel Kekilli, deutsche Schau-spielerin türkischer Abstammung, zu verkraften. Unmittelbar nach der Berlinale-Auszeichnung des Filmes „Gegen die Wand“, in dem Kekilli die Hauptrolle spielte, mit dem „Goldenen Bären“, begann die BILD-Zeitung öffentlich und auf der Titelseite die Porno-Vergangenheit des Shooting-Stars über mehrere Wochen aufzuarbeiten. Garniert wurde das Ganze mit Nacktbildern der Aktrice, was für die Tochter aus einer konservativen türkischen Familie eine besondere Demütigung darstellte. Noch bevor das Berliner Kammergericht dem Boulevardblatt die Verbreitung von Nacktfotos Kekillis untersagte[5], machte auch die Schauspielerin selbst ihrem Unmut über das ihr widerfahrene Unrecht öffentlichkeitswirksam Luft: Auf der „Bambi“-Verleihung am 18. November 2004 wandte sich die Preisträgerin unter Tränen gegen die „Medien-vergewaltigung“ von BILD und Kölner Express und forderte beide Zeitungen auf „diese dreckige Hetzkampagne“ zu beenden.[6]

Doch nicht nur im Boulevard-Journalismus finden sich Beispiele für schwerwiegende Verfehlungen. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre sorgte der freie Journalist Tom Kummer mit seinen Interviews im SZ-Magazin und dem ZEITmagazin für Aufsehen: Außergewöhnlich offen gaben Stars wie Johnny Depp, Bruce Willis und Pamela Anderson dem Schweizer Einblicke in ihr intimstes Seelenleben, zeigten sich ungewohnt philosophisch und gleichzeitig zutiefst unterhaltend.[7] Schnell wurde Kummer zu einem Star der deutschen Publizistik, zu einem wirklichen Marken-zeichen. Nach und nach begann die Fassade der Ikone Kummer jedoch Risse zu bekommen. Es mehrten sich die Anzeichen, dass es sich bei den Interviews Kummers um dreiste, wenn auch gut gemachte Fälschungen handelte. So waren die Prominenten-Gespräche entweder aus anderen Zeitungen und Magazinen abge-schrieben und von Kummer signifikant editiert, mit „Weisheiten“ aus Kummers eigener Feder versehen, die vorher bereits in anderen Berichten Verwendung fanden, oder aber schlichtweg komplett erfunden.

Nach Kummers „Enttarnung“ im Jahr 2000, unter anderem durch das Nachrichten-magazin Focus, war der einstige Star für einige Jahre das Enfant terrible der deutschen Medienlandschaft und wurde von großen Verlagen fortan gemieden. Kummers unseriöse Vorgehensweise fand als „Borderline-Journalismus“ Eingang in das Vokabular der Branche.

Im Jahr 2004 gab ihm die Berliner Zeitung eine weitere Gelegenheit sein – ohne Frage vorhandenes – publizistisches Talent einzusetzen, die dieser jedoch sogleich vergab. Im Januar 2005 bot Kummer seinem neuen Arbeitgeber eine Reportage an, die bereits vorher mit fast identischem Wortlaut in der Süddeutschen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung erschienen war; dies hatte seine sofortige Kündigung zur Folge.[8] Kummers fragwürdiger Berufsethos und seine Einstellung zu Grundsätzen des Journalismus wird in Äußerungen wie dieser deutlich, die er dem Medienmagazin Cover anvertraute: „Die reine Wahrheit interessiert mich nur am Rande.“[9]

Die genannten Beispiele – es ließen sich Hunderte weiterer Fälle anführen – sollen die Notwendigkeit von Instrumenten zur Sicherstellung und Kontrolle journalistischer Qualität verdeutlichen. Populär gewordene Missetäter wie Tom Kummer sind sicherlich einerseits „schwarze Schafe“ und kaum der Maßstab des deutschen Journalismus. Andererseits ist jedoch zu befürchten, dass Geschehnisse wie der „Fall Kummer“ nur die Spitze des Eisberges darstellen und ohne Instrumente einer journalistischen (Selbst-)Kontrolle in einem immer härter werdenden Wettkampf im Markt der Nachrichten gängige Praxis werden könnten.

[...]


[1] Zitiert u.a. auf der Homepage der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, http://www.spd.de/servlet/PB/menu/1053429/f1587445-e1588228.html, eingesehen am 21.9.2005.

[2] Vgl. die Pressemitteilung des Deutschen Journalisten-Verbandes vom 19.9.2005, http://www.djv.de/aktuelles/presse/archiv/2005/19_09_05.shtml, eingesehen am 21.9.2005.

[3] Vgl. Financial Times Deutschland vom 19.9.2005, http://www.ftd.de/tm/me/22871.html?nv=cd-rss, eingesehen am 21.9.2005.

[4] Die wichtigsten Fakten über die „Affäre Borer-Fielding“ sind nachzulesen auf der Homepage des Schweizer Presserats, Stellungnahme Nr. 62/2002: Privatsphäre öffentlicher Personen/Informationshonorare (Borer-Fielding/“Blick“/“Sonntagsblick“), Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 5. Dezember 2002, http://www.presserat.ch/15990.htm, eingesehen am 25.9.2005.

[5] Vgl. Der Tagesspiegel vom 28.1.2005, online unter http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/index.asp?gotos= http://archiv.tagesspiegel.de/toolbox-neu.php?ran=on&url=http://archiv.tagesspiegel.de/ archiv/28.01.2005/ 1615900.asp#art, eingesehen am 25.9.2005.

[6] Vgl. FAZ.NET vom 19.11.2004, http://www.faz.net/s/Rub501F42F1AA064C4CB17DF1C38AC00196/ Doc~E2ABA5751538A411F98CC82F549DE6685~ATpl~Ecommon~Scontent.html, eingesehen am 25.9.2005.

[7] Eine Zusammenfassung und Einschätzung von Kummers schaffen findet sich in DIE ZEIT: Nils Minkmar, Das gedopte Magazin, online unter http://www.zeit.de/2000/22/200022.m-kummer_.xml?page=1, eingesehen am 25.9.2005.

[8] Vgl. ZEIT.de, Adrian Pohr, Die zweite Chance, 3.2.2005, http://www.zeit.de/2005/06/kummer, eingesehen am 25.9.2005.

[9] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Kriterien und Instrumente der Medienkritik und Medienkontrolle
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
Politische Kommunikation
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V50140
ISBN (eBook)
9783638464178
ISBN (Buch)
9783638660846
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriterien, Instrumente, Medienkritik, Medienkontrolle, Politische, Kommunikation
Arbeit zitieren
Christoph Matthies (Autor:in), 2005, Kriterien und Instrumente der Medienkritik und Medienkontrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50140

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