Philip Larkins "Träumerei" als Vorläufer der Movement-Poetry


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Movement-Poetry
2.1 Zeitliche Einordnung und historischer Hintergrund
2.2 Autoren der Movement-Poetry
2.3 Die Movement-Bewegung als Gruppe
2.4 Abgrenzungsmerkmale der Movement-Poetry

3. Träumerei von Philip Larkin

4. Elemente der Movement-Poetry aus Gedichten der 1950er
4.1 Emotionslose Schreibweise
4.2 Prozess der Selbsterkenntnis

5. Vergleich

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Philip Larkin ist einer der bekanntesten Lyriker der englischen Nachkriegszeit und wurde vorrangig in den 1950er Jahren bekannt. In dieser Zeit gewann die sogenannte „Movement“-Bewegung immer weiter an Relevanz. Zu dieser Gruppierung wird auch Larkin gezählt. Die Lyrik dieser Autoren fußte auf der nüchternen Einsicht, dass die moderne Welt sich so schnell entwickelt, dass lediglich der persönliche Alltag für den einzelnen überschaubar ist und somit auch analysiert werden kann.1 Dadurch bedingt befassen sich die Gedichte dieser Gruppe hauptsächlich mit authentischen Alltagserfahrungen, die in einer einfachen und verständlichen Sprache geschrieben wurden. Eine zeitliche Einordnung dieser Bewegung ist jedoch bis heute schwierig.

Im Folgenden soll das Gedicht Träumerei von Philip Larkin aus dem Jahr 1946 auf seine Zugehörigkeit zur Movement-Poetry untersucht werden. Zu diesem Zweck wird zuerst ein Überblick über die Movement-Poetry gegeben. Als Erstes erfolgt eine zeitliche Einordnung dieser Gruppe sowie die historischen Hintergründe, die für die Entstehung dieser Bewegung wichtig sind. Danach erfolgt eine Übersicht über die wichtigsten Autoren der Movement-Poetry. Anschließend folgt eine Darstellung der Movement-Bewegung als Gruppe, bei der auf die Beziehung der Autoren zu dieser Bewegung eingegangen wird. Der letzte Teil dieses Kapitels widmet sich den Abgrenzungsmerkmalen der Movement-Poetry. In diesem Teil werden die Abgrenzungsmerkmale herausgearbeitet, die im weiteren Verlauf als Vergleichspunkte zwischen den Gedichten genutzt werden. Das dritte Kapitel umfasst eine Analyse von dem Gedicht Träumerei, welche besonders auf die Darstellung und Entwicklung der charakteristischen Merkmale der Movement-Poetry fokussiert ist. Im Anschluss daran werden Gedichte aus der New Lines Anthologie von Robert Conquest herangezogen, die ebenfalls auf ihre charakteristischen Merkmale hin untersucht werden. Dazu werden jeweils zwei Gedichte zu den beiden Merkmalen „emotionslose Schreibweise“ und „Prozess der Selbsterkenntnis“ auf diese Gesichtspunkte gerichtet analysiert. Im anschließenden Vergleichskapitel werden die Ergebnisse aus den Analysen von Träumerei und den Gedichten der New Lines Anthologie gegenübergestellt und unter dem tertium comparationis Abgrenzungsmerkmale verglichen. Das Kapitel Fazit fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und beschreibt das Verhältnis von Träumerei zur Movement- Poetry, welches anhand der Analysen zu konstatieren ist. Außerdem wird das Gedicht in Kontext mit weiteren Werken Larkins gesetzt, was seine Rolle für diese Bewegung weiter charakterisiert.

2. Movement-Poetry

2.1 Zeitliche Einordnung und historischer Hintergrund

Die Movement-Bewegung ist auf jeglichen Ebenen sehr schwer einzugrenzen. Dabei stellt auch die zeitliche Eingrenzung keine Ausnahme dar. Die erste Erwähnung dieser neuen literarischen Bewegung fand in der Londoner Zeitung „The Spectator“ am 1. Oktober 1954 unter dem Titel In the Movement statt.2 Dieser Artikel beschrieb den Aufstieg einer Gruppe, die etwas Neues in der britischen Literatur darstellt. Bereits 1953 wurde in der Anthologie Springtime und in Zeitschriften wie Encounter, der New Statesman und der Times Literary Supplement über eine neue Generation von Schriftstellern gesprochen. Allerdings wurde der Begriff „Movement“ im Spectator das erste Mal mit einem Großbuchstaben geschrieben und ein ganzer Artikel gewidmet, sodass aus „a movement“ „the Movement“ wurde. Dieser Name wurde ab diesem Zeitpunkt auch verwendet. Weiterhin beschrieb der Artikel, dass diese Gruppe noch in einer Findungsphase ist, betonte aber gleichzeitig ihre Wichtigkeit und beschrieb sie als „part of that tide which is pulling us through the Fifties and towards the Sixties.“3. Es sollte aber nicht nur bei diesen Erwähnungen bleiben. Im Jahr 1955 erschien eine Anthologie mit dem Titel Poets of the 1950’s von D. J. Enright, die sich ebenfalls mit dieser Bewegung beschäftigte. Im darauffolgenden Jahr, 1956, erschien die Anthologie New Lines von Robert Conquest. Diese Anthologie umfasste mehrere Schriftsteller, die ab diesem Zeitpunkt zu der Bewegung „the Movement“ gezählt wurden.

Es zeigt sich somit, dass der größte zeitliche Schwerpunkt dieser Bewegung im England der 1950er Jahren liegt. Diese Zeit war in England von großen Problemen geprägt. Der zweite Weltkrieg lag erst einige Jahre zurück und das britische Empire wurde durch Aufstände in Kolonien auf der ganzen Welt unter Druck gesetzt. Auch die Lage in England selber war äußerst schlecht, da die Wirtschaft angeschlagen war und viele Teile der Bevölkerung große Not leiden musste. Auch wenn die Regierung durch Dinge wie den National Health Care Service und die Verabschiedung des National Insurance Acts im Jahr 1946 versuchte dieser Entwicklung entgegenzusteuern, gelang dies jedoch nur in geringem Maße. Aus dieser zeitlichen Einordnung ergibt sich außerdem die Tatsache, dass alle Autoren, die zur Movement-Bewegung zählen, direkten Kontakt mit der Kriegszeit hatten und sich ihr tägliches Leben im postindustriellen Nachkriegsengland abspielte. Manche der Autoren haben sogar Erfahrungen mit dem ersten Weltkrieg gemacht oder zumindest mit den weitreichenden Folgen von diesem historisch einschneidenden Ereignis. Zusätzlich zur aktiven Kriegszeit haben die Autoren des Movements die schwierige Epoche der 50er Jahre in England persönlich miterlebt. Ressourcen waren in den ersten zehn Jahren nach Kriegsende noch immer knapp, was zu Rationierungen für die Bevölkerung führte. Diese substantielle Not war prägend für weite Teile der Gesellschaft. Da sich zudem alle Movement Autoren im genannten Zeitraum in England aufhielten, waren diese teilweise ebenfalls von der Rationierung der Lebensmittel und der Vorräte betroffen. Dadurch wurden sie persönliche Zeugen der entbehrungsreichsten Dekade seit dem Ende des zweiten Weltkriegs.

2.2 Autoren der Movement-Poetry

Die Bewegung der Movement-Poetry ist aber nicht nur zeitlich einzugrenzen. Bezeichnend für diese Bewegung in der Literatur ist ebenfalls, dass sie nur wenige Autoren umfasste. Der Artikel In the Movement, der diese neue Art des Schreibens als Erstes erwähnte, nannte zunächst nur fünf Namen: Donald Davie und Thom Gunn, die hauptsächlich Gedichte schrieben sowie Kingsley Amis, Iris Murdoch und John Wain, die Romanautoren waren.4 Jedoch wurde erwähnt, dass sich eventuell noch weitere Schriftsteller dieser Richtung zuordnen lassen können. Die folgenden Anthologien aus den Jahren 1955 und 1956 erweiterten diesen Personenkreis um zusätzliche Namen. Poets oft he 1950’s enthielt Gedichte vom Ersteller Enright selbst sowie Werke von Kingsley Amis, Donald Davie, John Wain, Robert Conquest, John Holloway, Elizabeth Jennings und Philip Larkin. Somit handelte es sich zu diesem Zeitpunkt um acht Autoren, die mit der Movement-Bewegung in Verbindung gebracht wurden. New Lines von Robert Conquest enthielt schließlich Werke von den gleichen acht Autoren sowie ebenfalls Werke von Thom Gunn. Durch die Veröffentlichung von New Lines erlangte die Movement-Poetry wesentlich mehr Aufmerksamkeit als vorher und ab diesem Zeitpunkt wurden die genannten neun Autoren mit dieser Bewegung assoziiert.

Die hauptsächliche Gemeinsamkeit dieser Autoren liegt darin, dass sie fast alle aus der Unter- oder Mittelschicht stammten und viele es durch vom englischen Staat initiierte Stipendien auf die Eliteuniversitäten Oxford und/oder Cambridge geschafft haben.5 Die meisten haben in den 1940er Jahren auf diesen Universitäten studiert. Zudem haben sich einige von ihnen dort persönlich kennengelernt und angefreundet. Morrison geht davon aus, dass „The origins of the Movement can be traced back to Oxford in the early 1940s, when a number of key friendships were made”6. Die wichtigste von diesen Freundschaften entwickelte sich zwischen Larkin und Amis. Zu diesen beiden Männern kam im weiteren Verlauf ihres Studiums noch John Wain hinzu. Das Gespann aus diesen drei Autoren kann man im weiteren Verlauf der Bewegung als „nucleus oft he Movement“7 sehen. Der Kern der Movement-Poetry bildete sich somit in Oxford. Jedoch gibt es in der Liste der neun Autoren auch Studenten aus Cambridge. Gunn, Davie und D. J. Enright erwarben ihren Abschluss auf dieser Universität. Anders als es die Verbindung aus Larkin, Amis und Wain in Oxford tat, waren diese drei allerdings kein Teil einer literarischen Gruppe. Interessanterweise hatten die drei Absolventen aus Cambridge erst Kontakt mit der Oxford-Gruppe, bevor sie sich untereinander kenngelernt haben.8

2.3 Die Movement-Bewegung als Gruppe

Zu der Frage danach, wie Movement-Poetry am besten zu fassen und zu beschreiben ist, wurde bis zum heutigen Tage keine einheitliche Lösung gefunden. Der Grund dafür liegt in der Definition dieser Bewegung. Sie ist keine Schule im eigentlichen Sinn, da die einzelnen Autoren sich nie explizit entschlossen haben eine gemeinsame Art des Schreibens zu verfolgen. Ganz im Gegenteil, die meisten der Movement-Autoren haben sich mindestens einmal klar von dieser Bewegung distanziert, oder die komplette Existenz einer solchen Bewegung gänzlich infrage gestellt. So sagt Larkin zu diesem Thema, dass es „no sense at all“9 macht, ihn in einer solchen Gruppe zu platzieren. Weiterhin glaubte Larkin auch nicht an Gemeinsamkeiten zwischen ihm und den anderen Autoren, jedoch macht er eine Ausnahme: „the only writer i felt i had much in common with was Kingsley Amis“10. Amis wiederum schreibt in einem Essay aus dem Jahr 1960 von „the phantom „movement““11. Gunn geht sogar noch weiter und beschreibt seine Erfahrung mit der Movement-Bewegung folgendermaßen: „I found out I was in it before i knew it existed … and I have a certain suspicion that it does not exist“12. Später erweitert er diese Aussage sogar noch: „The Movement didn’t exist, what we had in common was a period style.”13. Enright erklärt auf eine ähnliche Weise: „I don’t think there was a movement back in those days, or if there was I didn’t know about it”14. Jennings formulierte bereits selber einen der großen Kritikpunkte, der auch heute noch aufgegriffen wird, mit den Worten: „it is the journalists, not the poets themselves, who have created the poetic movements of the fifties”15. Dies ist eine Referenz auf die Tatsache, dass viele der Ideen des Movements über journalistische Wege in Umlauf gebracht wurden. 1953 wurden sechs Programme von John Wain über den Sender BBC im Radio ausgestrahlt. Larkin beschrieb dies: „the Movement, if you want to call it that, really began when John Wain succeeded John Lehmann on that BBC programme”16. Von 1953 bis 1956 wurden viele der Movement Texte in der Zeitschrift The Spectator veröffentlicht. Insgesamt veröffentlichten alle der neun Movement-Autoren regelmäßige Beiträge in dieser Zeitschrift mit Ausnahme von Enright. Diese journalistischen Methoden spielten eine große Rolle für die Entwicklung der Movement-Poetry, da sie den Autoren Raum gaben, um dort ihre Ansichten und Ideen nicht nur zu verbreiten, sondern zusätzlich auch zu erläutern.17 Diese Verbreitung der Ideen mündete in der Veröffentlichung von New Lines im Jahre 1956. Doch sogar der Ersteller dieser Anthologie, Robert Conquest, sagt dazu er „was not trying to assemble a movement“18. Der einzige Autor, der die Movement-Bewegung als solche akzeptiert und seine eigene Rolle in dieser anerkennt ist Davie.

Das größte Problem in der Abgrenzung dieser Bewegung liegt hauptsächlich darin, dass die inhaltlichen Merkmale des Movement teilweise auch in Texten von Autoren zu finden sind, die nicht in New Lines erwähnt wurden und auch sonst kein Teil des Zirkels der genannten Autoren sind. Weiterhin ist auch eine Beschränkung des Movement auf externe Faktoren wie die Herkunft der Autoren oder ihr Bildungsweg schwierig, da diese Kriterien schlussendlich keine Gemeinsamkeiten auf Textbasis erlauben19. Die Movement-Bewegung zeigt sich eher als eine Art von Gruppe, in der die Autoren bestimmte Ansichten und Ideen darüber teilen, wie moderne Literatur und besonders Poesie auszusehen hat. Da das Movement aber keine geplante Zusammenarbeit der Autoren war, sondern die Übereinstimmungen durch Anthologien hervorgehoben wurden, verblasste die Bewegung bereits 1956 durch die aufkommenden neuen Bewegungen der „Angry Young Men“ und „The Group“. Bergonzi konstatiert zu diesem Umstand: „Movement poetry existed as a tenuously coherent entity only from about 1953 to 1956 and was already beginning to fragment when New Lines put it on the map”20

2.4 Abgrenzungsmerkmale der Movement-Poetry

Eine konkrete Definition für die Bewegung der Movement-Poetry zu finden gestaltet sich als schwierig. Jedoch gibt es einige Übereinstimmungen in den Texten dieser Bewegung, die als Indikatoren für die Zugehörigkeit zur Movement-Poetry herangezogen werden können. Eine große Kategorie dieser Übereinstimmungen ist der „cool, scientific and analytical tone“21. Dieser wird von Dodsworth in direkte Verbindung mit den Erlebnissen der Nachkriegszeit gebracht. Die Städte waren zu einem großen Teil noch nicht wiederaufgebaut und die Rationierung des Essens sorgte für großen Frust innerhalb der Bevölkerung. Zusätzlich wurde immer deutlicher, dass England den Status als imperiale Großmacht verliert. Eine Methode, um mit diesen schnellen Veränderungen in einer immer modernen werdenden Welt klarzukommen, war die Einnahme einer geistigen Haltung, die ihre Sicht auf Abkapselung von den realen Ereignissen fokussierte. Der kühle und analytische Stil der Movement-Poetry wird von Dodsworth als ein Teil dieses Mechanismus verstanden. Dieser Mechanismus entwickelte sich, um die Ereignisse der realen Welt zu verkraften.

Anthony Hartley beschrieb den Stil der Movement Autoren in einem Artikel mit dem Namen Poets oft he Fifties am 27. August 1954, der im Spectator veröffentlicht wurde. Dabei benennt er die Gemeinsamkeiten der Autoren als „common influences and circumstances“ und sieht diese als Beweis für „a not too vague zeitgeist22. Diesen Zeitgeist verbindet er mit dem Stil des Schreibens und bezieht sich dabei auf die Art und Weise, wie sich der Inhalt der Texte präsentiert. „Non-conformist, cool scientific and analytical“, „critical and destructive of myth“, egalitarian and anti-aristocratic“23 sind einige der Beschreibungen, die Hartley für die Texte der Movement Autoren nennt. Am 1. Oktober 1954 greift J. D. Scott diese Beschreibungen im Spectator wieder auf und erweitert sie: „The Movement, as well as being anti-phony, is anti-wet: sceptical, robust, ironic, prepared to be as comfortable as possible in a wicked, commercial, threatened world“24. Diese Darstellung spiegelt erneut die geistige Haltung der Movement Autoren wider. Während die Welt immer komplexer und schneller in ihrer Entwicklung wird, versucht die Movement-Poetry mit einem einfachen und gut lesbaren Stil entgegenzuwirken. Dabei wird auch ein neuer Punkt angeführt, der wenigstens zu einem gewissen Teil ein Abgrenzungsmerkmal des Movement von anderen Gruppen ist: die Verwendung von Ironie. Die Verwendung von Ironie spielte im Movement eine große Rolle und wird von Dodsworth ebenfalls als Teil des Mechanismus gesehen, der zum „coping with reduced status in a rapidly changing world“25 gehört.

Ein weiterer Punkt, der die Movement-Autoren vereinte, war ihr gemeinsame Abneigung gegen die Moderne. Dabei ging es ihnen besonders um die Techniken, die von den Dichtern Eliot, Pound und später auch Yeats in die englische Sprache implementiert wurden. Diese sahen den Ausdruck ihres Schreibens als ein individuelles Erzeugnis von ihnen selbst, was dazu führte, dass sie als Autoren den Leser vernachlässigen konnten.26 Die Texte der Movement-Bewegung taten dies nicht und behielten den Leser als Teil des Ganzen immer im Hinterkopf. Dieser Anti-Modernism und Anti-Romanticism Attitüde führte zu bestimmten Implikationen in den Texten. „The poems praised and tried to embody a plainspoken determination to see things exactly as they are.“27. Die Nüchternheit in der Beschreibung von Dingen zieht sich durch die Movement-Texte und stellt ebenfalls ein Abgrenzungsmerkmal dar. Der Verzicht von großen sprachlichen Bildern und der emotionslose Stil sind dabei ausschlaggebend. Die Texte zeichnen sich oft dadurch aus, dass die Autoren keinerlei emotionale Schreibweise verwenden und keine Emotionen an sich beschreiben. Jedoch wird durch die Art und Weise, wie Dinge beschrieben werden und wie mit den metrischen Versen umgegangen wird, eine Emotion beim Rezipienten erzeugt. Gunn beschrieb dies: „In metrical verse, it is the nature of the control being exercised that becomes part of the life being spoken about.“28. Dabei nimmt das Zwischenspiel zwischen Autor und Leser eine wichtige Rolle ein. Die Texte erzeugen ihre Wirkung dabei erst beim Akt des Lesens, wofür sie auch bewusst konzipiert wurden. Dieses Zusammenwirken von Rezipient und Autor greift Corcoran ebenfalls auf:

The poetry of The Movement mocked the excesses of New Romanticism and was characterised by ist urbanity, civility and decorum, and by a restrained use of emotion. It was a poetry aimed at maintaining with the reader a „level-toned and civilized conversation, often of a fairly literary kind“.29

Das emotionslose Schreiben und die Erzeugung von Emotion als Interaktion zwischen Leser und Autor beim Lesen stellt somit ein weiteres Abgrenzungsmerkmal der Movement-Poetry dar. Die genannten Abgrenzungsmerkmale sollen im Folgenden als Ansatzpunkte für den Vergleich der Gedichte herangezogen werden.

3.Träumerei von Philip Larkin

Das Gedicht Träumerei von Philip Larkin stammt aus dem Jahr 1946. Es besteht aus 23 Versen und ist nicht in Strophen gegliedert. Es beinhaltet zudem keinerlei Reimstruktur. Beim Rezipieren des Gedichts wird der Lesefluss immer wieder durch Zäsuren unterbrochen, die durch die Zeilensprünge entstehen, die teilweise mitten im Satz eingefügt sind. Der Text ist in Sätze unterteilt, die aber als Enjambements über mehrere Zeilen verteilt sind und jeweils eine unterschiedliche Länge aufweisen. Es werden hauptsächlich kürze Wörter verwendet, was in Kombination mit den Zäsuren der Zeilensprünge für einen sehr abgehackten Lesefluss sorgt.

Im Gedicht wird aus der Perspektive des lyrischen Ichs gesprochen. Die Präsentation der Ereignisse ist narrativer Art, da das lyrische Ich von einem immer wiederkehrenden Traum spricht. Larkin verwendet in diesem Gedicht die Form des dramatischen Selbstgesprächs.30 Es findet keine konkrete Ansprache an den Leser oder an Personen innerhalb der Diegese statt, der Sprecher ist sich zudem – im Gegensatz zum Monolog – keiner Zuhörer bewusst.31 Dabei ist die Anwesenheit des lyrischen Ichs eindeutig markiert, was dadurch deutlich wird, dass es aus seiner Sicht den Inhalt des Traums schildert. Dies offenbart sich bereits im ersten Vers durch die Einleitung „In this dream that dogs me I am part“32. Hier zeigt sich nicht nur, dass es um den Traum des lyrischen Ichs geht, sondern ebenfalls, dass explizit gesagt wird, dass es Teil dieser Geschichte ist. Die verwendete Zeitebene ist dabei das Präsens, was eine direkte Nähe zu dem Geschehen suggeriert. Das lyrische Ich spricht durch das ganze Gedicht hindurch über seine subjektive Wahrnehmung, was durch die häufige Verwendung des Personalpronomens „I“ deutlich wird.

[...]


1 Vgl. Haberkamm, Helmut: Die Bewegung vom Movement. Studien zur britischen Gegenwartsdichtung nach 1960. Winter, Heidelberg 1992, S. 22-36.

2 Vgl. Morrison, Blake: The Movement. English Poetry and Fiction of the 1950s. Oxford University Press, Oxford 1980, S. 1.

3 Vgl. Ebd. S. 2.

4 Vgl. Morrison 1980: S. 2.

5 Alegre, Sara Martin: Post-War English Literature 1945-1990. Universitat Oberta de Catalunya. http://gent.uab.cat/saramartinalegre/sites/gent.uab.cat.saramartinalegre/files/Post-War%201945-1990.pdf, S.29. [Letzter Zugriff: 10.07.2019]

6 Morrison 1980: S. 10.

7 Ebd. S. 14.

8 Vgl. Ebd. S. 30.

9 Ebd. S. 4.

10 Burt, Stephen: The Movement and the Mainstream, in: Alderman, Nigel and C. D. Blanton (Hg.): A Concise Companion to Postwar British and Irish Poetry. Blackwell Publishing, 2009. Blackwell Reference Online. http://www.blackwellreference.com/subscriber/tocnode.html?id=g9781405129244_chunk_g97814051292446, S. 2. [Letzter Zugriff: 10.07.2019]

11 Morrison 1980: S. 4.

12 Ebd.

13 Burt 2009: S. 2.

14 Morrison 1980: S. 4.

15 Ebd.

16 Ebd. S. 42.

17 Ebd. S. 49.

18 Ebd. S. 4.

19 Vgl. Bergonzi, Bernard: Wartime and Aftermath: English Literature and Its Background, 1939-1960. Oxford University Press, Oxford 1993, S. 137.

20 Ebd. S. 164.

21 Dodsworth, Martin: The Movement: Never and Always, in: Robinson, Peter (Hg.): The Oxford Handbook of Contemporary British and Irish Poetry. Oxford University Press, Oxford 2013, S. 96.

22 Burt 2009: S. 1.

23 Ebd.

24 Ebd.

25 Dodsworth 2013: S. 96.

26 Burt 2009: S. 2.

27 Ebd.

28 Burt 2009: S. 2.

29 Corcoran, Neil: English Poetry since 1940. Longman, London 1993, S. 82.

30 Vgl. Staudacher, Anke: Der Tod in der modernen britischen Lyrik. Todeskonzeptionen und Todesdarstellungen in den Gedichten von William Butler Yeats, Dylan Thomas und Philip Larkin. Tectum Verlag, Marburg 2012, S. 253.

31 Vgl. Howard, Claud: The Dramatic Monologue: Its Origin and Development. In: Studies in Philology Vol. 4. 1910, S. 31-88. JSTOR www.jstor.org/stable/4171651. [Letzter Zugriff: 16.07.2019]

32 Larkin, Philip: The Complete Poems. Faber & Faber, London 2012, S. 260. Zitate aus dem Gedicht werden im Folgenden mit V. und der Zahl des Verses im Text versehen.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Philip Larkins "Träumerei" als Vorläufer der Movement-Poetry
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Lehrstuhl Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar "Europäische Lyrik im Vergleich (1940 bis 1960)
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
28
Katalognummer
V506107
ISBN (eBook)
9783346064653
ISBN (Buch)
9783346064660
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Larkin, Träumerei, Lyrik, Movement, Poetry, Movement-Poetry, Europäische Lyrik
Arbeit zitieren
Karsten Klein (Autor:in), 2019, Philip Larkins "Träumerei" als Vorläufer der Movement-Poetry, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506107

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