Karriere 4.0 als Perspektive für die Generation Y? Agile Karrierekonzepte zur Stärkung der Employability in sich verändernden Arbeitswelten


Fachbuch, 2020

243 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung und Aufbau der Arbeit

Teil I: Theoretische Grundlagen

2 Bedeutung von Employability aus verschiedenen Perspektiven
2.1 Begriffsdefinition und Relevanz von Employability
2.2 Employability aus Sicht des Individuums
2.3 Employability aus Sicht des Unternehmens
2.4 Employability aus Sicht der Gesellschaft
2.5 Employability als neuer Sicherungsanker?

3 Das Handlungsfeld Personalentwicklung zur Stärkung der Employability
3.1 Begriffsdefinition und Ziele der Personalentwicklung
3.2 Einordnung der Personalentwicklung in den Unternehmenskontext
3.3 Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung als Aufgabenbereiche der Personalentwicklung
3.4 Employability stellt die Personalentwicklung vor neue Herausforderungen

4 Modelle traditioneller Laufbahnen und individueller Karrieren
4.1 Begriffsdefinition und Charakteristika von Karriere
4.2 Elemente von Karrieremanagement im Unternehmenskontext
4.3 Modelle organisational gesteuerter Laufbahnen
4.4 Konzepte individueller Karriereverläufe
4.5 Zusammenfassung und Gegenüberstellung von Laufbahnen und Karrieren
4.6 Das Konzept der Karriereanker von Edgar Schein zur Darstellung verschiedener Karrieremotive

5 Agilität als Trend – Herausbildung einer neuen Mentalität
5.1 Begriffsdefinition und Ursprung von Agilität
5.2 Prinzipien und Leitsätze des agilen Mindsets
5.3 Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei der Implementierung von Agilität
5.4 Arbeitsmethoden zur Realisierung von Agilität in Unternehmen
5.5 Restriktionen von Agilität

Teil II: Analyse der Arbeitswelten aus externer und interner Perspektive

6 Arbeitswelten im Umbruch: Veränderte Rahmenbedingungen der VUCA-Welt
6.1 Die PESTEL-Analyse als Instrument zur Betrachtung der Makroumwelt
6.2 Methodisches Vorgehen bei der Analyse der Arbeitswelten
6.3 Politisch-rechtliche Einflussfaktoren
6.4 Ökonomische Einflussfaktoren
6.5 Sozio-kulturelle Einflussfaktoren
6.6 Technologische Einflussfaktoren
6.7 Ökologische Einflussfaktoren
6.8 Herausforderungen der VUCA-Welt für Unternehmen und Beschäftigte

7 Generation Y im Aufbruch: Erwartungen der Jugend an die Arbeitswelten
7.1 Methodisches Vorgehen der 17. Shell Jugendstudie
7.2 Bewältigung der Entwicklungsaufgaben unter veränderten Lebensbedingungen
7.3 Zusammenfassung von Kernaussagen der Studie
7.4 Interpretation der Ergebnisse im Hinblick auf Karriere
7.5 Kritische Würdigung der Studie und des Forschungsansatzes

Teil III: Interpretation der Analyseergebnisse mithilfe der Karriereanker

8 Interpretation der externen Entwicklungen aus der PESTE-Analyse

9 Interpretation der Erwartungen der Generation Y

10 Identifikation von potenziellen Handlungsfeldern für ein neues Karrierekonzept

11 Überprüfung der Eignung bestehender Laufbahnmodelle in Bezug auf die Handlungsfelder

Teil IV: Entwicklung und Bewertung des agilen Karrierekonzeptes

12 Agile Kompetenzentwicklung als Ansatz des Karrierekonzeptes

13 Prozessuale Ausgestaltung des Karrierekonzeptes unter Anwendung agiler Methoden

14 Potenzielle Bausteine zur Modellierung von Karriereverläufen

15 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Etablierung

16 Potenzielle Vorgehensweise für die Implementierung

17 Überprüfung der Eignung des agilen Karrierekonzeptes in Bezug auf die Handlungsfelder

18 Restriktionen des agilen Karrierekonzeptes

19 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Modell der Beschäftigungsfähigkeit

Abbildung 2: Aufgaben der Personalentwicklung nach Bereichen

Abbildung 3: Struktur der Personalentwicklungsinstrumente nach Lernmethoden

Abbildung 4: Lernzyklen der Protean Career

Abbildung 5: Matrix zur Einordnung von Karrierekonzepten

Abbildung 6: Das Paradigma des Agilitätsmanagements im Überblick

Abbildung 7: Die Scrum Methode im Überblick

Abbildung 8: Arbeitswelten im Umbruch: Übersicht der Einflussfaktoren

Abbildung 9: Herausforderungen für Unternehmen

Abbildung 10: Herausforderungen für Beschäftigte

Abbildung 11: Die Methodik der 17. Shell Jugendstudie 1015 in der Übersicht

Abbildung 12: Die wichtigsten Werteorientierungen der Jugendlichen

Abbildung 13: Die Werteorientierung der Jugendlichen mit mittlerer bis mäßiger Bedeutung

Abbildung 14: Freizeitverhalten der Jugendlichen

Abbildung 15: Erwartungen an die Berufstätigkeit

Abbildung 16: Aussagen zur Gestaltung der Berufstätigkeit

Abbildung 17: Ausgewählte Faktoren zur Übertragung der externen Entwicklungen auf das Konzept der Karriereanker

Abbildung 18: Die Ausprägungen der Karriereanker auf Basis der externen Entwicklungen aus der PESTE-Analyse

Abbildung 19: Die Ausprägungen der Karriereanker auf Basis der Erwartungshaltung der befragten Jugendlichen

Abbildung 20: Zusammenführung der Einordnung der Karriereanker

Abbildung 21: Vergleich der Analyseergebnisse mit der Führungslaufbahn

Abbildung 22: Vergleich der Analyseergebnisse mit der Fachlaufbahn

Abbildung 23: Vergleich der Analyseergebnisse mit der Projektlaufbahn

Abbildung 24: Die Übertragung der agilen Leitsätze auf Karriere

Abbildung 25: Das Vorgehen im agilen Karrierekonzept

Abbildung 26: Skizzierung eines Kompetenzrades

Abbildung 27: Skizzierung einer Mosaikkarriere und darin enthaltene Karrierebausteine

Abbildung 28: Anlässe für Sabbaticals

Abbildung 29: Das 8-Phasen-Modell nach Kotter

Abbildung 30: Zusammenführung der Einordnung der Karriereanker

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Charakteristika traditioneller und neuer Laufbahnmodelle

Tabelle 2: Soziodemografische Merkmale der Jugendlichen in Deutschland

Tabelle 3: Struktur der Erwartungen an die Berufstätigkeit

Tabelle 4: Werteorientierungen, die zur Typenbildung herangezogen wurden

Tabelle 5: Erwartungen an das Berufsleben der Wertetypen

Tabelle 6: Berufstypen und ihre Einstellung zum Arbeitsleben

Tabelle 7: Gewichtung der Faktoren

Tabelle 8: Zuordnung der Faktoren zu den Karriereankern

Tabelle 9: Finale Bewertung der Karriereanker

Tabelle 10: Punkteverteilung der Karriereanker

Tabelle 11: Zuordnung der Erwartungen zu den Karriereankern

Tabelle 12: Gewichtung der Faktoren

Tabelle 13: Die Gewichtung der Erwartungen je Karriereanker

Tabelle 14: Gesamtbewertung der Karriereanker

Tabelle 15: Übereinstimmung der Merkmale der Führungslaufbahn mit den Werteinstellungen der Karriereanker

Tabelle 16: Übereinstimmung der Merkmale der Fachlaufbahn mit den Werteinstellungen der Karriereanker

Tabelle 17: Übereinstimmung der Merkmale der Projektlaufbahn mit den Werteinstellungen der Karriereanker

1 Einleitung und Aufbau der Arbeit

Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 befindet sich schon längst in der Umsetzung.

“Industrie 4.0 bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie“.1

Dennoch bleibt der Mensch weiterhin Treiber für Innovationen und die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen. Humankapital wird somit zur kritischen Ressource für den Unternehmenserfolg. Dadurch verändert sich nicht nur die Industrie, sondern die gesamte Arbeitswelt. Dabei betrachtet man sie als mehrdimensionales Gebilde und spricht von mehreren Arbeitswelten, die sich von Produktions- zu Wissensgesellschaft, von Dienstleistungs- zu Industriesektor, von der traditionellen zur Start-Up Arbeitswelt oder von der nationalen Arbeitswelt zur internationalen unterscheiden.2

Die verschiedenen sich verändernden Arbeitswelten lassen sich unter dem Trend von Arbeit 4.0 zusammenfassen. Arbeit 4.0 meint die Veränderung von Arbeitsformen und Arbeitsverhältnissen. Ursache für die Entwicklungen sind Megatrends wie Globalisierung und Vernetzung, digitale Transformation und Automatisierung sowie der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel – Megatrends, die allgegenwärtig sind und deren Konsequenzen dennoch nicht vollständig absehbar sind. Diese Megatrends und ihre Charakteristika kennzeichnen die VUCA-Welt, in der sich die Veränderungsgeschwindigkeit immer weiter erhöht und Entwicklungen sich dynamisieren.

„The future of work is strongly related to the issue on how high developed economic systems generate positive impulses for a competitive society and economy through product and process innovation as well as through human resource development. A modern work organization requires sustainable work solutions for individuals, organizations and networks in order to ensure the future of work.“3

Arbeit 4.0 betrifft die gesamte Gesellschaft. In der Regel ist jeder Mensch einen Großteil seines Lebens berufstätig und damit unmittelbar von Veränderungen in den Arbeitswelten betroffen. Diese Entwicklungen wirken auf Mitarbeiter und Management, Unternehmen und ihre Strukturen sowie Netzwerke. Arbeit 4.0 wird vor allem die Basis für zukünftige Erwerbstätige der Generation Y, die in sich verändernde Arbeitswelten eintreten. Welche Erwartungen hat die Generation Y an die Arbeit? Inwieweit passen diese Erwartungen zu den externen Rahmenbedingungen? Und wie gut sind Unternehmen auf die zukünftigen Erwerbstätigen vorbereitet? Zu dieser Vorbereitung zählen nicht nur eine entsprechende Unternehmenskultur und ein daran angepasstes Führungsverständnis, sondern auch organisationale Systeme wie beispielsweise Karrieremodelle. Karrieremodelle dienen als Struktur, in der sich Menschen während ihrer Berufstätigkeit bewegen können. Sie sind einerseits Kontroll- und Anreizinstanz für Unternehmen, andererseits unterstützen sie Mitarbeiter bei der Verwirklichung von beruflichen Zielen und sind für diese richtungsweisend. Entsprechend der Veränderungen der Arbeitswelten müssen auch Karrieremodelle angepasst werden. Es gilt Karriere so zu gestalten, dass diese für die zukünftigen Erwerbstätigen attraktiv erscheint.

Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie ein Karrierekonzept zukünftig gestaltet werden kann. Zu diesem Zweck wurde folgende Forschungsfrage entwickelt: Wie kann Karriere gestaltet werden, um die Employability der Generation Y in sich verändernden Arbeitswelten zu stärken? Für die Beantwortung der Forschungsfrage werden zunächst die Veränderungen in den Arbeitswelten aus interner und externer Perspektive untersucht. Dabei meint die interne Perspektive die Sicht der Menschen, die zukünftig darin tätig sein werden – die Generation Y. Die externe Perspektive umfasst die Entwicklungen der Arbeitswelten. Beide Perspektiven werden abgeglichen, um Handlungsfelder zu identifizieren, die als Rahmen für die Gestaltung des Karrierekonzeptes dienen.

Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Der erste Teil gibt eine Übersicht über die Erkenntnisse zu den Themen Employability, Personalentwicklung, Karriere und Agilität aus der Literatur. Hier werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit vermittelt. Der zweite Teil enthält die oben beschriebene Untersuchung der zwei Perspektiven. Er ist in eine PESTEL-Analyse zur Darstellung der externen Perspektive und die Auswertung der Shell Jugendstudie von 2015 zur Darstellung der internen Perspektive unterteilt. Ziel des dritten Teiles ist das Aufzeigen der Relevanz für die Entwicklung eines neuen Karrierekonzeptes. Indem die Erkenntnisse der Analyse sowie die Merkmale der organisational gesteuerten Laufbahnmodelle zusammengeführt und interpretiert werden, werden Handlungsfelder identifiziert. Im vierten Teil erfolgt die Entwicklung eines agilen Karrierekonzeptes sowie dessen kritische Würdigung. Eine tiefergehende Erläuterung der einzelnen Teile erfolgt nicht, da jeder Teil eine eigene Subeinleitung, eine Methodik sowie eine spezifische Erläuterung des Aufbaus enthält. Zum Abschluss der Arbeit erfolgt ein Fazit und es wird ein Ausblick gegeben.

Teil I: Theoretische Grundlagen

Ziel des ersten Teils dieser Arbeit ist die Vermittlung von theoretischen Grundlagen, die für die Arbeit von Relevanz sind. Was ist das Konzept der Employability und was bedeutet es für Individuen, Unternehmen und die Gesellschaft? Welchen Zusammenhang hat Employability mit der Personalentwicklung und wie definiert sich Personalentwicklung? Was ist Karriere? Welche Formen von Karrieren existieren und wie lassen sich diese in den Unternehmenskontext einordnen? Was hat es mit dem agilen Trend auf sich und welche Methoden ermöglichen agiles Arbeiten?

Diese Fragen sollen in den folgenden Abschnitten beantwortet werden. Zunächst wird eine Definition des Konzeptes Employability und dessen Bedeutung für die Zielgruppen Individuum, Unternehmen und Gesellschaft gegeben (Kapitel 0). Daraufhin erfolgt ein Rückbezug zur Personalentwicklung. Hierfür wird Personalentwicklung mit seinen Zielen und Aufgabenbereichen erläutert, um daraufhin die Herausforderungen für Personalentwicklung durch das Konzept der Employability herauszustellen (Kapitel 2). Im darauffolgenden Kapitel wird der Begriff Karriere definiert und organisational gesteuerte Laufbahnmodelle sowie individuelle Karrierewege aufgezeigt. Zudem wird das Konzept der Karriereanker von Edgar Schein vorgestellt (Kapitel 3). Nach diesem Kapitel folgen die Grundlagen zu Agilität. Es werden der Ursprung des Begriffs und das agile Mindset mit seinen Prinzipien und Leitsätzen erläutert. Des Weiteren werden die agilen Methoden Scrum und Kanban vorgestellt, um ein Verständnis für das agile Arbeiten zu vermitteln (Kapitel 4). In Teil I wird oftmals Bezug zu veränderten Arbeitswelten genommen. Die Darstellung dieser Entwicklungen erfolgt in Teil II.

2 Bedeutung von Employability aus verschiedenen Perspektiven

In diesem Kapitel wird zunächst eine kurze Definition des Begriffs Employability vorgestellt und die Relevanz des Terms erläutert (Kapitel 1.1). Zudem wird Employability aus der Sicht des Individuums (Kapitel 1.2), des Unternehmens (Kapitel 1.3) sowie der Gesellschaft (Kapitel 1.4) sowohl im Hinblick auf Interessensfelder als auch auf Chancen und Risiken untersucht.

2.1 Begriffsdefinition und Relevanz von Employability

Employability lässt sich wörtlich mit Beschäftigungsfähigkeit übersetzen. Beide Begriffe werden in der Literatur und auch in der Arbeit synonym verwendet. Andere Synonyme sind Arbeitsmarktfähigkeit oder Arbeitsmarktfitness.4 Es existieren keine eindeutigen Definitionen für die Begriffe. Nach Blancke, Roth und Schmid wird Employability bzw. Beschäftigungsfähigkeit wie folgt definiert:

„Beschäftigungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit einer Person, auf der Grundlage ihrer fachlichen und Handlungskompetenzen, Wertschöpfungs- und Leistungsfähigkeit ihre Arbeitskraft anbieten zu können und damit in das Erwerbsleben einzutreten, ihre Arbeitsstelle zu halten, oder wenn nötig, sich eine neue Erwerbsbeschäftigung zu suchen.“5

Die Definition zeigt, dass Employability zwei Ansätze verfolgt: einerseits die unternehmensinternen Prozesse zur Nutzung von Human Resources während der aktiven Erwerbstätigkeit und andererseits den Auswahlprozess auf dem Arbeitsmarkt, wenn sich das Individuum eine neue Beschäftigung sucht. Folglich kann die Beschäftigungsfähigkeit proaktiv und reaktiv6 gefördert werden. Die Verfolgung eines proaktiven Ansatzes ist erforderlich, um auch während der Erwerbstätigkeit ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer stetigen Weiterentwicklung zu schaffen. Hierdurch wird es dem Individuum ermöglicht, in herausfordernden Situationen, wie beispielsweise der Erwerbslosigkeit, adäquat zu handeln.7

Eine weitere Definition von Lehmann und Wendt ergänzt den Term Employability um den zeitlichen Aspekt und das neue Arbeitsumfeld:

„Beschäftigungsfähigkeit heißt, sich selbst in der Gegenwart zu verbessern und zum richtigen Zeitpunkt – also jetzt – geeignete Fähigkeiten zu entwickeln, die auf Handlungskompetenzen in einer fluiden, komplexen und vernetzten Welt zielen – mit sehr unterschiedlichen Implikationen für das eigene Leben.“8

Die ausgewählten Definitionen verdeutlichen, dass das Individuum im Fokus von Employability steht. Der Einzelne soll auf unterschiedliche Arbeitsumfelder, Tätigkeitsbereiche und Organisationsformen vorbereitet werden. Die Beschäftigungsfähigkeit ist durch verschiedene Bausteine gekennzeichnet. Diese Bausteine sind Faktoren, die den Menschen befähigen, eine bestehende Beschäftigung zu sichern oder eine neue Beschäftigung zu erhalten. Zu den Bausteinen der Beschäftigungsfähigkeit gehören die im beruflichen Kontext erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten, die Bereitschaft zur Teilnahme an entsprechenden Maßnahmen zur Förderung dieser sowie Kenntnisse außerhalb der Berufstätigkeit wie beispielsweise aus sozialem Engagement.9 Employability lässt sich folglich als die Fähigkeit eines Individuums, den Anforderungen eines dynamischen und komplexen Arbeitsumfeldes durch entsprechende fachliche, soziale und methodische Kompetenzen10 gerecht zu werden, beschreiben.

Das komplexe Arbeitsumfeld ist vor allem durch technische Entwicklungen, die uneingeschränkte Mobilität der Märkte und Konsumenten sowie den gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel zu einer Wissensgesellschaft, in der Wissen an Bedeutung zunimmt, geprägt. Diese Entwicklungen konfrontieren den Einzelnen sowie die Unternehmen mit einer steigenden Veränderungsgeschwindigkeit und Unsicherheiten im Arbeitsumfeld,11 wodurch Employability die Arbeitsplatzsicherheit ersetzt und zunehmend an Relevanz gewinnt.12

Employability hat neben der individuellen Sicht, noch zwei weitere Anknüpfungspunkte: Employability aus Unternehmenssicht und aus gesellschaftlicher Sicht. Die drei Sichten werden im Folgenden vorgestellt.

2.2 Employability aus Sicht des Individuums

Employability bedeutet für das Individuum vor allem eine Grundlage für ein Beschäftigungsverhältnis zu schaffen und dabei die Verantwortung für die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu übernehmen. Wettbewerbsfähigkeit bezieht sich in dem Kontext nicht nur auf die eigene Marktfähigkeit, sondern auch auf die Wettbewerbsfähigkeit im Betriebskontext.13 Insbesondere durch die Unsicherheiten im Arbeitsumfeld werden mehr Menschen verschiedene Tätigkeiten im Laufe ihres Berufslebens ausüben. Folglich kommt dem Erhalt und der Anpassung der eigenen Qualifikationen an neue Anforderungen eine höhere Bedeutung zu als dem Streben nach Arbeitsplatzsicherheit.14 Die Beschäftigungsfähigkeit eines Individuums besteht aus den folgenden Elementen, die in dem Modell der Beschäftigungsfähigkeit (siehe Abbildung 1) aufgezeigt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Modell der Beschäftigungsfähigkeit

(eigene Darstellung in Anlehnung an. Rump et al. (2014), S. 16)

Das Fundament der Beschäftigungsfähigkeit sind die Fachkompetenzen, die durch Ausbildung, Weiterbildung und Berufserfahrung aufgebaut werden. Hinzu kommen überfachliche Kompetenzen wie beispielsweise Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Empathie und Reflexionsfähigkeit. Daneben ist vor allem die Einstellung und Mentalität des Individuums notwendig, um beschäftigungsfähig zu sein. Hierbei stehen Eigenverantwortung, Initiative und Lernbereitschaft im Fokus.15 Aus den Bausteinen des Modells ergibt sich ein Anforderungsprofil für beschäftigungsfähige Individuen. Eine beschäftigungsfähige Person hat die nötige Fachkompetenz, ergreift Initiative und nutzt Chancen, übernimmt Verantwortung für sich selbst, ihre Entwicklung und Ziele und verfügt über unternehmerisches Denken und Handeln. Zudem engagiert sie sich und weist eine hohe Lernbereitschaft auf. Daneben sind vor allem wichtige Kompetenzen, wie beispielsweise die Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit sowie das notwendige Einfühlungsvermögen, kennzeichnend. Des Weiteren werden von einer beschäftigungsfähigen Person ein hoher Grad an Belastbarkeit, Veränderungsbereitschaft und Selbstreflexion erwartet. Das Anforderungsprofil gilt als idealistisches Bild einer beschäftigungs-fähigen Person. Da Individuen nicht alle dieser Anforderungen erfüllen können, weicht die Realität von diesem Profil ab.16

Employability bietet dem Einzelnen die Möglichkeit, die Karrierechancen auf dem internen und externen Arbeitsmarkt zu steigern. Das Individuum wird „Unternehmer in eigener Sache“, sodass die Beschäftigungsfähigkeit als eigener Wettbewerbsfaktor gilt. Hierfür ist ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Mobilität zur Reaktion auf neue Anforderungen des Arbeitsmarktes notwendig. Zudem ermöglicht Employability die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den eigenen Kompetenzen und Qualifikationen und deren Adaption. Dadurch kann der Einzelne die persönlichen Kompetenzen sowie zukünftige Anforderungen realistisch einschätzen und Entwicklungsbedarf identifizieren. Das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten gilt als Sicherungsanker im Arbeitsleben und stärkt das Selbstbewusstsein und die Eigenverantwortung. Individuen sind so in der Lage, die eigene Entwicklung in die gewünschte Richtung zu lenken. Dies verbessert unter anderem auch die Mitgestaltungsmöglichkeiten der eigenen beruflichen Zukunft und hat Auswirkungen auf den psychologischen Vertrag zwischen Arbeitgeber und -nehmer.17

Der psychologische Vertrag, im Englischen psychological contract, ist ein Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, der über einen (juristischen) Arbeitsvertrag hinaus geht.18 Dieser traditionelle Kontrakt basiert auf der Annahme, dass die Beschäftigten ihr Engagement und ihre Loyalität gegen Arbeitsplatzsicherheit und stetige Karriereentwicklung eintauschen.19 Durch das Konzept Employability entsteht jedoch ein neuer psychologischer Vertrag, der auch als New Moral contract20 oder transaktionaler Vertrag21 bezeichnet wird. Employability löst, wie oben bereits beschrieben, die Beschäftigungssicherheit als Sicherungsanker ab, sodass kein Abhängigkeitsverhältnis mehr zum Arbeitgeber besteht. Vielmehr bindet der Arbeitgeber die passenden Mitarbeiter für einen definierten Zeitraum an das Unternehmen, wohingegen der Arbeitnehmer das Unternehmen auswählt, das die entsprechenden Kompetenzen nachfragt, und vor allem wertschätzt.22 Dies soll insbesondere Hochqualifizierte durch Qualifizierungsangebote zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit an das Unternehmen binden.23

Trotz der genannten Chancen für den Einzelnen existieren einige Befürchtungen und Ängste im Zusammenhang mit Employability. Mitarbeiter haben vor allem Angst vor der Unsicherheit und einem drohenden Arbeitsplatzverlust. In dynamischen Arbeitsumfeldern fallen traditionelle Sicherungsanker, wie beispielsweise die Arbeitsplatzsicherheit, weg. Employability bietet zwar einen neuen Sicherungsanker, der aber bisher noch nicht als solcher wahrgenommen wird. Zudem haben viele Mitarbeiter Angst vor Überforderung und dem Burnout Syndrom. Ein kontinuierlicher Lernprozess erfordert Flexibilität und mentale Mobilität vom Arbeitnehmer. Dies steigert den Druck für einige Mitarbeiter. Eine weitere Befürchtung ist, dass Employability einen versteckten Arbeitsplatzabbau verursacht. Der Einzelne hat Angst, dass „beschäftigungsfähig“ und „nicht beschäftigungsfähig“ zur Einteilung in erwünschte und unerwünschte Arbeitnehmer führt und dadurch Arbeitsplätze zugewiesen oder relevante Qualifizierungsmaßnahmen verwehrt werden.24

2.3 Employability aus Sicht des Unternehmens

Beschäftigungsfähigkeit dient nicht nur der individuellen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.25 Der kontinuierliche Wandlungsprozess sowie ein steigender Wettbewerb um Wissens- und Kompetenzträger bedarf individueller Lösungen. Zudem ist das Ausschöpfen von Potenzialen mit hohem Aufwand verbunden.26 Infolgedessen müssen auch Unternehmen ihre Personalpolitik verändern und eine neue Form der Mitarbeiterorientierung anbieten. Ziel ist es, durch Förderung der Employability des Einzelnen einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu leisten und die soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern wahrzunehmen. Dies ermöglicht die Vermarktung als attraktiver Arbeitgeber und steigert die Chance, den War for Talents zu gewinnen. Basis für die Veränderungen ist ein neues Mindset, in dem Employability und Beschäftigungsfähigkeitsstrategien von allen Akteuren als neue Aufgaben des Unternehmens anerkannt werden.27

Generell stehen Organisationen Employability skeptisch gegenüber, denn häufig werden nur die positiven Konsequenzen für das Individuum gesehen, nicht aber die positiven Auswirkungen für das Unternehmen. Jedoch bietet die Förderung der Employability der Mitarbeiter den Unternehmen auch einige Vorteile. Zu diesen Vorteilen gehört zunächst eine steigende Innovations- und Reaktionsfähigkeit. Die Innovationskraft eines Unternehmens hängt vom Wissens- und Kompetenzstand der Mitarbeiter ab. Die Anforderungen an diese Kompetenzen variieren, sodass es notwendig wird, dass Mitarbeiter proaktiv ihr Wissen hinsichtlich Aktualität und Relevanz überprüfen und ändern. Dies ist durch die Charakteristika von Employability wie beispielsweise Lernbereitschaft, kontinuierliche Weiterentwicklung und Flexibilität gegeben. Zudem ermöglichen die kontinuierlichen Kompetenzanpassungen ein professionelleres und kompetenteres Auftreten gegenüber Kunden. Dabei repräsentieren Mitarbeiter ihr Unternehmen positiv und leisten einen Beitrag zur Verbesserung der Kundenorientierung. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Personaleinsatz zunehmend flexibler gestaltet werden kann. Beschäftigungsfähige Mitarbeiter fordern arbeitsbezogene Veränderungen, um beschäftigungsfähig zu bleiben. Folglich sind geringe Widerstände gegen Veränderungen der Arbeitsinhalte oder -bedingungen und niedrige Einarbeitungszeiten zu erwarten. Durch den flexiblen Personaleinsatz können auch Vakanzen im Unternehmen schneller besetzt werden, da eine interne Personalanpassung durch die gesteuerte Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter einfacher ist. Des Weiteren steigert die Förderung von Employability die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber und Mitarbeiter werden langfristig an das Unternehmen gebunden. Dennoch gilt, dass Unternehmen dann einen Nutzen aus Employability ziehen können, wenn sie es fordern und fördern und die entsprechenden Bedingungen für die Entfaltung der Potenziale ihrer Mitarbeiter ermöglichen.28

Die Etablierung von Employability wird insbesondere aus Unternehmenssicht mit negativen Konsequenzen verbunden. Zunächst besteht die Angst, dass Investitionen in Mitarbeiter darin resultieren, dass diese sich dem externen Arbeitsmarkt zuwenden und dass das fördernde Unternehmen nicht davon profitiert. Daneben werden hohe Kosten für die Investitionen in Employability erwartet. Allerdings ist eher eine Bereitschaft zu kulturellen und organisatorischen Veränderungen erforderlich als hohe finanzielle Aufwendungen. Solche Kulturveränderungen sind häufig mit Widerständen verbunden, da bisher verinnerlichte Verhaltensweisen und Einstellungen abgelegt und gegen neue zunächst ungewohnte Werte und Handlungen ersetzt werden müssen. Eine weitere Angst besteht darin, dass die Komplexität von Führung, Karrieremustern, Organisations- und Vergütungsstrukturen zunimmt. Unternehmen geraten in die Situation, kontinuierlich Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Jedoch zeigt hier eine Abwägung der entstehenden Kosten und dem daraus resultierenden Nutzen, dass der Nutzen deutlich überwiegt, da die eigenen Prozesse überdacht und der Arbeitgeber sich positiv präsentieren kann. Dadurch kann der Wettbewerbs- und Marktdruck abgeschwächt werden. Weiterhin befürchten vor allem Führungskräfte einen Machtverlust, da die Eigenverantwortung und das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter gefördert werden. Die Förderung der Employability aus Unternehmenssicht verändert aber vielmehr die Rolle der Führungskräfte von einer delegierenden Person zu einem Coach und Unterstützer. Die Führungskräfte müssen an die Grundsätze und Philosophie von Employability und den Nutzen für das Unternehmen herangeführt werden.29

Bei der Vorstellung der Chancen und Ängste wird bereits deutlich, dass die Integration von Employability im Unternehmen erfolgskritische Handlungsfelder hat. Zu diesen Feldern zählen die Unternehmenskultur, Führung, Organisation, Vergütung, Controlling, Gesundheitsförderung und die Personalentwicklung.30 Auf das Handlungsfeld Personalentwicklung wird in Kapitel 2 näher eingegangen, da Karriere und Karrieremanagement hier einzuordnen sind.

2.4 Employability aus Sicht der Gesellschaft

Die gesellschaftliche Sicht auf Employability beruht vor allem auf der bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Perspektive. Wie die Analyse in Teil II zeigt, verändern sich die Arbeitswelten unter dynamischen Rahmenbedingungen. Dies hat auch Konsequenzen für die Erwerbsarbeit und den Arbeitsmarkt, die im Folgenden kurz umschrieben werden.

Der Arbeitsmarkt befindet sich in einem Strukturwandel. Hierbei spielt der demografische Wandel eine große Rolle. Die alternde Gesellschaft, die schrumpfende Bevölkerung und ein späterer Berufseinstieg führen zu einer Reduzierung des Arbeitskräftepotenzials. Ein verringertes Arbeitskräftepotenzial hat Einfluss auf die Wirtschaftskraft des Landes sowie auf soziale Sicherungssysteme wie beispielsweise das Rentensystem.31 Zudem entstehen neue Formen der Arbeit und auch deren Inhalt ändert sich. Hierzu zählt auch die Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhältnissen, die vom Normalarbeitsverhältnis abweichen. Unter atypischen Beschäftigungsverhältnissen versteht man Arbeitsverträge, die von den üblichen Standards abweichen. Dazu zählen u.a. befristete Beschäftigungsverhältnisse, Erwerbstätigkeiten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung oder geringfügige Beschäftigungen.32

Zudem verändert sich die Einstellung zum Beruf. Durch die Auflösung von vorgegebenen Lebens- und Karrierewegen verliert auch das Berufsbild an Bedeutung. Bisher gilt es als Bezugspunkt von Bildungs- und Beschäftigungssystem, der im Verlauf des Erwerbslebens eine richtungsweisende Funktion einnimmt. Berufsbilder bieten dabei die Möglichkeit Erwerbsverläufe zu normieren. Gleichzeitig gelten sie auch für die Tarifpolitik als Grundlage. Employability als neues Konzept basiert auf der Passung von individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen, aber nicht mehr auf konkreten Anforderungen in Form eines Berufsbildes. Die damit einhergehende Flexibilität kann nur gewährleistet werden, wenn bestehende Strukturen aufgelöst werden.33

Employability hat auch Konsequenzen für die Tariflandschaft sowie Vergütungssysteme. Beide Konzepte beruhen auf dem Normalarbeitsverhältnis. Die Dynamik des Arbeitsumfeldes bedingt jedoch den Wechsel zwischen unterschiedlichen Erwerbsphasen, sodass eine Anpassung notwendig ist. Zudem sind Gruppierungssysteme für die Gestaltung von Vergütungsmodellen nicht mehr sinnvoll, da neue Arbeitsmodelle dort derzeit kaum berücksichtigt werden können.34

Nichtsdestotrotz wird das Konzept der Beschäftigungsfähigkeit politisch, insbesondere im Rahmen der Europäischen Union, gefördert. Das Konzept betrifft sowohl die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik als auch die Bildungspolitik. Im Vertrag von Amsterdam haben sich 1997 alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, eine gemeinsame Beschäftigungsstrategie zu entwickeln. 1998 wurden Leitlinien für diese Strategie verabschiedet, die u.a. die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, die Förderung der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Arbeitnehmern sowie die Stärkung der Maßnahmen für Chancengleichheit als Schwerpunkte aufweisen. Die Beschäftigungsfähigkeit soll vor allem durch die Qualität der Bildungs- und Ausbildungssysteme und die Förderung des lebenslangen Lernens gestärkt werden. Hierdurch soll ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit von Europa geleistet werden.35

2.5 Employability als neuer Sicherungsanker?

Durch das dynamische Arbeitsumfeld und die damit verbundenen Unsicherheiten fallen Beschäftigungs- und Arbeitsplatzsicherheit für das Individuum als Sicherungsanker weg. Employability kann als neuer Ansatz fungieren, da der Fokus des Konzeptes auf dem Individuum liegt und dieses, unabhängig von der Entwicklung eines Unternehmens, Kompetenzen erwerben und an zukünftige Anforderungen anpassen kann. Jedoch sind zukünftige Anforderungen oft nicht vorhersehbar, sondern entwickeln sich vielmehr in einem fließenden Übergang. Dadurch ist es fraglich, inwieweit das Individuum selbst neue Anforderungen identifizieren und auf den eigenen Kompetenzerwerb übertragen kann. Zudem basiert das Konzept auf der Selbstverantwortung des Individuums. Hinter diesem Grundsatz steht der Wille des Einzelnen sich zu verändern und anzupassen. Allerdings gilt es zu beachten, dass nicht jeder Mensch in der Lage ist oder den Willen aufweist, sich selbstverantwortlich zu entwickeln. Dies kann zu einer Überforderung des Einzelnen führen. Die Gruppe von überforderten Individuen wird in dem Konzept Employability nicht berücksichtigt. Weiterhin ist es fraglich, inwieweit die geforderten Kompetenzen herausgebildet werden können. Insbesondere die Bildungspolitik ist nicht darauf ausgerichtet, Menschen mit zukünftig erwarteten Kompetenzen auszustatten. Bildungseinrichtungen agieren in der Regel reaktiv, sodass ausschließlich bereits identifizierte Bedarfe bedient werden. Eine Betrachtung der zukünftigen Anforderungen erfolgt nicht oder unzureichend. Folglich ist es für die Etablierung von Employability zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Individuen unabdingbar, auch die entsprechenden Rahmenbedingungen anzupassen. Ob ein Individuum gegenwärtig so beschäftigungsfähig sein kann, wie es gefordert wird, ist fraglich.

3 Das Handlungsfeld Personalentwicklung zur Stärkung der Employability

Personalmanagement sowie eine effektive Führung sind das Bindeglied zwischen operativen Tätigkeiten und der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens. Personalmanagement lässt sich in vier große Bereiche aufteilen: die Einstellung und Bindung von Personal, der Einsatz von Personal, die Entlohnung und der Erfolg von Personal sowie die Entwicklung des Personals. 36 Wie in Kapitel 1.3 erwähnt, ist Personalentwicklung aus Unternehmenssicht eines der Instrumente zur Stärkung von Employability . In diesem Kapitel erfolgt zunächst eine Begriffsdefinition von Personalentwicklung und der damit einhergehenden Ziele (Kapitel 2.1). In Kapitel 2.2 wird Personalentwicklung in den Unternehmenskontext eingeordnet und daraufhin in Kapitel 2.3 die drei Bereiche der Personalentwicklung und ihre Aufgaben erläutert. Im letzten Unterkapitel wird die Bedeutung für Employability herausgestellt (Kapitel 2.4).

3.1 Begriffsdefinition und Ziele der Personalentwicklung

(Strategische) Personalentwicklung ist ein erfolgskritischer Faktor innerhalb des Personalmanagements. Ziel ist es, den Bedarf an Fach- und Führungskräften sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht zu decken. Dadurch unterstützt die Personalentwicklung die Umsetzung der Unternehmensziele und leistet einen Beitrag zum Unternehmenserfolg.37 Eine häufig verwendete Definition von Personalentwicklung ist die nach Manfred Becker:

„Personalentwicklung umfasst alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die von einer Person oder Organisation zur Erreichung spezieller Ziele zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden.“38

Die Personalentwicklung erfolgt dabei auf drei Ebenen.39

1. Vermittlung von Fachwissen (knowledge): Hierbei geht es um Wissen über das Unternehmen oder betriebswirtschaftliche Funktionen und Prozesse. Dazu zählen beispielsweise EDV-Kenntnisse. Fachwissen kann kurzfristig erworben werden.
2. Erweiterung von Fähigkeiten (skills): Fähigkeiten umfassen praktische Anwendungen wie z.B. Präsentationstechniken.
3. Bildung neuer persönlicher Einstellungen (attitudes): Das Annehmen von neuen Einstellungen, wie z.B. die Entwicklung von Toleranz, erfordert eine Verankerung dieser in der Persönlichkeit. Folglich ist diese Ebene die komplexeste und langfristigste Ebene der Personalentwicklung.

Übergeordnetes Ziel der Personalentwicklung ist die Befähigung der Mitarbeiter aller Hierarchiestufen für aktuelle und zukünftige Anforderungen.40 Weitere Ziele aus Unternehmenssicht sind die Steigerung der Effizienz der Führungskräfte und Mitarbeiter, die Sicherung des Mitarbeiterbestandes, die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter an neue Anforderungen sowie die Flexibilisierung des Personaleinsatzes. Zudem können durch ein entsprechendes Personalentwicklungskonzept die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber und das Commitment der Mitarbeiter gesteigert werden. Die Ziele aus Sicht der Mitarbeiter sind die Steigerung der Arbeitszufriedenheit, die Möglichkeit sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln sowie die Steigerung der individuellen Mobilität und der Karrierechancen auf dem Arbeitsmarkt.41

3.2 Einordnung der Personalentwicklung in den Unternehmenskontext

Durch den Wandel zur Wissensgesellschaft gewinnt Wissen als Ressource des Unternehmens an Bedeutung. Jedoch erfordern Erhalt und Erweiterung durch die sinkende Halbwertszeit des Wissens kontinuierliches Lernen, was durch das Konzept des lebenslangen Lernens realisiert werden kann. Dies ist unabhängig vom Alter der Beschäftigten auf allen Hierarchieebenen notwendig. Der Wertzuwachs durch ein erhöhtes Know-How der Mitarbeiter ermöglicht eine stärkere Positionierung im Wettbewerb, sodass Wissen ein erfolgskritischer (Produktions-)Fak-tor im Unternehmen ist. Hierbei nimmt die Personalentwicklung die Funktion des Wissensvermittlers ein und ist somit ebenfalls an dem erfolgskritischen Faktor Wissen beteiligt.42

Die Arbeit der Personalentwicklung ist abhängig von inner- und außerbetrieblichen Einflussfaktoren. Zu den internen Einflussfaktoren gehören die vier Schwerpunkte Struktur, technische Einflussfaktoren, kulturelle Aspekte und die Strategie des Unternehmens. Die Struktur eines Unternehmens ist durch die Unternehmensgröße, den Grad der Internationalisierung und die Mitarbeiterstruktur wie beispielsweise die Alters- und Qualifikationsstruktur gekennzeichnet. Gleichzeitig haben auch kulturelle Aspekte wie beispielsweise die Unternehmenskultur, die Tradition des Unternehmens sowie das Lernklima einen Einfluss auf die Personalentwicklung. Zu den technischen Einflussfaktoren gehören die Arbeitsorganisation, die Branche und technisch-organisatorische Veränderungen, die von der Personalentwicklung mitbegleitet werden oder sie wesentlich betreffen. Der letzte interne Einflussfaktor ist die Strategie des Unternehmens, die durch die Unternehmensstrategie, die Personalstrategie und Veränderungen innerhalb der Branche oder den Rahmenbedingungen abgebildet wird.

Der technologische Fortschritt, durch den Mitarbeiter in neue Funktionen eingesetzt und dafür entsprechend qualifiziert werden müssen, gehört zu den externen Einflussfaktoren. Des Weiteren hat der demografische Wandel Einfluss auf die Gestaltung der Personalentwicklung, denn dem Mangel an Nachwuchskräften muss unter anderem durch die Qualifikation Geringqualifizierter begegnet werden. Ein weiterer Einflussfaktor ist die internationale Ausrichtung des Unternehmens, die eine sprachliche Vorbereitung oder die Förderung des Verständnisses für kulturelle Besonderheiten erforderlich macht. Zuletzt unterliegt die Personal-entwicklung dem Konzept des lebenslangen Lernens. Das Konzept sieht vor, dass die Personalentwicklung Mitarbeiter in allen Lebensphasen begleitet und dadurch ihre Employability sichert.43

Um den beschriebenen Einflussfaktoren begegnen zu können, ist es notwendig, die Personalentwicklung strategisch auszurichten. Eine solche Ausrichtung lässt sich in vier Bereiche unterteilen. Im ersten Strategiebereich, der Strategie der Berufsausbildung, gilt es zu erfassen, welche Berufe in welcher Anzahl und mit welchen Tätigkeiten im Unternehmen vertreten sind und welche zukünftig benötigt werden. Auf dieser Basis können die entsprechenden Ausbildungsplätze sowie das benötigte Budget geplant werden. Zudem ermöglicht die Erfassung Trendanalysen zur Entwicklung der Berufe und eine Ableitung von Tätigkeitsszenarien. Die Strategie der Weiterbildung umfasst die aktive Bildungsplanung, also die Maßnahmen zur Weiterentwicklung und die damit einhergehenden Investitionen. Hierfür werden Bedarfsanalysen und Arbeitsmarktstudien durchgeführt, um ein entsprechendes Konzept zu entwerfen. Des Weiteren gehören hier auch konkrete Maßnahmen wie das Konzept Train the trainer 44 dazu. In der Strategie der Führungskräfteentwicklung steht die langfristige Nachfolge- und Karriereplanung im Fokus, auf deren Basis Entwicklungspläne für Führungskräfte entworfen werden. Zuletzt folgt die Strategie der Organisationsentwicklung. Diese beruht auf der Organisationsgestaltung, der Einführung von neuen Entlohnungs- und Beteiligungsformen sowie neuer Arbeits- und Sozialstrukturen.45

Der Erfolg der (strategieorientierten) Personalentwicklung ist insbesondere abhängig von der Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die Unternehmensleitung hat die Aufgabe die Maßnahmen zu bestätigen, die notwendigen Ressourcen bereitzustellen und die kontinuierliche Entwicklung der Mitarbeiter anzuerkennen. Die direkten Vorgesetzten der verschiedenen Hierarchieebenen sind verantwortlich für die Personalentwicklung der ihnen unterstellten Mitarbeiter. Sie beraten und unterstützen die Mitarbeiter und ermitteln Entwicklungsbedarfe und -potenziale. Die Mitarbeiter selbst tragen eine Mitverantwortung für die eigene Entwicklung und sind dazu verpflichtet, ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Zuletzt unterstützen unter anderem die Personal- und Schwerbehindertenvertretung sowie Gleichstellungsbeauftragte die Weiterentwicklung der Mitarbeiter und gelten als Förderer der Personalentwicklung.46 Weitere Erfolgsfaktoren sind klar formulierte abteilungsübergreifende Entwicklungsziele, ein anforderungsgerechtes Qualifizierungsprogramm und das Einbeziehen des Managements. Besonders wichtig ist dabei ein Vertrauensverhältnis zwischen Management und Personalentwicklung, um die entsprechenden Maßnahmen erfolgreich zu etablieren.47

3.3 Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung als Aufgabenbereiche der Personalentwicklung

Personalentwicklung lässt sich nach Manfred Becker in drei übergeordnete Bereiche kategorisieren. Die drei Bereiche sind Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung. Abbildung 2 zeigt eine Auswahl der wesentlichen Aufgaben der verschiedenen Bereiche.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aufgaben der Personalentwicklung nach Bereichen

(eigene Darstellung in Anlehnung an Becker (2013), S. 4)

Bildung umfasst vor allem die Berufs- und Hochschulausbildung, die berufliche Weiterbildung sowie Umschulungen. Die Berufsausbildung beschreibt alle Maßnahmen der Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen und folgt in der Regel einem dualen Ausbildungssystem.48 Neben einem klassischen Studium an einer Hochschule oder Universität besteht zudem die Möglichkeit eines dualen Studiums, das die Vermittlung praktischer Inhalte mit einem Studium verbindet.49 Die berufliche Weiterbildung wird als Sammelbegriff für alle Aktivitäten verwendet, die der Erhaltung und Erweiterung der beruflichen Kenntnisse dienen. Gesetzliche Grundlage hierfür ist das Berufsbildungsgesetz §1.50

Der zweite Bereich ist die Förderung. Förderung ist notwendig, um die Mitarbeiter bei der Bewältigung der komplexer werdenden Berufs- und Arbeitswelten zu unterstützen und eine individualisierte Personalentwicklung zu ermöglichen.51

„Förderung umfasst alle Maßnahmen, die von einer Person oder Organisation zur Stabilisierung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit und zur beruflichen Entwicklung zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden.“52

Ziel der Förderung ist die Ermittlung von Potenzialen, die Bestimmung der Anforderungen, die Durchführung von Auswahl- und Einführungsmaßnahmen sowie die Erhebung und Beurteilung von Leistung und Verhalten.53 Neben betrieblichen Zielen, wie der Sicherung des Fach- und Führungskräftenachwuchses und der anforderungsgerechten Weiterentwicklung der Beschäftigten, berücksichtigt die Förderung auch individuelle Ziele der Mitarbeiter. Hierzu zählen der eignungs- und neigungsgerechte Einsatz im Unternehmen, die Entwicklung von Potenzialen sowie die Unterstützung bei der persönlichen Berufs- und Lebensplanung. Der Anspruch an Förderung ist,: „Staff should be able to leave, but happy to stay.” 54 Folglich sind Maßnahmen der Mitarbeiterbindung von hoher Relevanz, um die geförderten Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Zu den Inhalten des Bereichs Förderung gehören die Einarbeitung, das Laufbahn- und Nachfolgemanagement und Instrumente wie Coaching, Mentoring und Supervision.

Der letzte Bereich ist die Organisationsentwicklung,

„Organisationsentwicklung soll verstanden werden als dauerhafter, managementgeleiteter zielbezogener Prozess der Veränderung von Strukturen, Prozessen, Personen und Beziehungen, die eine Organisation systematisch plant, realisiert und evaluiert […]“55

Die Organisationsentwicklung beschäftigt sich konkret mit Teamentwicklung, Projektarbeit und Change Management, aber auch mit Events und Kulturveranstaltungen wie beispielsweise Betriebsfeiern. Die Struktur der Personalentwicklungsinstrumente lässt sich auch nach Lernmethoden differenzieren, die in Abbildung 3 im Überblick dargestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Struktur der Personalentwicklungsinstrumente nach Lernmethoden

(eigene Darstellung in Anlehnung an Holtbrügge (2017), S. 145)

Die verschiedenen Lernmethoden lassen sich in vier Faktoren kategorisieren. Dazu gehören der Adressatenkreis, der Zeitpunkt im Beschäftigungszyklus, die Nähe zum jeweiligen Arbeitsplatz sowie der Zweck der Maßnahme. Je nach Zweck lassen sich berufsvorbereitende, berufsbegleitende oder berufsverändernde Maßnahmen unterscheiden.56

On-the-job Instrumente gehören zu den klassischen Methoden der Personalentwicklung. Diese Maßnahmen sind direkt in die Tätigkeit am Arbeitsplatz integriert. Vorteile vom Lernen am Arbeitsplatz sind die Beteiligungsmöglichkeiten des Mitarbeiters am Arbeitsablauf sowie die Unterstützung durch das Arbeitsumfeld. So kann vorhandenes Wissen im Arbeitsalltag eingesetzt und durch eigene Erfahrungen weiterentwickelt werden.57 Zu den Maßnahmen on-the-job gehören beispielsweise die Aufgabenerweiterung durch Job Enrichment58 und Job Enlargement59 sowie Beratungsmethoden wie Supervision.60

Im Gegensatz zu on-the-job Instrumenten findet die off-the-job Methode außerhalb des Arbeitsplatzes statt. Diese Lernmethode ist sinnvoll bei der Vermittlung von komplexen fachlichen Themen, die nicht in den Arbeitsalltag integriert werden können. Diese Förderung erfolgt mithilfe von kognitiven Methoden z.B. Vorträgen, aber auch verhaltensorientierten Ansätzen wie z.B. Rollenspielen.61

Ziel von into-the-job Maßnahmen ist die Eingliederung und Einführung in das Unternehmen. Hierbei werden Qualifikationen erworben, die notwendig sind, um den Anforderungen im Beruf gerecht zu werden. Dazu zählen sowohl die Berufsausbildung als auch Onboarding-Prozesse. Im Gegensatz dazu helfen out-off-the-job Maßnahmen den Mitarbeitern durch strukturierte Outplacement-Prozesse beim Ausstieg aus dem Unternehmen und dem Erlangen einer neuen Berufstätigkeit.62

Near-the-job Maßnahmen, wie beispielsweise Planspiele, finden außerhalb des Arbeitsplatzes statt, haben allerdings einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsplatz. Die along-the-job Lernmethode wird parallel zum Arbeitsalltag durchgeführt. Hierzu gehören auch Laufbahn- und Nachfolgemanagement.63

3.4 Employability stellt die Personalentwicklung vor neue Herausforderungen

Personalentwicklung ist eines der kritischen Handlungsfelder bei der Integration von Employability im Unternehmen. Die bisherige Ausrichtung der Personalentwicklung orientiert sich überwiegend am Bedarf der Mitarbeiter: es werden diejenigen Mitarbeiter gefördert, bei denen Entwicklungsbedarf identifiziert wird. Das Employability Konzept erfordert einen neuen Ansatz der Personalentwicklung. Dieser beruht auf einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung der Qualifikationen eines Mitarbeiters. Die Anpassung erfolgt dabei unter Berücksichtigung des aktuellen und zukünftigen Kompetenz- und Fähigkeitsbedarfes auf dem Arbeitsmarkt und innerhalb des Unternehmens. Zudem sieht der Ansatz vor, dass Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung ihrer Qualifikation mitwirken. Für die Umsetzung des Ansatzes sind das Verinnerlichen von fünf Prinzipien essenziell. Das erste Prinzip sieht die Förderung des lebenslangen Lernens im Mittelpunkt. Die Personalentwicklung hat die Aufgabe eine entsprechende Lernkultur zu schaffen und die Lernmotivation und -kompetenz zu erhöhen, um einen kontinuierlichen Lernprozess zu gewährleisten. Hierbei sollen auch die räumlichen und zeitlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter Berücksichtigung finden. Zudem sollen informell erworbene Kompetenzen, wie beispielsweise durch ehrenamtliches Engagement, als Teil der lebenslangen Lern- und Erfahrungsentwicklung anerkannt werden. Das zweite Prinzip besagt, dass die Personalentwicklungsverantwortung auf die Mitarbeiter und deren direkte Vorgesetzte delegiert wird, sodass die Mitarbeiter sich selbst entwickeln. Damit der Ansatz funktionieren kann, ist laut dem dritten Prinzip eine Zielgruppendifferenzierung notwendig. Als Grundlage dienen die bisherigen Qualifikationen, Stärken, Präferenzen und Interessen, der Lebenslauf oder die Aufgabengebiete. Dadurch kann das Angebot der Personalentwicklung ausdifferenziert und individuell gestaltet werden. Hierbei gilt es, besonders die Personalentwicklung von gering qualifizierten Mitarbeitern auszubauen. Des Weiteren sollen auch überfachliche Kompetenzen gefördert werden (viertes Prinzip). Hierzu zählen die in dem Anforderungsprofil an beschäftigungsfähige Personen in Kapitel 1.2 vorgestellten Kompetenzen. Das letzte Prinzip besagt, dass unternehmens- und arbeitsbereichsbezogene Lernfelder integriert werden sollen. Dies soll vor allem in der täglichen Arbeit beispielsweise durch Coaching, Mentoring, Nachwuchsförderprogramme sowie Laufbahnmanagement gewährleistet werden.64

4 Modelle traditioneller Laufbahnen und individueller Karrieren

In diesem Kapitel werden die Themenfelder Laufbahn und Karriere vorgestellt. Hierzu erfolgt zunächst eine Bestimmung des Begriffs Karriere (Kapitel 3.1). Anschließend werden Charakteristika und Ziele des organisationalen Karriere- und Laufbahnmanagements erläutert (Kapitel 3.2). In Kapitel 3.3 werden mit der Führungs-, Fach- und Projektlaufbahn die klassischen organisational gesteuerten Laufbahnmodelle vorgestellt. Die Darstellung individueller Karrierekonzepte erfolgt in Kapitel 3.4. Dabei wird auf ausgewählte repräsentative Konzepte eingegangen, die zur Erarbeitung eines neuen Karrierekonzeptes Rückschlüsse zulassen. In der Praxis existieren darüber hinaus weitere Karrierewege, die aber aufgrund ihrer großen Individualität an dieser Stelle keinen Mehrwert für die Arbeit darstellen und daher nicht weiter behandelt werden. Die verschiedenen Modelle werden abschließend zusammenfassend gegenübergestellt (Kapitel 3.5). Zum Abschluss dieses Kapitels wird das Konzept der Karriereanker von Edgar Schein erläutert, um neben den verschiedenen Laufbahn- und Karrierekonzepten auch die Werthaltungen verschiedener Karrieretypen aufzuzeigen (Kapitel 4.6).

4.1 Begriffsdefinition und Charakteristika von Karriere

Der Begriff Karriere leitet sich ursprünglich von dem lateinischen Wort carrus (für Wagen oder Karre) ab, mit dem ein vorgezeichneter Weg befahren werden konnte.65 Über die im 18. Jahrhundert verwendete französische Bezeichnung carrière (für Lebensweg) hat der Term dann Einzug in den deutschen Sprachgebrauch gefunden.66 Heute wird der Begriff Karriere mit beruflichem Erfolg verbunden: Individuen folgen einem (vorgezeichneten) Weg und erreichen durch Veränderungen im beruflichen Umfeld sowie durch entsprechende Leistungen und Qualifikationen eine ranghöhere Stelle.67 Im angloamerikanischen Raum beschreibt der Begriff career dagegen nicht nur den hierarchischen Aufstieg einer Person, sondern umfasst vielmehr die gesamte Berufsentwicklung.68 Hier geht es im Sinne eines individuellen Lebenslaufes um die Abfolge von Positionen, die eine Person im Verlauf ihres Berufslebens einnimmt.69

Neben den berufsbezogenen Rollen, die ein Individuum im Zeitverlauf durchlebt, werden dem Karrierebegriff im wissenschaftlichen Gebrauch auch andere Bedeutungen zugeschrieben. Karriere inkludiert demnach auch die subjektiven Erfahrungen, die eine Person im Verlauf des beruflichen Werdegangs macht und wird insgesamt als Ergebnis des Arbeitslebens gesehen. In diesem Ergebnis schlagen sich Fähigkeiten, Fachwissen und Beziehungsnetzwerke nieder, die im Laufe der beruflichen Stationen entwickelt werden.70 Somit ist nach wissenschaftlichem Verständnis Karriere auch ohne beruflichen Erfolg möglich.71 In seiner Definition von Karriere benennt Hall das weiter gefasste wissenschaftliche Verständnis des Begriffs als „[…] the individually perceived sequence of attitudes and behaviors associated with work-related experiences and activities over the span of the person’s life.” 72 Während Hall den Karrierebegriff auf den beruflichen Kontext fokussiert, bezieht Super in seiner Definition von Karriere als „sequence of positions occupied by a person during the course of a lifetime“ 73 sämtliche Rollen eines Individuums mit ein, das dieses im Lebensverlauf einnimmt. Dabei werden einige der von ihm beschriebenen Rollen (z.B. Kind und Schüler/Student) simultan, andere wiederum sequenziell (z.B. Arbeiter und Rentner) durchlebt.74

[...]


1 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (o.J.): Was ist Industrie 4.0? Online verfügbar unter https://www.plattform-i40.de/PI40/Navigation/DE/Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html. Letzter Zugriff am 26.07.2019.

2 vgl. Rump, Jutta; Eilers, Silke (2017a): Arbeit 4.0 - Leben und Arbeiten unter neuen Vorzeichen. In: Rump, Jutta; Eilers, Silke (Hrsg.): Auf dem Weg zur Arbeit 4.0. Innovationen in HR. Berlin: Springer-Verlag. S. 3–77, S. 16f.

3 Bauer, Wilhelm (2005): Zukunft der Arbeit - Moderne Arbeitswelt. Hrsg. von Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart, S. 1.

4 vgl. Rump, Jutta; Eilers, Silke (2006): Managing Employability. In: Rump, Jutta (Hrsg.): Employability Management. Grundlagen, Konzepte, Perspektiven. 1. Auflage. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler. S. 13–75, S. 19.

5 Blancke et al. (2000), S. 9 in Kraus, Katrin (2007): Vom Beruf zur Employability? Zur Theorie einer Pädagogik des Erwerbs. 1. Auflage, unveränderter Nachdruck. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 57.

6 Reaktive Förderung meint, dass erst bei Bedarf, also bei Erwerbslosigkeit, gefördert wird.

7 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 19f.

8 Lehmann, Wendt (2001), S. 218f. in Kraus (2007), S. 58.

9 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 19f.

10 Unter Kompetenzen versteht man „ die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen […]“ (Weinert, Franz E. (2014): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen - Eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, Franz E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. 3. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. S. 17–31, S. 27f.) Folglich werden die Begriffe Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in dieser Arbeit synonym verwendet.

11 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 14–17.

12 vgl. Fischer, Heinz (2006): Wenn nicht ich, wer dann? Employability ist unerlässlich in veränderten Arbeitswelten. In: Rump, Jutta (Hrsg.): Employability Management. Grundlagen, Konzepte, Perspektiven. 1. Auflage. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler. S. 85–92, S. 87.

13 vgl. Kraus (2007), S. 71f.

14 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 17.

15 vgl. Rump, Jutta; Wilms, Gaby; Eilers, Silke (2014): Die Lebensphasenorientierte Personalpolitik. Grundlagen und Gestaltungstipps aus der Praxis für die Praxis. In: Rump, Jutta; Eilers, Silke (Hrsg.): Lebensphasenorientierte Personalpolitik. Strategien, Konzepte und Praxisbeispiele Zur Fachkräftesicherung. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. S. 3–70, S. 16.

16 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 21ff.

17 vgl. ebd., S. 27ff.

18 vgl. Bratscher, Thomas; Nissen, Regina (2018): Psychologischer Vertrag. Hrsg. von Gabler Wirtschaftslexikon. Online verfügbar unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/psychologischer-vertrag-43642/version-266970. Letzter Zugriff am 15.05.2019.

19 vgl. Sullivan (1999), S. 458; Faust (2002), S. 78; Bühlmann (2008), S. 3 in Hyll, Melanie (2014): Karriereformen im Wandel. Herausforderungen für Individuen und Organisationen. München, Mering: Rainer Hampp Verlag, S. 10.

20 vgl. Sattelberger (1999), S. 95 in Kraus (2007), S. 81.

21 vgl. Minssen, Wehling (2011) in Hyll (2014), S. 33f.

22 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 28f.

23 vgl. Hyll (2014), S. 33f.

24 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 32.

25 vgl. Kraus (2007), S. 79.

26 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 17.

27 vgl. Kraus (2007), S. 81ff.

28 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 23–26.

29 vgl. ebd., S. 30f.

30 vgl. ebd., S. 40.

31 vgl. Schmid, Josef (2010): Wer soll in Zukunft arbeiten? Zum Strukturwandel der Arbeitswelt. Hrsg. von Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Online verfügbar unter http://www.bpb.de/apuz/32343/wer-soll-in-zukunft-arbeiten-zum-strukturwandel-der-arbeitswelt?p=all. Letzter Zugriff am 02.05.2019.

32 vgl. ebd.

33 vgl. Kraus (2007), S. 69f.

34 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 17f.

35 vgl. Schemmann, Michael (2004): Bedeutung und Funktion des Konzepts „Beschäftigungsfähigkeit“ in bildungspolitischen Dokumenten der Europäischen Union. Online verfügbar unter https://www.die-bonn.de/doks/schemmann0401.pdf. Letzter Zugriff am 26.04.2019, S. 111ff.

36 vgl. Stock-Homburg, Ruth (2013a): Strategisches Personalmanagement. In: Stock-Homburg, Ruth (Hrsg.): Handbuch Strategisches Personalmanagement. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien. S. 3–8, S. 4.

37 vgl. Lindner-Lohmann, Doris; Lohmann, Florian; Schirmer, Uwe (2016): Personalmanagement. 3. akualisierte Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, S. 161f.

38 Becker, Manfred (2013): Personalentwicklung. Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis. 6. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 5.

39 vgl. Holtbrügge, Dirk (2018): Personalmanagement. 7. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Springer-Verlag, S. 137f.

40 vgl. Wien, Andreas; Franzke, Normen (2013): Systematische Personalentwicklung. 18 Strategien zur Implementierung eines erfolgreichen Personalentwicklungskonzepts. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 18.

41 vgl. Stock-Homburg, Ruth (2013b): Personalmanagement. Theorien - Konzepte - Instrumente. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 209f.

42 vgl. Wien, Franzke (2013), S. 6f.

43 vgl. Wegerich, Christine (2015): Strategische Personalentwicklung in der Praxis. Instrumente, Erfolgsmodelle, Checklisten, Praxisbeispiele. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, S. 20f.

44 Bei dem Konzept Train the trainer werden ausgewählte Mitarbeiter geschult, um andere Mitarbeiter zu schulen.

45 vgl. Becker (2013), S. 186.

46 vgl. Wien, Franzke (2013), S. 31f.

47 vgl. Wegerich (2015), S. 8.

48 vgl. Becker (2013), S. 265f.

49 vgl. ebd., S. 290.

50 vgl. ebd., S. 306.

51 vgl. ebd., S. 448.

52 Becker (2013), S. 447.

53 vgl. ebd.

54 ebd., S. 448f.

55 ebd., S. 722.

56 vgl. Wien, Franzke (2013), S. 20.

57 vgl. Wegerich (2015), S. 43f.

58 Unter Job Enrichment wird die Arbeitserweiterung um qualitativ gleichwertige Aufgaben (horizontale Erweiterung) verstanden (vgl. Hirschi, Andreas (2019): Karriere- und Talentmanagement in Unternehmen. In: Kauffeld, Simone; Spurk, Daniel (Hrsg.): Handbuch Karriere und Laufbahnmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. S. 543–560, S. 547).

59 Bei Job Enlargment wird die Arbeit um Planungs- und Entscheidungskompetenzen erweitert (vertikale Erweiterung) (vgl. ebd.).

60 vgl. Holtbrügge (2018), S. 146.

61 vgl. Holtbrügge (2018), S. 149f.

62 vgl. Wien, Franzke (2013), S. 22f.

63 vgl. Holtbrügge (2018), S. 147.

64 vgl. Rump, Eilers (2006), S. 48f.

65 vgl. Funken, Christiane; Stoll, Alexander; Hörlin, Sinje (2011): Die Projektdarsteller. Karriere als Inszenierung: Paradoxien und Geschlechterfallen in der Wissensökonomie. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 87.

66 vgl. Kels, Peter; Clerc, Isabelle; Artho, Simone (2015): Karrieremanagement in wissensbasierten Unternehmen: Innovative Ansätze zur Karriereentwicklung und Personalbindung. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 32.

67 vgl. Funken et al. (2011), S. 87.

68 vgl. Mayrhofer, Wolfgang; Meyer, Michael; Steyrer, Johannes; Iellatchitch, Alexander; Schiffinger, Michael; Strunk, Guido et al. (2002): Einmal gut, immer gut? Einflussfaktoren auf Karrieren in ,neuen‘ Karrierefeldern. In: German Journal of Human Resource Management 16 (3). S. 392–414. Online verfügbar unter https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/239700220201600306. Letzter Zugriff am 30.04.2019, S. 394.

69 vgl. Kels et al. (2015), S. 32; Mense-Petermann, Ursula (2014): Von der Kaminkarriere zur boundaryless und protean career? Zum Verhältnis von organisationaler und individueller Karrieresteuerung am Beispiel von Auslandseinsätzen. In: Arbeit - Zeitschrift für Arbeitsforschung (1). S. 5–21, S. 6.

70 vgl. Gunz, Hugh; Mayrhofer, Wolfgang (2011): Re-conceptualizing career success: a contextual approach. In: Zeitschrift für ArbeitsmarktForschung 43 (3). S. 251–260. Online verfügbar unter https://doi.org/10.1007/s12651-010-0049-z. Letzter Zugriff am 25.04.2019, S. 253.

71 vgl. Latzke, Markus; Schneidhofer, Thomas M.; Mayrhofer, Wolfgang; Pernkopf, Katharina (2019): Karriereforschung: Konzeptioneller Rahmen, zentrale Diskurse und neue Forschungsfelder. In: Kauffeld, Simone; Spurk, Daniel (Hrsg.): Handbuch Karriere und Laufbahnmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. S. 3–36, S. 5f.

72 Hall, Douglas T. (2002): Careers in and out of organizations. Thousand Oaks: Sage Publications, S. 16.

73 Super, Donald E. (1980): A life-span, life-space approach to career development. In: Journal of Vocational Behavior 16 (3). S. 282–298, S. 283.

74 Während eine Person gleichzeitig Kind und Schüler sein kann (simultan), können die Rollen als Arbeiter und Rentner nicht gleichzeitig wahrgenommen werden (sequenziell) (vgl. ebd., S. 283f.).

Ende der Leseprobe aus 243 Seiten

Details

Titel
Karriere 4.0 als Perspektive für die Generation Y? Agile Karrierekonzepte zur Stärkung der Employability in sich verändernden Arbeitswelten
Autoren
Jahr
2020
Seiten
243
Katalognummer
V506222
ISBN (eBook)
9783964871251
ISBN (Buch)
9783964871268
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Personalentwicklung, Organisationsentwicklung, Karrieremanagement, Agilitätsmanagement, Human Resources, PESTEL-Analye
Arbeit zitieren
Malin Burlatis (Autor:in)Nora Faust (Autor:in), 2020, Karriere 4.0 als Perspektive für die Generation Y? Agile Karrierekonzepte zur Stärkung der Employability in sich verändernden Arbeitswelten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506222

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