Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Hauptteil
3. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
ln dem Werk „Dialektik der Aufklärung" von Theodor W. Adorno (1903 - 1969) und Max Horkheimer (1895 - 1973) gehen die Verfasser auf die Frage, „warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt"1 ein, indem sie den Begriff der Aufklärung radikaler Kritik unterziehen. Das Buch entstand zwischen 1939 und 1944 im kalifornischen Exil, zu dem die Verfasser aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland gezwungen waren2. Es zählt zu den grundlegendsten Werken der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule3.
Im Folgenden soll rekonstruiert werden, wie Horkheimer und Adorno das Verhältnis von Mythos und Aufklärung bestimmen.
2. Hauptteil
Zu Beginn des Kapitels „Begriff der Aufklärung" definieren Horkheimer und Adorno die Aufklärung als Denken, welches zum Ziel hat „von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen."4 Weiterhin beschreiben sie die Aufklärung als „Entzauberung der Welt"5, die Mythen mithilfe von Wissen erklären und somit auflösen will6. Daran zeigt sich, dass die Aufklärung als fortschrittlich angesehen wird, während Mythen mit „Einbildung"7 gleichgesetzt werden. Gleichzeitig bezeichnen die Verfasser eine aufgeklärte Gesellschaft als ein „Zeichen triumphalen Unheils"8. Dies lässt vor allem im Blick auf den weiteren Verlauf des Textes die Vermutung zu, die Aufklärung sei in der Theorie zwar fortschrittlich, in der Praxis jedoch katastrophal. So zielt laut Adorno und Horkheimer das Wissen, welches durch die Aufklärung entsteht und sich entwickelt, auf Kapital und die Ausnutzung von Arbeitenden9.
Mit einem Zitat Bacons unterstreichen die Verfasser den Unterschied, den sie zwischen Mythos und Aufklärung sehen. Der empiristische Erkenntnistheoretiker empfindet die Experimente der Zeit, in der er sich befindet als Teilerkenntnisse, die durch nicht angeleitete Versuche ihr volles Potential nicht entfalten können. Seiner Ansicht nach würden angeleitete Experimente die Menschheit noch viel weiter voranbringen, wenn diese konsequent auf ein Ziel ausgerichtet seien10. Dieser Gedankengang lässt sich auf das Verhältnis von Mythos und Aufklärung übertragen, wenn bedacht wird, dass Ideen der Antike und somit aus dem Zeitalter der Mythologie im Verlauf der Geschichte immer wieder aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. Das Ziel, was jedoch sowohl Mythos als auch Aufklärung verfolgen, ist die Beherrschung der Natur und der Menschen unter Zuhilfenahme der Natur selbst11. Bei Mythen wird dies mithilfe von Ritualen versucht, die bestimmte Ereignisse beeinflussen, abwenden oder einleiten sollen12. Diese Rituale werden bei der Aufklärung durch Naturwissenschaften ersetzt.
Im darauffolgenden Absatz führen die Verfasser den Gedanken Bacons fort. Sie setzen die Aufklärung mit Verstand gleich, den Mythos mit Aberglauben. Die Aufklärung, welche die Welt komplett erklärbar gemacht hat, soll über diese ohne Einschränkungen herrschen13. Dieser Abschnitt kann als Kritik an Bacon verstanden werden, wird doch im Verlauf des Kapitels deutlich, dass die Autoren die Wurzeln der Aufklärung im Mythos sehen14. Weiterhin wird die Aufklärung als selbstzerstörerisch definiert. Dabei sei sie nur stark genug den Mythos zu zerstören, weil sie sich selbst zerstört15. Dies könnte als Gleichsetzung von Mythos und Aufklärung interpretiert werden, das heißt die Aufklärung ist Mythos und zerstört sich selbst. Mit einem weiteren Zitat Bacons legen sie wieder dessen Sympathie für fortschrittliche und angeleitete Experimente offen, welche sich auch hier auf Aufklärung und Mythos beziehen lassen. Es komme nur auf wirkungsvolle Verfahren an, nicht auf „effektvolle Reden"16, wie sie in Mythen und Heldensagen gang und gäbe sind.
Die Aufklärung wird daraufhin von den Verfassern mit der „Ausrottung des Animismus"17 gleichgesetzt. Dies greift erneut die Zerstörung der Mythen durch die Aufklärung auf. Die Zuschreibung menschlicher Eigenschaften ist ein zentrales Merkmal eines Mythos. Als Beispiel für eine antike Kritik an den griechischen Mythen führen Horkheimer und Adorno den vorsokratischen Philosophen Xenophanes von Kolophon an. Dieser verhöhnte die Götter der griechischen Mythologie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit dem „Zufälligen und Schlechten"18 der Menschen. Bei diesem Beispiel ist nicht weiter ausgeführt, welche menschlichen Eigenschaften die Verfasser als schlecht und zufällig ansehen. Allerdings wäre ein naheliegendes Beispiel hierfür der Dionysos, der griechische Gott der Gelage und des Weines. Dieser wird in der Mythologie als Gott beschrieben, der mit seinem Gefolge tanzend und lärmend unter dem Einfluss des von ihm erfundenen berauschenden Weines umherzog19. Im Verlauf des Textes taucht dieses Element der Mythen erneut auf, indem die Verfasser aufzeigen, dass die übernatürlichen Elemente der Mythologie „Spiegelbilder der Menschen"20 seien. Außerdem verleugne die Mythologie wissenschaftliche Erkenntnisse und ersetze sie durch „neutrale Spielmarken"21. Auch hierbei ist unklar, was die Verfasser mit dieser Metapher meinen. Um sich von den Mythen zur Aufklärung zu entwickeln, verzichte die Menschheit auf Worte wie Sinn und Ursache. Stattdessen wird dies durch Regeln und Wahrscheinlichkeiten ersetzt22. Dies schließt den Bogen zu einer späteren Aussage desTextes, welche besagt, dass die Aufklärung sich vor allem der Mathematik bedient23.
Adorno und Horkheimer stellen weiterhin die These auf, dass mythologische Figuren wie Oknos, Persephone, Ariadne und Nereus durch Kategorien der Philosophie abgelöst worden seien24. Dabei ist nicht klar, ob die Verfasser mit den Kategorien auf verschiedene Strömungen innerhalb der Philosophie oder die Kategorienlehre eingehen wollen. Weiterhin ist nicht deutlich, welche Aspekte der mythologischen Figuren die Kategorien ablösen sollen. Eine Interpretationsmöglichkeit dieser Aussage ist jedoch, dass durch die Aufklärung die Geschichten mythologischer Figuren, welche zur Aufgabe haben, den Menschen bestimmte Aspekte der Entstehung der Menschheit mit einem bestimmten Wahrheitsanspruch zu erklären, durch philosophische Abhandlungen ersetzt werden. Dabei beansprucht die Aufklärung, wie zuvor der Mythos, die Wahrheit zu berichten und bringt Mythen in Verruf.
Die Metaphysik nach Platon und Aristoteles ist aus der Sicht der Aufklärung ein Erbe der Mythen. Wenn man der Argumentation der Verfasser folgt, ist aus diesem Grund das erklärte
[...]
1 Max Horkheimer/TheodorW. Adorno, Dialektikder Aufklärung. PhilosophischeFragmente, Frankfurt/M. 2006, S. 1.
2 Vgl. Hauke Brunkhorst, Art. „Kritische Theorie", in Sina Farzin/Stefan Jordan (Hg.), Lexikon Soziologie und Sozialtheorie. HundertGrundbegriffe, Stuttgart 2015, S. 159-162, hierS. 160.
3 Vgl. Ebd., S. 161.
4 Horkheimer/Adorno (2006), S. 9
5 Ebd.
6 Vgl. Ebd.
7 Ebd.
8 Ebd.
9 Vgl. Ebd., S. 10.
10 Vgl. Ebd.,S.9.
11 Vgl. Ebd.,S. 10.
12 Vgl. Ebd.,S. 14.
13 Vgl. Ebd.,S. 10.
14 Vgl. Ebd.,S. 13.
15 Vgl. Ebd.,S. 10
16 Ebd., S. 11.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Christopher A. Weidner, Die Enzyklopädie der Mythologie. Die geheimnisvolle Welt der antiken Griechen, Germanen und Kelten, Fränkisch-Crumbach 2015, S. 42.
20 Horkheimer/Adorno (2006), S. 12
21 Ebd., S. 11.
22 Vgl. Ebd.
23 Vgl. Ebd., S. 13.
24 Vgl. Ebd., S. 11.