Wenn auch in unterschiedlicher Weise, so findet sich Höflichkeit doch in allen Gesellschaftsformen. Sie verfolgt das übergeordnete Ziel einer Gesellschaft, das soziale Miteinader einzelner Individuen auf der Basis von gemeinsamen Wertstrukturen zu sichern und so reibungslos wie möglich zu gestalten. In allen Kulturen haben sich dabei über Jahrhunderte hinweg Prioritäten hinsichtlich wegweisender Werte herauskristallisiert, die in ihrer Gesamtheit für den Inhalt spezifischer sozialer Normen verantwortlich sind. Sie haben zur Herausbildung sprachlicher Routinen und Konventionen, sowie zu kulturell bedingten Erwartungshaltungen und Interpretationsschemata geführt.
Die vorliegende Arbeit versucht, einen ersten Ansatz für eine kontrastive Betrachtung des Deutschen und des Spanischen zu liefern. Die Grundlage für die Untersuchung bilden vor allem die klassischen Höflichkeitsmodelle von Lakoff (1973), Leech (1983), Brown & Levinson (1987) und Blum-Kulka et al. (1989) und die neueren Arbeiten im Rahmen der interkulturellen Forschung von Held (1994), Trosborg (1995) und Wierzbicka (1991). Diese theoretischen Grundlagen werden im ersten Teil ausführlich dargelegt. Zentrum der Arbeit bildet jedoch die Auswertung einer Untersuchung der tatsächlichen Sprachverwendung anhand einer Fragebogenerhebung, die an zwei Universitäten (Würzburg, Cádiz) durchgeführt wurde. Sie versucht einen eingehenden, aber sicherlich nicht erschöpfenden Einblick in sprachspezifische Realisierungsweisen der Bitte anhand von deutschen und spanischen Sprachdaten zu geben. Dabei wird zum einen das linguistische Repertoire gesammelt, zum anderen wird untersucht, ob sich klare kulturspezifische Differenzen und Präferenzen im Hinblick auf deren Verwendung zeigen, die Hinweise darauf geben könnten, dass sprachliche Strategien und Realisierungsweisen in den beiden untersuchten Sprechergruppen nicht das gleiche ‚höfliche’ Potential besitzen und grundlegend anderen Interpretationsschemata unterliegen.
INHALT
1. Einleitung
1.1.Sprachliche Höflichkeit: eine Annäherung
1.1.1.Höflichkeit als positive Beziehungsgestaltung
1.1.2.Höflichkeit als Konfliktvermeidung
1.1.3.Normen, Wertstrukturen und interkulturelle Differenzen
1.2.Methode, Gegenstand und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit
2.Theoretische Grundlagen
2.1.Grundlagen der Höflichkeitsforschung
2.1.1.Die Sprechakttheorie
2.1.2.Grice und das Kooperationsprinzip
2.1.3.Goffmans soziologische Betrachtungen
2.2.Die klassischen Höflichkeitsmodelle
2.2.1.Lakoff
2.2.2.Leech
2.2.3.Brown & Levinson
2.2.3.1.Der ‘face’ Begriff bei Brown & Levinson
2.2.3.2.‚Negative’ und ‚positive politeness’
2.2.3.3.Das Konzept der ‚face threatening acts’ (FTA)
2.2.3.4.Sprachliche Strategien zur Reduzierung des Konfliktpotentials
2.2.3.5.Kalkulation des Konfliktpotentials
2.2.3.6.Kritische Betrachtung
2.3.Interkulturelle Ansätze
2.3.1.Sprechakte interkulturell
2.3.2.‚Face’ und ‚face-work’ interkulturell
2.3.2.1.Gruppenorientierte ‚face’-Bedürfnisse
2.3.2.2.Soziale Nähe
2.3.2.3.Betonung von Gegenseitigkeit und Interdependenz
2.3.2.4.Herzlichkeit und Emotionalität
2.3.3.Höflichkeit, Soziale Harmonie und Konfliktvermeidung
2.3.4.Zusammenfassung und Ausblick
3.Auswertung der Antworten
3.1. Schwerpunkte der Analyse
3.1.1.‚Negative politeness’ vs. ‚positive politeness’
3.1.2.Struktur- und Handlungsebene
3.1.3.Einbettung
3.1.4.Interne Modalisierung
3.1.5.Analyse des Direktheitsgrades
3.1.6.Der Satzmodus
3.2.Direktheitsskala
3.2.1 Vergleich und Interpretation der Antworten
3.2.2. Perspektive: Vergleich und Interpretation
3.3.Strategien der ‚negative politeness’
3.1.4.Abschwächung auf der Struktur- und Handlungsebene
3.1.4.1.Vorbereitende Phase
3.1.4.2.Argumentation und Hauptsprechhandlung
3.1.4.3.Nachbereitende Phase
3.3.2. Interne Modalisierung: Minimalisierung
3.3.2.1. Herabsetzung der Verantwortung
3.3.2.3. Entaktualisierung
3.3.2.2.1.Das Modalverbsystem
3.3.2.2.2.Tempus- und Modusverschiebung
3.3.2.2.3.Einschränkung der Gültigkeit
3.3.2.2.3.Präsequenzen
3.3.2.2.4.Vergleich und Interpretation
3.3.2.3.Kostensenkende und modifizierende Handlungsdarstellung
3.4.Strategien der ‚positive politeness’
3.4.1. Maximalisierungstechniken
3.4.1.1.Temporale Angaben, Adverbien und Adjektive
3.4.1.2.Quantitative Adverbien und Gradpartikel Qualifizierung
3.4.1.3.Deontische Modalverben
3.4.1.4.Die Negation
3.4.1.5.Verpflichtung zur Gültigkeit der Äußerung
3.4.2.Verstärkung auf der Struktur- und Handlungsebene
3.4.2.1.Vorbereitende Phasen
3.4.2.2.Hauptsprechhandlung
3.4.2.3.Illokutionsindizierende Gesprächswörter
3.4.2.4.Argumentation
3.4.2.4.1.Notwendigkeit
3.4.2.4.2.Appell an das Gewissen
3.4.2.4.3.Wünsche und Pläne des Sprechers
3.4.2.4.5.Beziehungsdefinition
3.4.2.4.5.Vergleich und Interpretation der Antworten
3.4.3.Explizite Beziehungsgestaltung
3.4.3.1.Zuwendungsstrategien
3.4.3.1.1. Anredesystem
3.4.3.1.2. Nominale Anrede
3.4.3.1.3. Pronomina
3.4.3.2. Direkte Einbeziehung des Partners
3.4.3.2.1. Der Einsatz von ‚cajolern’
3.4.3.2.2. Der Einsatz von ‚appealern’
3.4.3.2.3. Evokation von geteiltem Wissen
3.4.3.2.4. Emotionalisierung
3.4.3.2.5. Vergleich und Interpretation der Ergebnisse
3.4.3.3. Beziehungsorientierte Nebensprechhandlungen
3.4.3.3.1. Entwaffnende Sprechhandlungen
3.4.3.3.2. Darlegung der beziehungsstärkenden Konsequenzen
3.4.3.4. Zusammenfassung und vergleichende Interpretation
4. Zusammenfassung, Interpretation und Ausblick
4.1. ‚Negative politeness’ oder ‚positive politeness’
4.2. Das ‚face’-Konzept
4.3. Die Sprechhandlung
4.4. Abschließende Bemerkungen
5. Anhang
5.1. Der Fragebogen (deutsche Version)
5.3. Die Antworten der Teilnehmer
5.4. Katalog der Untersuchungskategorien
5.5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mit der Wende zur Pragmatik geht ein Wandel des Blickwinkels in der Linguistik einher, der die nahezu allgegenwärtige Diskrepanz zwischen der Form einer Äußerung und deren Bedeutung in den Brennpunkt des Interesses stellt. Als ein entscheidendes Motiv für die alltäglichen Abweichungen von den GRICEschen Konversationsmaximen tritt eine bisher vernachlässigte Funktion von Sprache in den Mittelpunkt: Sprache dient nicht nur dem effektiven Informationsaustausch, sondern sie spielt auch eine unverzichtbare Rolle in der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Damit rückt Höflichkeit[1] ins Rampenlicht und etabliert sich als eigenständiger linguistischer Forschungsgegenstand. Doch was ist das eigentlich, Höflichkeit?
1.1. Sprachliche Höflichkeit: eine Annäherung
Die linguistische Forschung hat zahlreiche Definitionsansätze hervorgebracht, die zwar in einzelnen Punkten stark konkurrieren, jedoch alle eine harmonische zwischenmenschliche Beziehung als übergeordnetes Ziel hervorheben. Dabei handelt es sich zum Einen um den Erhalt des sozialen Gleichgewichts und die Bemühung um freundliche Beziehungen, zum Anderen um die Vermeidung von Konfrontation und die Reduzierung von Konfliktpotential (vgl. Spencer-Oatey 2002: 87).
1.1.1. Höflichkeit als positive Beziehungsgestaltung
Was ist der Grund, weshalb ich mich neben einer fremden Person im Aufzug verpflichtet fühle, ein Gespräch über das Wetter anzufangen? Warum empfinde ich es als unhöflich, wenn mich eine bekannte Person nicht grüßt? Warum ist es so schwer, im Beisein anderer Personen still zu sein, obwohl man eigentlich nichts zu sagen hat?
Das liegt daran, dass der Aufbau und Erhalt zwischenmenschlicher Beziehungen primär über Sprache vollzogen wird. Wenn ich jemanden auf der Straße grüße, oder mich mit einem Bekannten auf einen kurzen ‚small talk’ einlasse, dann vermittle ich damit, dass mein Gegenüber „soziale und persönliche Wertschätzung“ (Raible 1987: 149) genießt. Menschen sind schlieβlich keine Computer, die nur Informationen prozessieren und dekodieren. Sie sind Teilnehmer an einem sozialen Geschehen und als ‚ens soziale’ (Raible 1987: 149) definieren sie sich immer auch in Bezug auf die Gemeinschaft, in der sie leben. Sie versuchen, durch ihr Verhalten dem universalen Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und Akzeptanz gerecht zu werden. Diese Funktion von Höflichkeit fasst Lakoff (1973) in einer ihrer Maximen zusammen: Make A [= Alter] feel good! – Be friendly ! Erst Höflichkeit als aktive Beziehungsgestaltung versichert uns der gegenseitigen Kooperationsbereitschaft und ermöglicht so eine erfolgreiche Kommunikation (vgl. Leech 1983):
„The CP [cooperation principle] enables one participant in a conversation to communicate on the assumption that the other participant is being cooperative […]. It could be argued, however, that the PP [politeness principle] has a higher regulative role than this: to maintain the social equilibrium and the friendly relations which enable us to assume that our interlocutors are being cooperative in the first place.” (Leech 1983: 82)
Höflichkeit ist in jeder harmonischen zwischenmenschlichen Begegnung gegenwärtig, die feinen Mechanismen jedoch, die Ausdruck eines kooperativen Gesprächsverhaltens sind, werden im alltäglichen Austausch kaum wahrgenommen. Ihre Bedeutung wird erst klar, wenn sie fehlen. Das ist vermutlich einer der Gründe, weshalb sich die meisten Höflichkeitstheorien auf eine viel konkretere Definition stützen, die sich hauptsächlich auf situationsspezifische Konfliktvermeidung konzentriert.
1.1.2. Höflichkeit als Konfliktvermeidung
Nach Lakoff (1979) geht es nämlich nicht nur darum, freundlich zu sein, sondern vor allem darum, jegliche Konfrontation und Kränkung des Gegenübers zu vermeiden[2]. Höflichkeit wird von Sprechern bewusst eingesetzt, um Konflikte in der Kommunikation zu reduzieren und ihren reibungslosen Verlauf zu garantieren, wobei der Höflichkeit ein höherer Stellenwert zukommt, als der von Grice geforderten ‚Klarheit’.
„politeness usually supercedes [clarity]: it is considered more important in a conversation to avoid offense than to achieve clarity.” (Lakoff 1973: 297 zitiert nach Fraser 2001: 1412)
Die Annahme eines ständig vorhandenen Konfliktpotentials in sozialer Interaktion bildet den Kernpunkt der Theorie von Brown & Levinson (1987), was die Autoren einschlägig in dem Begriff der ‚face threatening acts’ konzeptualisieren (kurz ‚FTA’ vgl. Kap. 2.2.3.3). Jeder Einzelne möchte schließlich seine Pläne und Ziele verwirklichen. Diese sind aber nicht immer mit den Zielen und Wünschen des Gesprächspartners vereinbar. Werden solche Konflikte nicht aktiv bearbeitet, gefährdet das nicht nur die Beziehung zwischen den Gesprächspartnern, sondern auch die Verwirklichung der kommunikativen Absichten des Sprechers. Es bedarf daher sprachlicher Signale, die symbolisch einen Ausgleich schaffen und den Teilnehmern versichern, dass trotz allem eine unveränderte Kooperationsbereitschaft besteht.
1.1.3. Normen, Wertstrukturen und interkulturelle Differenzen
Wenn auch in unterschiedlicher Weise, so findet sich Höflichkeit doch in allen Gesellschaftsformen. Sie verfolgt das übergeordnete Ziel einer Gesellschaft, das soziale Miteinander einzelner Individuen auf der Basis von gemeinsamen Wertstrukturen zu sichern und so reibungslos wie möglich zu gestalten. In allen Kulturen haben sich dabei über Jahrhunderte hinweg Prioritäten hinsichtlich wegweisender Werte herauskristallisiert, die in ihrer Gesamtheit für den Inhalt sozialer Normen verantwortlich sind. Sie haben zur Herausbildung spezifischer Verhaltensmuster geführt, die die zwischenmenschliche Interaktion innerhalb einer Gemeinschaft regeln und die sich in sprachlichen Routinen und Konventionen widerspiegeln. Das bringt aber auch kulturbedingte Erwartungshaltungen mit sich. Jedes Individuum lernt im Laufe seiner Sozialisation nicht nur emotionale Kontrolle und die Abstimmung seiner eigenen Bedürfnisse auf die der anderen Gesellschaftsmitglieder, sondern erfährt unter dem Einfluss der herrschenden Wertstrukturen die Formung und Überformung seiner persönlichen und sozialen Bedürfnisse. Wird in einer Kultur die individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung groß geschrieben, so beanspruche ich diese Werte für mich. Steht an erster Stelle die Gruppe, so werde ich mich bemühen, diese nicht zu enttäuschen.
Soziale Werte und Normen beschreiben keine zwingenden Wege, sondern dienen lediglich als Richtlinien und Interpretationsschemata. In konfliktiven Gesprächssituationen können die Sprecher einerseits auf ein Repertoire von altbewährten Konventionen zurückgreifen. Andererseits werden diese aber oft als ‚leere Hüllen’ empfunden. Insofern spiegelt Höflichkeit die permanente Ambivalenz zwischen spontaner Kreativität und individueller Handhabung einerseits und formaler Routine andererseits wider. Sie ist also keine starre Normerfüllung, sondern eine Kunst. (vgl. Held 1994), bei der jedes Individuum auf seine zwischenmenschliche Intuition bauen muss. Mangelndes Fingerspitzengefühl oder absichtlicher Verzicht auf Höflichkeit führt im Allgemeinen zu sozialen Sanktionen.
1.2. Methode, Gegenstand und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit
Aus diesen einleitenden Überlegungen zum Wesen der Höflichkeit geht bereits die Komplexität des Gegenstandes hervor. Der Vergleich zweier Sprachsysteme hinsichtlich höflicher Sprachverwendung ist ein Ziel, das sicherlich nicht erschöpfend dargestellt werden kann. Es gilt daher, sich auf ein paar wesentliche Aspekte zu beschränken und klare Ziele zu definieren. Die vorliegende Arbeit versucht, einen ersten Ansatz für eine kontrastive Betrachtung des Deutschen und des Spanischen zu liefern[3]. Sie konzentriert sich auf die Durchführung einer Sprechhandlung, die aufgrund ihres inhärent gesichtsbedrohenden Potentials besonders geeignet erscheint und daher immer wieder als Untersuchungsgegenstand herangezogen wurde: die Bitte. Die Grundlage für diese Untersuchung bilden vor allem die klassischen Höflichkeitsmodelle von Lakoff (1973), Leech (1983), Brown & Levinson (1987) und Blum-Kulka et al. (1989) und die neueren Arbeiten im Rahmen der interkulturellen Forschung von Held (1994), Trosborg (1995) und Wierzbicka (1991).
(a) Die Methode: Wie äußert sich ‚höfliches Gesprächsverhalten’ in Deutschland und in Südspanien? Die Antwort auf diese Fragen sollten mir deutsche und spanische Muttersprachler geben[4]. Sie wurden gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem sie mit der alltäglichen sozialen Herausforderung konfrontiert wurden, eine Bitte an ihr Gegenüber zu richten. Insgesamt wurden 8 Situationen erarbeitet. Der Fragebogen – so sehr dieses Vorgehen auch unter bestimmten Gesichtspunkten kritisiert werden mag – birgt für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit unverzichtbare Vorteile, da er dank exakt gleicher Ausgangssituationen, die gezielt entlang sozialer Parameter variiert werden können, einen Vergleich zweier Sprachsysteme erst möglich macht. Auch die schriftliche Datenerhebung ist nicht unbedingt von Nachteil, wenn divergierende soziale Normen und Werthierarchien und deren Einfluss auf die ‚höfliche Grammatik’ einer Sprache untersucht werden sollen. Denn auch wenn die Antworten der Teilnehmer nicht mit den tatsächlichen gesprochenen Äußerungen identisch sind, spiegeln sie doch das Bewusstsein der Sprecher für die operativen Wertsysteme ihrer Gesellschaft wider. Dabei treten vor allem stereotype Realisierungsweisen klarer hervor, die in ihrer Gesamtheit sprachspezifische Interaktionsstile ausmachen. Für eine Analyse, die sich auf authentische und spontane Äußerungen spezialisiert, ist jedoch ein Korpus an transkribierten Gesprächssituationen unerlässlich.
(b) Variation entlang sozialer Parameter: Die erbetene Sprechhandlung wurde bewusst in jeweils unterschiedliche, detailliert beschriebene soziale Kontexte gestellt, die Rückschlüsse auf diejenigen Werte zulassen, die nach Brown & Levinson (1987) das Gewicht, d.h. die potentielle Bedrohung des Sprechaktes beeinflussen (vgl. Kap. 2.2.3.5): die soziale Distanz (D) zwischen den Gesprächsteilnehmern, ob und inwiefern einer der Gesprächsteilnehmer Autorität gegenüber dem anderen genießt (P), und wie hoch die ‚soziale Tragweite’ (Rx) (vgl. Held 1994) der beabsichtigten Sprechhandlung ist. Die Parameter D (S,H) und P (S,H) wurden in den Aufgabenstellungen systematisch variiert. Auf diese Weise soll (a) eine Vielfalt an Ausdrucksweisen gesammelt und (b) der Einfluss der sozialen Variablen auf die Gestaltung der Äußerung ermittelt werden. Der Fragebogen greift folgende Konstellationen auf (zu den Aufgabenstellung vgl. Anhang Kap. 5.1):
(1) Symmetrische Situationen (es besteht kein Autoritätsverhältnis (P) = 0):
a. Bitte an gute Freunde (soziale Distanz (D) = 0):
1. ‚Schlüssel’ – 2. ‚Bar’
b. Bitte an einen Bekannten (geringe soziale Distanz (D) = 1)
1. ‚Geldrückgabe’ - 2. ‚Vertretung’
c. Bitte an einen Fremden (große soziale Distanz (D) = 2)
1. ‚Kleingeld’
(2) Asymmetrische Situationen (es besteht ein Autoritätsverhältnis)
a. Sprecher (Chef) hat Autorität gegenüber dem Hörer (Sekretärin) (P[s] >P [h]):
1. ‚Sekretärin’
b. Hörer (Chef/Professor) hat Autorität (P[h]>P [s])
1. ‚freier Tag’ – 2. ‚Gutachten’
Bei der Gestaltung der asymmetrischen Situationen wurde der Faktor der sozialen Distanz konstant neutral gehalten, da ein freundschaftliches oder intimes Verhältnis zwischen den Gesprächspartnern vermutlich das Autoritätsgefälle außer Kraft setzen würde. Die Situation ‚Kleingeld’ wurde bei der Auswertung weitgehend außer Acht gelassen, da sich keine wesentlichen kulturspezifischen Unterschiede ergeben haben. Interessant ist dennoch, dass 50% der deutschen Teilnehmer von vornherein darauf verzichtet haben, die Sprechhandlung durchzuführen, während die spanischen Teilnehmer die Bitte in 83,3% der Fälle trotz der hohen sozialen Distanz gestellt haben.
(c) Die Sprechhandlung: Formuliert ein Sprecher eine Bitte, dann drückt er damit den Wunsch aus, dass sein Gegenüber eine Handlung verrichtet. Er versucht, ihn sprachlich zu verpflichten, diesen Wunsch zu erfüllen. Nach Searle (1979) fällt sie demnach in die Kategorie der Direktiva[5]. Die Klassifikation von Leech (1983) ermöglicht eine Differenzierung auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Er ordnet die Bitte der Kategorie der ‚competitives’[6] zu, die für ihn alle diejenigen Sprechakte umfasst, deren kommunikatives Ziel mit den sozialen Zielen konkurriert. Der Vorteil liegt auf Seiten des Sprechers, wobei der Adressat die Kosten trägt (vgl. Kap. 2.2.2). Eben das unterscheidet die Bitte von anderen Direktiva wie ‚einladen’, ‚raten’, oder ‚vorschlagen’, die dem Gegenüber nutzen sollen.
Der Unterschied zu Sprechakten wie ‚befehlen’, ‚zwingen’ oder auch ‚anflehen’ liegt darin, dass die Bitte die Erfüllung in den Ermessensspielraum des Adressaten stellt. Dort, wo nämlich institutioneller (Befehl / Nötigung) oder ethischer Zwang (Anflehen) ausgeübt wird, ist kein Platz für Höflichkeit (vgl. Raible 1987).[7] Die Bitte hingegen erfordert eine feinfühlige, alterzentrierte Beziehungsarbeit, die der inhärenten ‚Unhöflichkeit’ der kommunikativen Absichten des Sprechers entgegen wirken soll. Sie bietet daher ein fruchtbares Feld für die sprachliche Umsetzung von Höflichkeit.
Allgemein wird sie als bedrohlich für das ‚negative face’ des Adressaten eingestuft, denn ihre Durchführung ist mit einem Eindringen in dessen persönliche Sphäre verbunden. Schließlich möchte der Sprecher Einfluss auf die Handlungsplanung nehmen und dem Adressaten seinen eigenen Willen auferlegen – daher der Begriff Imposition (Brown & Levinson 1987).
Gleichzeitig darf ihr bedrohliches Potential aber nicht überbewertet werden, da es sich hier um einen sogenannten ‚pre-event’ (vgl. Leech 1977: 16 zitiert nach House/Kasper 1981) handelt, d.h. die Bitte formuliert eine zukünftige Handlung, die der Hörer jederzeit – wenn auch unter gewissem Imageverlust - ablehnen kann. Darüber hinaus kann ihre Erfüllung zwar die individuellen Freiheiten und persönlichen Handlungsziele des Hörers einschränken, aber nicht notwendigerweise müssen dabei Interessen kollidieren: Nicht immer (sogar eher selten) macht es dem Adressaten etwas aus, dem Anderen einen Gefallen zu erweisen.
Andererseits kann die Bitte selbst auch positiv interpretiert werden. Schließlich drückt der Sprecher sein Vertrauen in die Fähigkeiten, die Bereitwilligkeit und nicht zuletzt in den Adressaten als Person aus und schreibt ihm auf diese Weise indirekt positive Eigenschaften zu (vertrauensvoll, kompetent, hilfsbereit). Gleichzeitig eröffnet sie ihm die Möglichkeit, sozial anerkanntes Verhalten zu demonstrieren und auf diese Weise sein eigenes Image zu verbessern.
Nicht-Erfüllung hingegen birgt immer das Risiko des Gesichtsverlusts. Schließlich wird es für gewöhnlich hoch geschätzt, einer Bitte entgegen zu kommen (moralischer Druck). Daher kann diese Sprechhandlung auch für das ‚positive face’ des Anderen gefährlich sein, vor allem dann, wenn dieser aufgrund einer freundschaftlichen Beziehung zum Sprecher gewisse soziale Verpflichtungen hat.
(d) Die Teilnehmer: Bei den Testteilnehmern handelt es sich um männliche und weibliche Studenten, die alle zwischen achtzehn und siebenundzwanzig sind. Es wurde eine möglichst homogene Gruppe zusammengefasst, deren Mitglieder einen weitgehend vergleichbaren Bildungshintergrund und eine ähnliche Lebenssituation haben. Auf diese Weise sollten möglichst aussagekräftige Ergebnisse gesammelt werden. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl und der Einschränkung auf eine klar definierte soziale Gruppe sind Verallgemeinerungen selbstverständlich nur mit Vorsicht zu genießen. Erstaunlich ist jedoch, wie klar trotz allem gewisse kulturspezifische Tendenzen hervortreten.
(c) Ziele: Folgende konkrete Ziele sollen verfolgt werden: (1) Zum Einen sollen möglichst viele der potentiellen Realisierungsweisen der Bitte gesammelt und aufgelistet werden (vgl. Anhang 5.4). (2) Die einzelnen sprachlichen Strategien sollen interpretiert und hinsichtlich ihres (kulturspezifischen) ‚höflichen’ Potentials untersucht werden. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Interaktionsstile ermittelt und erläutert. Der Schwerpunkt liegt auf den bisher meist vernachlässigten Strategien der ‚positive politeness’, die die Beziehung zwischen den Interaktanten aktiv gestalten. (3) Wir hoffen, dass sich aus den vorhergehenden Ergebnissen Rückschlüsse auf den Einfluss unterschiedlicher Normen und Wertvorstellungen ziehen lassen, die für ein kulturspezifische ‚Übersetzung’ von Höflichkeit in Sprache entscheidend mitverantwortlich sind.
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Grundlagen der Höflichkeitsforschung
Zuerst sollen nun die theoretischen Grundlagen skizziert werden, die die Entstehung der linguistischen Forschung zur Höflichkeit ermöglicht und wesentlich geprägt haben: Die Sprechakttheorie von Austin (1962) und Searle (1969, 1979), das Kooperationsprinzip von Grice (1975) und die soziologischen Betrachtungen von Goffman (1967).
2.1.1. Die Sprechakttheorie
Mit der Sprechakttheorie rückt der tatsächliche Sprachgebrauch (‚parole’) ins Zentrum des Interesses und etabliert sich als würdiges Forschungsobjekt[8]. Damit kommen automatisch situationsgebundene und individuelle Varianz in den Blickpunkt und das Augenmerk wird auf die allgegenwärtige Diskrepanz zwischen Form und Bedeutung in authentischen Äuβerungen gelenkt. Austin (1962) gelangt in seinen Beobachtungen zu der Ansicht, dass Äußerungen weit mehr sind, als die Summe der Einzelbedeutungen ihrer Bestandteile, weil sie nicht nur zur Abbildung der Wirklichkeit und Informationsübermittlung dienen, sondern tatsächliches Handlungspotential besitzen. Austin prägt den Begriff des Sprechakts[9], der sich aus Einzelakten zusammensetzt, die auf drei Ebenen simultan vollzogen werden: (1) Die ‚Lokution’ meint die Ausdrucksebene und bezieht sich auf die lautliche oder schriftliche Form der Äußerung. (2) Die ‚Illokution’ bezieht sich auf die Absicht, mit der sich ein Sprecher äußert. (3) Die ‚Perlokution’ bezeichnet die Wirkung, die die Äußerung auf den Adressaten hat. Sprache wird zweckrational eingesetzt, um eine bestimmte Wirkung (Perlokution) beim Adressaten zu erzielen. Das führt dazu, dass der strategische Aspekt des Sprachgebrauchs hervortritt. Das Konzept der Illokution als „vom Sprecher absichtlich kommuniziertes Handlungspotential“ (vgl. Held 1994: 52) avanciert zum Angelpunkt. Es bildet die Basis auf der Searle (1979) eine Klassifikation der Sprechakte ausarbeitet[10], die zwar auf der von Austin basiert, allerdings wesentlich systematischer und klarer gestaltet ist. Er erhält fünf übergeordnete Kategorien, auf die in der Höflichkeitsforschung immer wieder zurückgegriffen wird, wenn es gilt, eine Sprechhandlung zu definieren. Die Bitte fällt dabei in die Klasse der ‚Direktiva’ (vgl. Kap. 1.2. (c)).
All das hat für die Linguistik weitreichende Konsequenzen: (1) Die Sprechakttheorie liefert aufgrund der ausgeprägten Formorientierung ein effektives Instrumentarium zur Beschreibung von Funktionalität und Bedeutung tatsächlicher Äußerungen. (2) Die intensive Beschäftigung mit der Diskrepanz zwischen Form und Bedeutung führt zum zentralen Konzept der Indirektheit (Searle, 1969). (3) Dadurch wird einerseits die Frage aufgeworfen, warum Äuβerungen indirekt formuliert werden, wobei die Antwort in ihrer Funktion für die soziale Interaktion gesucht wird. Andererseits wird das Interesse darauf gerichtet, wie trotz allem eine richtige Interpretation gewährleistet werden kann. Das führt Searle (1969) zu seinen Überlegungen hinsichtlich der Konventionalisierung indirekter Sprechakte[11] und Grice zu seiner Theorie des Kooperationsprinzips und zu der Idee konversationeller Implikaturen (vgl. Grice Kap. 2.1.2). (4) Die Linguistik wird für den Kontext und die Produktionssituation sensibilisiert, da sie sich mit äuβerlich heterogenen Formen konfrontiert sieht, die ihre Bedeutung und Funktion allein aus dem Kontext erhalten (vgl. Held 1994). (5) Das wirft eine Reihe neuer Fragestellungen auf und führt zu der Entstehung zahlreicher Subdisziplinen (Soziolinguistik, Ethnolinguistik, Konversationsanalyse, etc.), die sich unterschiedlichen Aspekten und Funktionen von Sprache widmen und dank ihrer Erkenntnisse wesentliche Impulse für die Höflichkeitstheorie liefern. (6) Durch die Ausweitung der Sprechakttheorie auf die Sprechhandlungstheorie werden dann auch unterstützende Nebensprechhandlungen einbezogen, die auf der „Text- und Argumentationsebene“ (Held 1994: 54) das Illokutionspotential verstärken, abschwächen oder modifizieren können und so zum Erfolg der Hauptsprechhandlung beitragen. Eine Annäherung an die Komplexität authentischer Sprechhandlungen wird möglich, die ihre Umsetzungen in einschlägigen Untersuchungen der interkulturellen Forschung findet (z.B. Blum-Kulka et al. 1989, Trosborg 1995, Held 1994). Das Phänomen der Indirektheit wird zu einem der Kerngebiete der Höflichkeitsforschung und die Direktiva werden aufgrund von Searles (1969) Vorarbeit, ihrer klaren Abgrenzbarkeit zu anderen Sprechakten und ihres inhärent gesichtsbedrohenden Potentials zum prototypischen Exempel.
2.1.2. Grice und das Kooperationsprinzip
Die Sprechakttheorie konzentriert sich auf den Sprecher und die Produktion von Äußerungen. Searles Anliegen war es, in erster Linie zu erkunden, inwiefern Äußerungen ‚mehr’ bedeuten, als ihre Wörter vermuten lassen. Austins Schüler Grice hingegen interessiert sich vor allem für den Interpretationsprozess. Die Tatsache, dass der Adressat die indirekten, vagen und mehrdeutigen Aussagen für gewöhnlich problem- und fehlerlos interpretieren kann, führt zu der intensiven Suche nach vermittelnden Ordnungsprinzipien, die auf der Basis von Normen und Gesprächsmaximen eine sowohl kommunikativ wie auch sozial erfolgreiche verbale Interaktion ermöglichen (vgl. Held 1994: 69). Grice (1975) postuliert ein Prinzip der gegenseitigen Kooperation, dem die Gesprächsteilnehmer als rational agierende Individuen generell Folge leisten, um das gemeinsame Ziel des möglichst effektiven Informationsaustauschs zu gewährleisten[12]. Die Grundlage bilden die sogenannten Konversationsmaximen, die Grice in Anlehnung an Kants Erkenntnistheorie formuliert: (1) Maxime der Quantität, (2) Maxime der Qualität, (3) Maxime der Relation, (4) Maxime der Art und Weise (vgl. Grice 1975). Zusammenfassend bedeutet das für die Gesprächspartner, dass sie das, was sie zu sagen haben, zum richtigen Zeitpunkt und in angemessener Weise ausdrücken sollen (vgl. Grice 1975: 45). Die Existenz dieser Maximen ermöglicht darüber hinaus Implikaturen. Da nämlich der Hörer davon ausgehen kann, dass sich der Sprecher kooperativ und zweckrational verhält, wird er bei einem offensichtlichen Verstoß gegen eine oder mehrere der Maximen (‚flouting a maxim’) nach einer Zusatzbedeutung suchen, die den Sprecherbeitrag sinnvoll werden lässt und die Grice als ‚konversationelle Implikatur’ bezeichnet.
Für die Höflichkeitstheorie bilden die Überlegungen von Grice in zweierlei Hinsicht einen Ausgangspunkt: (1) Brown & Levinson (1978/87) stimmen mit Grice darin überein, dass die Bedingung für eine erfolgreiche Kommunikation die Fähigkeit der Individuen zu zweckrationalem Verhalten ist. Gleichzeitig bildet die Idee der konversationellen Implikatur die Basis, auf der ein Sprecher Höflichkeit vermitteln kann[13], die damit als eine offensichtliche Abweichung von den GRICEschen Konversationsmaximen gesehen wird, die den Adressaten dazu veranlasst, nach einer sozialen Zusatzbedeutung zu suchen. (2) In der Theorie von Grice bleibt die Funktion von Sprache zwar auf den effektiven Informationsaustausch reduziert, aber er selbst weist durch eben diese Einschränkung den Weg zur Erforschung des Phänomens der Höflichkeit. Er erkennt nämlich, dass gewisse Sprechhandlungen – darunter besonders solche, durch die der Adressat in irgendeiner Weise beeinflusst werden soll – die Befolgung ganz anderer Maximen (ästhetischer, sozialer oder moralischer Natur) verlangen[14]. An dieser Stelle wird, wie wir später noch sehen, Leech mit der Forderung nach einem Höflichkeitsprinzip anknüpfen (vgl. Leech 1983).
2.1.3. Goffmans soziologische Betrachtungen
Weshalb aber treten bei solchen Sprechhandlungen andere Maximen in Kraft? Worin liegt der entscheidende Unterschied zwischen bloßer Informationsvermittlung und der Bitte um einen Gefallen? Das Modell von Grice liefert dafür keine Erklärung, weil in ihm die soziale Funktion von Sprache hinter der informativen zurücktritt. Als Werkzeug für die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen aber muss Sprache auch sozialen Anforderungen gerecht werden. Die Sprecher modifizieren ihre Äußerungen, um sie sowohl an ihr Gegenüber, als auch an den jeweiligen Kontext anzupassen[15]. Um diese feinen Mechanismen der Beziehungsgestaltung zu erklären, greifen Brown & Levinson (1987) später auf das zentrale Konzept des ‚face’ zurück, das Goffman von einem soziologischen Blickwinkel aus bereits in den 50er Jahren entwickelt und dann weiter ausgebaut hat.
(a) Das ‚face’-Konzept: Goffmann (1967) definiert ‚face’ als ein öffentliches Selbstbild, das jede Person für sich in Anspruch nimmt und das mit sozial akzeptierten Eigenschaften umschrieben werden kann[16]. Sozial angesehenes Verhalten wird auf der Grundlage gesellschaftlicher Wertvorstellungen beurteilt. Werte wie Stolz, Ehre, Würde, Rücksicht und Takt werden im Laufe der Sozialisation erlernt, ebenso wie das Selbst während dieses Prozesses geformt und immer wieder modifiziert wird (vgl. Bargiela-Chiappini 2003: 1457)[17]. Das ‚face’ (oder Image) hängt entscheidend von der Projektion und Evaluation Anderer ab. Es ist also keine feste Eigenschaft, sondern muss in jeder Begegnung neu definiert und verhandelt werden. „In Form eines Anspruchs auf Beachtung, Bestätigung und Sicherung“ (Held 1995: 64) ist es in jeder zwischenmenschlichen Beziehung gegenwärtig - „something that is diffusely located in the flow of events in the encounter” (Goffman 1967: 7). Dabei bedeutet „Jede Interaktion […] zugleich eine Chance und ein Risiko für die Interaktanten, als ‚soziale’ Person mit einer neuen Evaluation aus der Begegnung hervorzugehen und in einem veränderten Verhältnis zu den anderen Teilnehmern zu stehen“ (Franck 1980 zitiert nach Held 1995: 63). Zu einem positiven Selbstbild gehört aber auch ein Aspekt grundlegender Selbstbestimmung, der bereits bei Goffman als die ungehinderte Verfügung über das eigene ‚Territorium’ gefasst wird und später die Grundlage für das BROWN & LEVINSONsche Konzept des ‚negative face’ bildet. Es handelt sich um freie Zeitverfügung, ein Mindestmaß an persönlichem Raum (dazu gehört auch der eigene Körper) und Handlungsbereich, ein gewisses Maß an Intimsphäre, ungestörtes Rederecht, ein Informationsreservat, Gegenstände, die man gerade gebraucht, und ein Minimum an privatem Eigentum (vgl. Schwitalla Typoskript: 2).
(b) Der Terminus ‚face-work’: Im alltäglichen Umgang mit anderen Menschen sind Verletzungen des Selbstbildes und die Übertretung von Territoriumsgrenzen oft unvermeidlich. Es treffen immer einzelne Individuen mit unterschiedlichen Ansprüchen und Bedürfnissen aufeinander, deren Rechte und Pflichten in irgendeiner Weise in Einklang gebracht werden müssen. Dies ist nur auf der Basis gegenseitiger Kooperation möglich. Daher ‚bearbeiten’ die Menschen ihre Äußerungen und ihr Verhalten, was Goffman unter dem Begriff ‚face-work’ (Imagearbeit) zusammenfasst. Wie der Terminus bereits anklingen lässt, handelt es sich um eine permanent ‚zu leistende Aufgabe’ (Held 1994: 63). Aufgrund der Abhängigkeit des eigenen Images von der Bewertung Anderer und in dem Bewusstsein um die Verletzlichkeit des ‚face’ bemühen sich die Individuen sowohl um den Erhalt und die Verbesserung des eigenen (‚defensive Stratgien’) als auch des fremden ‚face’ (‚protektive Strategien’, vgl. Goffman 1967: 24-26). Die rituelle Ordnung einer Gesellschaft wird durch moralische Prinzipien gewährleistet, die ihren Ausdruck in Interaktionsritualen finden, nämlich durch „acts through whose symbolic component the actor shows how worthy he is of respect or how worthy he feels others are of it“ (Goffman 1967: 19)[18]. Der Sprecher zeigt dem Gegenüber „Zuvorkommenheit“ (vgl. Schwitalla Typoskript: 3) und Anerkennung in den ‚presentational rituals’. Gleichzeitig soll aber unnötiges Eindringen in das ‚Territorium’ des Anderen vermieden werden, was Goffman mit den sogenannten ‚avoidance rituals’ (‚Vermeidungsrituale’) umschreibt.[19] Sie finden besondere Beachtung bei Brown & Levinson, wo sie modifiziert als Basis der ‚negative politeness’ auftauchen.
Gesichtswahrende Rituale sind unerlässlich und bestimmen die ‚Verkehrsregeln’ (vgl. Goffman 1967: 12), die ein soziales Ungleichgewicht vermeiden und dadurch ein möglichst reibungsloses Miteinander gewährleisten sollen. Imagearbeit wird somit zur Bedingung sozialer Interaktion:
„[I]f an encounter or undertaking is to be sustained as a viable system of interaction organized on ritual principles, then these variations must be held within certain bounds and nicely counterbalanced by corresponding modifications in some of the other rules and understandings.“ (Goffman 1967: 45)
Die Dialektik zwischen distanzwahrenden Vermeidungsritualen und zuvorkommender Annäherung erfordert ein feinfühliges Management, bei dem es stets gilt, den Punkt ausfindig zu machen, „an dem die Privatsphäre des Empfängers anfängt“ (Goffman 1971 zitiert nach Schwitalla Typoskript: 5). Der Begriff des 'face-work’ wird heute häufig als Synonym für Höflichkeit behandelt.
2.2. Die klassischen Höflichkeitsmodelle
Der oben skizzierte Forschungshintergrund bildet das Fundament der Höflichkeitstheorie. Die zentralen konzeptuellen Bezugspunkte sind das Phänomen der Indirektheit als alltägliche Abweichung von den Konversationsmaximen von Grice und ihre Begründung aus sozialen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Normen. Verbale Höflichkeit wird heute als Produkt der permanenten Beziehungsarbeit gesehen, die sowohl positive Beziehungsgestaltung als auch strategische Konfliktvermeidung umfasst. Held (1994) bezeichnet die theoretische Basis daher treffend als „GRICE-GOFFMAN-Paradigma“. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte entsteht ein regelrechter Boom der Forschungsliteratur zum Thema Höflichkeit, geprägt von einer schier unüberschaubaren Vielzahl an theoretischen Modellen, die der Vielschichtigkeit und Komplexität des Themas Rechenschaft tragen. In dem sehr eingeschränkten Rahmen dieser Arbeit sollen aber lediglich die klassischen Modelle näher erläutert werden.
2.2.1. Lakoff
Einen ersten Beitrag zu einer theoretischen Bearbeitung des Phänomens der Höflichkeit liefert Robin Lakoff (1973). Sie sieht, dass der Forderung von Grice nach klaren, eindeutigen Aussagen im Alltag nicht Genüge getan wird und erkennt daraus, dass für einen Sprecher nicht nur das ‚be clear’ von Grice, sondern vor allem ein beziehungsorientiertes Prinzip ‚be polite’ gilt. Es reguliert die Beziehung zwischen Ego und Alter und nimmt so Einfluss auf die sprachliche Gestaltung der Äuβerungen. Ihre Beobachtungen des Kommunikationsverhaltens von Frauen (Lakoff 1973) führen zu einer ersten Formulierung von Maximen, die höfliches Verhalten definieren: Don’t impose! Give options! und Make A [= Alter] feel good! – Be friendly ! Wenn wir diese Submaximen näher betrachten, dann lassen sich zwei klar unterschiedliche Tendenzen erkennen, die Brown & Levinson später in den Superstrategien der ‚negative’ und der ‚positive politeness’ konzeptualisieren. Während die ersten beiden darauf ausgerichtet sind, möglichst jede Übertretung des fremden ‚Territoriums’ zu vermeiden, formuliert die dritte die Grundlage einer harmonischen Beziehungsgestaltung.
2.2.2. Leech
Auch Leech (1983) erklärt die Abweichung von den GRICEschen Konversationsmaximen durch Höflichkeit. Er übernimmt den theoretischen Unterbau von Grice und formuliert Höflichkeit als ein konkurrierendes übergeordnetes Prinzip, das er als komplementär zum Kooperationsprinzip sieht. Sprache dient eben nicht nur der bloßen Informationsvermittlung, sondern muss ebenso für das soziale Gleichgewicht zwischen den Gesprächspartnern sorgen. Erst das schafft die Bedingung dafür, dass sie sich kooperativ verhalten (vgl. Leech 1983: 82). Dabei ist seine Unterscheidung zwischen den „illocutionary goals“ (den ‚kommunikativen Zielen’, d.h. was ein Sprecher erreichen möchte) und den „social goals“ andereseits von Bedeutung. Das Verhältnis, in welchem die kommunikativen Ziele des Sprechers zu seinen sozialen Zielen stehen, bildet die Grundlage seiner Klassifikation der Sprechakte (1983: 104)[20]. Die Bitte fällt dabei in die Gruppe der ‚competitives’, in der die Absicht des Sprechers, dem Adressaten seinen eigenen Willen aufzuerlegen, mit den sozialen Zielen konkurriert.
Leech sieht die Interaktion aufgrund der potentiell unterschiedlichen Handlungsziele der Gesprächsteilnehmer als grundsätzlich asymmetrisch. Um das Gleichgewicht zu erhalten, muss daher ein sprachlicher Ausgleich auf der Basis einer Kosten-Nutzen Rechnung stattfinden. Kommunikative und soziale Ziele können nur dann erfüllt werden, wenn der „Sprecher gleichsam als Jongleur tätig [wird], welcher die jeweiligen Kosten und Nutzen der Interaktion situationsadäquat und unter Beachtung der genannten Asymmetrie“ (Held 1995: 72) ausbalanciert. Leech postuliert daher im Rahmen seiner ‚interpersonal rhetoric’ sechs Maximen[21], die im Allgemeinen dazu dienen sollen, die Kosten für Alter gering zu halten und den Nutzen für ihn zu steigern, oder das umgehrte Verhältnis für den Sprecher zu erreichen. Am klarsten formuliert er das in der zentralen Takt-Maxime[22]. So macht er das nötige Maß an Höflichkeit kalkulierbar.
2.2.3. Brown & Levinson
Weit einschlägiger ist das Werk von Brown & Levinson (1978/87) - zum Einen, weil ihr Modell bis heute an Komplexität und Vollständigkeit unübertroffen ist und die von ihnen geprägten Konzepte nach wie vor den Ausgangspunkt aller folgenden theoretischen Ansätze bilden, zum Anderen deshalb, weil sie ihre Thesen mit einem Blick auf die tatsächliche sprachliche Umsetzung untermauern. Sie ziehen dazu vergleichbare Daten aus drei historisch, kulturell und geographisch unabhängigen Sprachen heran und untersuchen sie auf der Basis sprechakttheoretischer Erkenntnisse. Im Folgenden sollen die Grundpfeiler ihrer Theorie dargelegt werden.
2.2.3.1. Der ‘face’ Begriff bei Brown & Levinson
Der zentrale Angelpunkt ihrer Theorie ist ein auf Goffman (1967) aufbauender Begriff eines prekären ‚face’, das untrennbar mit jedem Individuum verbunden ist und in Form egoistischer sowie sozialer Ansprüche als Motor zwischenmenschlicher Interaktion fungiert. Die Autoren deuten das ursprüngliche Konzept um und konkretisieren es, indem sie die dualistische Bedürfnisstruktur des ‚negative’ und des ‚positive face’ postulieren[23]: Das ‚Selbst’ strebt auf der einen Seite nach der ungehinderten Durchführung seines Handlungsplanes, der Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse und nach Selbstbehauptung (‚negative face’), auf der anderen Seite will es aber auch sozial anerkannt werden und ‚dazu gehören’. Der jeweilige Gesprächspartner dient dabei als Spiegel, der das erwünschte Image bestätigen oder in Frage stellen kann und in dessen Präsenz es gilt, sich als kompetentes Mitglied der Gemeinschaft zu erweisen. Das Bewusstsein um die Vulnerabilität des eigenen und des fremden ‚face’ äußert sich in einem zweckrational kooperierenden Gesprächsverhalten. Das Phänomen der Höflichkeit ist ein essentiell soziales und reziprokes Konzept. „Der für sich selbst erhobene Anspruch auf Selbstwert [wird] gleichsam automatisch auf die Anderen übertragen und bestimmt somit jede Art von ALTER-bezogenem Handeln rationaler Individuen“ (Held 1994: 22).
2.2.3.2. ‚Negative’ und ‚positive politeness’
Das ‚face’ fordert also stets die Aufmerksamkeit und das Fingerspitzengefühl der Kommunikationspartner. Um eine harmonische Konversation zu ermöglichen, muss sowohl das des Sprechers als auch das des Hörers geschützt werden, was zu einer Koexistenz von protektivem (alter-zentriertem) und defensivem (ego-zentriertem) Gesprächsverhalten führt. Die rationalen Fähigkeiten der Individuen ermöglichen ihnen, aus dem unüberschaubaren Inventar an linguistischen Formen diejenigen auszuwählen, die sie bestmöglich zu ihren Zielen führen. Das äußert sich in zwei komplementären Strategien, die der bipolaren Natur des ‚face’-Konzeptes gerecht werden:
(1) Die ‚negative politeness’ adressiert die Bedürfnisse des Gegenüber nach uneingeschränktem Handlungsfreiraum und persönlichem Territorium. Brown & Levinson bringen sie in erster Linie mit der formalen, routinemäßigen Höflichkeit in Verbindung, die in zahlreichen Abschwächungsmechanismen zu Tage tritt und generell distanzschaffend wirkt. Held (2000: 4) verwendet hier den Begriff der „Vermeidungsstrategien“.
(2) Die ‚positive politeness’ richtet sich an das Bedürfnis, von Anderen als ‚Gleichgesinnter’ angenommen und geschätzt zu werden. Ihre sprachliche Umsetzung ist wesentlich schwieriger zu fassen und zu kategorisieren. Es ist der Versuch, auf verbaler Ebene Einverständnis, Gemeinsamkeit und Zugehörigkeitsgefühl zu evozieren (vgl. Brown & Levinson 1978/87: 63). Es bedarf hier einer eingehenden Betrachtung hochkomplexer Beziehungsgefüge, z.B. soll mein Schreibstil von Schriftstellern oder Professoren anerkannt werden, meine Persönlichkeit hingegen bei Freunden Eindruck machen. Je größer die soziale Distanz oder je ausgeprägter das Autoritätsgefälle zwischen den Interaktanten ist, desto schwieriger gestaltet sich die Aufgabe, ‚positive politeness’-Stratgien einzusetzen, ohne dem Anderen ‚zu nahe zu treten’. Es spielen sowohl kultur- und gruppenspezifische Differenzen als auch individuelle Charakteristika und spezifische Kontextfaktoren mit hinein. Im Allgemeinen lassen sich die sprachlichen Realisierungsweisen als „Zuwendungsstrategien“ (Held 2000: 4) umschreiben, die auf unterschiedlichste Weise versuchen, Nähe und Vertrauen zu vermitteln[24]. Während die ‚negative politeness’ darauf abzielt, die Illokution zu verstecken und die Imposition zu minimieren, spielt das beim Einsatz von ‚positive politeness’ Strategien keine Rolle. Wie sich im Verlauf der Auswertung zeigen wird, haben sie oftmals sogar die gegenteilige Wirkung.
2.2.3.3. Das Konzept der ‚face threatening acts’ (FTA)
Den grundsätzlichen Antagonismus zwischen den Absichten des Sprechers und den sozialen Bedürfnissen beider Interaktionsteilnehmer (vgl. Bargiela-Chiappini 2003: 1455) fangen Brown & Levinson in dem Konzept der ‚gesichtsbedrohenden Sprechakte’ („face threatening acts“ Brown & Levinson 1978/87) ein. Die Autoren untersuchen eine ganze Reihe von Sprechakten und klassifizieren sie danach, ob sie das ‚face’ des Hörers oder das des Sprechers bedrohen und ob in erster Linie sein Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit oder der Wunsch nach sozialer Anerkennung ‚in Gefahr’ ist (vgl. Brwon & Levinson 1987: )[25]. Die Direktiva bedrohen ganz klar das ‚negative face’ des Adressaten, weil sie dessen freie Handlungsplanung einschränken.
Eine eindeutige Zuordnung aller Sprechakte gelingt den Autoren jedoch nicht und ihr Modell impliziert eine grundsätzlich problematische Interaktion, in der beinahe jede Sprechhandlung als inhärent gesichtsbedrohend erscheint. Diese Allgegenwärtigkeit und Unvermeidbarkeit der ‚face-threatenig acts’ erscheint bei Brown & Levinson als Hauptmotiv für ‚höfliches’ Verhalten (vgl. Bargiela-Chiappini 2003: 1455).
2.2.3.4. Sprachliche Strategien zur Reduzierung des Konfliktpotentials
Durch die strategische sprachliche Bearbeitung der Äuβerung sollen potentielle Konfliktsituationen entschärft und eine Verletzung der beteiligten Images minimiert werden. Dafür steht jedem Sprecher eine Reihe von verbalen Strategien zur Verfügung, aus denen er als rational handelndes Individuum auf der Basis einer subjektiven Risikokalkulation (s.Kap: 2.2.3.4) diejenigen Mittel auswählt, mit deren Hilfe er sowohl seine kommunikativen, als auch seine sozialen Ziele am erfolgreichsten durchsetzen kann (vgl. Brown & Levinson 1978/87: 96). Entscheidet sich der Sprecher für die Durchführung der Sprechhandlung, dann stehen ihm im allgemeinen drei Vorgehensweisen zur Verfügung, die Brown & Levinson in ihrem berühmten Schema nach dem Grad der Direktheit hierarchisch anordnen, wobei eine direkte Proportionalität zwischen Indirektheit und Höflichkeit postuliert wird[26]. Dabei bilden direkte (’bald-on record’) und völlig indirekte (‚off record’) Formulierungen die beiden Extreme. Für gewöhnlich jedoch versuchen die Sprecher, das Konfliktpotential ihrer Äußerung zu reduzieren, indem sie symbolische Entschärfungsmechanismen einsetzen („with redressive action“ Brown & Levinson 1978/87), die entweder das Selbstbild des Gegenübers stärken (‚positive politeness’) oder den Eingriff in dessen persönliche Sphäre einschränken (‚negative politeness’). Diese Strategien signalisieren dem Gegenüber, dass sich der Sprecher der ‚Gefahr’ bewusst ist, die Bedürfnisse des Adressaten respektiert und keine Bedrohung für dessen Image beabsichtigt[27]. Als sprachliche Ausgleichshandlungen sollen sie das Gleichgewicht, das durch die Sprechhandlung bedroht ist, erhalten oder wiederherstellen. Da sie allen Mitgliedern einer Gesellschaft zugänglich und bekannt sind, kann die Wahl einer unangemessen ‚höflicheren’ Strategie ein höheres Gefahrenpotential suggerieren und auf diese Weise den Konflikt verstärken (vgl. Brown &Levinson 1978/87: 60). Die Auswahl ist daher ein heikler Balanceakt, der für jede Situation und soziale Konstellation immer neu durchgeführt werden muss.
2.2.3.5. Kalkulation des Konfliktpotentials
Ausschlaggebend für angemessenes oder ‚höfliches’ Verhalten ist letztlich nicht, ob eine gesichtsbedrohende Sprechhandlung durchgeführt wird, sondern ob sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl formuliert ist. Um die Gewichtigkeit des Sprechaktes zu kalkulieren, muss nach Brown & Levinson (1987) eine Reihe sozialer Variablen in Betracht gezogen werden:
„For each FTA [face-threatening-act], the seriousness or weightiness of a particular FTA x is compounded of both risk to S´s [speaker] face and risk to H´s [hearer] face, in a proportion relative to the nature of the FTA.[…] So let us say that the weightiness of an FTA is calculated thus:
Wx = D (S,H) + P (H,S) + Rx” (Brown & Levinson 1987: )
Dabei ist D (S,H) eine symmetrische Konstante, die die soziale Distanz zwischen dem Sprecher und dem Hörer angibt. Die sprachliche Realisierung einer Äußerung hängt schließlich davon ab, ob der Adressat ein sehr guter Freund, ein flüchtiger Bekannter oder ein Unbekannter ist. P (H,S) impliziert eine asymmetrische Beziehung. Diese Variable misst, ob und in welchem Grad ein Autoritätsverhältnis zu Gunsten des Hörers oder des Sprechers besteht. Je nachdem, ob der Adressat in der sozialen Hierarchie über dem Sprecher steht - oder umgekehrt - wird die Formulierung anders ausfallen. Rx schließlich ist ein kulturell bedingter Wert, der den Grad der Imposition gegenüber dem Hörer angeben soll. Denn man wird sicher zustimmen, dass es ein Unterschied ist, ob ich einen Freund bitte, mir die Zeitung ins Büro mitzubringen, oder ob ich ihn um eine größere Summe Geld bitte. Gleichzeitig kann beispielsweise die Bitte um Geld oder Zigaretten in einer Kultur als problematisch betrachtet werden, in einer anderen wiederum als normal oder weniger ‚unverfroren’ gelten.
2.2.3.6. Kritische Betrachtung
Abschließend soll auf einige Diskussionspunkte aufmerksam gemacht werden, die in der weiteren Forschung teils starke Kritik hervorgerufen und zu bedeutenden Modifikationen und Ergänzungen Anlass gegeben haben. Im Modell von Brown & Levinson rückt das Individuum mit seinen psychologischen Komponenten in den Vordergrund. Es wird auf einen grundsätzlich egozentrischen Kern reduziert, den die Autoren in ein kognitives Modell des ‚Selbst’ einbauen, das vor allem von Grice geprägt ist, wobei gesellschaftliche und damit auch kulturspezifische Aspekte, die für die umfassende Interaktionstheorie von Goffman besonders wichtig sind, weitgehend verloren gehen.[28] Das Konzept des ‚face-work’ (Beziehungsarbeit) wird daher grundlegend zielorientiert und als ein primär egoistisches Unterfangen dargestellt (vgl. Bargiela-Chiappini 2003: 1454).
„It appears that in Brown & Levinson´s treatment of ‘face’, Goffman´s tendentially individualistic treatment of the ‘sacred self’ becomes an obsessive attempt by an ideal rational actor to mark and protect personal territory from potentially harmful interpersonal contact.” (Bargiela-Chiappini 2003: 1461)
Am deutlichsten äußert sich das in der einseitigen Beschäftigung mit gesichtsbedrohenden Sprechakten (vgl. Bargiela-Chiappini 2003: 1455), was von Lavandera (1988, zit. nach Held 2000: 4) als „tyranny of conflict“ kritisiert wurde. Daraus resultiert auch die vorrangige Ausrichtung auf konkrete Konfliktvermeidung, die Überbewertung der Vermeidungsstrategien (‚negative politeness’) und eine vorschnelle Identifikation von Höflichkeit und Indirektheit. Zuwendungsstrategien (‚positive politeness’) und die allgemein beziehungsgestaltende Funktion von Höflichkeit finden dagegen kaum Beachtung. Zum Anderen beschränken Brown & Levinson ihre Analyse auf weitgehend isolierte Sprechakte, die durch die Einbeziehung von unterstützenden Nebensprechhandlungen zu erweitern ist.
Die stärkste Kritik hat jedoch der Anspruch auf Universalität hervorgerufen. Zentraler Angriffspunkt ist das ‚face’-Konzept, das in seiner inhaltlichen Umschreibung stark von angloamerikanischen Wertvorstellungen geprägt ist und daher für die Anwendung auf die interkulturelle Forschung überdacht werden muss. Die Erkenntnisse, die die traditionelle Sichtweise für die angloamerikanische Welt gefunden hat, sollen aber nicht geschmälert werden. Denn trotz allem liefern die Ideen von Brown & Levinson ein hilfreiches Beschreibungsmodell, innerhalb dessen – oder auch in Kontrast zu dem – interkulturelle Unterschiede beschrieben werden können.
2.3. Interkulturelle Ansätze
Eine Antwort auf die Dominanz der angloamerikanischen Forschungsliteratur und die daraus resultierende ethnozentrische Färbung des konzeptuellen Rahmens finden wir in zahlreichen neueren Studien, die im Rahmen der kontrastiven Pragmatik anhand von Performanzdaten aus unterschiedlichen Kulturkreisen die ‚universalen’ Prinzipien und Maximen nicht nur bestätigen, sondern auch in Frage stellen. Sie zeigen, dass Differenzen in der sprachlichen Umsetzung von Höflichkeit durch unterschiedliche Normen, Traditionen und Werthierarchien erklärt werden müssen. Mit Schlagworten wie Individualismus/Kollektivismus, Nähe/Distanz, Formalität/Informalität, Solidarität/ Respekt, etc. versuchen die Forscher einzelne Sprachgemeinschaften zu charakterisieren, wobei deutlich wird, dass auch solche Konzepte kulturspezifischer Interpretation unterliegen. Sie sind nur schwer zu fassen, noch schwerer zu operationalisieren. Letztlich lassen sie sich nur intuitiv anhand der gesammelten Sprachdaten und Verhaltensbeobachtungen vermuten.
2.3.1. Sprechakte interkulturell
Die meisten kontrastiven Studien gehen von einem sprechakttheoretischen Ansatz aus (vgl. Blum-Kulka et al.1989, Held 1994, Trosborg 1995), was trotz der offensichtlichen Mängel die formale und funktionale Analyse der Äußerungen erleichtert und eine interkulturelle Vergleichbarkeit erst ermöglicht. Wierzbicka (1991) stellt fest, dass die Konzeptualisierung und Verbalisierung von Sprechakten von Kultur zu Kultur variieren. Sicherlich richtig ist, dass unterschiedliche Kulturen insofern ihren Ausdruck in unterschiedlichen Sprechaktsystemen finden, als sie dort feste Schemata und kulturspezifische Kodierungsformen für deren Realisierung ausbilden (vgl. Wierzbicka 1991: 26). Vidal (1995: 49) zeigt das besonders anschaulich:
Vermutlich wären Sie etwas erstaunt, wenn Sie einen polnischen Freund sagen hören: „Vielleicht werden wir essen gehen.“ Aber Sie sollten sich keine Gedanken machen, sondern sich lieber anschicken, das Mittagessen zu genießen: Sie wurden nämlich gerade zum Essen eingeladen. Gehen Sie allerdings einmal nach China und treffen dort auf einen Kollegen in der Universität, der sie fragt „Haben Sie schon zu Mittag gegessen?“, dann ist das keine Einladung und Sie sollten auch nicht damit rechnen, dass Sie gemeinsam essen werden, denn es handelt sich dabei um eine einfache Grußformel – vergleichbar mit dem spanischen ¿Qué tal? [Wie geht´s?]. Von Ihnen wird man dann die Antwort erwarten: „Ja, ich war so egoistisch“. Dieser chinesische Gruß passt sich dabei an die unterschiedlichsten Situationen an. Trifft man sich auf der Straße, dann fragt man: „Gehen Sie Reis kaufen?“ oder wenn jemand gerade vom Einkaufen kommt, dann heißt es: „Haben Sie Reis gekauft?“[29]
Etwas komplizierter wird es, wenn man sich komplexeren Sprechakten zuwendet. Während im Englischen, Deutschen und Spanischen eine Interrogativkonstruktion wie „Kannst Du mir das Salz geben?“ unschwer als ‚höfliche’ Bitte erkannt wird, stößt sie bei einem Polen - wörtlich übersetzt – vermutlich auf völliges Unverständnis, wo es doch offensichtlich ist, dass er fähig ist, das Salz weiter zu reichen. In Thailand kann es sogar verletzend sein, weil der Sprecher die Fähigkeiten des Adressaten in Frage stellt (vgl. Escandell-Vidal 1995: 41).
Das Englische zeigt eine besondere Präferenz für interrogative Strukturen und hat klare Gebrauchsbeschränkungen für den Imperativ. Das spiegelt die ständige Besorgnis um die Autonomie des Individuums und die charakteristisch angelsächsische Tradition wider, die Selbstbestimmungsrechte und Nicht-Einmischung in fremde Privatsphäre betont. Eine Formulierung als Frage spielt dem Gegenüber die Karten zu, lässt ihm Interpretationsspielraum und freie Entscheidung. Anders als beim Imperativ vermeidet es der Sprecher, dem Anderen seinen eigenen Willen aufzuerlegen. Eine Konstruktion wie „Why don’t you close the window?“ wird im Englischen gerne eingesetzt, um den direktiven Charakter der Sprechhandlung abzuschwächen. Wörtlich ins Polnische übertragen klingt sie wie eine Kombination aus Frage und Kritik – in dem Sinne: „Warum hast Du nicht das Fenster zugemacht, wo es doch kalt ist und es vernünftig gewesen wäre.“ (vgl. Wierzbicka: 32/33) und bewirkt so genau das Gegenteil. In Polen ist die direkte Äußerung einer Bitte im Imperativ vollkommen akzeptabel und bringt keinerlei negative soziale Implikationen mit sich (etwa in dem Sinne, dass man dem Gegenüber seinen Willen aufzwingt). Eine Alternative ist daher nicht notwendig und übermittelt somit andere soziale Zusatzbedeutungen als im Englischen. Wierzbicka (1991: 26) veranschaulicht das an einem amüsanten Beispiel:
Während einer offiziellen Veranstaltung begrüßt ein polnischer Gastgeber seinen australischen Ehrengast – Mrs. Vanessa Smith - mit den Worten: „Mrs. Vanessa! Please! Sit! Sit“ Schon allein die Kombination von Mrs. mit dem Vornamen, anstelle eines (aus angloamerikanischer Perspektive) ‚respektvollen’ Mrs. Smith, kann zu einer Fehlinterpretation führen. Wesentlich weniger tolerabel erscheint jedoch die blanke Imperativkonstruktion Sit !, die zu allem Überfluss auch noch insistierend wiederholt wird. Das verwandelt das so freundlich gemeinte Angebot für die englischsprechende Welt in eine Aufforderung oder gar einen Befehl, der beinahe klingt, als sei er an einen Hund gerichtet. Aus polnischer Sicht hingegen sprüht die Einladung nahezu vor Herzlichkeit. Die Reduplikation und die direkte Formulierung im Imperativ sind Ausdruck dafür, dass dem Gast gar nicht erst die Möglichkeit gelassen wird, ‚aus Höflichkeit’ abzulehnen. Es ist ja schließlich zu seinem Besten.
Die Realisierung eines spezifischen Sprechaktes kann in einem interkulturellen Vergleich nicht an sprachlichen Konventionen festgemacht werden, auch wenn es vor allem in verwandten oder geographisch nahen Sprachgemeinschaften zweifellos Überschneidungen und Ähnlichkeiten gibt. Die Fähigkeit zur rationalen Inferenz allein genügt nicht, um zu einer angemessenen Interpretation zu gelangen. Die Gesprächspartner müssen sowohl die spezifischen Formeln und linguistischen Mechanismen teilen, als auch in den Bedingungen für ihre Verwendung übereinstimmen.
2.3.2. ‚Face’ und ‚face-work’ interkulturell
Die Diskussion um die ethnozentrische Färbung des BROWN & LEVINSONschen ‚face’-Begriffs zeigt neue Aspekte auf. Die Autoren selbst räumen in der überarbeiteten Neuauflage ein, dass der Inhalt dieses Konzepts von Kultur zu Kultur verschieden ist - je nachdem, was als bedrohlich für den persönlichen Freiraum oder die soziale Anerkennung eines Individuums aufgefasst wird und in welchen Verhaltensmustern sich gesellschaftlich angesehenes Interaktionsverhalten äußert[30]. Sie geben zu, dass ihr konzeptueller Rahmen – und besonders ihre Vorstellung davon, was ‘Takt’ ausmacht – die ethnozentrischen Züge einer Kultur aufweist, die stark individualistisch geprägt ist[31]. Die Annahme, dass alle Kulturen Übereinstimmung gegenüber Meinungs-verschiedenheiten vorziehen, dass sie Selbstlob herabsetzen und Alter-Erhebung ermutigen und, dass die größte soziale Sünde die der Imposition ist, wurde mittlerweile durch die Ergebnisse der interkulturellen Forschung widerlegt (vgl. Wierzbicka 1991: 69). Vor allem der letzte Punkt und die Bedeutung, die Brown & Levinson daher dem ‚negative face’ beimessen, soll hier genauer betrachtet werden.
2.3.2.1. Gruppenorientierte ‚face’-Bedürfnisse
In Japan spielen beispielsweise das Individuum und seine persönlichen Rechte (sein ‚negative face’) keine große Rolle. Was stattdessen besonders wichtig erscheint, ist die soziale Position, die eine Person innerhalb der Gruppe einnimmt. Gesichtsverlust wird damit assoziiert, dass ein Mitglied der Gesellschaft deren Strukturen nicht anerkennt und sich nicht in die soziale Hierarchie der Gruppe einfügen kann (vgl. Matsumoto 1988: 405).[32] Der Unterschied zu dem ‚face’-Konzept von Brown & Levinson liegt darin, dass das eigene ‚face’ nicht durch die Verteidigung des persönlichen ‚Territoriums’ (‚negative face’), sondern durch die Bestätigung der bestehenden Ordnung und damit durch Konformität mit den gesellschaftlichen Erwartungen geschützt wird. Matsumoto (1988) spricht von einem „socially given self-image“, das nicht zuletzt das Bedürfnis impliziert, sich den kulturellen Normen und Erwartungen gemäß zu verhalten. Daraus lässt sich auch der weit verbreitete Gebrauch von statusindizierenden, sprachlichen Mitteln (‚honorifics’ oder ‚deference markers’) erklären, der - eng mit dem gruppenorientierten Selbstbild verbunden - in der japanischen Hierarchiegesellschaft nicht mit ‚negative politeness’ gleichgesetzt werden darf, sondern in seiner beziehungsstabilisierenden Funktion als Anerkennung und Bestätigung des ‚positive face’ der Interaktanten gesehen werden muss (vgl. Matsumoto 1988: 414). Auch die Strategie der Indirektheit wird in Japan nicht zum Schutz von Selbstbestimmungsrechten eingesetzt. Statt dessen betont sie die Empathie zwischen den Interaktanten, die dank gemeinsamer Erfahrung und Konformität eine explizitere Formulierung unnötig macht (vgl. Fraser 2001: 1420). Höflichkeit dient nicht dem Schutz des Individuums, sondern der Harmonie und dem Erhalt der Gruppe. Brown & Levinsons individualistische, strategisch-zielorientierte Auffassung von Höflichkeit kann dem keine Rechnung tragen.
2.3.2.2. Soziale Nähe
Auch die Gleichsetzung von Distanz und Höflichkeit hat ihre Wurzeln im Individualismus. Die Übergewichtung des ‚negative face’, das jedem Individuum seine Rechte und seinen Freiraum garantiert, führt dazu, dass die angloamerikanische Welt ein ausgeprägtes Repertoire an distanzschaffenden sprachlichen Mitteln entwickelt hat, die das Territorium des Gegenübers ikonisch wahren sollen. Interessant sind die Überlegungen, die Wierzbicka (1991: 47) hinsichtlich der in zahlreichen Sprachen existierenden Distinktion zwischen ‚Du’ und ‚Sie’ anstellt, die im Englischen verloren gegangen ist. Das Anredepronomen you spiegelt als ‚soziales Gleichschaltungsmittel’ die Überzeugung wider, dass jedes Individuum die gleichen Rechte hat. Auf der anderen Seite kann es aber auch als distanzschaffendes Mittel betrachtet werden, da es so keine pronominale Form gibt, die Intimität und Nähe vermitteln kann. Das spanische Tú und das deutsche Du hingegen signalisieren in Opposition zu Usted / Ustedes Vertrautheit und Sympathie. Während die Sie -Form in der Forschung durchweg als Höflichkeitsform bezeichnet wird, bin ich der Meinung, dass sie im andalusischen Sprachkontext weniger ‚Höflichkeit’, als vielmehr ‚Formalität’ und ‚Distanz’ impliziert. Wie unterschiedlich Distanz und Nähe bewertet werden wird besonders an außersprachlichen Beispielen deutlich:
In distanz- und selbstbestimmungsorientierten Kulturen (vgl. England/Deutschland) wahrt man bei der Begrüßung im Umgang mit Anderen generell einen ‚Sicherheitsabstand’, der nur unter sehr guten Freunden verringert wird: Unter Bekannten begrüβt man sich mit Handschlag oder Kopfnicken. In den Mittelmeerländern hingegen findet meist intimer Körperkontakt statt - auch dann, wenn es sich nicht gerade um ein besonderes Vertrauensverhältnis handelt. Sobald man sich vorgestellt wird, begrüßt man sich in Andalusien z.B. mit Küsschen auf die Backe. Dabei ist es egal, ob man sich gegenseitig sympathisch ist oder nicht. In Deutschland oder England wäre das undenkbar, da dort die Grenzen des persönlichen Territoriums weiter gesteckt sind. Gleichzeitig bedarf es einer beiderseitigen Sympathiebezeugung, um den Abstand zu verringern.
2.3.2.3. Betonung von Gegenseitigkeit und Interdependenz
Die Überbetonung des Autonomiegedankens führt auch dazu, dass das Eingeständnis von Bedarf und Abhängigkeit vom Gegenüber als konfliktive Situation empfunden wird. Eine Bitte ist dann in zweierlei Hinsicht gesichtsbedrohend, weil sie nicht nur das ‚negative face’ des Adressaten, sondern auch die Selbständigkeit des Sprechers in Frage stellt. Sie erfordert also wesentlich komplexere Ausgleichsstrategien. Gegenseitige Abhängigkeit muss aber nicht als negativ empfunden werden. Sie kann sogar zu positiver Beziehungsgestaltung beitragen. Schließlich fühlt man sich ja auch gut, wenn man ‚gebraucht’ wird. Eine Bitte kann dem Gegenüber signalisieren, dass man auf die gegenseitige Sympathie und das Entgegenkommen des Anderen vertraut. Indirekt werden dem Adressaten auf diese Weise positive soziale Eigenschaften zugesprochen (Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit). Wird die Sprechhandlung also in einem bestimmten kulturellen Kontext als weniger bedrohlich angesehen, so kann die unangemessen ‚höflichere’ Formulierung in der Interrogativkonstruktion als Zweifel an der Freundschaft oder an der Liebenswürdigkeit der Person interpretiert werden. Solche und ähnliche Beobachtungen stellen vor allem die traditionelle Gleichsetzung von Indirektheit und Höflichkeit in Frage. Blum-Kulkas (1987) Beobachtungen zur Israelischen Kultur und Wierzbickas (1991) Ansichten zur Polnischen Sprache legen nahe, dass in beiden Kulturen sowohl konventionelle Indirektheit, als auch Anspielungen (zumindest im Hinblick auf Bitten) als weniger höflich als die direkte Version interpretiert werden. Offenheit, Klarheit und Vertrauen stehen im Vordergrund. Das liegt nicht zuletzt an einem ausgeprägten ‚Wir-Gefühl’, das auf dem Bewusstsein gegenseitiger Interdependenz fußt.
2.3.2.4. Herzlichkeit und Emotionalität
Die Betonung des ‚Wir’-Gefühls äußert sich in vielen Gesellschaften in sprachlichen Interaktionsstilen, die als ‚emotional’ oder ‚herzlich’ charakterisiert werden. Anstelle des BROWN & LEVINSONschen ‘make the hearer not feel bad’, konzentrieren sich die verbalen Strategien auf das LAKOFFsche ‚make A feel good - be friendly’ (vgl. Fraser 2001: 1414). Sehen wir uns ein außersprachliches Beispiel an:
Während es in Deutschland oder England üblich ist, die aufbrechenden Freunde mit einem freundlichen „War schön euch/Sie gesehen zu haben“ oder „Hoffentlich sehen wir uns bald wieder“ ziehen lässt, so ist es in Spanien bei Weitem nicht so leicht, sich aus der Affäre zu ziehen. Denn eine spanische Verabschiedungszeremonie kann sich schon mal über Stunden hinziehen. Sobald man andeutet, dass man aufbrechen möchte, werden sich sofort alle Anwesenden damit beschäftigen, einen zum Bleiben zu überreden. Dabei werden Angebote gemacht, auf noch ein Bier einzuladen, scheinbare Argumente vorgebracht, wie: „Du musst doch morgen gar nicht arbeiten!“[33] oder an das ‚Mitleid’ appelliert: „Du kannst uns doch jetzt nicht alleine lassen.“ (gerade so, als ob man tatsächlich jemanden alleine lassen würde) - Und das eine oder andere Mal wird man sich um vier Uhr morgens immer noch auf der Strasse finden, wo man doch eigentlich nur ein Bier trinken gehen wollte. Spaniern ist das Beisammensein (und je mehr Leute, desto besser) und dass ein jeder ‚dazu gehört’ eben wichtiger, als der Wunsch des Einzelnen, heute mal früh schlafen zu gehen.
Die zentrale Stelle, die ‚Herzlichkeit’, ‚Wärme’ und ‚Solidarität’ in den Mittelmeerländern[34] einnehmen, findet ihren Ausdruck auf sprachlicher Ebene in einem reich ausgebildeten System beziehungsorientierter, expressiver sprachlicher Mechanismen. Dazu gehören die unterschiedlichen Ableitungen von Vornamen, Spitznamen und Kosenamen und eine produktive Diminutivbildung, die nicht nur auf Substantive beschränkt bleibt, sondern auf Adjektive und Adverbien übergreift (z.B. Spanisch, Polnisch). Besonders wenn es darum geht, ein Lob für das Gegenüber auszusprechen, hört man in Andalusien Intensivierungen und Übertreibungen im Überfluss - ganz im Gegensatz zur traditionellen Ansicht, dass Höflichkeit Minimalisierungs sei[35]. Dort sind alltägliche Gespräche voll von enthusiastischen Ausrufen, wobei die ehrliche Meinung des Sprechers keine Rolle spielt. Im Deutschen kann das schnell als unehrlich und affektiert beurteilt werden. In Andalusien stehen gemeinsame Begeisterung, Spaß und geteiltes Interesse im Mittelpunkt. Das zeigt sich auch im Turn-Taking-Verhalten (wenn man das noch so nennen kann). Durcheinanderreden und die Anderen immer wieder übertönen signalisiert Begeisterung und gegenseitige Anteilnahme. Innerhalb der Gruppe ist es eine sozial anerkannte Verhaltensweise, die nichts mit mangelndem Respekt zu tun hat, wie möglicherweise ein Deutscher, ein Engländer oder ein Japaner interpretieren könnte. Auf das Goffmansche ‚ungestörte Rederecht’ kann man in spanischer Geselligkeit lange warten.
2.3.3. Höflichkeit, soziale Harmonie und Konfliktvermeidung
Höflichkeit versucht immer, das möglichst konfliktfreie Miteinander innerhalb einer bestimmten Gesellschaft zu fördern und zu erhalten. Doch soziale Harmonie hat viele Gesichter, und von Kultur zu Kultur finden sich unterschiedliche Vorstellungen davon, was zu dieser Harmonie beiträgt und was ihr entgegensteht. Sie sind eng mit den Wertvorstellungen und Normen verbunden, die in der jeweiligen Sprachgemeinschaft operativ sind, denn sie bestimmen entscheidend darüber, was ich persönlich für erstrebenswert halte, welche Verhaltensweisen angemessen erscheinen, und welche sozialen Situationen ich als konfliktgeladen beurteile.[36]
Scheinbar universale Maximen im Sinne Leechs (1983) können nicht für alle Kulturen als gültig angesehen werden. In Gegenwart eines Japaners, dessen Wertkomplex Bescheidenheit bis hin zu Selbstverleugnung (vgl. Wierzbicka 1991: 78) fordert, ist es vollkommen unangemessen und unhöflich, sich selbst lautstark zu behaupten oder einem Kompliment zuzustimmen, was als Selbstlob aufgefasst würde (Bescheidenheitsmaxime[37] ). Das oberste Ziel ist es, offene Konfrontation zu vermeiden, um die Harmonie der Gruppe nicht zu gefährden. Es gehört dort zum Interaktionsstil, die eigene Meinung nicht explizit auszudrücken, sondern den Schein von Konformität hinsichtlich Meinungen, Gedanken und Wünschen innerhalb der Gruppe zu wahren (Übereinstimmungsmaxime[38] ). Die Fähigkeit, die eigenen Impulse und Emotionen zurückzuhalten, wird von allen Mitgliedern der Gruppe hoch geschätzt[39] (vgl. Wierzbicka 1991: 113).
Die Jüdische Kultur dagegen sieht Meinungsverschiedenheiten als Ausdruck wahrhaftiger emotionaler Beteiligung, die die Kommunikationspartner eher näher zusammen als weiter auseinander bringt (vgl. Wierzbicka 1991: 68/69). Konfrontation im Meinungsaustausch fügt der sozialen Harmonie hier keinen Schaden zu, sondern bestärkt die Mitglieder in ihren Gemeinsamkeiten. Die Zabrakultur in Israel benutzt einen eigenen Code, den Dugri talk, (vgl. Duttlinger 1999: 47) – nicht zuletzt auch um sich dadurch von der Dogmatik der Diaspora und von ‚unehrlichem’ ‚scheinheiligem’ Miteinander-Umgehen zu distanzieren. Aus anderer Perspektive mag dieses Gesprächsverhalten als rücksichtslos, hartherzig oder sogar unverschämt erscheinen. Auch in der angloamerikanischen Gesellschaft kann jedes Individuum sagen, was es wünscht und denkt, solange nur das persönliche Territorium anderer unberührt bleibt. Weder Konformität noch offene Konfrontation bilden die Basis sozialer Harmonie, sondern die Erhaltung der Autonomie jedes einzelnen Gesellschaftsmitgliedes. Daher findet sich eine klare Präferenz für Vermeidungsstrategien, die Nicht-Einmischung betonen und soziale Distanz wahren.
Explizite Selbstdarstellung muss ebenso wenig negative Sanktionen hervorrufen. Vor dem adäquaten kulturellen Hintergrund kann sie sogar die Bewunderung der Anderen erreichen. In Spanien und Polen ist weder Selbstlob noch die dankbare Annahme, ja sogar Verstärkung (vgl. Duttlinger 1999: 179) von Komplimenten problematisch. Es dient vielmehr der Harmonieverstärkung (vgl. Wierzbicka 1991 Polen/schwarze Amerikaner).
2.3.4. Zusammenfassung und Ausblick
In den oberen Abschnitten haben wir versucht Schlaglichter auf kulturspezifische Werte und Verhaltensnormen zu werfen. Aufgrund der Komplexität konnten nur einzelne Aspekte kultureller Identität stellvertretend aufgegriffen werden. Dabei sollten vor allem diejenigen Beachtung finden, die bisher im Schatten der angloamerikanischen Forschungsdominanz standen. Obwohl die interkulturelle Forschung bereits zahlreiche Erkenntnisse beigetragen hat, scheint es nach wie vor eine nahezu unlösbare Aufgabe zu sein, den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Wertvorstellungen, Präferenzen für bestimmte Strategien und den sprachlichen Manifestationen von ‚höflichem’ Verhalten aufzuzeigen. Wenn wir Erklärungen für kulturspezifische Interaktionsstile in differierenden Wertsystemen suchen, dann sprechen wir nicht über Kategorien wie schwarz oder weiß, vielmehr handelt es sich um anders strukturierte Werthierarchien. Es ist nicht so, dass die persönliche Freiheit des Individuums in einer bestimmten Gesellschaft überhaupt keine Rolle spielt oder nicht als erstrebenswertes Ziel anerkannt wird. Auch werden Solidarität und Freundlichkeit sicher überall als wünschenswerte Eigenschaften empfunden. Es rücken lediglich unterschiedliche (teilweise widersprüchliche) Facetten des menschlichen Zusammenlebens in den Vordergrund, wobei bestimmte Werte Priorität über andere erhalten.
Das Phänomen der Höflichkeit ist vor allem eine Frage der Interpretation von Seiten des Hörers und nicht in einer bestimmten linguistischen Realisierungsform immanent. Dieselbe Äußerung kann von Personen unterschiedlicher Herkunft völlig anders aufgefasst werden und dementsprechend in einem kulturellen Kontext als höflich erscheinen, während sie in dem anderen als unhöflich betrachtet wird, je nachdem, was man dort unter ‚harmonischer Beziehungsgestaltung’ versteht. Montandon (1991, zit. nach Duttlinger 1999: 9) sieht in der Höflichkeit ein Rollenspiel, in dem „nicht Aufrichtigkeit angestrebt [wird], sondern die Übereinstimmung mit einer Erwartungshaltung. Gerade diese Entsprechung ist der Prüfstein jeder sozialen Wahrheit. Die Höflichkeit ist eine Antwort, nie eine Überraschung, eine Übereinkunft, kein Verstoß.“ Erwartungshaltungen und Ansprüche der Gesprächsteilnehmer sind dabei vor dem Hintergrund ihrer kulturellen Einbindung zu betrachten, in der die Interpretationsmuster vorgezeichnet sind. Tracy (1990, zit. nach Duttlinger 1999: 23) fasst die kulturelle Komplexität einschlägig zusammen:
„Face-work has many faces. It can be respectful and deferential; it can be friendly; it can be forthright; it can be hostile. Face-work may be oriented to enhancement of the self and/or other, it may be oriented to self-defence and other-attack. Because people’s self and other identity concerns are often complicated, many of the faces of face-work may be visible in the same interaction.“
[...]
[1] Höflichkeit ist selbstverständlich kein rein sprachliches Phänomen, sondern äußert sich allgemein in menschlichem Verhalten. Im Rahmen dieser Arbeit werde ich außersprachliche Höflichkeit jedoch weitgehend außer Acht lassen.
[2] Politeness as „a device used in order to reduce friction in personal interaction“ (Lakoff 1979: 64 zitiert nach Fraser 2001: 1412)
[3] Leider besteht vor allem in der Romanistk ein großes Forschungsdefizit, so dass es sich hier tatsächlich um einen ersten Versuch handelt, die sprachliche Umsetzung von Höflichkeit im Spanischen mit der im Deutschen zu vergleichen.
[4] dabei handelt es sich um Studenten der Universität Würzburg (D) und der Universität Cádiz (SP)
[5] “The illocutionary point of these consists in the fact that they are attempts (of varying degrees, and hence, more precisely, they are determinates of the determinable which includes attempting) by the speaker to get the hearer to do something” (Searle 1979: 13)
[6] “Competitive: The illocutionary goal competes with the social goal; eg ordering, asking, demanding, begging” (Leech 1983: 104)
[7] Raible hat in seinem Aufsatz eine sehr anschauliche Einteilung der direktiv-impositiven Sprechakte vorgenommen. Er spricht davon, dass der institutionell / körperliche Zwang eine starke Überlegenheit des Sprechers voraussetzt, die ihn von seinen ‚höflichen’ Pflichten gewissermaßen entbindet und dass der ethisch / rechtliche Zwang das Verhältnis umkehrt und so den ‚überlegenen’ Hörer an seine ethischen Verpflichtungen erinnert. Daher bleibt ihm letztlich ebenso wenig Entscheidungsfreiheit, solange er sich als sozial kompetente Person erweisen und sein ‚positive face’ bewahren möchte (vgl. Raible 1987, S. 154 – 155).
[8] Die Sprechakttheorie hat ihre Wurzeln in der ‚Philosophie der Alltagssprache’ (vgl. Wittgenstein (1958), Austin (1962), Searle (1969) und Grice (1967)) Sie vertritt die Meinung, dass die Alltagssprache ein effektives Werkzeug ist, mit dem gewöhnliche Menschen problemlos kommunizieren – und das entgegen der vorherrschenden Meinung, dass sie aufgrund ihrer Vagheit, Mehrdeutigkeit, Widersprüchlichkeit gegenüber der Wissenschaftssprache defizitär sei (vgl. Thomas 1995: 29).
[9] Der Begriff des Sprechakts wird heute meist im Sinne von Illokution gebraucht (Thomas 1995: 51)
[10] „If we adopt illocutionary point as the basic notion on which to classify uses of language, then there are a rather limited number of basic things we do with language: we tell people how things are, we try to get them to do things, we commit ourselves to doing things, we express our feelings and attitudes and we bring about changes through our utterances. Often we do more than one of these at once in the same utterance.” (Searle 1979: 29)
[11] Seine Absicht war es, trotz der offensichtlichen Diskrepanz eine Übereinstimmung von sprachlicher Form und illokutiver Bedeutung zu beweisen.
[12] „Our talk exchanges do not normally consist of a succession of disconnected remarks, and would not be rational if they did. They are characteristically, to some degree at least, cooperative efforts; and each participant recognizes in them, to some extent, a common purpose or set of purposes, or at least a mutually accepted direction.” (Grice 1975: 45)
[13] „The convergence [between irrational aspects of language usage] is in the particular divergences from some highly rational maximally efficient mode of communication. […] We isolate a motive – politeness, very broadly and specially defined – and then claim, paradoxically enough, that the only satisfactory explanatory scheme will include a heavy dash of rationalism.“ (Brown & Levinson 1987: 55)
[14] „There are, of course, all sorts of other maxims (aesthetic, social, or moral in character), such as ‚Be polite’, that are also normally observed by participants in talk exchanges, and these may also generate nonconventional implicatures. […] and the scheme needs to be generalized to allow for such general purposes as influencing or directing the actions of others.” (Grice 1975: 47)
[15] „We believe that patterns of message construction, or ‚ways of putting things’ or simply language usage, are part of the very stuff that social relationships are made of (or, as some would prefer, crucial parts of the expressions of social relations).“ (Brown & Levinson 1987: 55)
[16] „The term face may be defined as the positive social value a person effectively claims for himself by the line others assume he has taken during a particular contact. Face is an image of self delineated in terms of approved social attributes – albeit an image that others may share […]” (Goffman 1967: 4)
[17] Somit erklärt sich auch die Komplexität des ‚face’-Begriffs und die Problematik für eine kulturübergreifende Interpretation (vgl. Kapitel 2.3)
[18] [Handlungen durch deren symbolische Komponente der Handelnde zeigt, wie würdig er selbst des Respekts ist oder als wie respektwürdig er andere empfindet] (meine Übersetzung)
[19] Die Grundidee des rituellen Charakters sozialer Organisation und den Vergleich mit religiösen Zeremoniellen übernimmt Goffman von Durkheim, der ursprünglich von drei unterschiedlichen Ritualen spricht: den ‚negativen’, den ‚positiven’ und den ‚Opfer-Ritualen’, die sich in der Erfüllung von Pflichten gegenüber der Gesellschaft zeigen und durch soziale Solidarität motiviert sind (vgl. Bargiela-Chiappini 2003: 1457).
[20] vgl. die Klassifikation Searles, die als Ausgangspunkt nur die Illokution des Sprechers, d.h. die kommunikativen Ziele nimmt.
[21] Das Konzept der Maxime macht deutlich, dass diese Grundsätze nur bedingt gültig sind, untereinander konkurrieren können und subjektiv beurteilt und eingesetzt werden. Leech versucht daraus interkulturelle Differenzen zu erklären, wobei in bestimmten Kulturen einzelne Maximen das Verhalten stärker, andere weniger stark beeinflussen.
[22] „Minimize the cost to h […] Maximize the benefit to h [hearer]” (Leech 1983: 109). Daneben entwickelt Leech ein Reihe pragmatischer Skalen, die den ‚Takt’ beeinflussen: (1) cost-benefit scale (sie gibt an, inwiefern ein Sprechakt zu Nutzen des Sprechers, bzw. Auf Kosten des Hörers durchgeführt wird) (2) optionality scale (auf ihr lässt sich ermitteln, inwiefern der Sprecher dem Hörer Wahlmöglichkeiten und Interpretationsspielraum einräumt) (3) indirectness scale (auf ihr lässt sich der Grad der Explizitheit, d.h. der Durchsichtigkeit einer bestimmten Intention ablesen) (4) authority scale (Sie misst die relative Autorität eines Kommunikationspartners gegenüber dem anderen) (5) social distance scale (sie gibt den Grad der Vertrautheit zwischen den Gesprächspartnern an) (vgl. Duttlinger 1999: 22)
[23] “negative face: the basic claim to territories, personal preserves, rights to non-distraction – i.e. to freedom of action and freedom from imposition.
positive face: the positive consistent self-image or ‚personality’ (crucially including the desire that this self-image be appreciated and approved of) claimed by interactants.” (Brown & Levinson 1987: 61)
[24] vgl. die Kontrastierung von “avoidance rituals” und „presentational rituals“ bei Goffman (1971)
[25] Auf eine Darstellung soll hier verzichtet werden, da für die vorliegende Arbeit lediglich die Direktiva relevant sind.
[26] Das Schema von Brown & Levinson soll hier nur vereinfacht dargestellt werden, um einen einführenden Überblick zu liefern.
[27] “to counteract the potential face damage of the FTA by doing it in such a way, or with such modifications or additions, that indicate clearly that no such face threat is intended or desired“ (Brown & Levinson 1978/87: 74 f.)
[28] Das Goffmansche Bild der Gesellschaft lässt zwar ebenso einen klar individualistischen Kern erkennen, das Individuum ist aber auch fest in eine Gemeinschaft eingebunden, deren Funktionieren durch das fortwährende Bemühen, das Gesicht aller Beteiligten zu wahren und die rituelle Ordnung der Gesellschaft zu erhalten, erst ermöglicht wird. Goffmans Interesse gilt „not the individual and his psychology, but rather the syntactical relations among the acts of different persons mutually present to one another“ (Goffman 1967: 2)
[29] Vidal (1995) bezieht sich auf auf eine Anekdote in Günter, S. (1993): German-Chinese Interactions: Differences in Contextualization Conventions and Resulting Miscommunication. In: Pragmatics 3, S. 283-304.
[30] „On the one hand, this core concept [face] is subject to cultural specifications of many sorts – what kinds of acts threaten face, what sorts of persons have special rights to face-protection, and what kinds of personal style […] are especially appreciated. On the other hand notions of face naturally link up to some of the most fundamental cultural ideas about the nature of the social persona, honour and virtue, shame and redemption and thus to religious concepts […]” (Brown & Levinson 1987: 13)
[31] “it perhaps reflects the bias of a culture obsessed with individual rights and wants, and so with tact” (Brown &Levinson 1987: 12).
[32] Matsumoto, Y. (1988): Reexamination of the universality of face: Politeness phenomena in Japanese. In Journal of Pragmatics 12 (4), 403-426. (zit. nach Fraser 2001)
[33] Dabei wird gar nicht erst auf die Möglichkeit eingegangen, dass man einfach nur müde ist. Ein Spanier muss schon durch ‚höhere’ Zwänge (wie früh aufstehen, arbeiten) verhindert sein, damit er einen geselligen Abend verlässt.
[34] vgl. auch Held (i.D.) für Italien, aber auch andere Länder wie Russland (Rathmayr, R. (1999) nach Bargiela-Chiappini (2003)) oder Polen (Wierzbicka 1991)
[35] Eine solche Annahme hängt vor allem mit der einseitigen Beschäftigung mit gesichtsbedrohenden Sprechakten (insbesondere der Direktiva) zusammen.
[36] Wie bereits Goffman betont hat, ist das Selbstbild einer Person in ständigem Wandel und entsteht erst in der sozialen Interaktion. Es wird durch die Gesellschaft, in die man hineingeboren wird wesentlich beeinflusst. Auch die sozialen Bedürfnisse entwickeln sich im Laufe der Sozialisation.
[37] “modesty maxim (in expressives and assertives) (a) Minimize praise of self [(b) Maximize dispraise of self ]“ Leech (1983: 132)
[38] “agreement maxim (in assertives) (a) Minimize disagreement between self and other [(b) Maximize agreement between self and other ]“ Leech (1983: 132)
[39] Japaner vermeiden daher beispielsweise jedes ‚Nein’ und schweigen lieber, als Meinungsdifferenzen explizit werden zu lassen oder unerfüllbare Wünsche offen abzusagen (vgl. Wierzbicka 1991: 93). Aus dem selben Grund verzichten sie häufig auf klare und eindeutige Formulierungen. Stattdessen versuchen sie ‚implizite Nachrichten’ zu senden – in der Erwartung, dass der Adressat darauf reagiert. Was in unseren Augen als nahezu unmöglich erscheint, ist die unpräzise Antwort auf die präzise Frage nach einem Treffpunkt oder einer Uhrzeit. In Japan kann man durchaus zuerst die Antwort erhalten: „Jede Zeit erscheint mir gut.“ „Jeder Ort ist mir recht.“ (vgl. Wierzbicka 1991: 94/95)
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