Männlichkeit und Identität in Neue Deutsche Welle 2005 (Fler)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung

2. Einleitung
2.1 Erkenntnisinteresse
2.2 Methodik

3. Semiologische Analyse
3.1 Shots: Bildaufbau, Denotation, Lyrics
3.2 Paradigmatische Dimension
3.3 Diskursivität

4. Abschließende Beobachtungen und Bewertung

5. Literatur

6. Zeitungen und Zeitschriften

7. Bilder und Filme

1. Vorbemerkung

Als am 1. Mai 2005 die Single-CD Neue Deutsche Welle 2005 und das dazugehörige Musik-Video des Berliner Rap-Musikers Fler veröffentlicht wurde, ging ein Aufschrei moralischer Empörung durch die deutsche Presselandschaft. Kritiker und Musik-Redakteure einschlägiger HipHop-Magazine ebenso wie von großen deutschen Tageszeitungen überschlugen sich mit Unheil verkündenden Schlagzeilen. Die teilweise durchaus reflektierten Kritiken sprachen jedoch nicht nur von Nazisymbolik und Fascho-Rap und schürten eine Hysterie, wie sie für das Thema „deutsch sein“ und „nationale Identität“ hierzulande nicht ungewöhnlich ist. Nein, einige sprachen auch von „street credibility“ die der deutsche Rap nun „endlich auch erreicht“ hätte und der Bildung einer „deutschen Community-Identität“ als einer von (bzw. inmitten von) vielen in einer multikulturellen Gesellschaft.

Der Künstler selbst und sein Platten-Label Aggroberlin reagierten in Stellungsnahmen erwartungsgemäß provokant – schließlich muss ein Skandalsong ja auch für die nötige Publicity sorgen.

Soweit scheint dies alles nicht besonders ungewöhnlich: Rapper spitzen ihre Aussagen gerne zu, drücken sich drastisch aus, beschwören Konflikte und die Presse nimmt dies auch gern zum Anlass, die eine oder andere Zeitung mehr zu verkaufen.

Initial für eine eingehendere Behandlung von NDW 2005 im Hinblick auf die Thematik Geschlecht und Repräsentation, und Augenöffner für die diesbezügliche Relevanz des Medientextes war ein Artikel in der taz vom 3. Mai 2005. Der Autor Tobias Rapp schreibt wie folgt über das Musikvideo:

„Dass Fler diese Wirksamkeit entfalten kann, liegt (…) an einer Angstfigur, die mit HipHop gar nichts zu tun hat und die Fler als erster in Deutschland mit einer solchen Sichtbarkeit verkörpert - das Schreckgespenst des Deutschen, der in einer von Ausländern dominierten Umwelt aufwächst.”

Um seine These zu unterstreichen zitiert Rapp den Musikers selbst: „,Bei mir war das so, dass ich viele ausländische Freunde hatte, die irgendwann gesagt haben, ich [wäre] kein Deutscher, weil die meine Art von Deutschen sonst nicht kennen. Deutsche kennen die halt nur so, dass die zurückhaltend sind. Die halten die Klappe, wenn's Stress gibt. Wenn du in Kreuzberg zur Schule gehst, da sind die Türken und die Araber die Coolen. Als Deutscher kriegst du da Probleme. Und entweder du zeigst den Leuten, dass du dich behaupten kannst, oder du hast ein Problem.’”

Es geht hier also einerseits um Männlichkeit, und andererseits um Ethnizität und nationale Identität. Diese beiden Kategorien – im erweiterten Sinne gender und race – bilden mit der dritten – class – einen maßgeblichen Forschungs- und Analyseansatz der Cultural Studies. Die Hypothese, dass die Analyse hinsichtlich dieser Kategorien – vorerst zumindest der ersten beiden – ein lohnender Ansatzpunkt für eine Beschäftigung mit dem Video birgt, liegt nahe.

Nach ersten Sichtungen des Musikvideos, der Gegenstand dieser Analyse ist, ergibt sich eine weitere Hypothese: Dass dieser Medientext derart kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert wird, könnte daran liegen, dass verschiedene – sich durchaus auch widersprechende – Diskurse eingebunden werden, und (noch wichtiger) Identitäten artikuliert werden, die teilweise offensichtlich dominante Diskurse bestätigen, während andere widerum bestehende Zeichensysteme aufbrechen, und widersprüchlich erscheinen. Letzteres scheint unter anderem anhand von “vorbelasteten” Symbolen und Zeichen zu geschehen, die eine Art von semiologischem Schock herbeiführen.[1]

2. Einleitung

Aus medienwissenschaftlicher Perspektive ist es nicht ungewöhnlich, in ein und demselben Text mehrere sich widersprechende Diskurse und Artikulationen von Identität vorzufinden, vielmehr sind es gerade die gefundenen Widersprüche, die eine Analyse befördern.[2] Von Interesse ist, dass dieser Medientext eine starke öffentliche Kontroverse ausgelöst hat, was ein eindeutiges Indiz für seine gesellschaftliche Relevanz ist, und als solches zur Kenntnis genommen werden muss. Diese Relevanz ist zugleich Anlass und Ansatz sich diesem Text zu nähern und ihn zu untersuchen.

Umso wichtiger ist es deshalb sich Widersprüche bewusst zu machen, was im Ansatz der Analyse ebenso deutlich werden sollte, wie in den angewendeten Methoden. Im Folgenden soll also das Erkenntnisinteresse sowie die Methodik dargelegt werden.

2.1 Erkenntnisinteresse

Die in der Vorbemerkung gestellten Hypothesen lassen folgende Fragen zu: Welche Identitäten hinsichtlich von gender, race/ethnicity und class werden in dem Video/Song artikuliert? Wie werden die betroffenen Diskurse eingebunden bzw. werden sie in Frage gestellt? Und schließlich: Konstruiert der Text neue Identitäten (hier ist insbesondere der Begriff von Männlichkeit und nationaler Identität von Interesse)?

Es ist nicht von Interesse, ob Fler ein Neo-Nazi ist und ob das Video rechtes Gedankengut verbreitet. Und es ist nicht von Interesse, ob dieses Video einen schlechten, manipulativen Einfluss auf jugendliche Rezipienten hat.

Es ist ferner nicht von Interesse, ob die eingesetzten Zeichen bewusst oder unbewusst verwendet werden, da dies erstens im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden kann und zweitens nicht zum Erkenntnisinteresse beiträgt.

2.3 Methodik

Das Mittel der Wahl für diese Arbeit ist ein post-strukturalistischer Ansatz der semiotischen Analyse wie ihn Ellen Seiter (1987) vertritt. Der Vorteil dieser Analyse-Methode ist, dass in einem ersten Schritt der Text auf rein technischer und denotativer Ebene wahrgenommen wird, und versucht wird in diesem ersten Schritt Bewertungen, Assoziationen und Vor-Urteile weitgehend auszuschließen. Aufgrund dieser ersten Beartbeitung können in einem zweiten Schritt Schlussfolgerungen gezogen werden, die sich auf Kontext und konnotative Ebenen beziehen.

Die Analyse soll in erster Linie textimmanent geschehen, es sollen jedoch auch Exkursionen möglich sein, wenn sie für die Analyse wichtig erscheinen.

3. Semiotische Analyse

Im Folgenden möchte ich einige Shots des Musikvideos NDW 2005 herausgreifen und analysierbar machen. Ich bin mir darüber bewusst, dass eine Selektion einzelner Stellen innerhalb eines Textes Auswirkungen auf die gesamte Analyse haben und das Ergebnis verfälschen kann. Ich muss dieses Risiko allerdings in Kauf nehmen, da eine Analyse des kompletten Videos den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Deshalb habe ich Shots ausgewählt, die meiner Meinung nach hinsichtlich der oben eingegrenzten Fragestellung am aufschlussreichsten erscheinen. Zur Vorgehensweise: Jeder der im Folgenden abgebildeten Frames wird in drei Kategorien festgehalten: 1. der Bildaufbau, 2. die rein denotative Ebene der Darstellung, 3. die Lyrics /Wortebene.

3.1 Shots: Bildaufbau, Denotation, Lyrics

Fler: NDW 2005, Länge: 3’59, Regie: Daniel Harder, Specter

Shot1, 0’07

1. Kamera: von Nah auf Close-up, gedimmtes key-light von links oben

2. Fler hält einen Adler auf dem Arm. Der Adler blickt direkt in die Kamera. Der Adler ist scharf und im Vordergrund, Fler im Hintergrund und verschwommen zu sehen.

3. Yeah, der erste Deutsche der richtig Welle schiebt, Fler,…

Shot 2, 0’12

1. Kamera: Halbnah, gedimmtes key-light von links oben

2. Fler hebt den Arm mit dem Adler. Der Adler schlägt mit den Flügeln, und erhebt sich in die Luft. Fler trägt einen schwarzen Mantel, eine schwarze Mütze und ein schwarzen T-Shirt mit einem schwarz-weiß Aufdruck, der das Gesicht des österreichischen Sängers Falco zeigt. Über dem T-Shirt hängt eine dicke Halskette.

3. ... die neue deutsche Welle, Aggro Berlin, 2005, yeah!

Shot 3, 0’24

1. Kamera: Detail

2. Ein Kühlergrill mit einem Mecedes-Stern in der Mitte ist zu sehen. Das dazugehörige Auto fährt.

[...]


[1] Seiter (1987, 31) geht davon aus, dass in bestimmten Situationen etablierte, dominante Konnotationen eines Zeichens destabilisiert werden können, oder das Zeichen sogar kurzfristig wieder auf seine denotative Ebene „restored“ werden kann, woraus sich eine Plattform für „competing ideological interpretations“ eröffnet. Potentiell ist somit die Möglichkeit für eine „production of counterideological connotations“ gegeben.

[2] Diese Ansicht bringen unter anderem Ang/Hermes (1987) sowie Haraway (1988) zum Ausdruck, wenn sie von „living within limits and contradictions“ sprechen.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Männlichkeit und Identität in Neue Deutsche Welle 2005 (Fler)
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Medienwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Geschlecht und Repräsentation II
Note
1.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V50968
ISBN (eBook)
9783638470544
ISBN (Buch)
9783638773157
Dateigröße
2194 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Männlichkeit, Identität, Neue, Deutsche, Welle, Geschlecht, Repräsentation
Arbeit zitieren
M.A. Florian Rosenbauer (Autor:in), 2005, Männlichkeit und Identität in Neue Deutsche Welle 2005 (Fler), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50968

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