Supply Chain Management im Kontext von Industrie 4.0

Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Einführung von SCM 4.0


Forschungsarbeit, 2019

41 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zielsetzung und Vorgehensweise

3 Industrie 4.0: Auswirkungen auf das SCM
3.1 Industrie 4.0
3.2 Supply Chain Management
3.2.1 Supply Chain Management - heute und morgen
3.3 Technologieansätze von Industrie 4.0 in einer Supply Chain

4 Masterplan SCM 4.0
4.1 SCM 4.0-Analyse
4.2 SCM 4.0-Zielbestimmung & Ideenfindung
4.3 SCM 4.0-Maßnahmenumsetzung

5 Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Horizontales Wertschöpfungsnetzwerk

Abbildung 2: Durchgängiges System-Engineering über die gesamte Wertschöpfungskette

Abbildung 3: Vertikale Integration und vernetzte Produktionssysteme

Abbildung 4: Beispielhafte Darstellung einer Supply Chain

Abbildung 5 Dimensionen des SCM 4.0 Modell

Abbildung 6 Dimension Smarte Logistics Objects

Abbildung 7 Dimension Smart Warehousing & Transportation

Abbildung 8 Dimension Connected Supply Chain

Abbildung 9 Dimension Data-driven Logistics

Abbildung 10 Dimension Smarte SCM Strategie und Organisation

Abbildung 11 Industrie 4.0 Technologien innerhalb des Reifegradmodells

Abbildung 12 Business Model Canvas

Abbildung 13: Gartner Hype Cycle von 2017 – Manufacturing Technology

Abbildung 14 Erforderliche Ebenen zur ganzheitlichen Einführung und Umsetzung von SCM 4.0

Abkürzung Bedeutung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Durch den gesellschaftlichen Wandel, die Globalisierung der Wirtschaft, das Bedürfnis nach Individualisierung von Angeboten, eine Verringerung der Fertigungstiefe sowie einen zunehmenden Kostendruck, ist es für Unternehmen entscheidend, die Wert- schöpfungsketten effektiv, effizient und flexibel zu gestalten. (vgl. Forstner und Dümm- ler, 2014, S. 199) Dadurch steht insbesondere das Supply Chain Management (SCM) vor Aufgaben von bisher unbekannter Komplexität. Als Konsequenz wird seit mehreren Jahren über die Einführung einer Vielzahl von Technologien aus dem Konzept „Indust- rie 4.0“ diskutiert. Diese ermöglichen eine intelligente Vernetzung von Menschen, Ma- schinen und Prozessen und sorgen für eine Steigerung der Effizienz, Flexibilität und Transparenz entlang der Supply Chain (SC). Die Einführung von Industrie 4.0 wird so- mit mittelfristig das gesamte SCM grundlegend verändern. Der Weg hin zur vollständi- gen Digitalisierung der gesamten Supply Chain ist komplex und muss schrittweise um- gesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass durch die steigende Globalisierung die einzelnen Standorte auf der ganzen Welt verteilt sind und auch, dass die IT-Systeme, Maschinen und Prozesse nicht identisch sind. Dies stellt das SCM vor großen Heraus- forderungen, den Weg zu Supply Chain Management 4.0 (SCM 4.0) anzugehen.

2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Durch die oben genannten Veränderungen der Ansprüche an das SCM sowie die ra- sant voranschreitende Digitalisierung, ist es interessant zu untersuchen, wie sich das SCM in der Zukunft verändern wird und wie es den Weg zu SCM 4.0 erfolgreich meis- tern kann.

Zielsetzung dieser Arbeit ist es, aus Sicht des SCM Industrie 4.0 Technologien und deren Vorteile und Potenziale für die Supply Chain darzustellen. Zudem soll ein Vorge- hensmodell zur Einführung von SCM 4.0 entwickelt werden, welches Supply Chain Managern als grober Leitfaden und Rahmen zur ganzheitlichen Einführung und Um- setzung von Industrie 4.0 Technologien dienen kann.

In Angebracht der Zielsetzung wird die Arbeit in zwei Hauptteile unterteilt. Der erste Abschnitt behandelt die zum Verständnis notwendigen theoretischen Grundlagen zum bearbeiteten Thema. In diesem Kontext werden die Begrifflichkeiten Industrie 4.0 und Supply Chain Management näher beleuchtet. Ergänzend hierzu wird der Einfluss der Industrie 4.0 auf das SCM analysiert und inwiefern sich das heutige SCM in der Zu- kunft diesbezüglich verändern wird. Darauf aufbauend befasst sich ein weiteres Unter- kapitel mit den Industrie 4.0 Technologien in einer Supply Chain. Dies stellt ein wesent- licher Bereich dieser Arbeit dar, da sich durch die Kombination dieses Bereichs mit den Grundlagen des SCMs, die Auswirkungen und Potenziale von Industrie 4.0 auf das SCM bestimmen lassen.

Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Entwicklung eines Vorgehensmodell zur Ein- führung von SCM 4.0. Als Grundlage dieses Modells dienen verschiedene Methoden und Modelle aus der Literatur zur Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0 in Un- ternehmen. Diese werden angepasst, umso für die Entwicklung und Umsetzung des SCM 4.0 Modells dienen zu können. Abschließend werden die wesentlichen Ergebnis- se zusammengefasst und es wird ein Ausblick in die Zukunft gegeben.

3 Industrie 4.0: Auswirkungen auf das SCM

3.1 Industrie 4.0

Bevor der Begriff inhaltlich erläutert wird, soll zunächst die Begriffsgrundlage darge- stellt werden. Der Begriff Industrie 4.0 wird von der vierten industriellen Revolution ab- geleitet, welche das Zeitalter der Vernetzung von Maschinen und Softwaresystemen darstellen soll. Die Bezeichnung basiert auf den vorangegangenen industriellen Revo- lutionen. Die erste industrielle Revolution steht für die ersten mechanischen Anlagen ab 1784, welche von Dampfmaschinen angetrieben wurden. Wenig später folgte 1870 die Einführung von Fließbändern in der Produktion und 1969 schließlich die erste Nut- zung von Informationstechniken, z. B. SPS-Programmen1, welche die Wirtschaft und Produktion seither unterstützen und nicht mehr wegzudenken sind. (vgl. Huber, 2016, S. 4) Der Begriff Industrie 4.0 wurde erstmals auf der Hannover Messe 2011 genutzt. (vgl. Huber, 2016, S. 1) und anschließend in der Hightech-Strategie der Bundesregie- rung geprägt. Heute stellt dieser eine Marketingstrategie zur Realisierung der weltwei- ten Entwicklung des „Internets der Dinge“2 dar. (vgl. Botthof und Hartmann, 2015, S. 3) Diese Strategie eröffnet zugleich eine Möglichkeit, welche der zukünftigen Verknüpfung von Produktion und Informationstechnik dienen soll, um nicht nur den wachsenden Kundenwünschen nachzukommen, sondern auch die Prozesse durch digitale Vernet- zung der Maschinen untereinander zu optimieren. Die Industrie 4.0 erneuert somit die Grundlagen zur Steuerung der Wertschöpfungskette von Konstruktion bis zur Ausliefe- rung des fertigen Produkts und den damit verbundenen Serviceleistungen der Unter- nehmen für Kunden. (vgl. Bauer, W., Schlund, S., Marrenbach, D., & Ganschar, O., Abs1:6)

Durch die Neustrukturierung dieser Steuerung, wird nach Sendler in Zukunft nicht mehr die Maschine im Mittelpunkt der Produktion stehen, sondern fortan der Benutzer die zentrale Rolle in der Wertschöpfungskette einnehmen. (vgl. Sendler, 2016, S. 9) Somit soll ermöglicht werden, dass die Produkte und Prozesse entlang der Wertschöpfungs- kette digital vernetzt sind. Ziel dieser intelligenten Vernetzung ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit, Koordination und Transparenz entlang der gesamten Supply Chain vom Rohstofflieferant bis hin zum Konsumenten. (vgl. Dream Car, 2015, S. 4)

Von Januar bis Oktober 2012 erarbeitete der Arbeitskreis Industrie 4.0, welcher sich aus 80 Experten aus Praxis, Wissenschaft und Verbänden zusammensetzt, erste Um- setzungsempfehlungen zu Industrie 4.0. Durch den Arbeitskreis sollten branchenüber- greifend Technologien, Standards, Geschäfts- und Organisationsmodelle entwickelt und die praktische Umsetzung beschleunigt werden. (vgl. Dream Car, 2015, S. 4) Der dazugehörige Abschlussbericht mit den Umsetzungsempfehlungen wurde Bundes- kanzlerin Merkel auf der Hannover Messe 2013 überreicht (vgl. Dream Car, 2015, S. 3). Im Abschlussbericht wurden acht Handlungsfelder zur Umsetzung von Industrie 4.0 definiert:

- „ Sicherheit als erfolgskritischer Faktor
- Rechtliche Rahmenbedingungen
- Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung im digitalen Industriezeitalter
- Normung , Standardisierung und offene Standards für eine Referenzarchitektur
- Beherrschung komplexer Systeme
- Flächendeckende Breitbandinfrastruktur für die Industrie
- Aus - und Weiterbildung
- Re ssourceneffizienz
- Neu e Geschäftsmodelle“ (Botthof und Hartmann, 2015, S. 3)

Nachdem nun die Begriffsgrundlage erläutert ist, soll nun eine Definition zum Begriff Industrie 4.0 vorgestellt werden. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl verschiedener Definitionsansätze für den Begriff. Für ein einheitliches Verständnis des Begriffs hat der Lenkungskreis der Plattform Industrie 4.0 eine Defini- tion entwickelt. Daher bezieht sich auch diese Arbeit auf diese Definition: (vgl. Dream Car, 2015, S. 4)

„Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten. […] Durch die Verbindung von Menschen, Ob- jekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst orga- nisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie bspw. Kosten, Verfügbarkeit und Ressour- cenverbrauch optimieren lassen.“ (Dream Car, 2015, S. 4)

Industrie 4.0 bietet zahlreiche Chancen, um nicht nur die Effizienz der Herstellungspro- zesse zu verbessern, sondern innerhalb der kompletten Supply Chain nachhaltig zu verbessern (vgl. Roth, 2016, S. 6). Die zunehmende Digitalisierung führt zu einer ver- stärkten Integration aller beteiligten Akteure. In dem Dream Car Bericht wird diese Zu- kunftsvision anhand von drei Merkmalen näher beschreiben. (vgl. Dream Car, 2015, S. 5–6) Das erste Merkmal ist die horizontale Integration über Wertschöpfungsnetz- werke (siehe Abbildung 1), das heißt die Vernetzung zwischen verschiedenen Unter- nehmen und die Integration verschiedener Prozessschritte, zwischen denen ein Mate- rial-, Finanz und Informationsfluss verläuft. (vgl. Forstner und Dümmler, 2014, S. 199)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Horizontales Wertschöpfungsnetzwerk (vgl. Dream Car, 2015, S. 5)

Das zweite Merkmal ist die die Durchgängigkeit des Engineerings über die ge- samte Wertschöpfungskette. Damit ist, die Verschmelzung der digitalen und der rea- len Welt zur Erzeugung einer virtuellen Abbildung und Vernetzung des gesamten Pro- duktlebenszyklus und das damit verbundene Produktionssystem, gemeint (vgl. Lars Fend, 2018, S. 76). Das Ziel ist es einen durchgängigen Informationsfluss zu schaffen (vgl. acatech, 2013, S. 35). Wie die Abbildung 2 zeigt wird die heutige Situation mit vielen Schnittstellen, durch ein durchgängiges Engineering, zu einer durchgängigen Lösung transformiert. Grundvoraussetzung dafür sind einheitliche Schnittstellen ent- lang der Wertschöpfungskette. (vgl. Dream Car, 2015, S. 6)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Durchgängiges System-Engineering über die gesamte Wertschöpfungskette (vgl. Dream Car, 2015, S. 6)

Das dritte Merkmal ist die vertikale Integration und Vernetzung zwischen Berei- chen oder Abteilungen innerhalb eines Unternehmens (siehe Abbildung 3) mit dem Ziel der Integration verschiedener IT-Systeme zu einer durchgängigen Lösung (vgl. Forstner und Dümmler, 2014, S. 199). Speziell in der Produktion sollen IT-Systeme zu einer durchgängigen Lösung verknüpft werden, umso eine flexiblere und dynamischere Planung und Steuerung zu ermöglichen (vgl. Dream Car, 2015, S. 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vertikale Integration und vernetzte Produktionssysteme (vgl. Dream Car, 2015, S. 6)

3.2 Supply Chain Management

Der Supply Chain Begriff wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Es konnte bis heute keine einheitliche Definition herausgearbeitet werden (vgl. Kersten, 2014, S. 104). Der Ursprung des SCM liegt in den USA. Anfang der 80er Jahren wurde der Begriff dort von den angloamerikanischen Consultants geprägt (vgl. Werner, 2017, S. 3–6). Im Deutschen wird die Supply Chain auch als Liefer-, Logistik-, Versorgungs- oder Wert- schöpfungskette bezeichnet. Trotz unterschiedlicher Sichtweisen hinsichtlich einer De- finition der Supply Chain existiert Einigkeit über bestimmte Eigenschaften: Zum einen bilden rechtlich unabhängige Unternehmen eine Supply Chain, zum anderen sind diese durch Material-, Informations- und Finanzflüsse miteinander verbunden. (vgl. Kersten, 2014, S. 104)

Im Rahmen dieser Arbeit soll von folgender Definition eines SCM in Anlehnung an Eßig et al. (2013, S. 41) ausgegangen werden:

„Supply Chain Management ist die kooperative Koordination von Material-, In- formations- und Finanzmittelflüssen in Unternehmensnetzwerken durch Schaf- fung integrativer, funktionsübergreifender Führungs- und Ausführungsprozesse mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile bei Endkunden zu realisieren und somit die Wirtschaftlichkeit des Gesamtnetzwerkes zu erhöhen.“

Wie in der Definition zu lesen, handelt es sich bei einer umfassenden Supply Chain weniger um eine "Kette" - im Englischen "Chain" - sondern vielmehr um ein komplexes und dynamisches Unternehmensnetzwerk, indem alle Beteiligten der Supply Chain (Rohstofflieferanten, Baugruppenlieferanten, Produzent, Großhändler, Einzelhändler und Kunden) miteinander vernetzt sind. (vgl. Eßig, Hofmann und Stölzle, 2013, S. 5–6) Dies zeigt auch die Abbildung 4.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Beispielhafte Darstellung einer Supply Chain (vgl. Wieland und Wallenburg, 2011)

Das "Denken in Ketten" wird häufig auf den sogenannten "Bullwhip Effekt" zurückge- führt. Dieser Effekt wird nach seinem Entdecker auch "Forrester Effekt" genannt und beschreibt das Problem, dass sich leichte Schwankungen in der Nachfrage durch den Endkunden über die Wertschöpfungskette bis zu den Rohstoffherstellern zu immensen Schwankungen aufschaukeln können. (vgl. Werner, 2017, S. 29) Der Bullwhip Effekt hat drei Auslöser- bzw. Verstärkereffekte (vgl. Rainer Völker, 2004, 3,4). Im Folgenden werden diese Effekte, nach Syska (2006, S. 34–36), kurz erläutert.

- Der Burbidge-Effekt: bezeichnet die überproportionalen Änderungen in der Be- stellmenge die durch unterschiedlichen Bestellperioden der Kunden, die zuei- nander nicht synchronisiert sind, entstehen.
- Der Forrester Effekt: bezeichnet die zeitliche Verzögerung zwischen der Ände- rung der Nachfrage und der Erkennung dieser Änderung und den damit ver- bundenen Verzögerungen in der Verarbeitung, Produktion und Distribution, was zu einer geringeren Planungssicherheit führt.
- Zu hohe Sicherheitsbestände und inkonsequente Losgrößen: führen zu einer Erhöhung der Nachfrage in den folgenden Supply Chain.

Diese Effekte sind zurückzuführen auf eine zu geringe Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen und Abteilungen und dem damit verbundenen niedrigem Informations- austausch (vgl. Syska, 2006, S. 34–36). Der empirisch zu beobachtende "Bullwhip Ef- fekt" mit seiner eindringlichen Kettenbetrachtung hat u.a. dazu geführt, dass sich die Bezeichnung "(Supply) Chain" und nicht der zutreffendere Begriff Netzwerk ("Network") etabliert hat. (vgl. Eßig, Hofmann und Stölzle, 2013, S. 7)

Die Aufgaben und Anforderungen eines SCMs leiten sich aus den allgemeine Unter- nehmensleitlinien ab. Daher ist das Ziel aller Beteiligten moderner Lieferketten insbe- sondere Kosten-, Leistungs- oder Qualitätsverbesserungen. Die Aufgaben des SCMs lassen sich grundsätzlich in zwei Bereiche eingliedern. Auf der einen Seite sollen intri- gierte Unternehmensaktivitäten in Form von Versorgung, Entsorgung und Recycling aufrechterhalten werden. Auf der anderen Seite steht das Beziehungsmanagement zwischen den Netzwerkpartnern untereinander, dass einen Balanceakt repräsentiert, welcher durch das SCM auszuloten gilt. (vgl. Werner, 2017, S. 29)

3.2.1 Supply Chain Management - heute und morgen

SCM spielt heute eine wichtige Rolle in Unternehmen. Durch die Globalisierung und das Bedürfnis nach Individualisierung und Personalisierung von Angeboten, einem wachsenden Anteil an Dienstleistungen, einer Verringerung der Fertigungstiefe und einem zunehmenden Kostendruck, ist es für Unternehmen entscheidend die Wert- schöpfungsketten effektiv, effizient und flexibel zu gestalten. Aufgrund der hohen Vola- tilität und Dynamik heutiger Märkte müssen Wertschöpfungsnetzwerke die Fähigkeit besitzen, sich schnell an Änderungen und disruptive Ergebnisse anzupassen. (vgl. Forstner und Dümmler, 2014, S. 199)

In den vergangenen Jahren hat bspw. die deutsche Automobilindustrie den Fokus vermehrt auf die Optimierung der Produktivität und Mäßigung der Variantenvielfalt ge- legt. Die Wertschöpfungsstrukturen sind dieselben geblieben. Nach wie vor bestimmt der Takt die Produktion und ist, ganz nach dem Tayloristischen-Prinzip3, zusammen mit dem Band, das Herzstück der Wertschöpfungspyramide. Nach Autor Bauernhansl wird dies zukünftig nicht mehr funktionieren. Da durch die Festlegung des Taktes das Produktionsvolumen und die Flexibilität bestimmt werden und mit der Verknüpfung der Wertschöpfungsschritte, die Anzahl der Varianten und die Variantenflexibilität limitie- ren. (vgl. Bauernhansl, Hompel und Vogel-Heuser, 2014, S. 31) Daher muss sich die Wertschöpfungskette dem Trend, dass Produkte immer individueller werden, stark an- passen. Sie muss stark automatisiert sowie digitalisiert werden, um das Produkt im Serienprozess zu vertretbaren Kosten zu fertigen. (vgl. Kaufmann, 2015, S. 17)

Wie die Abbildung 2 zeigt, nutzen die Handelspartner in der Supply Chain selbst heute noch verschiedene Softwaresysteme zur Verknüpfung von z. B. Liefersystemen, La- gerbeständen und Abrechnungssystemen etc. (vgl. Dream Car, 2015, S. 5–6). Dies erschwert Unternehmen den Zugriff auf die Daten ihrer erweiterten Lieferkette, um die- se zur Entscheidungsfindung zu analysieren (vgl. GT Nexus, 2016, S. 7). Zukünftig soll durch ein digitales durchgängiges System-Engineering die Komplexität der technischen Systeme beherrschbar gemacht werden. Durch Informationsaustausch in Echtzeit flie- ßen Daten, wie bspw. Kundenanforderungen und daraus abgeleitete Konstruktionsda- ten, direkt in die Produktionsvorgänge (bzw. in die System Engineering Proze ssen) mit ein.

In der Supply Chain von morgen, müssen Kunden nicht mehr aus einem fest vorgege- benen Produktspektrum wählen, sondern können gewünschte Einzelfunktionen frei kombinieren. Der Kunde entwirft somit sein Produkt selbst. Dies soll durch ein durch- gängiges digitales System Engineering realisiert werden. (vgl. Dream Car, 2015, S. 5– 6) Dies ermöglicht eine Steigerung der Produktivität und der Kundenzufriedenheit (vgl. Forstner und Dümmler, 2014, S. 199).

Nach den Ergebnissen der im Jahr 2016 veröffentlichten Studie „Digitale Transformati- on der Supply Chain - Stand heute und in 5 Jahren“ von GT Nexus, wird sich die Supp- ly Chain aufgrund der Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren grundlegend verän- dern. So werden Unternehmen im Vergleich zu heute mehr Daten mit ihren Lieferanten teilen, mit ihnen enger zusammenarbeiten, sie enger in den Planungsprozess einbin- den und eine höhere Transparenz in Echtzeit in die Prozesse ihrer Lieferanten haben. (vgl. GT Nexus, 2016, S. 10)

Mit der Einführung von Industrie 4.0 wird nicht nur die Supply Chain vor neue Heraus- forderungen gestellt, sondern vor allem auch das Management. Etablierte Branchen- grenzen verschwinden durch die Neuorganisation der Wertschöpfungsprozesse. Dadurch entstehen, neue übergreifende Handlungsfelder und bisher ungeahnte Ko- operationen werden möglich bzw. erforderlich. Des Weiteren wird durch eine fortschrei- tende Integration der Supply Chain Partner notwendig, bestimmte Rahmenbedingun- gen, wie Verantwortlichkeiten und rechtliche Zuständigkeiten, festzulegen. Die heuti- gen Managementansätze sind so weiterzuentwickeln, dass diese nicht nur einen Standort bzw. Teilsystem betrachten, sondern den gesamten Produktionsverbund in einem hohen Detailgrad berücksichtigen. Die verschiedenen Teilsysteme sind durch die Industrie 4.0 Technologien vernetzt, synchronisiert und stehen miteinander in Inter- aktion. Dies ermöglicht ein kurzfristiges Umlenken von Materialflüssen, um entspre- chend flexibel auf Nachfrageänderungen oder sonstige Ereignisse reagieren zu kön- nen. Die Informationen, wie Entscheidungen über Materialflüsse, werden dabei über die SC-Cloud, als virtuelle Zentrale, für alle Beteiligten der Supply Chain in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Für das SCM ergibt sich damit, dass Cloud Computing eine wichti- ge Schlüsseltechnologie zur unternehmensübergreifenden Vernetzung darstellt. (vgl. Kersten, 2014, S. 109–111)

Des Weiteren wird sich die operative Ebene des SCM verändern. Durch die zuneh- mende Automatisierung wird es auf der operativen Ebene nur noch vereinzelt erforder- lich sein, in den Materialfluss einzugreifen. Dementsprechend wird das SCM nur noch übergeordnete Entscheidungen taktischer und strategischer Art treffen.

Auch die Bestandsverwaltung wird sich hinsichtlich neuer Technologien verändern. Zurzeit dienen Sicherheitsbestände vermehrt als Pufferfunktion, um gegen die oft schwer vorherzusagenden Auftragsschwankungen gewappnet zu sein. Dies verursacht jedoch erhebliche Kapitalbindungskosten. Durch verschiedene Industrie 4.0 Technolo- gien, wie bspw. Big Data oder RFID, können durch verlässliche Echtzeitinformationen die Sicherheitsbestände entscheidet verringert werden. (vgl. Kersten, 2014, S. 109– 111) Diese Möglichkeit reduziert die Bestandskosten, laut Bauernhansl et. al. (2014 S. 31), um 30 bis 40 Prozent. Zudem wird dadurch das Risiko eines Bullwhip Effekts ge- mindert (vgl. Kersten, 2014, S. 109–111).

3.3 Technologieansätze von Industrie 4.0 in einer Supply Chain

In dem folgenden Abschnitt wird beleuchtet, welche Auswirkungen die Industrie 4.0 Technologien auf die Supply Chain haben und welchen Effekt diese Neuerungen auf das Management der Supply Chain haben können.

Wie bereits im vorherigen Abschnitt erklärt, wird die Einführung von Industrie 4.0 mittel- fristig die gesamte Supply Chain grundlegend verändern. Im Hinblick auf die Einfüh- rung von Industrie 4.0 in der Supply Chain sei an dieser Stelle auf das MTO-Konzept4 von Ulich verwiesen. Die Einführung neuer Technologien in einem Unternehmen kann nach Ulich (1997) nur dann den angestrebten Erfolg bewirken, wenn sowohl Mensch, Technik und Organisation in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und ihrem Zusammen- wirken beachtet werden. (vgl. Kersten, 2014, S. 105–109) Als Konsequenz hieraus lässt sich ableiten, dass bei der Umsetzung von SCM 4.0 (Abschnitt Masterplan SCM 4.0), welche zunächst mit den technologischen Neuerungen in Verbindung gebracht wird, auch Mensch und Organisation Berücksichtigung finden müssen. (vgl. Kersten, 2014, S. 105–109)

Heutzutage können globale Lieferketten problemlos hunderte, sogar tausende ver- schiedene Handelspartner auf der ganzen Welt aufweisen. Daher ist das Ergebnis der Studie von GT Nexus besonders erstaunlich, da knapp die Hälfte der Befragten (48%) angaben, dass die Kommunikation mit ihren Lieferkettenpartnern überwiegend mit den "traditionellen" Technologien wie bspw. Telefon, Fax und E-Mail abläuft. Durch die ma- nuellen Prozesse wird die Kommunikation entlang der Supply Chain erschwert und macht sie fehleranfällig. (vgl. GT Nexus, 2016, S. 7–8) Ebenfalls in der Studie von GT Nexus, nannten die Teilnehmer als wichtigste Technologien zur Digitalisierung der Lie- ferkette Supply Chain Visibility5 Plattformen/Lösungen, Big Data/Analysen, Cloud und Simulationstools (vgl. GT Nexus, 2016, S. 8). Demnach sind cloudbasierte Technolo- gien der Schlüssel für Unternehmensübergreifende Prozesse, Zusammenarbeit und Datenaustausch in der Supply Chain und die Cloudfähige Software ist das Herzstück zur Digitalisierung von Unternehmen. (vgl. GT Nexus, 2016, S. 8)

Im Folgenden sollen die Industrie 4.0 Schlüsseltechnologien bzw. Technologiefeldern und deren Auswirkungen auf die Supply Chain beschrieben werden (vgl. Kersten, 2014, S. 105–109).

[...]


1 „SPS = Speicherprogrammierbare Steuerung (werden zur Steuerung oder Regelung von Ma- schinen und Anlagen eingesetzt)“ Katharina Juschkat (8. November 2018).

2 Das Internet der Dinge ist ein Sammelbegriff für Technologien die es ermöglichen, dass physi- sche und virtuelle Objekte miteinander vernetzt sind und kommunizieren können Wikipedia (2019).

3 Industrielle Arbeitsteilung. Trennung von Hand- und Kopfarbeit, Kontrolle der Arbeiter, Stan- dardisierung vgl. Peter Berger (2015).

4 Abk. für Mensch, Technik, Organisation

5 Supply Chain Visibility (SCV) bedeutet die Schaffung von Transparenz in globalen Lieferketten vgl. Geert-Jan Gorter (2016).

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Supply Chain Management im Kontext von Industrie 4.0
Untertitel
Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Einführung von SCM 4.0
Hochschule
Hochschule Ruhr West  (Maschinenbau)
Veranstaltung
Forschungsprojekt
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
41
Katalognummer
V511733
ISBN (eBook)
9783346107329
ISBN (Buch)
9783346107336
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Supply Chain Networ, Supply Chain, Augmented Reality, Cyber-Physischen Produktionssysteme, Cyber-Physische Systeme, Digitale Fabrik, Machine-to-Machine, Supply Chain Network, Industrie 4.0, I4.0, SCM, Supply Chain Management, SCM 4.0, Reifegradmodell, Einführung, Einführung Industrie 4.0, Digitalisierung, Digitalisierungsprojekt, Digitalisierungsvorhaben, Projekt, CPS, Cloud, Cloud Computing, Industrie, Zukunft, Zukunft SCM
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Supply Chain Management im Kontext von Industrie 4.0, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511733

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